Pinocchionasen für Romney, Obama & Co.

Und der Pinocchio-Preis 2007 in der Kategorie „Präsidentschaftskandidaten“ geht an… Mitt Romney für seinen Satz: „Ich habe meinen Vater mit Martin Luther King marschieren sehen“. Die Auszeichnung berücksichtigt nicht nur, dass George Romney allem Anschein nach nie mit Martin Luther King marschiert ist, sondern auch: dass die Behauptung Romneys nicht in freier Rede fiel; dass er sie seit 1978 wiederholt; dass er nachträglich versuchte, die Behauptung dadurch zu wahr erscheinen zu lassen, dass er das Wort „sehen“ originell interpretierte, und dass sein Team, anstatt den Fehler zu korrigieren, vermeintliche Augenzeugen mit ihren trügerischen Erinnerungen an die Medien vermittelte.

Michael Dobbs hat diese Wahl der „Flunkerei des Jahres“ getroffen. Für die Webseite der „Washington Post“ schreibt er das Blog „The Fact Checker“, überprüft dort zweifelhafte Aussagen der Kandidaten im Vorwahlkampf der USA und vergibt bis zu vier Pinocchios, je nach Grad der Wahrheitskrümmung.

Die Fälle, die er sich vornimmt, sagen mehr aus über die Kandidaten als nur, wie genau sie es mit der Wahrheit nehmen. Da ist das Zitat Fred Thompsons, die Amerikaner hätten „mehr Blut für die Freiheit anderer Nationen gegeben als jede andere Staatengruppe in der Weltgeschichte“ (vier Pinocchios), da ist Mitt Romneys Beteuerung, er hätte nur beim Thema Abtreibung seine Meinung fundamental geändert (noch keine Wertung), da ist Barack Obamas wiederholte Behauptung, es seien mehr junge schwarze Amerikaner im Gefängnis als in Universitäten und Colleges, und nicht zuletzt die perfide Diskussion um Obamas Schulzeit in einer Madrasa.

Für besonders ehrliche Aussagen gibt es gelegentlich auch das Gepetto-Häkchen. (Eines bekam Barak Obama für sein erfrischend aufrichtiges Statement über seinen früheren Drogengebrauch: „The point was to inhale. That was the point.“)

„The Fact Checker“ ist ein wunderbares Beispiel für das Potential, das das Medium Watchblog hat. Es ist aktuell, außerordentlich relevant und leicht zugänglich, bemüht sich um Unabhängigkeit und ist dabei doch nicht unpersönlich. Der offenkundige Wille, möglichst genau zu sein, geht nicht auf Kosten der Unterhaltsamkeit und umgekehrt (eine Kombination, die im anglo-amerikanischen Journalismus ohnehin häufiger ist als im deutschen).

Und „The Fact Checker“ ist nicht einfach nur irgendeine Internetseite einer großen Tageszeitung, sondern ein Blog im besten Sinne: Redakteur Dobbs belegt seine Aussagen mit zahlreichen Links, sowohl zu Originalquellen, als auch zu anderen Medien — zur „New York Times“ ebenso wie zu „Fox News“. Er lädt seine Leser zu Diskussionen über die angemessene Bewertung einer Lüge oder Manipulation ein und greift auf ihre Vorschläge zurück, welche zweifelhaften Aussagen überprüft werden sollen. Er zögert nicht, eigene Fehler zuzugeben und Einschätzungen zu revidieren. Seine Einträge lassen sich nach Kandidaten, Themen oder Zahl der vergebenen Pinocchios sortieren.

Und die Recherchen aus dem Blog finden ihren Weg immer wieder in die gedruckte Zeitung, teilweise sogar auf die erste Seite — und die Artikel verweisen wieder auf das Blog. Es ist, kurz gesagt, eine vorbildliche Zusammenarbeit von professionellen Journalisten und Rechercheuren mit dem Publikum, eine organische Kombination von klassischem Medium und Blog.

Ich weiß gar nicht, was mich mehr beeindruckt: die ausführliche, sorgfältige Art der Beweisführung, die gründliche, nachvollziehbare Recherche, das Bemühen, alle Seiten zu hören — oder das völlige Fehlen von Predigertum und Überheblichkeit, wie es schon die Selbstbeschreibung ausdrückt:

All judgments are subject to debate and criticism from our readers and interested parties, and can be revised if fresh evidence emerges. We invite you to join the discussion on these pages and contact the Fact Checker directly with tips, suggestions, and complaints. If you feel that we are being too harsh on one candidate and too soft on another, there is a simple remedy: let us know about misstatements and factual errors we may have overlooked.

2007.

Silvester ist nicht mein Tag. Ich werde im besten Fall sentimental, im schlimmsten Fall depressiv und in jedem Fall genervt von den ganzen Ritualen, die mit diesem, äh, Fest verbunden sind. (Besonders schön war vor vielen, vielen Jahren, als wir in einer Jugendherberge irgendwo in Irland waren und gegen Mitternacht die Deutschen kollektiv vor die Tür liefen, was ein bisschen abwegig war, weil es in Irland kein Feuerwerk gibt, und also etwas bedröppelt und mit dem merkwürdigen Gefühl unverrichteter Dinge wieder ins Haus gingen.)

Aber vielleicht taugt Silvester dann doch ganz gut dazu, mich zu bedanken. Für die Aufmerksamkeit vor allem. Ich bin mir sehr bewusst, dass das ein Geschenk ist: dass Leute sich dafür interessieren, was ich schreibe, und Anteil nehmen an dem, was ich mache. Danke für die Mithilfe, die Kommentare, die Kritik (und die Preise!).

Was BILDblog angeht, war 2007 ein erstaunliches Jahr. Anke Engelke, Christoph Maria Herbst, Chris Geletneky, Tobi Baumann und Ralf Günther haben uns einen Fernsehspot geschenkt. Charlotte Roche hat uns eine Lesung geschenkt, und Fettes Brot die Party danach. Max Goldt und Friedrich Küppersbusch, Jürgen Trittin und Knut, Miriam Meckel, Bastian Pastewka und viele andere haben uns Gastbeiträge geschenkt. Und unsere Leser hören nicht auf, uns sachdienliche Hinweise, Treue und Sympathie zu schenken. Wenn mir das jemand vor ein paar Jahren vorausgesagt hätte, ich hätte es nicht geglaubt. Danke!

Das wird kein vollständiger Jahresrückblick hier. Und wenn ich jetzt noch anfange, mich bei denen zu entschuldigen, denen ich unrecht getan und die ich vernachlässigt habe, wird’s vollends peinlich. Ich sag ja: Silvester ist nicht mein Tag.

(PS: Ein paar poetischere, klügere, kryptischere und in ihrer Möchtegernabgeklärtheit traurigere Gedanken zum Thema Jahreswechsel hat Herr Argh! aufgeschrieben.)

Im Hamsterrad der Geschichte

Vergangenen Sonntag hab ich in meiner Kolumne in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ über Thomas Kausch und seinen Auftritt als ARD-Guido-Knopp in der neuen Reihe „Geheimnis Geschichte“ geschrieben. Ich fürchte nur, dass man sich keine echte Vorstellung macht von dem Grauen, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Sehen und staunen Sie also:


Link: sevenload.com

(Und mein Artikel dazu steht hier.)

Programmhinweis

Jeder Idiot darf Journalist werden, das garantiert das Grundgesetz, und viele werden es auch tatsächlich, das kann man Tag für Tag in den „etablierten“ Medien nachlesen, angucken, anhören.

Ich habe für die „taz“ zu der ganzen merkwürdigen Debatte, ob das Abendland untergeht, wenn jeder Depp einfach seine Meinung ins Internet schreibt, eine mittelgroße Tube eigenen Senfs ausgedrückt.

Kurz verlinkt (12)

Sie haben ein Kaffeeservice bekommen, die Frauen der Fußballnationalmannschaft, die 1989 die Europameisterschaft gewannen. Ein Bügelbrett bekamen sie nicht.

Eine einzige kleine boshafte Änderung in der „Wikipedia“ reichte, um diverse Medien vom Gegenteil zu überzeugen — am Ende schaffte es das Bügelbrett sogar in eine Rede des Bundespräsidenten.

Die schöne Geschichte dazu hat Arne Nordmann aufgeschrieben.

Namedropping mit Andrea Kiewel

Das hätt‘ ich auch nicht gedacht, dass es sich noch mal lohnen würde, „Schmidt & Pocher“ zu gucken. Die Sendung zeigte gestern Ausschnitte aus der MDR-Talkshow „Riverboat“ mit diesen Zitaten Andrea Kiewels (die eingeblendeten Geldbeträge sind fiktiv, bzw. witzig gemeint):


„Also ich hab vorher, bevor Johnny gezeugt wurde, 25 Kilo mit Weight Watchers abgenommen und hab dann, doof wie ich bin, drei Monate dieses Gewicht gehalten…“


„Die letzten acht, neun Kilo, die ich als Frau zuviel finde, sollen noch weg bis zum Mai, und bin wieder bei Weight Watchers, und die helfen mir da so richtig schön auf die Sprünge…“


„Aber für mich ist Weight Watchers der Weg zurück zum normalen, gesunden Essen…“


„Und du bist bei Weight Watchers zum ersten Mal nicht die Dicke unter Dünnen…“


„Das ist ja schon meine zweite Episode bei Weight Watchers. Beim ersten Mal war’s mir ein bisschen saudoof…“

Und nun noch einmal zum Vergleich, was der Pressesprecher des MDR gestern im Zusammenhang mit der Schleichwerbung Andrea Kiewels zu „Spiegel Online“ gesagt hat:

„Die auf SPIEGEL ONLINE genannten Vorwürfe gegen Frau Kiewel beziehen sich ausschließlich auf Ihre Tätigkeit für das ZDF“, sagt Sendersprecher Stefan Mugrauer. Im MDR habe sie in keiner Sendung einen Bezug zum Thema „Weight Watchers“ hergestellt oder sei in irgendeiner Weise werblich für Weight Watchers aufgetreten.

ZDF und MDR haben Kiewel inzwischen gekündigt.

PS:


„Und dann war irgendwann der Punkt, wo ich gedacht habe: Jetzt ist auch mal gut, eine Kollegin hat bei Weight Watchers angefangen. Weight Watchers klingt ja erstmal ein bisschen, hmm. Bin hin, Berlin-Spandau…“

Christoph Keeses Klima-Hysterie-Hysterie

Liegengeblieben vom Wochenende war dann noch der Kommentar von „Welt am Sonntag“- und „Welt Online“-Chefredakteur Christoph Keese über Al Gore und den Klimawandel.

Man kann ja darüber streiten (und ich meine das nicht nur als Floskel), ob Gores Rhetorik angemessen ist. Und als jemand, der bei diesem Thema im Zweifel eher auf der Seite der Mahner als der Skeptiker steht, finde ich insbesondere die Frage berechtigt, ob Gores Rhetorik der Sache dienlich ist.

Aber Keese scheint zu glauben, dass es am besten ist, hysterisch auf Hysterie zu reagieren, und schreibt:

Der Klimawandel (…) bedroht kein einziges Menschenleben direkt, auch in hundert Jahren nicht. Es bleibt selbst bei schneller Erwärmung genug Zeit, Dämme zu erhöhen, Städte zu verlegen und neue Lebensräume zu erschließen. Man kann nicht jedes Opfer eines Sturms dem Klimawandel zurechnen.

Naturkatastrophen haben immer Menschenleben gekostet. In diesem Jahr waren es 24.000. Jeder Tod ist eine Tragödie, trotzdem ist die Zahl angesichts einer Weltbevölkerung von 6,6 Milliarden äußerst gering. Es sind gerade einmal 0,00036 Prozent.

Nun hat Keese schon einmal insofern unrecht, als sich die Zahl 24.000 nicht auf dieses, sondern das vergangene Jahr bezieht. Wurscht.

Guckt man sich die Daten, die das Rote Kreuz jährlich veröffentlicht, genauer an [pdf], stellt man fest, dass diese jüngsten Zahlen ungewöhnlich niedrig sind. 2005 gab es mehr als dreimal soviele Tote durch Naturkatastrophen, 2004 sogar zehn mal soviele. Und die Zahl der Menschen, die von Naturkatastrophen insgesamt betroffen waren, war 2006 auch vergleichsweise klein, betrug aber 142 Millionen, was immerhin schon über 2 Prozent der Weltbevölkerung sind.

Aber am besten ist natürlich Keeses Aussage, der Klimawandel bedrohe kein Menschenleben direkt. Ein Leser, der sich darüber so geärgert hat, dass er eine sehr, sehr polemische Mail an Keese samt Abokündigung schrieb, bekam vom Chefredakteur eine Antwort, in der er seinen Satz so erklärt:

Es hieß nicht, dass Naturkatastrophen keine Menschenleben kosten — das ist unbestritten. Sondern dass anders als bei Aids, Krieg etc. keine direkte Gefahr für Menschenleben besteht, sondern nur in direkt. Das ist ein Unterschied.

Aha.

Aids ist ein Super-Beispiel, Herr Keese. Aids bedroht nämlich kein einziges Menschenleben direkt. Aids schwächt das Immunsystem; die HIV-Infizierten sterben nicht an Aids, sondern an anderen, sonst eher harmlosen Krankheiten. Und mal abgesehen davon, dass es mich ein bisschen erstaunt, dass Sie das nicht wissen: Können wir uns dann nicht auch das Geld für die Prävention sparen? Da gibt’s doch dann eh Medikamente gegen!

Andrea Kiewel im PAL-Feld des MDR

Toll: Da hat der MDR gerade erklärt, die Schleichwerbeaffäre von Andrea Kiewel, die in diversen Sendungen für „Weight Watchers“ Reklame gemacht hat, betreffe ausschließlich das ZDF, weil die Moderatorin in keiner MDR-Sendung einen Bezug zum Thema „Weight Watchers“ hergestellt habe oder in irgendeiner Weise werblich für „Weight Watchers“ aufgetreten sei, da zeigen „Schmidt & Pocher“ einen Ausschnitt aus der MDR-Sendung „Riverboat“, in der Andrea Kiewel von ihren Abnehmerfolgen mit „Weight Watchers“ schwärmt.

(PAL-Feld? PAL-Feld.)

MTV verteidigt Vorgehen von Callactive

Ich habe für die heutige Ausgabe der „FAZ“ einen Artikel geschrieben über die Anrufsender im Allgemeinen und das Vorgehen von Callactive gegen call-in-tv.de im Besonderen, und in diesem Zusammenhang auch bei MTV nachgefragt. Die Sendung „Money Express“, die auf Viva, Comedy Central und dem Kindersender Nick läuft, die alle zur MTV-Gruppe gehören, enthalten auch im Vergleich zur Konkurrenz besonders viele Ungereimtheiten; ihr Produzent Callactive, eine Tochter von Endemol, geht besonders aggressiv gegen Kritiker vor.

Warum lässt MTV eine Anrufsendung produzieren, die sich nicht an die Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten [pdf] hält? In „Money Express“ wird zum Beispiel fast täglich lange vor Ende der Sendung ein „Final Countdown“ ausgerufen und dadurch unzulässiger Zeitdruck aufgebaut. Es gibt viele weitere Verstöße.

MTV: ‚Money Express‘ verstößt nicht gegen die Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten. Countdowns sind als Spannungselement nicht pauschal unzulässig. Sie werden in ‚Money Express‘ nur im Rahmen der Regeln eingesetzt. Es gab seit eineinhalb Jahren keine Beanstandungen der von uns ausgestrahlten Formate durch die zuständigen Landesmedienanstalten.1

Ist MTV an der Einhaltung der Gewinnspielregeln interessiert?

Selbstverständlich. Wir haben gemeinsam mit Callactive die Neufassung und Verschärfung dieser Regeln befürwortet.

Überprüft MTV die Einhaltung der Regeln?

Natürlich überprüfen wir, dass alle unsere Programme entsprechend geltenden Regeln produziert werden. Wir stehen in engem Kontakt mit Callactive und überzeugen uns regelmäßig von den Produktionsbedingungen. Callactive legt diese uns und den Landesmedienanstalten gegenüber transparent dar. Callactive lässt die Rechtmäßigkeit aller Produktionsschritte durch unabhängige Wirtschaftsprüfungsunternehmen prüfen. Wir erhalten jederzeit Einblick in die Abläufe der Produktion und werden kontinuierlich über den Status Quo informiert. Außerdem ist mehrmals im Monat ein Notar im Studio, der die Abläufe beobachtet und protokolliert. Die genauen Zeitpunkte dieser Notarbesuche sind den an der Produktion beteiligten Personen nicht bekannt.

Ist MTV bekannt, dass der Produzent, die Firma Callactive, dabei ist, den Betreiber eines Forums, das sich kritisch mit Call-TV-Sendungen beschäftigt, in den Ruin zu treiben und auch gegen anderen Kritiker (wie mich) massiv juristisch vorgeht?

Es ist nicht an uns, Callactives Wahl der Vorgehensweise zu bewerten, mit denen sie meinen, ihren Ruf am besten schützen zu müssen. Grundsätzlich steht es jedem Unternehmen zu, wahrheitswidrige und geschäftsschädigende Äußerungen gerichtlich überprüfen und untersagen zu lassen2.

Führt Callactive diese Rechtsstreits mit Zustimmung oder im Auftrag von MTV?

Nein, wir haben mit den rechtlichen Schritten der Firma Callactive nichts zu tun. Weder haben wir Callactive beauftragt noch wurden wir um unsere Zustimmung gefragt. Diese ist allerdings für das Vorgehen von Callactive auch nicht erforderlich.

Gegen die Durchführung der Sendung gibt es unbewiesene, aber massive Betrugsvorwürfe wegen immer wiederkehrender Unregelmäßigkeiten im Ablauf. Wie bewertet MTV diese Vorwürfe?

Wir halten diese Vorwürfe für unbegründet und weisen sie aufs Schärfste zurück. Die Sendung ‚Money Express‘ wird in rechtlich nicht zu beanstandender Weise produziert. Grundlage des Produktionsvertrags mit Callactive ist die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften sowie der Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten. Wir überzeugen uns regelmäßig von der Einhaltung dieser Bedingungen, wobei Callactive die Produktionsbedingungen für uns und die Landesmedienanstalten transparent macht und sowohl durch notarielle Protokollierung als auch durch Prüfung der Produktionsschritte durch unabhängige Wirtschaftsprüfungsunternehmen die Rechtmäßigkeit der Produktionen darlegt.

Überprüft MTV die Abwicklung der Sendung „Money Express“ und kann dafür bürgen, dass es z.B. keine Fake-Anrufe gibt?

Wie oben bereits dargelegt, wird die Sendung regelmäßig überprüft. Außerdem stellt Callactive uns und den Landesmedienanstalten jederzeit Anruferdaten zur Verfügung3.

Anmerkungen von mir:

1) Die Einhaltung der Regeln wird von den Medienanstalten de facto nicht überprüft. Laut Gewinnspielregeln ist „der Aufbau von nicht vorhandenem Zeitdruck unzulässig“. „Money Express“ erweckt immer wieder durch einen „Final Countdown“ den Eindruck, die Sendung ende schon um 2 Uhr und nicht erst eine Stunde später. Laut Gewinnspielregeln muss sofort ein neuer Zuschauer durchgestellt werden, wenn im Hot-Button-Spiel ein Anrufer wortlos auflegt. In „Money Express“ geschieht dies nicht. Laut Gewinnspielregeln sind Spiele mit „angefressenen Buchstaben“ nicht erlaubt. Im „Money Express“ wurden sie noch im vergangenen Sommer gespielt. Laut Gewinnspielregeln müssen die Spiele transparent aufgelöst und der Lösungsweg erklärt werden. „Money Express“ tat dies z.B. bei den berüchtigten Fässerspielen nicht.

2) Die Callactive GmbH geht inzwischen nicht nur gegen angeblich wahrheitswidrige Äußerungen vor, sondern schon gegen die Verbreitung des Verdachts, es könne bei den von ihr produzierten Sendungen nicht mit rechten Dingen zugehen.

3) Nach Auskunft der zuständigen Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) sind die Daten, die sie erhält, aus Datenschutzgründen so anonymisiert, dass keine Rückschlüsse auf die Anschlussinhaber möglich sind. Sie stammten vom Telefondienstleister des Produzenten und stellten nur dar, ob alle Anrufer über diesen Dienstleister und nicht an dieser Schnittstelle vorbei durchgestellt wurden.

Nachtrag, 14.30 Uhr: Der Artikel ist jetzt auch frei online bei FAZ.net.

Factually Incorrect (4)

Dominik Reinle hat für WDR.de einen Artikel über das erfolgreiche islamfeindliche Blog „Politically Incorrect“ (PI) geschrieben. Bei „PI“ freut man sich, dass Gründer Stefan Herre ausführlich zu Wort kommt (unter anderem mit der Einschätzung, dass es keinen Klimawandel gibt und der „Hype“ um ihn „nur vom Thema Islam ablenken“ soll). Aber man ärgert sich über dies und das und auch über mich. Ein anonymer Mitarbeiter schreibt:

Medienexperte Niggemeier, mal wieder. Der umstrittene Journalist, der wegen Verstrickungen in eine Betrugsaffaire um manipulierte Leserzahlen seines eigenen Blogs in Verruf geraten war und aus den Blogstatistiken entfernt wurde, gibt sich besorgt um die Kommentare bei PI. Er muss es wissen. Schließlich hat er gerade einen spektakulären Prozess um die Leserkommentare seines eigenen Blogs verloren, und wurde verurteilt, in Zukunft alle Kommentare vor der Veröffentlichung zu prüfen.

Nun ja. Es gibt keine „Betrugsaffaire“, und ich bin in keine verstrickt; die Leserzahlen meines Blogs wurden nie manipuliert; weder ich noch mein Blog sind je aus diesem oder einem anderem Grund aus irgendwelchen Blogstatistiken entfernt worden, und kein Gericht hat mich dazu verurteilt, in Zukunft alle Kommentare vor der Veröffentlichung zu prüfen.

Stolz endet der Absatz mit der Behauptung: „Ähnliche Urteile gegen PI gibt es nicht.“ Das könnte unter anderem daran liegen, dass ich noch nie juristisch gegen „PI“ vorgegangen bin, auch nicht wegen Kommentaren dort, in denen ich mit Hitler verglichen werde.

Aber die falsche Behauptung mit dem Betrug hat „PI“ selbst nun schon das zweite Mal aufgestellt. Ich habe eigentlich nicht vor, irgendjemanden abmahnen zu lassen, aber was, wenn es Menschen gibt, die den Unsinn glauben, der auf „Politically Incorrect“ steht, und weitererzählen? Ab wann wird aus einer Lüge eine Tatsache, weil ich nicht gegen sie vorgegangen bin?