Detailfragen

Falls Sie sich wundern, warum verschiedene Qualitätsmedien berichten, der gestern tot aufgefundene Schauspieler Heath Ledger hätte demnächst bei den Dreharbeiten für den nächsten „Batman“-Film „The Dark Knight“ als Joker vor der Kamera stehen sollen, obwohl diese Dreharbeiten bereits abgeschlossen sind: Der Fehler stammt von der Nachrichtenagentur AP.

AP berichtete das um 23:09 Uhr und dann noch einmal um 23:12 Uhr. Erst in einer weiteren AP-Meldung um 23:52 Uhr stand es richtig („Bei den Dreharbeiten für den nächsten ‚Batman‘-Film stand er als Bösewicht Joker vor der Kamera.“), aber natürlich ohne jeden Hinweis, dass diese Formulierung eine Korrektur darstellt.

Natürlich ist es kein Wunder, dass in den Online-Redaktionen um diese Zeit keine Filmexperten mehr im Dienst sind. Nur die Variante, die exklusiv bei Bild.de steht, die hätte man ganz ohne Fachwissen ausschließen können:

Bei den Dreharbeiten für den nächsten „Batman“-Film wird er als Bösewicht vor der Kamera stehen.

Nachtrag, 10:00 Uhr: tagesschau.de, Focus Online und Spiegel Online haben den Fehler inzwischen korrigiert, Bild.de jeden Hinweis auf „Batman“ sicherheitshalber ersatzlos gestrichen.

Sport1 interschuht Philipp Lahm

Und dann war da noch „Deutschlands größtes Sportportal“ Sport1.de, das ein Exklusiv-Interview mit Philip Lahm geführt hat, in dem er u.a. über seine Erwartungen an Jürgen Klinsmann und die Ziele für die Rückrunde plaudert. Das Gespräch nimmt kurz vor Schluss eine überraschende Wendung:

Der Link führt, natürlich, hierhin. Autor Michael Gerhäußer ist übrigens aus unerklärlichen Gründen Mitglied im Verein Münchner Sportjournalisten.

[Mit Dank an Robin Heintze!]

Nachtrag, 22.00 Uhr. Nicht dass jemand denkt, das wäre Schleichwerbung. Wir befinden uns mit diesem Sport1-Artikel „an der Nahtstelle zwischen gutem Sport-Journalismus und intelligentem Marketing“.

[via dogfood in den Kommentaren]

Nachtrag, 27. Januar. Das Interview ist spurlos verschwunden.

Das Schlimme

Man kann es natürlich auch so machen wie die Zeitschrift „Das Neue“ aus dem Heinrich-Bauer-Verlag und als Reaktion auf die ethisch und juristisch gut begründete Aufforderung, nicht öffentlich über den Gesundheitszustand der Komikerin Gaby Köster zu spekulieren, die angebliche Diagnose fett und mit Ausrufezeichen auf die Titelseite schreiben und für alle, die es möglicherweise übersehen haben, drei Tage nach Erscheinen des Heftes eine Pressemitteilung herausgeben, in der keine, aber auch wirklich keine Frage offen bleibt.

Schneewitschen und die welt.de-Zwerge

Immer mittags verschickt RTL in diesen Tagen eine Pressemitteilung, in der (mit einer Sperrfrist bis nach der Sendung) steht, was am vergangenen Tag im Dschungelcamp passiert ist und am späten Abend im Fernsehen gezeigt werden wird. Das ist ein Angebot, das von einem Qualitätsmedium wie welt.de für die eigene, äh, Nachberichterstattung natürlich dankbar angenommen wird.
 

RTL-Pressemitteilung Welt.de-Artikel
Das gab es bei der Dschungelshow noch nie. Heute lehnt erstmals ein prominenter Camper eine Herausforderung ab und schreit: „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ Das gab es bei der Dschungelshow noch nie. Nach über 40 Prüfungen lehnte in der neunten Folge erstmals ein prominenter Camper eine Herausforderung ab und schrie: „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“
Nervös kommt Julia zur Prüfung. (…) Julia: „Das hört sich eklig an, aber ich habe mir diesmal vorgenommen nicht schlapp zu machen.“ (…) Dr. Bob: „Halte den Mund zu, denn sonst kriechen die Kakerlaken rein. Und wenn sie es schaffen, dann musst Du gut kauen. Sie laufen überall hin, wo es dunkel ist. (…)“ Julia Biedermann kam schon nervös zur Prüfung. Zunächst gab sie sich kämpferisch: „Ich habe mir diesmal vorgenommen, nicht schlapp zu machen.“ Der Camp-Arzt Dr. Bob riet ihr noch: „Halte den Mund zu, denn sonst kriechen die Kakerlaken rein. Wenn sie es schaffen, dann musst Du gut kauen. Sie laufen überall hin, wo es dunkel ist.“
Sie bekommt eine Schutzbrille und legt sich in den Schneewitschensarg. Darüber krabbeln hinter einer Glasscheibe 40.000 Kakerlaken. Julia blickt hinauf in die kriechenden Küchenschaben und ist völlig fertig. (…) Julia: „Nein, ich will die Prüfung nicht machen und höre auf. Ich will die Kakerlaken nicht haben.“ Sie bekam eine Schutzbrille und legte sich in den Schneewitschensarg. Darüber krabbelten hinter einer Glasscheibe 40.000 Kakerlaken. Julia blickte hinauf in die kriechenden Küchenschaben – und war völlig fertig. Schließlich gab sie zu: „Nein, ich will die Prüfung nicht machen und höre auf. Ich will die Kakerlaken nicht haben.“
Als Julia enttäuscht und ohne Sterne ins Camp zurückkehrt, akzeptieren die Anderen noch ihre Bauchentscheidung, nicht zur Prüfung anzutreten. Doch die Stimmung kann sich auch ganz schnell ändern. Als Julia enttäuscht und ohne Sterne, die sie hätte abschrauben sollen, ins Camp zurückkehrte, akzeptierten die anderen noch ihre Bauchentscheidung, nicht zur Prüfung anzutreten. Doch die Stimmung kann sich auch ganz schnell ändern.
Es fängt am Vormittag an. Lisa kommt mit starken Magenschmerzen von der Toilette. Heulend bricht sie in Michaelas Armen zusammen. Dr. Bob und der deutsche Camparzt untersuchen Lisa. Der erste Verdacht: Blinddarmentzündung. Dann kommt Lisa von der Voruntersuchung des Arztes zurück ins Camp. Sie weint herzzerreißend (…). Es fing am Vormittag an. Lisa kam mit starken Magenschmerzen von der Toilette. Heulend brach sie in Michaelas Armen zusammen. Dr. Bob und der deutsche Camparzt untersuchten Lisa. Ihr erster Verdacht: Blinddarmentzündung. Als Lisa von der Voruntersuchung des Arztes zurück ins Camp kam, weinte sie herzzerreißend (…).
Da die Gesundheit der Stars oberste Priorität hat, wird Lisa sofort ins nächste Krankenhaus eingewiesen. (…) Von dort geht es in eine Privatklinik. Die Ärzte entscheiden, dass Lisa nicht mehr zurück ins Camp darf. Im Krankenhaus wird eine Gastritis, eine Entzündung der Magenschleimhäute, diagnostiziert. Lisa später: „Ich war deswegen schon zwei Mal in Deutschland beim Arzt. Mein Freund und meine Mutter wussten nichts davon. Ich wollte sie nicht beunruhigen. Der Arzt hat auch gesagt, dass es mit dem wenigen Essen hier nicht so toll ist.“ Lisa wurde sofort ins nächste Krankenhaus eingewiesen. Von dort ging es in eine Privatklinik. Die Ärzte entschieden, dass Lisa nicht mehr zurück ins Camp darf. Im Krankenhaus wurde schließlich eine Gastritis – eine Entzündung der Magenschleimhäute – diagnostiziert. Lisa erzählte später: „Ich war deswegen schon zwei Mal in Deutschland beim Arzt. Mein Freund und meine Mutter wussten nichts davon. Ich wollte sie nicht beunruhigen. Der Arzt hat auch gesagt, dass es mit dem wenigen Essen hier nicht so toll ist.“
Durch das vorzeitige Ausscheiden von Lisa wird in der heutigen Show niemand mehr das Camp verlassen. Wegen des vorzeitigen Ausscheidens von Lisa wird in der zehnten Folge der Show niemand mehr das Camp verlassen.
Eigentlich war es Lisas Idee im Camp eine DSDS-Show zu veranstalten, doch die verbliebenen neun Dschungelstars halten an der Idee fest. „Für Lisa“, erklärt der selbsternannte Moderator Björn zu Beginn der Camp-Recall-Show. Dann stellt er die Jury, bestehend aus Bata, DJ Tomekk und Ross vor und begrüßt die sieben Sangeskandidaten, er selbst eingeschlossen, die die Jury von ihrem Talent überzeugen wollen. Eigentlich war es Lisas Idee, im Camp eine DSDS-Show zu veranstalten. Die verbliebenen neun Dschungelstars hielten an der Idee fest. „Für Lisa“, erklärt der selbsternannte Moderator Björn zu Beginn der Camp-Recall-Show. Dann stellt er die Jury, bestehend aus Bata, DJ Tomekk und Ross, vor und begrüßte die sieben Sangeskandidaten, ihn selbst eingeschlossen. Alle mussten die Jury von ihrem Talent überzeugen.
Trotz des aufregenden Tages mussten wieder zwei VIP-Camper zur Schatzsuche antreten. Es traf diesmal Ross und Bata. Nach einem kurzen Marsch fanden sie eine Schatztruhe, die verschlossen und an einen Baum gekettet war. Der passende Schlüssel dazu musste von den beiden in unmittelbarer Umgebung gefunden werden. Eine fröhliche Suche mit anschließendem Buddeln in der Erde begann. Dann zog Bata endlich den Schlüssel aus dem Loch. Die Kiste konnte geöffnet werden. Darin war eine Plexiglas-Kiste, darin gut sichtbar neun rohe Eier. Trotz des aufregenden Tages mussten wieder zwei VIP-Camper zur Schatzsuche antreten. Es traf diesmal Ross und Bata. Nach einem kurzen Marsch fanden sie eine Schatztruhe, die verschlossen und an einen Baum gekettet war. Der passende Schlüssel dazu musste von den beiden in unmittelbarer Umgebung gefunden werden. Eine fröhliche Suche mit anschließendem Buddeln in der Erde begann. Dann zog Bata endlich den Schlüssel aus dem Loch. Die Kiste konnte geöffnet werden. Darin war eine Plexiglas-Kiste, darin gut sichtbar neun rohe Eier.
Die Eier sollten die beiden Schatzsucher möglichst unbeschadet ins Camp bringen. Doch schon nach wenigen Metern fiel Ross die Kiste aus der Hand. Fünf Eier gingen zu Bruch. Ross war untröstlich, doch die anderen im Camp fanden das nicht so tragisch. Michaela: „Dann gibt es eben Rührei!“ Besser als Reis und Bohnen, denn mehr hätte es sonst nicht gegeben – schließlich hatte Julia ihre Dschungelprüfung nicht angetreten. Die Eier sollten die beiden Schatzsucher möglichst unbeschadet ins Camp bringen. Doch schon nach wenigen Metern fiel Ross die Kiste aus der Hand. Fünf Eier gingen zu Bruch. Ross war untröstlich, doch die anderen im Camp fanden das nicht so tragisch. Michaela: „Dann gibt es eben Rührei!“ Besser als Reis und Bohnen, denn mehr hätte es sonst nicht gegeben – schließlich hatte Julia ihre Dschungelprüfung nicht angetreten.

Nicht dass hier der Eindruck entsteht, welt.de würde einfach nur Pressemitteilungen von RTL mitsamt Original-Tippfehlern als journalistische Artikel ausgeben: Die Information, dass es schon über 40 Dschungelprüfungen gab, stammt nicht von RTL (und ist falsch). Und auch die Angabe, dass in der zehnten Folge niemand das Camp verlassen muss, hat welt.de exklusiv (und ist falsch).

Nachtrag, 12:10 Uhr. welt.de hat den Artikel jetzt umgeschrieben und erheblich gekürzt.

Ich weiß nicht, warum ich hier bin

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Was uns das Dschungelcamp über „B-Promis“, das Fernsehen und uns selbst lehrt.

Es gibt im Dschungel zwischen all dem Ekel und der Häme einige Momente der Wahrheit, und einen der erschütterndsten lieferte eine neunzehnjährige Sängerin namens Lisa Bund. Lisa Bund wurde einer größeren Öffentlichkeit im vergangenen Jahr als Teilnehmerin von „Deutschland sucht den Superstar“ bekannt. Sie galt als eine der Favoritinnen, wegen ihrer großen Stimme und ihres noch größeren Ehrgeizes: Vor der Show hatte sie zwanzig Kilo abgenommen. Sie galt aber auch als Zicke, die rücksichtslos um den Sieg kämpfte und ihn vielleicht auch deshalb verpasste und nur Dritte wurde. Danach hatte sie einen Gastauftritt in der Seifenoper „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, veröffentlichte eine Single und ein Album, die mäßig erfolgreich waren. Nun sitzt sie im Dschungelcamp und hadert mit sich und der Welt.

Anfang der Woche sah man sie vor allem weinen. Unter Tränen klagte sie über ihr Heimweh: „Ich weiß, egal was ich jetzt mache, wäre falsch. Ich kann nicht hierbleiben, ich kann aber irgendwie auch nicht rausgehen, weil ich Angst habe, wieder was falsch gemacht zu haben. Ich fühl mich nicht wohl hier. Gar nicht. Ich hab versuchen wollen, dass die Leute mich lieben wegen meiner Musik. Und das hat alles nicht so funktioniert, wie ich es wollte. Und jetzt muss ich hierherkommen, um den Leuten was zu beweisen. Ich hab ein Problem mit mir selber. Ich weiß gar nicht, warum ich hier bin.“

Über den Druck, unter dem sie stand, hatte sie schon bei der Umquartierung in die Scheinwildnis gesprochen, als sie sagte, die Teilnahme an diesem Spektakel sei für sie „ganz wichtig“ – „damit die Leute sehen, dass ich gar nicht die Zicke bin, als die ich bei ,DSDS‘ abgestempelt wurde“.

Ihr Kollege Ross Anthony strahlt eine ähnliche Unentspanntheit aus. Tagelang schien er ein zitterndes Wrack zu sein, gefangen in einer Mischung aus Panik und völliger Erschöpfung von all der Panik. Die Lebensuntüchtigkeit dieser Menschen, die man schon dadurch auf seelische Wracks reduzieren kann, dass man ihnen ihre Tagescreme wegnimmt, ist beunruhigend. Aber noch beunruhigender ist, dass sie mit all ihren Phobien glauben in den Dschungel gehen zu müssen. Dass für sie die bekannten Zumutungen der Show ganz offenkundig kein Spiel sind, keine Herausforderung, sondern pure Notwendigkeit: ein Opfer, das gebracht werden muss für die eigene Karriere und, viel elementarer, für das dauerhafte Bild der Öffentlichkeit von ihnen selbst.

Es ist sicher kein Zufall, dass Lisa Bund und Ross Anthony durch dieselbe Schule gegangen sind: die der Castingshows. Anthony wurde durch seine Teilnahme bei „Popstars“ Mitglied einer Gruppe namens Bro’Sis. Bei „Popstars“ ist es vor allem Jurymitglied Detlef Soost, der den jungen Talenten erstaunlich brutal eine Lehre fürs Leben einpaukt: Sie müssen alles tun, was von ihnen verlangt wird. Wer nein sagt, fliegt raus, wer sich nicht anpasst, hat keine Chance. Soost und Dieter Bohlen stehen persönlich für diese Pädagogik, aber sie sind auch nur Stellvertreter für ein System, das sich so immer neues Menschenmaterial nach seinen Bedürfnissen formt, Protagonisten, die alles mitmachen, weil sie glauben, keine Wahl zu haben.

„Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ wirkt eigentlich vergleichsweise ungefährlich gegenüber „Big Brother“ oder vielen Talkshows und Doku-Soaps, weil die Teilnehmer keine naiven Laien sind, sondern Profis, die wissen könnten, worauf sie sich einlassen, und Berater an ihrer Seite haben. Doch mit Blick auf Teile des Personals und ihr Verhalten im Dschungel muss man daran zweifeln, dass die Teilnahme für alle rein subjektiv wirklich so freiwillig ist.

Wir haben ein merkwürdiges Verhältnis zu diesen ehrgeizigen Menschen, die es im Showgeschäft entweder nie ganz nach oben geschafft haben oder längst wieder auf dem Weg nach unten sind. Sie bevölkern massenhaft unser Fernsehen, sitzen in Talkshows, kommentieren irgendwelche Videoschnipsel und werden behandelt, als seien sie wichtig. Gleichzeitig machen wir jeden, der es nicht zur Berühmtheit, sondern nur zur Bekanntheit bringt, verächtlich. Jeder erfolglose Journalist, jeder gescheiterte Zuschauer kann sich ihnen überlegen fühlen und das Alphabet nach hinten durchgehen, um sie als „B-Promi“, „C-Promi“ zu verunglimpfen.

Diese Häme, die auch einen wesentlichen Reiz der Dschungelshow ausmacht, ist berechtigt – als Ausgleich für die Allgegenwart dieser Möchtegernstars. Andererseits vergisst sie, dass die Medien genau diese Semiprominenten brauchen, um die Unmengen Programmflächen und Druckseiten zu füllen. Und sie verliert die Perspektive der Leute selbst aus den Augen.

Man darf den pädagogischen Wert einer Show wie „Ich bin ein Star“ nicht überschätzen, aber sie ist nicht nur eine Zirkusveranstaltung, sondern auch ein soziales Experiment – und bietet ehrliche Einblicke in das Leben dieser „B-Promis“, in die Zwänge, denen sie sich ausgeliefert sehen, und ihre Hoffnungen. Auch das ist ein Grund, warum man sich so wunderbar überlegen fühlen kann: Wir glauben zu wissen, dass ihr Glaube, durch das Baden in Mehlwürmern und das Essen von Känguru-Hoden die eigene Karriere zu befördern, sehr abwegig ist.

Julia Biedermann begann ihre Karriere im Alter von vier Jahren in der „Sesamstraße“; den Höhepunkt erreichte sie vor über zwanzig Jahren in „Ich heirate eine Familie“. Jetzt, mit vierzig, will sie es noch einmal wissen: Sie ist nicht nur im Dschungel, sondern hat sich auch für den „Playboy“ ausgezogen. Ihr Management dachte womöglich, das wirke beeindruckend und nicht verzweifelt. Doch nun zeigen RTL und „Bild die Fotos boshafter- und gerechterweise nebeneinander: auf der einen Seite eine makellos Geschminkte, auf der anderen Seite ein grimmiges, unscheinbares Etwas mit Ähnlichkeit zu Angela Merkel. Beide scheinen nichts miteinander gemein zu haben – außer dem Wunsch, groß rauszukommen. Es ist eine Kombination von großer Tragikomik.

Björn-Hergen Schimpf fragte im Camp, als Biedermann zugab, sich für den „Playboy“ ausgezogen haben: „Ja, aber vor vielen Jahren, oder?“

Ist die Dschungelshow nur was für Doofe?

Dinge, die so sind, wie man sich das immer gedacht hat, sind oft gar nicht so.

Die „Süddeutsche Zeitung“ zum Beispiel schrieb am vergangenen Freitag über „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“:

Je gebildeter ein Zuschauer, desto weniger interessiert ihn die Dschungelshow, brachte die Zuschauerforschung hinsichtlich der beiden ersten Staffeln heraus. Es wird niemanden überrascht haben. Eigene Misere befördert die Bereitschaft, Gefallen an Programmen wie diesem zu finden, bei denen es am Ende eben um Erniedrigung, Zirkus, Gladiatorenkämpfe und um Sadismus geht.

Reflexion und Rache eigenen Nicht-Genügens und selbst erfahrener Kränkungen: Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! ist das Fernsehen der Gekränkten und Beleidigten.

Das ist ein bisschen kurzgeschlossen von „wenig Bildung“ auf „eigene Misere“, aber abgesehen davon: Stimmt das überhaupt? Ist die Dschungelshow eine Sendung für Doofe? Für Leute, die es nicht geschafft haben, einen so tollen Job zu haben wie die Autorin der „Süddeutschen Zeitung“?

Nicht ganz. In der merkwürdigen Debatte vor drei Jahren über das angebliche „Unterschichtenfernsehen“ schon sagte der damalige RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler: „Die Dschungelshow haben mehr junge Akademiker eingeschaltet als die Tagesschau.“

Und auch bei der dritten Staffel, die am Freitag begann, geben die Zahlen wenig Anlass, von oben auf das Publikum herabzuschauen. Die „Süddeutsche“ hat zwar grundsätzlich Recht: Leute mit Abitur haben die ersten drei Shows weniger eingeschaltet als die nicht so gebildeten Menschen. Aber auch in dieser Gruppe betrug der Marktanteil 23,3 Prozent — mit anderen Worten: Fast jeder vierte Unter-50-Jährige mit Abitur, der zu dieser Zeit den Fernseher anhatte, schaute „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“. (Alle Angaben beziehen sich auf 14- bis 49-Jährige.) Auch nach dem beruflichen Status sortiert gibt es bei den Marktanteilen zwar ein Gefälle hin zur Elite, aber kein massenhaftes Abschalten. Ein Misserfolg ist die Dschungelshow nur bei den Über-50-Jährigen: Bei ihnen betrug der Marktanteil gerade einmal 9,6 Prozent.

Die Lust der Gutgebildeten und beruflich Etablierten auf den vermeintlichen Trash zeigt sich auch in absoluten Zahlen. Bei den jungen Leitenden Angestellten, Beamten und Selbstständigen waren die ersten beiden Folgen von „Ich bin ein Star…“ die meistgesehenen Sendungen des Wochenendes (14- bis 49-jährige, Freitag bis Sonntag). Zum Vergleich: „Anne Will“ sahen am Sonntag 50.000 Menschen aus dieser Alters- und Berufsgruppe; die dritte Folge von „Ich bin ein Star“, die etwas später begann, 120.000.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den 14- bis 49-Jährigen, die mindestens Abitur haben: In der Hitliste lagen an den drei Tagen „Tagesschau“, „Die Insel“, „Die Bourne Identität“, „Polizeiruf 110“ und „Wilsberg“ nach absoluten Zahlen vorne — aber dann folgten die Freitags- und Samstagsausgabe der Dschungelshow, weit vor Sendungen wie „heute journal“, „Weltspiegel“ oder „Politbarometer“.

Man kann es natürlich, wenn man will, für entsetzlich halten, dass selbst kluge und gut situierte Menschen solchen Schrott gucken. Man sollte nur nicht so tun, als wäre es anders.

Obstipation 2.0

Vor einigen Tagen erreichte mich eine Anfrage einer größeren Zeitschrift für, sagen wir: Computer, Internet und Multimedia. Ob ich nicht ein kurzes Statement für ein Pro & Contra schreiben könnte.

Die Frage lautete:

„Verstopfen Blogs das Web 2.0?“