Senait Mehari und „Extreme Activity“

(Warnung: Selbstreferenzialität galore!)

Vor einem knappen Jahr schrieb ich hier darüber, wie das NDR-Medienmagazin „Zapp“ für einen Beitrag Leute suchte, die sich über den Grimme-Preis für „Extreme Activity“ empörten. Weil ich mit Empörung nicht dienen konnte, schied ich als Interviewpartner aus; mindestens einem Kollegen ging es ebenso. Ich fügte damals hinzu:

Damit es keine Missverständnisse gibt: Ich halte das nicht für einen Skandal. Ich finde es nur ein kleines, anschauliches Beispiel dafür, wie Journalisten arbeiten.

Das war nicht als Floskel gemeint, hat aber Kollegen nicht davon abgehalten, mich trotzdem misszuverstehen.

Denn die kleine Anekdote zieht gerade Kreise — in einem Zusammenhang, der nicht ferner sein könnte von der ProSieben-Kindergeburtstagsshow. Es geht um den Fall von Senait Mehari und die Frage, ob ihre Lebensgeschichte, die sie als Buch veröffentlicht hat und die gerade verfilmt wurde, glaubwürdig ist. „Zapp“ hat dazu eine klare Meinung: Sie ist nicht glaubwürdig. Anderen Medien macht das Magazin heftige Vorwürfe, weil sie Meharis Version ungeprüft kolportiert hätten.

In einem langen Artikel in der „Berliner Zeitung“ griff Abini Zöllner am 27. Februar 2008 „Zapp“ für seine Berichte in dieser Sache scharf an. Und als Schein-Beleg dafür, dass das Medienmagazin nicht nur in diesem Fall unsauber arbeite, taucht in dem Artikel plötzlich mein Anekdote auf — natürlich ohne den Satz, dass ich das Vorgehen nicht für einen Skandal halte und in merkwürdigem Zusammenhang mit dem Netzwerk Recherche, das mit „Extreme Activity“ wahrlich nichts zu tun hat.

Noch am selben Tag änderte ein anonymer Nutzer den Wikipedia-Eintrag zu „Zapp“ und fügte u.a. hinzu:

„Zapp“ wird vorgeworfen Medienkampagnen tendenziös anzufachen und Bestandteil eines undurchsichtigen Netzwerks zu sein. Der Bildblogger Stefan Niggemeier berichtet, wie „Zapp“ bei Interviews manipuliert (…)

Auch das Redaktionsblog der Medienzeitschrift „Berliner Journalisten“ griff den Artikel der „Berliner Zeitung“ auf und legte noch eine Schippe Schärfe nach: „Zapp“ sei „zumindest streckenweise — verkommen, und das ist furchtbar“ schrieb ein anonym bleibender Autor. Und offenbar als Beleg für diese These gab es einige Links zu „Fünden [sic] anderer Watchdogs“, darunter den zu meinem genannten Eintrag.

Um es deutlich zu sagen: Ich kann nicht beurteilen, wer in der eigentlichen Frage nach der Echtheit von Senait Meharis Schilderungen Recht hat. Ich möchte mir auch kein Urteil erlauben, welche Seite journalistisch fahrlässig gehandelt hat, dafür ist die Materie zu komplex, sind die Widersprüche zu groß. Ich finde es sehr positiv, dass „Zapp“ auf seiner Internetseite im Wortlaut Stellungnahmen anderer Medien dokumentiert — auch diejenigen aus dem eigenen Haus, die „Zapp“ kritisieren [pdf]. Das ist bewundernswert transparent, bedeutet aber natürlich noch nicht, dass „Zapp“ in der Sache recht hat.

All das kann ich also nicht beurteilen. Ich tauge aber nicht als Zeuge für „Manipulationen“ durch „Zapp“ und für die „Verkommenheit“ von „Zapp“ und sehe darin eine mutwillige Verdrehung meiner Aussagen.

PS: Vergangenen Freitag wiederholte das Blog des „Berliner Journalisten“-Magazins die Vorwürfe gegen „Zapp“. Die Chefredakteurin Sabine Pamperrien schrieb darin die folgenden lustigen Sätze:

Warum [die „Zapp“-Redakteurin Julia] Salden nicht einfach von der Kommentarfunktion Gebrauch gemacht hat, werden wir wohl nie erfahren.

Das finden Sie nicht lustig? Dann versuchen Sie mal, einen Kommentar im „Berliner Journalisten“-Blog abzugeben. Mir ist es nicht gelungen; seit knapp zwei Jahren offenbar auch niemandem sonst. Vielleicht ist Internet einfach nicht so die Spezialität von Frau Pamperrien.

stern.de für Runden Tisch zu Kommentaren

Für meinen „FAS“-Artikel über Kommentare bei den großen Online-Medien habe ich mich auch über die Kommentar-Praxis bei stern.de erkundigt. Von den ausführlichen Antworten, die ich von Chefredakteur Frank Thomsen und der Community-Managerin Katarina Rathert (per E-Mail) bekam, konnte ich nur einen Bruchteil im Artikel verwerten. Aber zum Glück ist hier ja noch ein bisschen Platz.

Welche Themen laden besonders zum Kommentieren ein?

Rathert: „Die User melden sich besonders dann gern zu Wort, wenn sie persönlich betroffen sind oder wenn es um politische Diskussionen geht. Kommt beides zusammen, erleben wir regelmäßig Rekorde hinsichtlich der Zahl der Kommentare: zuletzt etwa beim Thema Rauchverbot in Restaurants, Steuerhinterziehung oder der Privatisierung der Bahn.“

Was sind das für Leute, die kommentieren?

Rathert: „Wir haben einen festen Stamm von Usern, die sich regelmäßig mit Kommentaren beteiligen. Insgesamt machen aber alle mit – vom studierten Experten bis zum Hartz-IV-Empfänger. Die große Mehrheit sind ganz normale Menschen, denen es Spaß macht, ihre Meinung mitteilen zu können.“

Wie wird bei stern.de moderiert?

Rathert: „Wir moderieren. Wir rügen auch, wenn es nötig ist. Und wir schalten ab, wenn es gar nicht anders geht. Alles nach dem Grundsatz: Mit und für den User, nicht gegen ihn. Alle User-Beiträge auf stern.de gehen ohne vorherige Kontrolle online. Nur so ermöglichen wir den Usern eine schnelle und direkte Diskussion. Für uns als Betreiber der Seite erhöht das die Notwendigkeit, zügig und aufmerksam zu lesen, denn selbstverständlich wollen wir weder Pöbeleien noch gar Gesetzesverstöße auf stern.de haben. Wird ein User ausfallend, löschen wir zunächst den Kommentar. Wiederholt er ihn, sperren wir seinen Account. Laufen ganze Diskussionen aus dem Ruder, rufen wir zur Mäßigung auf. Hilft das nicht, schalten wir die Kommentarfunktion ab. Das mussten wir zum Beispiel beim Brand des Hauses in Ludwigshafen tun. Hier hatten ein paar ausländerfeindliche Störer so viele Kommentare eingestellt, deren Inhalte mit dem Recht auf Meinungsäußerung nicht mehr gedeckt waren, dass eine vernünftige Debatte nicht mehr möglich war.“

Was sind die größten Probleme, die auftauchen?

Rathert: „Weniger als 5 Prozent der Kommentare machen Probleme. Das reicht von harmlosen Unsinnstexten über Beleidigungen bis zu rechtsradikalen oder menschenverachtenden Kommentaren. Wenn wir die User ermahnen, sind manche ganz überrascht oder fühlen sich ehrlich missverstanden – der Reiz, mal deftiger seine Meinung zu sagen als von Angesicht zu Angesicht, wirkt auf manche User verführerisch. Andere löschen wir.“

Thomsen: „Wir möchten gern daran festhalten, dass die Kommentare bei uns zu jeder Zeit geöffnet sind. Kommentare ermöglichen den direkten Kontakt zwischen User und Redakteur. Unsere kritische Berichterstattung über pornografische und rechtsradikale Inhalte bei SchülerVZ etwa ging auf einen Leserkommentar zurück, dem wir nachgegangen sind. Außerdem dienen die Kommentare auch der Anregung: Themen, die besonders bewegen, greifen wir verstärkt auf.

Bislang gelingt es uns ganz gut, die Meinungsrandalierer im Griff zu behalten. Aber wir diskutieren intern sehr ernsthaft, ob wir zum Beispiel das Anmeldeverfahren so ändern müssen, dass sich jeder mit seinem echten Namen an den Kommentaren beteiligen muss. Das würde vielleicht die Rüpel abhalten, denen stern.de keine Plattform geben will.

Nach der Phase der fast kindlichen Euphorie darüber, dass user generated content so einfach zu bekommen ist, müssen wir Medien nun dringend in die nächste Phase eintreten: User herzlich willkommen — aber nur die, die sich an die Mindestregeln von Communities halten. Ich rege einen runden Tisch der publizistischen Sites an, um nach einem Weg zu suchen, wie wir Rechtsradikale und Beleidiger nach Möglichkeit komplett von unseren Seiten fernhalten. Zum Wohle der 95-%-Mehrheit unter unseren Usern, die sich mit Verstand und Freude an den Kommentaren beteiligen.“

Generation Keramik

Außer mit Interviews und PR-Auftritten, in denen die beiden Autoren des Sachbuchs „Generation Doof — Wie blöd sind wir eigentlich?“ (derzeit Platz 1 der Spiegel-Taschenbuch-Bestsellerliste) unablässlich andere und — bemerkenswert freimütig — auch sich selbst für doof verkaufen, bewirbt der Lübbe-Verlag seinen Bestseller auch mit ein paar hauseigenen „Kolumnen“ auf der Lübbe-Website, in denen die beiden Autoren sich und andere für doof verkauften, als sie noch nicht wussten, dass das Buch erfolgreich genug werden würde, um’s auch in Interviews, Interviews und PR-Auftritten tun zu können.

Na, jedenfalls schreiben die beiden in ihrer dritten Kolumne „Gläsern im Netz oder Der durchsichtige Doofe“, dass „viele aus der Generation Doof (…) ihren Mangel an Gehirn als gläserne Bürger im Internet“ zeigen würden, indem sie bereit seien, ihre „persönlichen Daten der Weltöffentlichkeit preiszugeben“. Und sie sind darin ziemlich entschieden.

Angst davor, ein Bürger aus Glas zu sein, hat offenbar kaum einer von uns virtuellen Selbstdarstellern. Kein Wunder, bei so wenig Innenleben. Wer interessiert sich schon ernsthaft dafür wie wir heißen, wo wir wohnen und welche ansteckenden Krankheiten und sexuellen Vorlieben wir haben – etwa Firmen, bei denen wir uns bewerben, unsere Versicherungsgesellschaft, unsere zukünftigen Liebhaber, anständige Betrüger von nebenan oder gar James Bond? Hirngespinste von gestern, sagt sich die Generation Doof und fühlt sich mit großer Gleichgültigkeit wie in Watte gepolstert.

Die „Kolumne“ endet mit einem Bekenntnis:

Da wir beide auch zur Generation Doof gehören und uns alles egal ist: Frau Weiss heißt Anne mit Vornamen, Herr Bonner Stefan. Wir sind beide Mitte dreißig, überwiegend hetero, teilweise trinkfest, haben an Aschermittwoch zuletzt in die Keramik geguckt, lieben Pasta mit Pesto, haben zurzeit 0,0 Euro auf dem Konto und unsere Lieblingstiere sind Thunfische in Dosen.

Unser Tipp: Wer sich so gläsern fühlt und gibt, sollte sich vielleicht nicht allzuweit weit aus einem Fenster lehnen. Denn Frau Weiss heißt nicht Weiss mit Nachnamen, Herr Bonner nicht Bonner. Das sind nur Pseudonyme.* Und woher wissen wir das? Man mag es gar nicht glauben: aus dem Internet.

*) Angeblich wurden die Pseudonyme gewählt, weil die Autoren eigentlich „Lektoren in einem großen deutschen Publikumsverlag“ (so der große deutsche Publikumsverlag Lübbe über Weiss und Bonner) sind und andere verlagseigene Autoren sich ungern von Lektoren betreuen ließen, die selber Bücher schreiben. So jedenfalls schildert es auf Nachfrage die Co-Autorin. Und eine gute Nachricht hat sie auch: Der ungeprüft übernommene und unwidersprochen weiterverbreitete doofe Fehler in ihrer „Generation Doof“ wird aus den kommenden Auflagen getilgt.

Recherche 2.0: Kommentare

Ich sitze gerade an einem Artikel für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ über Nutzer-Kommentare bei Online-Medien — und dachte, das wäre doch eine gute Gelegenheit, dieses Blog (und Sie und Euch!) noch einmal zur Recherche zu missbrauchen.

Es geht um die großen Online-Ableger von klassischen Medien: sueddeutsche.de und faz.net, Zeit Online, Welt Online, Focus Online und all die anderen, bei denen man unter den Artikeln kommentieren kann. Meinen Fragen an die, die dort häufiger kommentieren und Kommentare lesen: Was spielen sich da für Dramen ab, wo gibt es Beispiele für wunderbar gelungene Diskussionen? Wo sieht man, dass die Redaktion das einfach ignoriert, und wo dass sie auf berechtigte Kritik gut reagiert? An welcher Stelle ist „Community-Management“ nicht nur ein Buzz-Word?

Ich freue mich über konkrete Belege für die Möglichkeit und für die Unmöglichkeit, dort gute Diskussionen zu führen, über Hinweise auf Vorbildliches und Abschreckendes. (Und vielleicht, auch wenn’s schwer fällt, ohne Beschimpfungen und Wutausbrüche.)

Jetzt wird zurückgelogen

Marcus Böttcher vom „Express“ fand sich richtig schlau. Das geht vermutlich vielen so, wenn sie über Paris Hilton berichten. Es ist ja auch so leicht. Marcus Böttcher also schrieb am vergangenen Donnerstag:

Achtung, Achtung. Es folgt Teil 154 in der Serie „Wie doof kann man sein??“ Stargast wie fast immer: Fräulein Paris Hilton. Denn deren persönlicher Guru entpuppte sich jetzt als Schauspieler.

Böttcher schrieb, wie der angeblich erfolglose Schauspieler Maxie Santillan Jr. sich als Schamane ausgab, denn — Böttcher kennt sich aus:

Die Dienste eines solchen — Segnen, Predigen, aus buddhistischen Schriften vorlesen — sind in Hollywood schließlich gefragt. Auf zu vielen Menschen hier lastet das schlechte Gewissen nach zahlreichen Suff-Sex-Promi-Partys.

Mit Paris Hilton (27) hat Maxie Santillan allerdings das ganz große Los gezogen. Denn die Hotelerbin trifft sich mit ihm nicht im dunklen Kämmerlein, sondern schlendert mit ihrem neuen Freund durch Los Angeles (EXPRESS berichtete).

Hahaha, die Hilton, blöde Kuh, fällt auf einen Schauspieler rein! Sicherheitshalber fragte Marcus Böttcher bei einem anderen Fachmann nach: Michael Kneissler. Er nennt ihn „Society-Experte“, und tatsächlich spricht der Journalist ungefähr ununterbrochen Fernurteile und -diagnosen über das Privatleben von mehr oder weniger prominenten Menschen in irgendwelche Kameras oder Mikrofone. Kneissler also sagte Böttcher auf die Frage, ob durch das „Outing“ nun die „Freundschaft“ Hiltons zu dem Schein-Schamanen gefährdet sei:

„Nein. Durch ihn hat sie wieder weltweite Aufmerksamkeit bekommen. Auch wenn er sie als unechter Guru zum Deppen gemacht hat.“

Nein. Die Deppen in dieser Geschichte sind Michael Kneissler und Marcus Böttcher. Und in einem Abwasch gleich all ihre vermutlich zigtausend Kollegen, die das Leben von Stars — oder das, was uns mithilfe von Paparazzi-Fotos, PR-Geschichten und Halb- und Unwahrheiten als solches vorgegaukelt wird — alltäglich zu bunten Märchen oder hämischen Abgesängen verarbeiten. Denn die Geschichte mit dem Schamanen war eine einzige Verlade. Paris Hilton hat sie mit Ashton Kutcher („Punk’d“) in Szene gesetzt, um sich an den skrupellosen Paparazzi, ahnungslosen Möchtegern-Society-Experten und überheblichen Boulevardfantasten dieser Welt zu rächen. Die Sendung heißt „Pop Fiction“ und läuft auf dem amerikanischen Sender E!, ist aber auch im Internet zu sehen. In vorerst acht Folgen sollen 20 — teils höchstkarätige — Prominente ihr Spiel mit der gutgläubigen Medienmeute spielen.

Auf die Schamanen-Geschichte sind alle reingefallen – und der grenzenlos hämische Tonfall, in dem sie sich über die wieder einmal völlig verrückte Paris Hilton lustig machen, spricht für sich selbst.

Weit vorne in die deutschsprachige Deppenliga hat es auch der „Berliner Kurier“ geschafft, der so „berichtete“:

Die Schamlose und der Schamane Paris Hilton jetzt mit Guru: Kann der Zottel sie zu einem besseren Menschen machen?

(…) Chihuahua Tinkerbell war einmal. Paris Hilton hat ein neues Schoßhündchen: Sie führt jetzt einen Schamanen spazieren. (…)

So konnten die Fotografen mitverfolgen wie Mönch Namenlos ihr segnend die Hand auf den Kopf legte und ihr Haar streichelte. Wie sehr sie diese Berührung veränderte, führte Paris auch gleich vor. Beim Verlassen des Lokals nahm sie ihr Diamantherz-Halsband ab und schenkte es einer Studentin. Paris sagte dazu von sich selbst gerührt: „Mein Guru hat mir gesagt, dass ich das tun soll. Denn Schenken ist die größte Gabe für einen selbst.“ Doch die Millionärin hatte sich für ihre Ich-bin-jetzt-ein-Gutmensch-Aktion die Falsche ausgesucht. Die beschenkte Studentin kündigte an: „Das Halsband verkaufe ich bei Ebay“. Für manchen ist Versteigern eben eine noch größere Gabe …

(Ja, auch die Verschenk-Aktion stand im Drehbuch, die vermeintliche Studentin war eingeweiht.)

In der „B.Z.“ fantasierte Annika Hennebach: „Paris Hilton sucht Zuflucht bei Schamanen“, auf Bild.de glaubte Gerlinde Jänike: „Paris Hilton hat einen eigenen Guru. Einen richtigen, echten, mit grauem langen Bart, einen Schamanen“, und vanityfair.de fabulierte angesichts des unerklärlichen Begleiters: „Vielleicht liegt es am teuflischen Einfluss ihres Freundes Benji Madden (…).“

Beeindruckend ist, dass die versammelte Boulevardmeute auch dann noch nicht daran zweifelte, wer klug ist (sie) und wer dumm (Paris Hilton), als herauskam, dass Hiltons Begleiter nur ein Schauspieler war — nicht nur dem „Express“ ging das so. Das Paparazzi-Blog Viply.de schrieb:

Wie peinlich, Paris hat sich mal wieder selbst übertroffen! (…) Offenbar konnte [der Schauspieler] eine Aufbesserung des „Taschengelds“ gut gebrauchen – so wie Paris ein „ernsthafteres“ Image. Nur wenige Tage zuvor beklagte sie ihr Los in einem Interview: „Die Leute wissen gar nicht, wie ich wirklich bin und das macht mich wütend! (…)“ — Ein weiterer ihrer Schüsse, der nach hinten losging.

Auch Avril Lavigne führte in der Premierenfolge von „Pop Fiction“ die Weltöffentlichkeit in die Irre — dadurch, dass sie eine Andeutung von Bauch trug. Wie absurd sich das liest, wenn die daraus resultierenden Spekulationen bis in die traurigsten Verästelungen des Boulevardbetriebs durchsickern, demonstriert schön viva.tv:

Avril Lavigne – Schwanger? Der Babyboom in Hollywood nimmt kein Ende!

Nach Jennifer Lopez, Christina Alguilera und Nicole Richie ist nun auch bei Sängerin Avril Lavigne angeblich der Storch gelandet.

Zwar wurde ihre Schwangerschaft noch von keiner Seite bestätigt, doch laut viply.de könnte man sich allmählich sicher sein.

Avril und ihr Ehemann Deryck kauften vor kurzem Babykleidung ein und vergaßen dabei ein noch viel interessanteres Indiz in ihrem Auto. Ein Ultraschallbild! Sehr verdächtig, finden wir!

Genauso verdächtig ist Avrils neue Art sich vorwiegend „bedeckt“ zu kleiden. Da wird die Kapuzenjacke überm Bäuchlein sachgemäß zugezogen, um ja keine Rundungen hervorblitzen zu lassen.

Diese „Pop Fiction“-Aktion ist grandios — und überfällig. Die Sendung zeigt die immer wieder unfassbare Zahl, Allgegenwart und Aggressivität der Fotografen, und mit welcher Geschwindigkeit und Wucht und welchem Desinteresse an Tatsachen aus einem harmlosen Anlass Titelseiten und weltweite Schlagzeilen fabriziert werden. Sie ist eine Art Notwehr der Prominenten – und wirkt, im Idealfall, medienpädagogisch: Je mehr dem Publikum bewusst ist, dass all die „Star-News“, mit denen sie von Viva über „Bunte“ bis „Spiegel Online“ überflutet werden, im Zweifelsfall reine Erfindungen sind (der Medien oder der Stars selbst), um so größer ist die Chance, dass das Interesse an diesem Genre wieder sinkt. Oder man sich wenigstens darauf einigt, dass man sich dann die Geschichten gleich ganz ausdenken kann, ohne dafür echte Menschen zu behelligen, und vielleicht davon absehen kann, zu versuchen, Britney Spears oder Amy Winehouse in den Tod zu treiben.

Und wenn Leute wie Marcus Böttcher und Michael Kneissler in Zukunft öfter ausgelacht werden, ist schon viel gewonnen.

Katzencontent

Simon Tofield arbeitet für die Londoner Animations-Firma „Tandem Films“. Vor ein paar Monaten hat er diesen sensationellen kleinen Katzenfilm gezeichnet:

Und jetzt gibt es endlich eine Fortsetzung:

Ich kann mir das Dutzende Male ansehen (und anhören!), ohne dass meine Begeisterung nachlässt. Und dabei bin ich eigentlich ein Hunde-Mensch.

Plagiatsvorwürfe nur geklaut?

Grand-Prix-Betrug?

(…) Schlager-Star Costa Cordalis (51) war über den Grand Prix erbost. Er spricht von Betrug: „Das Sieger-Lied ‚Diva‘ ist von mir geklaut. Gar keine Zweifel.“

„Bild“, 11.5.1998

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Grand-Prix-Skandal: Siegerin wurde disqualifiziert

(…) Aus der Traum vom Grand-Prix-Finale: Die blinde Sängerin Corinna May ist disqualifiziert worden. Ihr Sieg-Song „Hör den Kindern einfach zu“ ist geklaut. Manager und Komponist haben es gewußt.

„Express“, 17.3.1999

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Grand Prix: Ein neuer Skandal. Auch der Song von „Sürpriz“ nicht taufrisch

(…) Gestern fiel dem europäischen Musikverband OGAE auf, daß auch der Hit der zweitplazierten Gruppe „Sürpriz“, die uns jetzt in Jerusalem vertreten soll, nicht ganz frisch ist. 1984 brachte Komponist Ralph Siegel einen ähnlichen Song raus. Titel: „Wo geht die Reise hin?“

„Express“, 18.3.1999

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Grand-Prix-Siegerin Charlotte: Ist ihr Erfolg nur geklaut?

(…) während die Schwedin in Jerusalem feiert, meldet sich in Deutschland Komponist David Brandes (30).

Er will klagen! Grund: „ICH habe den Song komponiert, schon 1997. Der Titel des Originals lautet ‚Out of the Blue‘, gesungen haben ihn ‚Bad Boys Blue‘, In Skandinavien ein großer Erfolg, bekam Platin.“ (…) Auch Musikproduzent Hans Steingen bestätigt: „Ganz klar geklaut. Die harmonische und melodische Abfolge in der Strophe ist vollkommen identisch.“ (…) Fazit Brandes: „Ich bin fassungslos. Heute gehe ich zum Anwalt.“

„Bild“, 31.5.1999

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STEFAN RAAB – da hadde du geklaut

Sein Erfolgshit – nicht nur von einem, sondern gleich von zwei Songs abgekupfert?

BILD zeigt am Noten-Vergleich, wie identisch die Melodie-Folgen sind. Zum einen die Songsrücke „I am so curious…“ aus dem Raab-Song mit dem Refrain aus „Say you’ll be there“ (I’m giving you everything…) von den Spice Girls. Zum anderen der Raab-Refrain „Wadde hadde dudde da“ mit der Hauptzeile auf der Nummer „Burn rubber on me“ von der US-Gruppe GAP.

„Bild“, 9.3.2000

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Michelles Siegerlied – alles nur geklaut?

(…) Die Kölner Sängerin Ava Cimiotti (36) behauptet: „Michelle hat das Lied von mir geklaut. Ich habe es schon vor zwei Jahren für Michelles Plattenfirma auf CD eingesungen. Die haben dann zwar das Lied behalten, aber mich einfach abserviert.“

„Bild am Sonntag“, 4.3.2001

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„Bild“: Haben Sie [Ihrem Noch-Ehemann] Gavin das Grand-Prix-Lied geklaut?

Ireen Sheer: Nein! Der englische Text stammt nicht von Gavin, sondern von mir. Er hat nur bei einigen Passagen geholfen. Zum Grand Prix haben wir aber den alten Text rausgeschmissen. Der Song ist jetzt kein Liebeslied mehr, sondern ein Friedenslied.

„Bild“, 21.1.2002

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Grand-Prix-Skandal

Grand-Prix-König Ralph Siegel (56) ist frisch verliebt! Aber seine neueste Eroberung, die schöne, junge Kriemhild (29), ist verheiratet. Ihr Ehemann ist wütend, sagt: „Siegel hat mir die Frau geklaut!“

„Bild“, 28.2.2002

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Das Siegerlied beim Grand Prix ist geklaut! Das behauptet der deutsche Latino-Sänger Lou Bega (26, „Mambo No. 5“). „Es gibt starke Ähnlichkeiten zwischen meinem Song und Marie N.s Lied“, sagte Lou Bega. Er will die lettische Grand-Prix-Gewinnerin aber nicht verklagen. Lou Bega: „Es erfüllt mich mit Stolz.“

„Bild“, 28.5.2002

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Jean-Pierre Valance warf Lous Komponist Ralph Siegel vor, bei ihm geklaut zu haben. „Die ersten vier Takte des Refrains sind identisch mit dem Refrain meines Liedes ‚Weiß der Geier oder weiß er nicht“, sagte Valance, der sein Lied für Wolfgang Petry verfasste.

„Berliner Zeitung“, 10.3.2003

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Alles nur geklaut? Wirbel um Grand-Prix-Hit von Texas Lightning

Musikproduzent Marco Delgardo (37, 183 Goldene, 54 Platin-Schallplatten) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Band „Texas Lightning“. Der Song „No No Never“, mit dem die fünf Country-Musiker beim Grand Prix in Athen antreten wollen, soll geklaut sein.

Der Komponist behauptet: „Die Nummer ist ganz klar abgekupfert vom dänischen Grand-Prix-Beitrag ,Never ever let you go‘ von der Band ,Rollo & King‘ aus dem Jahr 2001. Daran besteht überhaupt kein Zweifel.“

„Bild“, 21.3.2006

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Hat Heinz Rudolf Kunze seinen Grand Prix-Hit geklaut? Angeblich klingt sein Song wie der 80er-Hit „Heat of the Moment“ von Asia.

„B.Z.“, 27.1.2007

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Schwere Vorwürfe gegen Grand-Prix-Gewinnerin: Sieger-Hit in Albanien geklaut?

(…) [Beim albanischen Musikfestival „Top Fest“ 2006] sang die schöne Soni Malaj ihre Ballade „Ndarja“ — und die klingt verdammt nach dem Gewinner-Song. Doch der kommt wie gesagt aus Serbien und heißt „Molitva“. Also alles nur geklaut?

„Berliner Kurier“, 15.5.2007

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„No Angels“ unter Verdacht: Haben sie ihren Grand-Prix-Song „Disappear“ geklaut?

(…) Das meint zumindest Daniel Lutz vom Augsburger „Hitradio rt.1“, wie die „Rheinische Post“ berichtet. Hinter „Disappear“ vermutet dieser eine Abkupferung des Titels „Break The Silence“, den die drittplazierte Steffi List im Januar bei Stefan Raabs Castingshow zum Besten gab.

„Bild“, 11.3.2008

Bundestagswahl 2009 gelaufen

Ich hatte mich gerade schon in Rage gedacht über diese Überschrift bei „Spiegel Online“, die im Artikel durch nichts gedeckt wird als diese Formulierung:

Aber zum Glück muss ich mich darüber nicht mehr aufregen wundern, denn das hat Malte Dahlgrün im „Dummy“-Blog schon getan.

(Überhaupt eine gute Gelegenheit, endlich mal darauf hinzuweisen: Seit ein paar Wochen hat Oliver Gehrs‘ feine Zeitschrift auch ein Blog, in dem es anfangs fast ausschließlich um Stefan Aust ging, inzwischen aber auch um dies und das, meistens aus der Medienwelt.)

Und noch ein Gedanke zu Peer Steinbrück. Ich weiß nicht, was er über die Chancen der SPD bei der nächsten Bundestagswahl denkt. Aber ich kann eine kleine Plausibilitätsrechnung anstellen. Es sind noch 18 Monate bis zur Wahl. Die SPD liegt in den Sonntagsfragen zehn Prozentpunkte hinter der CDU/CSU. 18 Monate vor der letzten Bundestagswahl lag die SPD in den Sonntagsfragen über zwanzig Prozentpunkte hinter der CDU/CSU. Bei der Wahl betrug der Rückstand dann einen Prozentpunkt.