Ups, verfragt

Der Umgang mit Journalisten ist ungefähr so heikel wie der mit Kugelfischen. Ein falsches Wort kann tödlich sein, und sie werden giftig und brechen jede Kommunikation ab. (Die Journalisten, nicht die Kugelfische.)

Lukas hat das gerade erfahren, als er versucht hat, von der Redaktion der Zeitschrift „View“ aus dem Hause „Stern“ zu erfahren, wie es passieren konnte, dass sie nun auch noch auf den blöden, längst aufgelösten April-Scherz hereingefallen ist, wonach ein Sex-Video von Shakira aufgetaucht sei. Er fragte:

Lag der Redaktionsschluss für das Mai-Heft so früh, dass Sie von der Auflösung des Aprilscherzes (am 2. bzw. 4. April) nichts mitbekommen konnten, oder recherchieren Sie in Fällen, die das Privatleben von Stars betreffen, generell nicht weiter nach?

Hans-Peter Junker, der stellvertretende Redaktionsleiter, antwortete ihm, dass er die Frage — man werde das verstehen — nicht beantworten könne, und erklärte das auf Nachfrage so:

Sie haben leider die niedrigen Standards, die ich an einen höflichen und kollegialen Umgang stelle, unterlaufen.

Ja, da muss man verdammt aufpassen, dass man nicht versehentlich beim Standard-Limbo gegen gestandene Journalisten von Qualitätsmedien gewinnt.

Leider fehlt auch mir selbst ganz offenkundig das Talent, den Tonfall zu treffen, der eine Kommunikation mit Redakteuren über ihre Fehler und Schwächen ermöglicht, aber vielleicht kriegen wir das ja gemeinsam hin.

Also: Ich bitte um Vorschläge für Frageformulierungen, die der besonderen Sensibilität von Journalisten Rechnung tragen und die Wahrscheinlichkeit maximieren, dass Hans-Peter Junker oder einer seiner Kollegen von „View“ erklären, wie ihrem Magazin so ein blöder Fehler unterlaufen konnte. Die beste Frage schicke ich dann an „View“, und wir gucken, was passiert. Zu gewinnen gibt es nichts, außer Erkenntnis.

Nachtrag, 8. Mai. Die Auflösung steht hier.

Lindenstraße

Das Beste an der „Lindenstraße“ ist, dass sie sich auch Leute mit langsamsten Internetverbindungen problemlos online ansehen können. Die Inszenierung ist so statisch, dass man zeitweise genau hingucken muss, um zu erkennen, dass es sich wirklich um einen Film handelt, und nicht um eine vertonte Diashow. Und die Charaktereigenschaften der Figuren sind ohnehin so grob und starr gezeichnet, dass sie sich noch in der kleinsten Auflösung gut erkennen lassen.

Heute heiraten jedenfalls Tanja und Suzanne. Das ist nicht mehr so ein politisches Spektakel wie die Hochzeit von Carsten und Theo 1997, als Hella von Sinnen vorbeikam, aber persönlich für die beiden doch ein großer Schritt, für Tanja vor allem. Tanja? Sie wissen schon: Die, deren Mutter Selbstmord begangen hat, deren Schwester an Leukämie gestorben ist und deren Vater betrunken auf der Straße erfor. Die, die erst das Geschäft mit Sex, dann die Esoterik entdeckt hat, sich erst in den 200 Jahre älteren Doktor Dressler, dann in die drogenabhängige Sonia verliebt hat (die dann quasi von Dressler umgebracht wird). Die, die sich scheiden ließ, in ihrer Wohnung über Monate von Webcams gefilmt und im Internet ausgestellt wurde, sich in die damals noch heterosexuelle Suzanne verliebte, mit ihr im Ausland eine Spermaspende bestellt, durch künstliche Befruchtung ein Kind bekommen und die Wohnung durch einen Hausbrand durch einen Adventskranz verloren hat … genau: die Tanja.

Das ist, andererseits, schwer irreführend, den Lebenslauf einer solchen typischen „Lindenstraßen“-Figur zu wenigen Zeilen zu raffen, denn in Wahrheit hat sich über all die Jahre natürlich exakt nichts verändert. Was nicht nur am Personal liegt (Sybille Waury spielt die Tanja seit 1168 Folgen und über 22 Jahren). Es ist vor allem immer noch die gleiche linke Spießigkeit, die durch alle Poren dieser Serie sickert, das gut gemeinte Aufklärungsfernsehen von Hans W. Geißendörfer, in dem ununterbrochen wichtige Themen behandelt werden, jeder Handlungsstrang eine Botschaft hat und der erhobene Zeigefinger schon fest in alle Bühnenbilder eingebaut ist. Die „Lindenstraße“ ist in einem fast beunruhigenden Maße betulich und berechenbar, bieder und banal – eigentlich alles, was mit „B“ anfängt, sogar: beliebt. Die Quoten sinken zwar kontinuierlich, und Geißendörfers vor ewigen Zeiten gegebenes Versprechen, aufzuhören, wenn es deutlich weniger als sechs Millionen Zuschauer sind, ist graue Geschichte. Aber ausgerechnet bei den jungen Leuten, die sonst alles verschmähen, was ARD und ZDF für sie produzieren, selbst die richtig schönen Sachen, holt die „Lindenstraße“ immer noch sehr ordentliche Quoten.

Vielleicht versetzt sie sie in einen tiefen, erholsamen, von bizarren Träumen erfüllten und süchtig machenden Halbstundenschlaf. Anders kann ich es mir nicht erklären.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

„Alles, was mich interessiert, floppt“

Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass ab Freitag neue Folgen von „KDD — Kriminaldauerdienst“ laufen. Die Quoten der ersten Staffel waren nicht berauschend — bei den jungen Zuschauern waren sie selbst für ZDF-Verhältnisse enttäuschend. Umso dankbarer muss man dem Sender sein, dass er Geduld beweist mit dieser sehenswerten, atemberaubenden deutschen Krimiserie. Sogar eine dritte Staffel wird bereits entwickelt (allerdings nur noch mit acht Folgen; die erste hatte zwölf, die zweite zehn).

Für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ habe ich mit Orkun Ertener, dem Autor von „KDD“, gesprochen: über die Lust an dramaturgischen Knalleffekten, den Schauplatz Berlin-Kreuzberg/Neukölln, die Kombination kürzester Miniaturen mit fortlaufenden Geschichten, die Vorbilder „E.R.“ und „The Shield“, Fluch und Segen des traditionellen ZDF-Krimisendeplatzes am Freitag — und das Drama um die deutsche Serie:

„Vor vier, fünf Jahren, habe ich gedacht: Die Serie ist die Königsdisziplin des Fernsehens, und ich möchte das gerne machen. Eigentlich ist das auch jetzt noch so — theoretisch. Aber die letzten Jahre frage ich mich: Was soll ich hier erzählen? Alles, was mich interessiert, floppt. Ich habe das Gefühl, als befänden wir uns in einer Beerdigungsphase: das Ende der Fiktion. Es gab ein Projekt, auf das ich viel Lust hatte, eine Krankenhausserie, sehr realistisch erzählt, auch ein bisschen ambitionierter (was auch immer das heißt). Ich habe lange recherchiert, war im Krankenhaus, und es waren auch schwere Geschichten: Wenn Kinder sterben, ist das nicht so schön. Der Sender hat dann irgendwann gesagt, so schwer geht das nicht. Nicht im Moment. Wenn es überhaupt noch Fiction gibt, ist die Frage überall: Kriegen wir das nicht auch ein bisschen leichter?“

Das ganze Gespräch steht nebenan, beim Fernsehlexikon.

Grimme-Kandidaten gucken (3)


Foto: BR/teamWorx/Stelter

Die Überschrift ist nur noch so halb sinnvoll, weil die diesjährigen Grimme-Preisträger ja längst feststehen. Ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass das Erste morgen den bezaubernden Fernsehfilm „Rose“ zeigt, der nominiert war — und den Preis auch verdient gehabt hätte. Corinna Harfouch spielt eine alleinerziehende Mutter, die sich nach bewegten Zeiten als Hausbesetzerin vor vielen Jahren aufs Land zurückgezogen hat, vom Schreiben von Groschenromanen lebt und in einem manchmal sympathischen, manchmal bedrohlichen Chaos mit ihren drei schon ziemlich großen Kindern lebt. An der Geschichte, wie diese Familie ihre Sollbruchstellen findet, ist das Besondere, wie vollständig sie durch die Liebe zu ihren Figuren alle Klischees meidet. Sie ist leicht, ohne schlicht zu sein.

„Rose“, ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis 2007 als bester Fernsehfilm, Mittwoch, 20.15 Uhr, im Ersten.

Agenturkritik statt Apfelbäumchen?

Seit Wochen schon will ich einen längeren Text über mein ambivalentes Verhältnis zu den Kommentaren in diesem Blog schreiben, finde aber nicht die Zeit. Vor ein paar Tagen fragte mich Gregor Keuschnig, der hier häufig kommentiert, in einer E-Mail:

Warum tun Sie sich die Kommentare zum Beispiel in Ihrem aktuellen Beitrag an? Welchen „Mehrwert“ hoffen Sie hieraus ziehen zu können? Gehen Ihnen die Korinthenkacker (= unter anderem ich) auf die Nerven oder die Ausländerhasser? Warum machen Sie nicht „zu“? Sind Sie — pardon — ein Idealist?

Das war insofern ganz praktisch, als es mich dazu brachte, schon mal wenigstens ein paar halbdurchdachte Antworten zu geben. Zu lesen sind sie zusammen mit Keuschnigs Bewertung in seinem Blog „Begleitschreiben“. Und ich bin sicher hoffe sehr, dass sein letzter Satz nicht stimmt.

(Und um zu verhindern, dass sich eine eventuelle Diskussion darüber hier abspielt und nicht dort, habe ich die Kommentare an dieser Stelle zu gemacht.)

Damals, als BILDblog noch gut war

Manchmal finde ich es dann doch schade, dass es auf BILDblog keine Kommentare gibt. Oder wenigstens eine Leserbriefseite. Heute erreichte uns zu diesem Beitrag eine Mail von Dennis E. mit der Betreffzeile „Enttäuschung am frühen Morgen / vorläufiger Abschiedsbrief“ und diesem Anfang:

Tja,

guten Morgen und herzlichen Glückwunsch. Seitdem bei BILDblog „Clarissa“ und „Lupo“ das Ruder übernommen haben, hat das Blog gelitten wie kein zweites in der deutschen Blogszene.

Programmhinweis

Am kommenden Montag, 28. April, bin ich in Paderborn und spreche in der Veranstaltungsreihe „Tool Time“ des Instituts für Medienwissenschaften über Zeugs. Also, über BILDblog, Medienkritik im Internet, das Selbständigmachen und sowas.

Kommen kann jeder, der bis 18 Uhr den Raum E2.339 findet:

„Von der Bushaltestelle Uni/Südring der Herde über den Trampelpfad bis zum Audimax folgen, an den Fahrradständern rechts um das Audimax rum (nicht ganz rechts Richtung Innenhof!), an der Pizzeria vorbei und unter dem E-Gebäude durch und schließlich ein paar Meter weiter links hoch zum Eingang.“

Für alle anderen versucht Jörg-Olaf eine Live-Übertragung per Mogulus zusammenzustricken, die, wenn alles klappt, hier zu sehen sein wird.