Am Donnerstag bin ich um 17.10 Uhr hier:
Das Thema lautet:
Blogs, You Tube, Second Life — verdummt uns das Internet?
(Ich würd ja gern mal diskutieren zur Frage: Verdummen wir das Internet?)
Nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hat Caren Miosga die besten Chancen, Nachfolgerin von Anne Will als Moderatorin der „Tagesthemen“ zu werden.
Dieser Satz hat 165 Anschläge und würde damit schon knapp ein Fünftel des Platzes füllen, den die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Dienstags-Ausgabe für eine Meldung zum Thema freigeräumt hat. Gut, die Kollegin könnte vielleicht die Konkurrentin „FAZ“ als Quelle weglassen, dann hätte sie noch etwa vier Sätze zur Verfügung, zu erklären, wer Frau Miosga ist und wer wann darüber entscheidet, ob sie wirklich Nachfolgerin von Anne Will wird.
Das wäre die eine Möglichkeit.
Die „Süddeutsche“ hat sich für eine andere erschienen. Ihre Caren-Miosga-Meldung beginnt so:
Ein bisschen sind sie schon stolz in Stuttgart auf ihr Funkhaus, das in seiner anthroposophischen Architektur manche Eigenheit verbirgt.
Zum Beispiel den großen Studiosaal, Ebene 7, der für Orchesteraufnahmen sehr geeignet ist, in dem aber auch einhundert Menschen Platz finden, und wenn es sein muss, neun Intendanten der ARD samt Programmdirektor und Mitarbeiterstab an einem aus Tischen geformten Quadrat untergebracht werden können.
Und an diesem Tisch-Quadrat wird Caren Miosga in Zukunft immer um 22.15 die Tagesthe… — nein: An diesem Tisch-Quadrat wird Anne Will in Zukunft immer sonntags ihre Talksh… — nee, auch nicht, sondern:
Am Montag wurde in dieser Runde auch über die Nachfolge von Tagesthemen-Moderatorin Anne Will diskutiert, …
Immerhin, das muss man sagen, bleibt die „Süddeutsche“ ihren Prioritäten treu. Nach einem einzigen Satz über Caren Miosga schwenkt sie wieder zurück auf die wirklich wichtigen Dinge und informiert uns zum Abschluss der kleinen Meldung noch, dass die Entscheidung heute „im 17. Stock, dem Sitzungszimmer von SWR-Chefs Peter Voß“ fallen wird.
(Ich find’s ja gut. Also, nicht den 17. Stock, sondern die Miosga. Ich werde Anne Will in den Tagesthemen ein bisschen weniger vermissen, wenn an ihrer Stelle Caren Miosga dasitzt. Aber das nur am Rande.)
Blogger sind kritische Menschen, auch und gerade gegenüber Mit-Bloggern. Sie fragen nach, sie graben tiefer …
Schrieb Peter Turi vor ein paar Tagen in einem ganz anderen Zusammenhang. Ist natürlich Quatsch. Ohne nachzufragen oder überhaupt eine Schüppe in die Hand zu nehmen, bloggte Turi nun dies:
Dabei war ich nicht mal in Marl, geschweige denn, dass ich dort oder irgendwo irgendwas aufgeschnappt oder irgendwem gesteckt hätte.
Puh. Ein denkbar glatter Fehlstart in die neue Kolumne, die Turi für vanityfair.de schreiben soll. Gut dass Sascha Lobo nicht so schludert.
Es ist ja nicht so, dass es im deutschen Fernsehen an Parodien mangeln würde. Wesentliche Teile des Abendprogramms scheinen genau dafür reserviert zu sein. Ein ausländischer Besucher, dem man versuchsweise das „Frühlingsfest der Volksmusik“ zeigen würde, käme doch im Leben nicht darauf, dass es sich bei diesem Florian Silbereisen nicht um die lustig überdrehte Karikatur eines Volksmusik-Moderators handelt. Stefan Raabs Idee, aus einem sechs Runden kurzen Promi-Boxkampf einen vierstündigen Marathon zu machen, kann doch nur ein selbstreferenzieller Kommentar auf das unerträgliche Auswalzen eigentlich überschaubarer Inhalte im Fernsehen sein. Und was ist „Kerners Köche“ anderes als die wöchentliche Satire auf den Koch-Wahn im deutschen Fernsehen?
Kein Wunder also, dass sich das Genre der Parodie anderer Fernsehformate gerade ein bisschen schwertut. Jeder, der Reinhold Beckmann parodieren will, muss erst einmal besser sein als die wöchentliche Reinhold-Beckmann-Parodie montags um 22.45 Uhr im Ersten. Es gibt einen, der das schafft. Er ist immer kurz vorher bei Pro Sieben zu sehen und heißt Max Giermann. Wie er sich in seinen Gesprächspartner hineinlehnt, wie er seine Stirn in Falten legt und das Kinn nach vorne schiebt, wie er beckmannesk seine Stimme moduliert und bedeutungsschwanger knarzen lässt — das ist entlarvend, komisch und zutiefst beunruhigend. Der fleischgewordenen Schnoddrigkeit eines Oliver Geißen, der längst auch von seiner eigenen Parodie nicht mehr zu unterscheiden ist, fügt Giermann ebenfalls eine neue Dimension zu. Und Tim Mälzer und Günther Jauch kann er auch.
Giermann arbeitet sonst als Schauspieler, Clown und Straßenkünstler, improvisiert bei „Frei Schnauze“ auf RTL — und hatte schon in der vergessenen RTL-Show „goXX“ feine Auftritte als Imitator. Gemeinsam mit den grandiosen Peter-Kloeppel-Parodien von Michael Kessler sind Giermanns Glanzlichter schon Grund genug, sich trotz einiger Längen jeden Montag „Switch Reloaded“ anzuschauen. Statt „Beckmann“, zum Beispiel.
(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Wie egal den Senderfamilien ProSiebenSat.1 und MTV, dem DSF und anderen bei ihren teuren „Gewinn“-Spielen die Regeln für Call-in-Sendungen sind, die sie mit den Landesmedienanstalten verabredet haben, kann man jeden Tag in ihren Programmen sehen. Allmählich scheinen es auch die Medienanstalten zu bemerken.
Gegenüber „Was mit Medien“ wurde Peter Widlok, der Sprecher der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt LfM, vergleichsweise deutlich:
„Es gibt eine ganze Reihe von Sendern, die in den letzten Monaten auffällig geworden sind. Die Moderatoren dieser Call-In-Shows halten sich oft an diese Vereinbarungen nicht.“
Konkret kritisierte Widlok zum Beispiel, dass die Moderatoren immer wieder den falschen Eindruck erwecken, man müsse in den nächsten dreißig Sekunden anrufen, um zu gewinnen:
„Bei solchen moderativen Elementen wird der Anrufer, der spielen will, genötigt, innerhalb dieser 30 Sekunden anzurufen, obwohl es diesen Zeitdruck faktisch nicht gibt.“
Auch andere Gebote würden verletzt:
„Was wir beobachten, ist, dass vermeintlich leichte Fragen gestellt werden, dass die Antwort aber so außerhalb des eigenen Vorstellungsvermögens liegt, dass man da von einer Transparenz oder von einer gewissen Logik nicht sprechen kann. Ob das schon Betrug ist, will ich mal dahingestellt lassen.“
Widlok räumte ein, dass sich die Praxis trotz Beanstandungen durch die Medienanstalten nicht bessere. Bislang hatten die Anstalten auf eine sogenannte „weiche Medienaufsicht“ gesetzt: Die Regeln wurden gemeinsam mit den Veranstaltern entwickelt und haben keinen besondere Rechtsverbindlichkeit.
„Wir sind sehr unzufrieden damit, wie diese Regeln, die wir gemeinsam formuliert haben, umgesetzt werden. (…) Wir sehen, dass das Prinzip der weichen Aufsicht so in diesem Fall nicht funktioniert hat. (…) Die Sender halten sich (…) durch die Bank nicht in dem Maße an diese Regeln, wie wir uns das eigentlich vorstellen. Wir wollen den Sendern deutlich machen, dass die Praxis, wie wir sie jetzt eineinhalb Jahre durchgeführt haben, nämlich hier und da eine Beanstandung auszusprechen, für uns nicht mehr ausreicht. Wir wollen den Sendern deutlich machen, dass wir jetzt schärfer reagieren werden. (…) Die Sender bewegen sich nah an dem, was man Betrug nennen könnte.“
Bei dem geplanten Treffen Anfang Mai soll 9live und den anderen nun klargemacht werden, dass es eine „deutliche Korrektur in der Praxis“ geben müsse. Sonst könnte es „gegebenenfalls zu Sanktionen kommen, die vielleicht auch über eine Beanstandung im Einzelfall hinausgehen.“
Wie solche Sanktionen aussehen könnten, sagte Widlok nicht.
Mittwochnachmittag im DSF, und die Aufgabe im „Sportquiz“ scheint wirklich lösbar:
Gut, das Problem ist natürlich, dass über eine Stunde lang …
…zwar angeblich die Gewinnchancen vervielfacht werden…
… (zehn mal null ist allerdings auch null) …
… das unmittelbare Bevorstehen des Spielendes verkündet wird…
… und Countdowns heruntergezählt werden…
… aber niemand durchgestellt wird. Eine Stunde lang nicht.
…
…
…
Aber dann:
…
…
…
Na? Wie lautet die Antwort?
Neulich von zwei Schülern der Deutschen Journalistenschule in München für deren Abschlusszeitschrift interviewt worden, die aus dem langen Gespräch ein feines kompaktes Interview gemacht und mal andere als die üblichen Fragen gestellt haben.
Die erste geht so:
Herr Niggemeier, hat sich die Bild-Zeitung schon überlegt, Ihnen Ihr Bild-Abonnement zu kündigen?
Und die letzte so:
Und Ihre Perspektive? Wenn man böse wäre, könnte man sagen, Sie haben schon fast Ihr ganzes Leben lang genörgelt, was wollen Sie denn als Rentner noch machen?
Schön, oder?
Eine Zeitlang war ich so oft als „Experte“ im NDR-Medienmagazin „Zapp“ zu sehen, dass sich schon Leute lustig gemacht haben. Diese Woche wollten sie mich nicht haben.
Vor ein paar Tagen rief eine Kollegin von „Zapp“ an und sagte, sie wollten etwas darüber machen, dass „Extreme Activity“ den Grimme-Preis gewinnen würde, und ob ich das nicht auch schlimm fände. Ich sagte ihr, dass ich das nicht schlimm fände. Sie sagte, dass ich dann leider nicht der geeignete Interviewpartner zum Thema sei, und fragte noch, ob ich nicht jemanden wüsste, der das schlimm fände. Ich empfahl ihr Jana Hensel, aber wenn ich mich recht erinnere, war sie auf die schon selbst gekommen.
Lustigerweise weiß ich inzwischen von einem Kollegen, dass er genau so einen Anruf von „Zapp“ bekommen hat, leider auch nicht mit Empörung dienen konnte und deshalb ebenfalls als Gesprächspartner ausschied.
Der fertige „Zapp“-Beitrag zeigt dann, dass es nicht darin lag, dass man schon 27 Fürsprecher für „Extreme Activity“ gefunden hatte. Sondern weil man keinen Fürsprecher in dem Beitrag haben wollte.
Damit es keine Missverständnisse gibt: Ich halte das nicht für einen Skandal. Ich finde es nur ein kleines, anschauliches Beispiel dafür, wie Journalisten arbeiten.
Und damit auch der letzte „Zapp“-Zuschauer versteht, was für ein Skandal es ist, einer solchen Kindergartenshow den Adolf-Grimme-Preis zu verleihen, schraubt die Anmoderation des Beitrags die Fallhöhe ins Schwindelerregende:
Adolf Grimme war ein Mann mit Mut. Unerschrocken engagierte er sich für die „Freiheit des Wortes“ — ob im Widerstand gegen das NS-Regimes oder später als erster Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks. Mit dem nach ihm benannten Fernsehpreis des Deutschen Volkshochschul-Verbandes sollen deshalb Sendungen und Filme gewürdigt werden, die im Sinne Adolf Grimmes vorbildlich sind.
Wow. Welche Fernsehsendung würde diesem Anspruch genügen: dem Vorbild des unerschrockenen Freiheit-Verteidigers und NS-Widerstandskämpfers zu folgen? Zum Glück ist das — anders als uns „Zapp“ glauben machen will — keineswegs der Maßstab für einen Grimme-Preis. Die ausgezeichneten Sendungen sollen „nur“ vorbildlich für die „Programmpraxis“ sein.
Ungleich einseitiger, irreführender und bösartiger als der Grimme-Beitrag ist allerdings der „Zapp“-Beitrag über Günther Jauch und seinen verlorenen Prozess gegen einen „Bild am Sonntag“-Reporter. Aber ich weiß noch nicht, ob ich Lust habe, mich damit hier im Detail auseinanderzusetzen.
Was man ja nicht vergessen darf bei der „Bild“-Zeitung: Sie hat viele Regionalausgaben, die teils sogar bis in die Titelseitenaufmachung dramatisch unterschiedliche Prioritäten bei der Nachrichtenauswahl setzen. Um das mal exemplarisch an der gestrigen „Bild“ zu demonstrieren:
„Bild“ Mainz-Wiesbaden:
„Bild“ Berlin-Brandenburg: