Hademar Bankhofer, der Melissa-Mann (2)

Genau genommen ist Hademar Bankhofer natürlich nicht von Bloggern zu Fall gebracht worden, sondern von seiner eigenen Dusseligkeit. Der bloße Anschein, dass der Medizinjournalist den ein oder anderen Markennamen ein bisschen zu häufig genannt haben könnte, hätte vermutlich nicht dazu geführt, dass der WDR sich von seinem Gesundheitsexperten trennt, schon gar nicht so schnell. Aber Bankhofer war offenbar so ungeschickt, am Mittwoch kategorisch zu bestreiten, einen PR- oder Werbevertrag mit der Firma MCM Klosterfrau zu haben, und erst auf weitere Nachfrage am Donnerstag einzuräumen, dass er aber einen Beratervertrag mit dieser Firma hat. Zufällig exakt jener Firma, die den Namen „Klostermelisse“ als Markenzeichen hat eintragen lassen, den Bankhofer gerne erwähnte — angeblich ohne diesen Zusammenhang zu kennen.

Vielleicht gehört Bankhofer auch zu den Menschen, von denen man in den letzten Tagen so viel hört, die eine Zeitschrift namens „Der Spiegel“ lesen. Die berichtete in dieser Woche, dass Blogger in Deutschland ohne Relevanz und Wirkung seien: „David hat keinen Stein in der Schleuder. Also schmeißt er mit Dreck.“

Das mit der Wirkungslosigkeit würde Bankhofer heute vermutlich nicht unterschreiben, aber das mit dem Dreck, das sieht er genauso. Gegenüber stern.de klagte er: „Das Internet ist furchtbar!“ Das Video, in dem markante Szenen aus dem Schaffen Bankhofers zusammengeschnitten und kommentiert waren, bestätige ihm, dass das Netz „praktisch, aber auch sehr schlimm sein kann“. Sein Anwalt werde sich der Sache annehmen. Und per E-Mail schrieb er „Handelsblatt“-Blogger Thomas Knüwer: „Mit einem Wort: Da ist jemand, der den Bankhofer weghaben will und der mit allen Tricks dafür auffährt… Mir würde sehr interessieren, wer dahinter steckt.“

Walter Holiczki findet den Video-Zusammenschnitt der Blogger laut stern.de rufschädigend. Er produziert mit seiner Werbeagentur die Sendung „Die gesunde halbe Stunde“ mit Hademar Bankhofer im österreichischen Sender TW1, die das lustige Konzept hat, finanziert von den Produzenten irgendwelcher Gesundheitsprodukte, die auch redaktionellen Einfluss auf die Sendung nehmen können, über eben diese Produkte zu, äh: informieren. (Weiterlesen bei stern.de.)

Der Blogger Marcus Anhäuser (der auch schon die Wirksamkeit der Namen „Klostermelisse“ und „Königsartischocke“ mit einem schlichten Selbsttest bewiesen überprüft hat) zeigt derweil in seinem Blog „Plazeboalarm“, wie Hademar Bankhofer für Produkte der MCM Klosterfrau Vertriebsgesellschaft mbH warb: Er gab den Gesprächspartner in PR-Interviews für Klosterfrau-Produkte und bestätigte jeweils deren Wirksamkeit. Wenn Bankhofer darin keine PR- oder Werbetätigkeit für das Unternehmen sehen mag, ist er sehr dumm oder hält uns dafür.

(Und noch einmal fürs Protokoll (und den „Spiegel“) — in diesen Blogs hat die ganze Geschichte ihren Anfang genommen: „Stationäre Aufnahme“ und „Boocompany“.)

Hademar Bankhofer, der Melissa-Mann

Ich mag Professor* Hademar Bankhofer. Es hat immer so etwas beruhigendes und aufmunterndes, ihm zuzusehen, wenn er mit seinem freundlichen Lächeln, seinem weichen österreichischen Dialekt und seinen bunten Einstecktüchern im Fernsehen steht (und er steht ungefähr immer gerade irgendwo im Fernsehen) und mit einer ansteckenden Euphorie von Wasser, Körnern, Bewegung oder Kräutern schwärmt. Okay, das Wort „ansteckend“ ist ein bisschen irreführend, weil es bei mir meistens nicht einmal dazu reicht, die Chipstüte aus der Hand zu legen, aber meistens sitze ich seltsam angerührt vor dem Fernseher und freue mich, dass es Menschen gibt, die sich mit einer solchen Begeisterung in den Dienst der guten Sache stellen, und sei die gute Sache auch nur irgendein Kraut.

Ich fürchte, dieses wohlige Gefühl wird sich nicht mehr einstellen. Denn es scheint, als stünden er und seine bunten Einstecktücher oft genug nicht im Dienst einer guten Sache, sondern bloß im Dienst eines gut bezahlenden Unternehmens. Das Blog „Stationäre Aufnahme“ hat für Boocompany.com einige Beispiele aus Auftritten Bankhofers zusammengeschnitten, und die vielleicht offenkundigste Geschichte ist die, dass Bankhofer seit Jahren (u.a. als Gesundheitsexperte der einschlägig bekannten ARD) die Vorzüge der „Klostermelisse“ preist.

Die „Klostermelisse“ aber ist keine Pflanzenart. Die Pflanze heißt Melisse oder Zitronenmelisse. „Klostermelisse“ ist ein eingetragenes Markenzeichen der Maria Clementine Martin Klosterfrau Vertriebsgesellschaft mbH. Wer „Klostermelisse“ empfiehlt, empfiehlt ein konkretes Markenprodukt — tatsächlich und natürlich vor allem in den Köpfen der Zuhörer und Zuschauer, die den Namen leicht mit dem richtigen Produkt assoziieren. Denn: Nur „Klosterfrau Melissengeist“ enthält die „echte Klostermelisse“.

Ganz ähnlich ist es mit der von Bankhofer gerne empfohlenen „Königsartischocke“. Auch sie ist ein Markename, und wer konkret nach ihr fragt oder sucht, wird zielgenau zu einem Produkt geführt, in diesem Fall „Hepar-SL® forte mit der Königs-Artischocke®“ (man beachte das zweite „®“).

Mehr zum Thema bei Boocompany und in der Stationären Aufnahme.

*) Professor Hademar Bankhofer trägt den Titel Professor völlig zurecht, er bedeutet aber nicht, was man als Nicht-Österreicher denken könnte. Es handelt sich um einen Ehrentitel. Bankhofer hat weder Medizin studiert, noch promoviert oder habilitiert.

[via ix]

Gruppenfoto mit Waldi (Name geändert)

Dass das Anonymisieren von Menschen, die nicht erkannt werden sollen, keine lästige Pflicht sein muss, der man sich widerwillig und halbherzig erentledigt, beweist heute die „Sun“, die dafür gesorgt hat, dass kein Mitglied der Spezialeinheit der Armee, die sie auf einem Foto zeigt, zu identifizieren ist. Und das gilt für wirklich jedes Mitglied.

[via Jörg-Olaf, via Fefe]

Kein Grund zur Beruhigung

Ob die Menschen, die gerne behaupten, dass noch nie ein Medium ein anderes ersetzt habe, diese Zahlen kennen?

Die Forscher von Allensbach haben noch mehr Zahlenreihen von ähnlicher Brisanz. Sie zeigen zum Beispiel, dass Zeitunglesen keine Altersfrage, sondern eine Generationenfrage ist — anders gesagt: Wer mit 20 keine Zeitung liest, tut es auch mit 30 oder 40 nicht. Und sie zeigen, mit welch atemberaubender Geschwindigkeit das Internet den anderen Medien bei jüngeren Leuten den Rang als Informationsmedium abläuft.

Diese Entwicklung allein ist für die traditionellen Medien noch nicht existenzbedrohend: Viele von ihnen schaffen es dank Internet, viel mehr Menschen zu erreichen als je zuvor. Existenzbedrohend wird sie dadurch, dass diesen Zuwächsen keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstehen. „Die Krise des Journalismus ist genau genommen nicht der Verlust des Publikums“, analysiert das amerikanische Projekt für Exzellenz im Journalismus. „Sie könnte, viel grundsätzlicher, das Ende der Verbindung zwischen Nachrichten und Werbung sein.“ Die Werbung wandert nicht so schnell ins Internet wie die Konsumenten, und von den rasanten Zuwachsraten dort profitieren vor allem Suchmaschinen, nicht journalistische Angebote.

Holger Schmidt hat das und mehr für sein „F.A.Z.“-Blog „Netzökonom“ zusammengetragen. Es sind Fakten, die jeder kennen sollte, der sich mit dem gegenwärtigen Medienumbruch und der Zukunft des Journalismus beschäftigt.

Ersatzlektüri2

Vorgestern Abend war dieser BILDblog-Eintrag der meistgeklickte Link bei turi2. Das ist eine feine Sache, denn turi2 ist ein Internetangebot, das nach Angaben von turi2 „werktäglich von 4.000 – 5.000 Medienmachern besucht“ wird (genau genommen von Medienmachenlassern, denn turi2 sagt, es handele sich bei diesen Menschen um „Vorstände, Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteure, Programmchefs, Online-Chefs, Marketingleiter“).

Zweimal täglich produziert turi2 Linklisten mit Nachrichten zu Medienthemen. Rund 50 Links stecken da jeweils drin. Und keiner davon wurde von den tausenden turi2-Lesern am Mittwochabend so häufig geklickt wie derjenige, der zu BILDblog führte.

Und wie oft wurde er geklickt? 43 mal.

Und am nächsten Tag: 42 mal.

Die Leute lesen turi2 also nicht, um auf diese Weise interessante Artikel zu finden; sie lesen turi2, um die interessanten Artikel nicht zu lesen. Sie vertrauen darauf, dass turi2 die Inhalte der verlinkten Artikel zuverlässig so treffend auf den Punkt bringt, dass sie auf die Lektüre der Quelle verzichten können. Kein Wunder also, dass turi2 vor allem von Leuten gelesen wird, die nicht auf die Links klicken. Denn wer auf die Links klickt, hat dieses Vertrauen in turi2 eher nicht mehr lange.

[Disclosure: Ich habe vor vielen Jahren für Peter Turi gearbeitet und würde es nicht wieder tun.]

91 % aller Ausrufezeichen sind über

Die „Gesellschaft für rationelle Psychologie“ (GRP), die regelmäßig zweifelhafte „Studien“ anfertigt, deren „Ergebnisse“ (Erfurter nehmen sich 13 Minuten Zeit für Sex, Berliner nur neun / zwei Drittel der Grünen-Wähler finden kleine Brüste attraktiv / in Hamburg leben die größten Männer / Kölnerinnen haben am ehesten beim ersten Mal Sex) von Medien wie Nachrichten behandelt werden, will sich gegen einen entlarvenden Artikel über sie in der aktuellen Ausgabe von „Zeit Wissen“ juristisch wehren.

Ulrike Ertel, die Geschäftsführerin des Instituts, kommentierte den Artikel am Montag unter meinem Hinweis hier im Blog so*:

Für dumm verkauft!!!!
Dumm geschrieben — Alles Lügen und falsche Behauptungen eines gekränkten Autors. Was wir demnächst auch „gerichtlich“ beweisen werden. Wir haben rechtliche Schritte gegen die wahrheitswidrigen Behauptungen und Beleidigungen eingeleitet.
Der Beitrag ist ein bösartiger Racheakt, weil Herr Paulus vor etwa zwei Jahren von uns nicht als Autor akzeptiert worden ist und wir andere Autoren autorisiert haben.
Journalisten waren und sind bei uns seit über 38 Jahre willkommen — Nur nicht so Unseriöse wie der Autor.

Ähnlich hat sich Ertels Mann Henner gegenüber „Zeit Wissen“ geäußert und das Magazin zu einer Richtigstellung und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordern lassen.

Jochen Paulus, der Autor des Artikels, sagt, Ertel habe ihm bislang keinen Fehler nachweisen können. Er habe, anders als Ertel behauptet, nie vorgehabt, für die GRP oder ihre Geschäftspartner zu schreiben: „Ein Vergleich meiner Veröffentlichungen und der der G. R. P. zeigt schnell, dass ich da auch kaum hinpassen würde.“ Sämtliche Kontakte zur GRP hätten der Recherche für den Artikel gedient. „Anderslautende Behauptungen sind für einen seriösen Journalisten verleumderisch“, so Paulus.

Die pseudowissenschaftlichen Ergebnisse der GRP sind allein in diesem Jahr u.a. von „B.Z.“, „Berliner Kurier“, „Berliner Zeitung“, „Berliner Morgenpost“, „Bild“, „Express“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Magdeburger Volksstimme“, „Münchner Merkur“, „Tagesspiegel“, „taz“, „Thüringer Allgemeine“ und „Die Welt“ sowie den Nachrichtenagenturen AP und dpa verbreitet worden. Auftraggeber ist in den meisten Fällen das Möchtegernmagazin „Men’s Health“.

*) Der Kommentar ist nicht veröffentlicht worden, weil er im Spamfilter hängen blieb, den ich so eingestellt habe, dass er Kommentare mit mindestens drei Ausrufezeichen in Folge automatisch aussortiert. Das hat sich als erstaunlich zuverlässiges Auswahlkriterium herausgestellt.

Von wegen Witzemacher

Vermutlich muss man sich ernstlich Sorgen machen um eine Gesellschaft und eine Medienwelt, in der Komiker und Satiriker nicht nur ungefähr die einzigen sind, die noch die Wahrheit sagen, sondern auch die einzigen, die überhaupt erkennen, worum es geht bei einer Diskussion. Andererseits: In Deutschland wüsste ich nicht einmal, wer diese Komiker und Satiriker wären.

Dazu passt, dass „New York Times“-Kolumnist Paul Krugman neulich feststellte, dass wir im Jahre 8 der „Onion“-Ära leben: dem Zeitalter, in dem Artikel des grandiosen amerikanischen Satiremediums „The Onion“ fortwährend zutreffender waren als das, was „ernste“ Zeitungen berichteten.

Am 17. Januar 2001 (!) spann „The Onion“:

WASHINGTON, DC – Mere days from assuming the presidency and closing the door on eight years of Bill Clinton, president-elect George W. Bush assured the nation in a televised address Tuesday that „our long national nightmare of peace and prosperity is finally over.“ (…)

During the 40-minute speech, Bush also promised to bring an end to the severe war drought that plagued the nation under Clinton, assuring citizens that the U.S. will engage in at least one Gulf War-level armed conflict in the next four years.

„You better believe we’re going to mix it up with somebody at some point during my administration,“ said Bush, who plans a 250 percent boost in military spending. „Unlike my predecessor, I am fully committed to putting soldiers in battle situations. Otherwise, what is the point of even having a military?“

Aktuell lautet eine „Onion“-Schlagzeile:

Recession-Plagued Nation Demands New Bubble To Invest In

Klickdoping mit 16 Buchstaben

Ja, das wirkt sehr unspektakulär, das „gute alte Kreuzworträtsel“, das „Welt Online“ seinen Lesern täglich neu präsentiert. Der Clou ist unsichtbar: Das Spiel ist so programmiert, dass jeder einzelne Buchstabe, den ein Leser hier einträgt, als ein Seitenaufruf zählt. Eine einzelne Kniegeige verbessert die Bilanz von „Welt Online“ um fünf PageImpressions; wer das Rätsel komplett löst, produziert über 100 PageImpressions mindestens.

Das ist eine stattliche Zahl verglichen mit den Klicks, die sich durch einzelne Artikel oder sogar Bildergalerien produzieren lassen — vom minimalen Aufwand ganz zu schweigen. Und deshalb ist der Trick auch keine exklusive Erfindung von „Welt Online“. Der Online-Auftritt der „Süddeutschen Zeitung“ hat sein Sudoku genauso produziert: Jede einzelne Zahl, die in das Gitter eingetragen wird, wird als kompletter Seitenaufruf der IVW übermittelt, deren Werte die Standardwährung im Online-Werbegeschäft sind.

Dasselbe gilt für dieses Sudoku der „Zeit“:

Das Puzzle „Klick it like Beckham“, das sueddeutsche.de in immer neuen Varianten auflegt, ist sogar so programmiert, dass jeder Spielzug gleich zwei Klicks produziert:

Mit allen Mitteln versuchen die Online-Medien die Zahl ihrer PageImpressions künstlich in die Höhe zu treiben, denn diese Zahl wird gerne fälschlicherweise für eine Messgröße für Erfolg und gar Qualität gehalten. Die Vermarkter werben mit ihr, Medienjournalisten erstellen Rankings und küren Sieger und Verlierer.

Das künstliche Aufblähen dieser Zahlen durch entsprechend programmierte Rätsel und Spiele widerspricht dabei nach Ansicht der IVW nicht einmal ihren Regeln. Danach gilt als PageImpression zwar nur, wenn durch die Aktion eines Nutzers (also einen Klick oder eine Eingabe) „eine wesentliche Veränderung des Seiteninhaltes“ bewirkt wird. Aber wenn da in einem Kreuzworträtsel nicht mehr „CELL“, sondern „CELLO“ steht, sieht die IVW darin schon eine „wesentliche Veränderung des Seiteninhaltes“.

Und man kann sich nicht einmal darauf verlassen, dass die auf diese Weise massenhaft produzierten PageImpressions in der IVW-Statistik unter „Spiele“ ausgewiesen werden. Die Medien dürfen sie auch als „redaktionellen Content“ deklarieren, in der Rubrik „Entertainment & Lifestyle“, als handele es sich um journalistische Inhalte. Das Sudoku von „Zeit Online“ zum Beispiel lässt auf diese Weise das redaktionelle Angebot attraktiver erscheinen als es ist.

Hans-Jürgen Jakobs, Chefredakteur von sueddeutsche.de, mag darin kein Problem sehen: „Wie Sie wissen, bieten viele Zeitungen und Zeitschriften auf Papier Rätsel- und Sudoku-Ecken an, weil sie zurecht davon ausgehen, hier auf Publikumsinteresse zu stoßen. Sollen wir solche Formen ignorieren? Geht es nicht immer daran, eine Mischung anzubieten — aus Information, Investigation, Bildung und auch Unterhaltung?“

Per E-Mail teilte er mit mit: „Seien Sie versichert, dass wir uns — so wie die FAZ — ganz nach den Vorgaben der IVW richten.“ Nun ja: Die IVW hat angekündigt, eine frühere Version von „Kick it like Beckham“ kritisch zu überprüfen. Es handelte sich um eine Art Puzzle, das selbst dann eine PageImpression zählte, wenn das Puzzlestück, das der Leser einzusetzen versuchte, nicht passte und zurück an seinen alten Platz schnappte. Das entspricht womöglich nicht einmal nach Ansicht der IVW einer „wesentlichen Änderung“.

Auf meine Frage, ob er sich vorstellen kann, auf solches Klickdoping zu verzichten, wenn sich andere Verlage auch dazu verpflichten — analog seiner Forderung nach gemeinsamen Beschränkungen der Suchmaschinen-Manipulation — antworte Jakobs klar mit Nein: „Spiele habe ich nicht gemeint.“

In der Pressestelle der Axel-Springer-AG stellt man sich dumm, was die Problematik dieser Art von Klickdoping angeht, und erklärt, mein Anliegen „verwundere“ die Kollegen von „Welt Online“. Verlagssprecher Dirk Meyer-Bosse fügt hinzu: „Wir bewegen uns mit all unseren Angeboten auf WELT ONLINE, also auch mit Online-Spielen, voll und ganz im Rahmen der Richtlinien der IVW, mit der wir auch im engen Austausch stehen“.

Was Meyer-Bosse nicht sagt: Dieser „enge Austausch“ kann auch darin bestehen, dass die IVW die Zählung beanstandet. Neulich stellte sich heraus, dass „Welt Online“ die Klicks, die das Kreuzworträtsel generierte, als Zugriffe auf „Nachrichten“ auswies. Sicher waren die Kollegen von „Welt Online“ verwundert, als das herauskam.

Der Sprecher deutet aber zumindest begrenzte Aussagekraft der IVW-Zahlen an, indem er sagt, für „Welt Online“ sei „die wichtigste Zählgröße die AGOF“, eine repräsentative Studie, die aus verschiedenen Erfassungsmethoden die Reichweite der Online-Medien berechnet. (Das hindert Springer natürlich nicht, mit den durch groteske Klickstrecken und eben Kreuzworträtsel aufgepumpten PageImpressions regelmäßig zu prahlen.)

Im vertraulichen Gespräch räumen Verantwortliche von Online-Medien durchaus ein, dass das IVW-Verfahren Unsinn ist und die Zahlen nur noch wenig Aussagekraft haben. Auch bei der IVW sieht man die Notwendigkeit zur Reform. „Alle sind sich darüber im Klaren, dass wir daran gehen müssen“, sagt Online-Bereichsleiter Jörg Bungartz, der von einer „sich verschärfenden Problematik“ spricht. Als Beispiel nennt er auch Videos, die so programmiert sind, dass es schon als PageImpression gewertet wird, wenn der Zuschauer zwischendurch bloß die Pausetaste drückt. Immer wieder stelle sich die Frage: „Ist es das, was wir zählen wollen?“ Die IVW wolle aber nicht voreilig die Definitionen ändern, um einzelne Lücken zu schließen, sondern arbeite an einer zukunftssicheren Reform. Die ist für nächstes Jahr geplant.

Die Zeit, bis es soweit ist, können Sie ja nutzen, um bei faz.net ihr Gehirn zu trainieren, zum Beispiel mit dem Silbenrätsel. Und ärgern Sie nicht, wenn Sie Fehler machen. Jeder einzelne Klick, sogar ein falscher, zählt als PageImpression und poliert die Online-Bilanz von faz.net auf. Das ist doch auch was.