[Quelle: Aden Nak, via Andrew Sullivan]
[Quelle: Aden Nak, via Andrew Sullivan]
Ich werde mir heute die Nacht um die Ohren schlagen und so ab 2 Uhr die Vizepräsidentschaftsdebatte (die bestimmt aufregender wird als die erste Debatte von Obama und McCain) nebenan im Fernsehlexikon live begleiten — möglicherweise sogar mit Unterstützung durch den unnachahmlichen Herrn Schwenzel.
Zur Einstimmung das aktuelle Cover des „New Yorker“:
Ein Reporter von „Fox News“, Rupert Murdochs rechtem Nachrichtensender (nach wie vor der mit Abstand meistgesehene Nachrichtensender in den USA), demonstriert anhand einer kleinen Abstimmung in einem Restaurant, wie sehr die Wähler in Pennsylvania zwischen Barack Obama und John McCain „gespalten“ sind:
(Man beachte auch sein eigenes Abstimmungsverhalten und das ältere Ehepaar im Hintergrund, das sich erst verwählt.)
[via Roy Greenslade, via Newshounds]
Gestern saß ich im Flugzeug in der gleichen Reihe wie Tita von Hardenberg. Sie saß zwei Plätze weiter, auf der anderen Seite des Gangs, und ich habe sie erst nicht gesehen oder erkannt. Ich war müde, hatte einen blöden Mittelplatz und war vollauf damit beschäftigt, mich nicht über den Mann zu ärgern, der neben mir saß und gut gelaunt und kommunikationsfreudig war.
Als ich dann ahnte, dass die Frau auf der anderen Seite des Gangs Tita von Hardenberg sein könnte, war es zu spät. Ich hatte schon einmal, als sie rüberguckte, weggeguckt, so als wollte ich so tun, als hätte ich sie nicht erkannt, dabei hatte ich sie wirklich noch nicht erkannt, und nun erschien es mir (insbesondere nachdem mir einfiel, was ich als letztes über Tita von Hardenberg geschrieben hatte) aus einem schwer zu erklärenden Grund am besten, tatsächlich so zu tun, als hätte ich sie nicht erkannt, obwohl ich sie erkannt hatte, weshalb ich nun angestrengt entspannt abwechselnd las, nach vorne starrte und schlief.
Das klappte als Nichtkommunikationsstrategie so lange, bis wir in Berlin landeten und der Mann neben mir aufstand und sagte: „Ich kenn‘ dich irgendwoher.“ Ich erkannte ihn nicht, was kein Wunder war, weil ich mich ungefähr nie an Gesichter und Namen erinnern kann (vermutlich ein Selbstschutzmechanismus meines Gehirns, das mich auf diese Weise davor zu bewahren versucht, mich in meiner sozialen Inkompetenz ununterbrochen in ähnlichen Ich-tu-einfach-als-hätte-ich-sie-nicht-erkannt-Kamikaze-Routinen zu verheddern). Ich sagte also meinen Namen, und er stellte sich vor und sagte: „Ah, wir sind uns beim Grimme-Online-Award mal begegnet.“
Und dann zeigte er auf Tita von Hardenberg und mich und sagte: „Aber dann kennt ihr euch doch auch!“
Und ihr fiel nichts Besseres ein, als zu sagen: „Ja, er hat ganz gemein über uns geschrieben.“
Und mir fiel nichts Besseres ein, als zu sagen: „Es war aber auch wirklich nicht gut.“
Dann war zum Glück der Weg zum Ausgang frei, und wir hatten zum Glück alle kein Gepäck, auf das wir gemeinsam hätten warten müssen. Geblieben ist aber leider dieses Gefühl, dass die ganze Situation ungefähr so peinlich war wie die durchschnittliche RTL-2-Doku-Soap, nur ohne Fernbedienung.
Aber bestimmt hilft es mir, diese Peinlichkeit mit einer größeren Öffentlichkeit zu teilen.
Die Startseite des Kölner „Express“ wirbt aktuell mit diesen Inhalten um die Aufmerksamkeit des Publikums:
Beim Klick auf den Teaser oben rechts kommt man auf einen Artikel, der so beginnt:
Die Geschichte über den Selbstmordversuch der beiden Frauen (von express.de falsch als „Amoklauf“ bezeichnet) erzählt express.de vollständig im Präsens und ohne Zeitangabe, so als habe sie sich aktuell ereignet. Dazu gibt es eine 17-teilige Bildergalerie mit „krassen“ Fotos.
Die Online-Leute vom „Express“ haben aus einem von der BBC ausgestrahlten und auch auf YouTube zu sehenden Film eine Diashow gemacht. Natürlich verlinken sie nicht auf die Quelle selbst. Und natürlich schreiben sie nicht dazu, wann sich der Vorfall ereignete.
Im vergangenen Mai.
(Aber ich bin sicher, auch diese Leute würden sich auf Nachfrage als Journalisten bezeichnen.)
[via Klaus Helfrich]
Nachtrag, 23:45 Uhr. Das passt ja: Das Foto von Sarah Palin in dem oben abgebildeten Teaser, mit dem express.de für einen weiteren, äh, Artikel wirbt, ist ein Fake. Der Artikel erklärt zwar — korrekt — dass express.de „echte und gefälschte“ Fotos zeige. Nur die Unterscheidung hat nicht geklappt. Aber wen kümmert’s: Sind halt krasse Fotos.
[via Johan in den Kommentaren]
So bebildert die Koblenzer „Rhein-Zeitung“ heute die Festnahme von zwei Männern in einem Flugzeug auf dem Flughafen Köln-Bonn, die nach Angaben des Landeskriminalamtes „völlig unspektakulär“ und ohne eine „Erstürmung“ der Maschine abgelaufen ist:
Unter das Bild hat die Zeitung folgenden Text geschrieben:
Schneller Zugriff: Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei hat zwei mutmaßliche Terroristen auf dem Köln-Bonner Flughafen gefasst. Unser Foto zeigt eine entsprechende Einheit bei einer Übung in voller Kampfmontur. Der Ernstfall in Köln lief nicht ganz so spektakulär ab. Die Polizisten, die den Zugriff ausführten, näherten sich den ahnungslosen Islamisten eher unauffällig.
[via Torsten Kleinz]
(Ach so, und von welchem Medium stammte ursprünglich die Falschmeldung, die Maschine sei „gestürmt“ worden? Richtig.)
Ich glaube, die beste Art, diesen amerikanischen Wahlkampf zu genießen, ist es, vollständig zu verdrängen, dass es in ihm um eine nicht ganz unwichtige Entscheidung von globalen Ausmaßen geht. Hat man das geschafft, kann man sich entspannt zurücklehnen und gemeinsam mit dem größten Publikum der Welt die unterhaltsamste Show der Welt verfolgen. Voller Dramatik, überraschender Wendungen, überzeichneter Charaktere — und brüllender Komik.
Über 1,7 Millionen Mal ist in den vergangenen rund 24 Stunden allein dieser Zusammenschnitt der „Late Show“ bei YouTube angesehen worden, in der David Letterman John McCain vernichtet, nachdem er kurzfristig den Auftritt in seiner Sendung abgesagt hatte. (Ausführlicher hat Michael nebenan im „Fernsehlexikon“ über den Wahlkampf als Comedyfutter geschreiben.)
Aber man braucht eigentlich nicht einmal die durch Leute wie Letterman oder Jon Stewart verwurstete Form. Das Rohmaterial reicht völlig.
Man muss dafür natürlich diese Art der Komik mögen, die fast vollständig aus der Unerträglichkeit von Situationen entsteht — eine Art Comedy, die zu 98,3 Prozent aus Peinlichkeit besteht. Für deren Beschreibung fehlt uns im Deutschen eigentlich ein Wort. To cringe nennt der Engländer das Verhalten, wenn sich die Fußnägel aufrollen, der ganze Körper verkrampft und man sich mit einem Zischgeräusch durch die Zähne vom Bildschirm abwenden muss. (Die von LEO vorgeschlagenen Übersetzungen „erschaudern“ und „zusammenzucken“ treffen es nicht annähernd.) [Mehrere Kommentatoren schlagen, zu Recht, „fremdschämen“ als treffende Übersetzung vor.]
Es ist der Humor, auf dem „Stromberg“ (oder nochmehr das Original „The Office“) beruhen, aber auch amerikanische Fernsehserien wie „Curb Your Enthusiasm“ oder, große Kaufempfehlung: „The Comeback“).
Sie könnte aus einer dieser Produktionen stammen, die Szene aus Ohio, wo John McCain, der seinen Wahlkampfbus früher den „Straight Talk Express“ nannte, die Fragen der mitreisenden Reporter ignorierte, bis ihm ein Journalist zurief, ob das nun der „No Talk Express“ sei:
(Am besten ist die Helferin, die man danach rufen hört: „Ok, pool, back to the vans! — That was fun.“)
Unumstrittene Hauptdarstellerin in dieser großen Unterhaltungsshow aber ist Sarah Palin, die sich als Naturtalent herausgestellt hat und vermutlich dafür sorgt, dass Heerscharen von Komikern sich einen ordentlichen Beruf zulegen, weil sie wissen, dass sie nie so gut so schlecht — so cringeworthy sein werde. Dieser Moment in dem Interview, das CBS-Nachrichtenmoderatorin Katie Couric mit ihr geführt hat, ist mein Favorit:
Aber es lohnt, sich das Interview ganz anzusehen oder durchzulesen (Teil 1, Teil 2).
Die (konservative) Kolumnistin Kathleen Parker hat den Effekt wunderbar in der (konservativen) „National Review“ beschrieben:
Palin’s recent interviews (…) have all revealed an attractive, earnest, confident candidate. Who Is Clearly Out Of Her League.
No one hates saying that more than I do. Like so many women, I’ve been pulling for Palin, wishing her the best, hoping she will perform brilliantly. I’ve also noticed that I watch her interviews with the held breath of an anxious parent, my finger poised over the mute button in case it gets too painful. Unfortunately, it often does. My cringe reflex is exhausted.
Palin filibusters. She repeats words, filling space with deadwood. Cut the verbiage and there’s not much content there. Here’s but one example of many from her interview with Hannity: „Well, there is a danger in allowing some obsessive partisanship to get into the issue that we’re talking about today. And that’s something that John McCain, too, his track record, proving that he can work both sides of the aisle, he can surpass the partisanship that must be surpassed to deal with an issue like this.“
When Couric pointed to polls showing that the financial crisis had boosted Obama’s numbers, Palin blustered wordily: „I’m not looking at poll numbers. What I think Americans at the end of the day are going to be able to go back and look at track records and see who’s more apt to be talking about solutions and wishing for and hoping for solutions for some opportunity to change, and who’s actually done it?“
Parkers Fazit:
If BS were currency, Palin could bail out Wall Street herself.
(Wenn man mit Bullshit bezahlen könnte, könnte Palin allein die Sicherheiten für die Wall Street stellen.)
Bekannt ist das Unendlich-viele-Affen-Theorem, wonach unendlich viele Affen, die unendlich lange zufällig auf Tastaturen herumtippen, irgendwann auch sinnvolle Texte produzieren.
Weniger bekannt ist, dass diese unendlich vielen Affen inzwischen für RTL arbeiten. Wann immer einer von ihnen eine Buchstaben- und Wörterfolge produziert, die man mit einem journalistischen Text verwechseln könnte, wird sie als Artikel auf RTL.de veröffentlicht.
Aktuell steht dort ein Text, den man beim flüchtigen Hinsehen für einen Artikel über die republikanische Vize-Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin halten könnte. Angekündigt wird er auf der Wahl-Sonderseite von RTLaktuell.de wie folgt:
Der erste Satz ist mein Lieblingssatz. Aber falsch ist der zweite auch.
Der Artikel selbst beginnt dann so:
Ja, das sind immer die langweiligen Teile der großen Generaldebatten bei den Vereinten Nationen, wenn neben den Staatsche aus aller Welt auch die ganzen Vize-Staatsch-Kandidaten im Wahlkampf und die ehemaligen Staatsch-Kandidaten-Kandidaten der Opposition da reden wollen…
Und wenn das schon kein Grund gewesen wäre, an der Plausibilität der Meldung zu zweifeln, wäre es spätestens die Formulierung gewesen, dass die „Organisatoren“ der UN-Vollversammlung eine überparteiliche „Demonstration“ wollten.
Nein, Sarah Palin wollte weder vor der UN-Vollversammlung reden, noch wurde sie von ihr ausgeladen. Sie wollte am Montag an einer Demonstration gegen den iranischen Präsidenten Machmud Ahmadinedschad teilnehmen, der am folgenden Tag vor der Vollversammlung sprach. Clinton hatte ihre Teilnahme zurückgezogen, als sie erfuhr, dass Palin auch teilnehmen wollte. Daraufhin luden die Veranstalter Palin wieder aus.
(RTL.de ist mit 47 Millionen Visits monatlich eines der meistbesuchten redaktionellen Internetangebote in Deutschland. Bitte glauben Sie nicht, dass ich die Seiten von RTL.de gezielt nach solchen Sachen absuche. Jeder zufällige Besuch dort führt einen an diese Abgründe.)
Falls ich irgendwann einmal ein zweites Listenbuch schreiben sollte, könnte ich darin die Liste aufnehmen: „Zwei Listen aus meinem ersten Listenbuch, die ich schon in meinem Blog veröffentlicht habe.“ Nämlich diese:
6 Sendungen, bei denen sich der Bayerische Rundfunk aus dem ARD-Programm ausblendete
1. Die Sendung der Lysistrata (1960): Der BR hatte gleich zwei Gründe, das Fernsehspiel von Fritz Kortner nach dem klassischen Original nicht zu zeigen: vordergründig eine Szene mit einer relativ nackten Romy Schneider, hintergründig die pazifistische Botschaft. Der BR klagte: „Die Verfechter einer Atomrüstung werden auf eine Weise karikiert, die einfach unfair ist.“
2. Das Bohrloch – oder: Bayern ist nicht Texas (1968): In der Satire auf einen Ölrausch in „Unterdeixelham“ sah der BR eine „Verächtlichmachung bayerischer Lebensart“ und zeigte stattdessen Lottchens Geburtstag.
3. Zoom (1971): Das Jugendmagazin des Südwestfunks behandelte das Thema „Anarchie“ und warnte vor Autoritätshörigkeit und dem Vietnam-Krieg – der BR fand das Magazin selbst „halb-anarchistisch“, erreichte erst eine Verschiebung der Folge – und blendete sich aus, als sie schließlich gezeigt wurde.
4. Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt (1973): Anstelle von Rosa von Praunheims filmischer Aufforderung an die Schwulen, für ihre Rechte zu kämpfen, zeigte der BR sicherheitshalber lieber das finnische Rennfahrer-Drama „Benzin im Blut“.
5. Die Konsequenz (1977): Wolfgang Petersens um Toleranz werbender Film über die Liebe zwischen einem Mann und einem Jugendlichen hatte das Prädikat „wertvoll“ bekommen. Die ARD strahlte ihn trotzdem nur gekürzt aus – doch selbst diese Fassung wollte der BR nicht zeigen, angeblich aus Sorge um die Homosexuellen: Der Film könne bei Heterosexuellen „Vorurteile gegen eine Minderheit“ fördern, und bei „Homophilen“ werde „das Gefühl der Isoliertheit und Ausweglosigkeit noch vergrößert“.
6. Scheibenwischer (1986): Der BR blendete sich im laufenden Programm aus der Folge „Der verstrahlte Großvater“ aus, in der Dieter Hildebrandt nach der Tschernobyl-Katastrophe unter anderem dazu aufforderte, den Papst zu dekontaminieren. Neben dem Papst würden auch die Bundeswehr und die Bundesrepublik insgesamt beleidigt, hieß es. Ein Mitschnitt der Folge, den die Münchner „Abendzeitung“ unters ausgeschlossene Volk brachte, fand reißenden Absatz.
Und diese:
5 Quersummen bekannter Sendungstitel *
1. 6 (24)
2. 3 (21)
3. 8 (4400)
4. 2 (Die Zwei)
5. 12 (90210)
Aber was ich eigentlich sagen wollte: Ich habe zusammen mit Michael Reufsteck (mit dem ich schon „Das Fernsehlexikon“ verfasst habe) ein Buch mit tollem unnützen Fernsehwissen geschrieben, das jetzt auch bei einem Buchhändler Ihres Vertrauens vorrätig sein müsste. Es heißt „Zapp!“, kostet lächerliche 9,95 Euro und wenn Sie es über diesen Link bestellen, verdiene ich sogar doppelt daran.
*) Diese Liste ist gegen den ausdrücklichen Rat von Redaktion und Lektorat ins Buch gekommen.
Mathis Danelzik schreibt mir, dass er dieses Blog von Tansania aus lese. Mit der dortigen Medienrealität hätten meine Beobachtungen aus Deutschland allerdings nicht viel zu tun.
Hier sind die Medien völlig anders. Fernsehen sieht hier zum Beispiel so aus:
(Die Frage lautete übrigens: Wie oft steht da MALI, und die richtige Antwort überraschenderweise nicht „sieben“.)
Jede SMS, schreibt der freundliche Leser, koste 1000 tansanische Schillinge, das sei rund ein US-Dollar. 60 Prozent der Tansanier lebten von 2 Dollar oder weniger am Tag. Dieser Preis und die Tatsache, dass nicht so viele Tansanier einen Fernseher haben, machten tansanisches Call-TV vermutlich zum Oberschichtenfernsehen.