Cross-Promotion III

Herrjeh. In vier Tagen ist Heiligabend. Heute oder morgen wird Millionen Menschen einfallen, dass sie noch ein Weihnachtsgeschenk brauchen. Und dann werden sie sich erinnern, dass es da ja ein gutes, ein wirklich gutes Buch gibt, das auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen teuer erscheint, aber dessen Preis-Leistungs-Verhältnis sich auf den zweiten Blick doch als sensationell günstig herausstellt. Ein über 1500-seitiges Werk über 7000 Sendungen, ein Lexikon über das Fernsehen, ein Fernsehlexikon, „Das Fernsehlexikon“. Ein Buch, das selbst in seinen Bildtexten mehr Witz enthält als eine RTL-Sitcom in 13 Teilen (siehe Ausriss links).

Und wenn all diese Menschen heute (oder morgen) zu unseren Freunden von amazon.de gehen, um schnell noch dieses wunderbare Buch für ihre Liebsten zu bestellen, könnten sie eine bittere Enttäuschung erleben: Aktuell ist dort nur noch 1 Buch auf Lager. Was, wenn das plötzlich verkauft ist?

Zum Glück gibt es das Buch auch noch bei bol.de und buch.de, die für Bestellungen bis Freitagmittag sogar noch rechtzeige Lieferung versprechen. Und damit sind die jetzt auch unsere Freunde.

Übrigens gibt es drüben beim Blog zum Buch aktuell auch ein Video aus dem bizarren ARD-Jahresrückblick 2006. Und eine Übersicht über alle 2006 eingestellten Fernsehsendungen. Dafür muss man nicht mal ein Buch kaufen.

Fotostrecke ohne Sehenswürdigkeiten

Persönlich würde ich die Qualität eines Online-Mediums auch daran messen, ob es mir zu einem Artikel ein, zwei ausgewählte Fotos präsentiert. Oder eine uferlose Bildergalerie mit allen Agenturfotos, die die Datenbank automatisch zum Thema auswirft.

Bei „Spiegel Online“ zum Beispiel erscheint mit großer Berechenbarkeit seit einigen Wochen bei jedem Artikel, der mit dem Streit um den Berliner Hauptbahnhof zu tun hat, um die nicht gebaute Gewölbedecke im Untergeschoss oder das verkürzten Glasdach oben, exakt dieselbe siebenteilige Bildergalerie:

Hier und hier und hier und hier.

Und als sei das an sich nicht schon albern genug, zeigt leider keines der sieben Fotos das, worum gestritten wird: die ursprünglich geplante Decke, die nun doch gebaut werden soll, oder das Glasdach, weder in der geplanten Länge noch in der real exisiterenden Stummelversion. Der Bildtext „Ursprüngliche Planung des Architekten ‚erheblich entstellt'“ steht neben einem Foto vom nicht entstellten Teil des Bahnhofs. Und neben der vielversprechenden Zeile „Im Prozess ging es um die Decke im Untergeschoss“ sieht man das Foto eines einfahrenden Zuges im Obergeschoss.

Bohlens Psyche und „Spiegel Online“

Dass ein Medium wie „Spiegel Online“ die Meldung der „Bild am Sonntag“ übernimmt, dass Dieter Bohlen, der gerade erst bei einem Raubüberfalls gefesselt wurde, durch einen glücklichen unglücklichen erstaunlichen Zufall nun in einer RTL-Werbekampagne für „Deutschland sucht den Superstar“ gefesselt zu sehen ist, das kann ich irgendwie verstehen.

Was ich nicht verstehen kann: Dass ein Medium wie „Spiegel Online“ den Artikel der „Bild am Sonntag“ quasi komplett abschreibt, inklusive des fast vollständigen Zitates einer RTL-Sprecherin, die „Bild am Sonntag“ befragt hat, inklusive der fast vollständigen Ferndiagnose eines Psychologen, den „Bild am Sonntag“ gefragt hat, inklusive des Schlusses, bei dem Bohlen sagt, dass er der „Bild am Sonntag“ nichts sagt — und unter Hinzufügung eines bizarr staatstragenden Vorspanns, den vermutlich selbst die „Bild am Sonntag“ abwegig gefunden hätte:

Es ist schwer genug, einen Raubüberfall zu verarbeiten — nun ist Dieter Bohlens Heilungsprozess auch noch durch eine Werbekampagne bedroht: In einem RTL-Spot ist der Produzent laut „Bild“ gefesselt zu sehen. Ein dummer Zufall, der einem Experten zufolge Bohlens Psyche schaden könnte.

Ich meine, wenn „Spiegel Online“ beim Ab- und Umschreiben von „Bild am Sonntag“-Artikeln nicht einen eigenen Anruf tätigt, keine einzige andere Quelle nutzt, kein eigenes Hintergrundwissen einfließen lässt und nicht wenigstens einen Hauch von Distanz oder Ironie hinzufügt… warum setzen die nicht einfach einen Link zu Bild.de? Es wäre auch im Sinne der Leser — die „Bild“-Version enthält mehr Informationen, ist aber um 20 Prozent kürzer.

Der „kress“-Report berichtet übrigens, dass „Spiegel Online“ zum 1. April 2007 eine neue Ressortleiterin für das Vermischte-Ressort „Panorama“ bekommt: Patricia Dreyer, zur Zeit Unterhaltungschefin bei „Bild“. Ihr Name stand u.a. über dem Artikel „Deutsche Film-Diva in Wahrheit Porno-Star“, mit dem die „Bild“ ihre Schmutzkampagne gegen Sibel Kekilli begann.

Dreyers Engagement ist für „Spiegel Online“ sicher Teil einer Qualitätsoffensive. Dass man in Zukunft mal eigene idiotische Promigeschichten hat, und nicht die der „Bild am Sonntag“ aufblasen muss.

Götz Alsmann

Möglicherweise war vergangene Woche Götz Alsmann bei Harald Schmidt. Ganz sicher bin ich mir nicht, ich habe einmal weggeguckt, und dann war wieder nur Schmidt im Bild und unterhielt sich lieber mit dem Mann an diesem kleinen Extra-Schreibtisch, der über seine Witze lacht. Da müsste Alsmann eigentlich noch dagewesen sein, aber die Kamera zeigte ihn nicht mehr. Obwohl: Hatte ihm nicht Schmidt gerade erst eine Mini-Triangel in die Hand gedrückt, um damit an den richtigen Stellen einer Geschichte „Pling“ zu machen? Ah, das Publikum hatte auch Instrumente, und Publikum sieht man ja immer gerne.

Pflichtschuldig hatte Schmidt erwähnt, dass Alsmann eine Platte mit der WDR-Bigband aufgenommen hat, aber wenn es etwas gab, das er noch weniger wusste als deren Titel, dann dies: Was mit dem merkwürdigen Mann neben ihm anfangen? Das geht leider nicht nur Schmidt so. Seit Jahren ist Alsmann ein Fremdkörper, der auf einer Art mittleren Umlaufbahn im Fernsehuniversum kreist. Wenn er irgendwo auftaucht, dann als schrulliger Witzbold mit hohem Wiedererkennungswert, gefährlichem Hang zum Kalauer und begrenzter Massentauglichkeit, der irgendwie auch was mit Musik zu tun hat. Das ist nicht die beste Rolle für einen, dem man eigentlich nur ein Klavier hinstellen müsste, um von ihm bestens unterhalten zu werden. Beim immer noch, immer wieder sehenswerten „Zimmer frei“ erlebt man den Unterschied: Der größte Teil der Sendung ist für Alsmann Kindergeburtstagsalberei. Aber wenn er am Ende mit dem Gast musiziert, dann ist da (wenn es ein guter Gast ist) plötzlich eine Leidenschaft. Und man sieht ihm an: Musik macht glücklich. (Und: Fernsehen macht nicht glücklich.)

Schade, dass das deutsche Fernsehen bislang keine Nische gefunden hat, in der einer wie Götz Alsmann wirklich zuhause sein und seine Entertainerqualitäten ausleben kann (und welcher andere Fernsehmensch hat die heute noch, der große Florian Silbereisen natürlich ausgenommen). Seine TV-Biographie ist ein Flickenteppich aus mehr oder weniger gelungenen, aber fast immer längst vergessenen Versuchen. Kommenden Samstag beginnt im WDR-Fernsehen ein neuer: In „Einfach Alsmann“ spricht er mit Prominenten über Musik („Ich kann Klavier“) und musiziert mit ihnen.

Und womöglich kann man sich an die Sendung und ihre Gäste (ja, auch: Harald Schmidt) am nächsten Tag noch erinnern. Das wär doch was.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Normen Odenthal

Es ist nicht so, daß sie beim ZDF nicht auch ehrgeizig wären. Gut, die Kollegen vom ARD-„Nachtmagazin“ haben einen kleinen Catwalk, über den die Moderatoren auf- und abtreten, es gibt Interviews und sogar einen eigenen Extra-Mann für die Nachrichten. All das haben sie bei „heute nacht“ nicht. Dafür haben sie einen Moderator, der täglich zu beweisen versucht, daß man jedes beliebige Thema mit jedem anderen durch ein Wortspiel verbinden kann.

„Ein Sturm zieht über Deutschland“, sagt Normen Odenthal, „nein zwei: Das Wetter stürmt und die Volksseele auch.“ Die Sendung an diesem Freitag scheint er fast vollständig dem Motto Das ganze Leben ist eine Luftbewegung zu widmen. Nach einem Beitrag über den Besuch des Außenministers in den USA sagt er: „Von den politischen Stürmen zu denen des Wetters.“ Und dann: „Soviel zum Sturm. Und gleich noch mehr vom Hauch… von Hollywood, der derzeit durch Hamburg weht.“

Wie kommt man von der Internationalen Raumstation zur Fußball-Bundesliga? Odenthal macht’s vor: „Thomas Reiter macht sich Gedanken, wann er wieder runter kommt, und wir sprechen jetzt über ein paar Kandidaten, die möglichst weit hinauf wollen.“ Und wie von „Wetten dass“ zur Wettervorhersage? Gar nicht. Egal. „Und wetten dass ist das Wetter morgen auch.“ Dabei betont Odenthal jedes Wort so, als liege der Fehler, wenn ich vergeblich nach einem Sinn in diesem Satz suche, ganz klar bei mir. Nach dem Wetter wird’s wieder leicht, da empfiehlt er gerne etwas „wärmstens“.

Glück ist für Normen Odenthal, wenn ein Thema wie das Rauchverbot in den Nachrichten ist. Dann beginnt er mit dem Satz: „Hurra, hurra, die Kippe brennt“, fügt hinzu: „Das Rauchverbot ist schon wieder Asche“ und fragt am Ende: „Viel Qualm um nichts?“

Odenthals Vorgänger war Thomas Kausch, der italienische Lässigkeit in die Nachrichten brachte und sich immer mit „Ciao“ verabschiedet. Odenthal aber ist der Oberlässi. Er verabschiedet sich mit: „Tschüß-tschüß“.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Cliffhanger bei Sat.1

Ich glaube langsam wirklich, dass im deutschen Privatfernsehen nur noch Leute arbeiten, die das Fernsehen hassen.

Sat.1 zeigt seine Tanz-Casting-Show „You can dance“. Und hat vor der letzten Werbepause noch einen großen Cliffhanger: Es sind noch fünf Kandidaten im Rennen, aber nur drei Plätze frei für die Live-Show in der nächsten Woche. Wer wird sie kriegen? Ta-dumm. Herzklopf-Geräusch in der Dauerschleife.

Und was zeigt Sat.1 dann in dieser Werbeunterbrechung? Den Teaser für die Live-Show nächste Woche. Mit den Namen und Gesichtern aller Kandidaten, die es geschafft haben.

Ich wiederhole mich: Kann bitte jemand unser Fernsehen aus den Händen dieser Leute befreien? Bitte? Bald?

Udo Walz

Gerade gemerkt, dass ich mich noch nicht genug über Udo Walz aufgeregt habe. Der hätte die Ehrendoktorwürde angenommen, die ihm die offensichtlich demokratiefeindliche, rechtsextreme „Deutsche Nationalakademie“ verleihen wollte — wenn sie nicht nur eine Erfindung und ein Test der Zeitschrift „Tempo“ gewesen wäre.

Und irgendwie haben ihn die ganzen Zitate aus „Mein Kampf“ im Anschreiben wohl verwirrt, jedenfalls sagte er dem „Tagesspiegel“* hinterher, er habe gehört, dass diese Akademie „wohl ein wenig links“ stehen könnte.

Zu Udo Walz und dieser Geschichte hat im „Tagesspiegel“ ausnahmsweise auch Peter Hahne einen schlichten, schönen, wahren Satz gesagt:

„Udo Walz besitzt die Chuzpe zu glauben, dass er als Friseur einen Ehrendoktor kriegt.“

Mit Udo Walz bin ich fertig, seit er im September in „Bild“ (anmoderiert als „einer, der es wissen muss“) Auskunft gab zur Frage, ob Deutschland reif sei für einen schwulen Kanzler. Walz nahm Anstoß am Wort „schwul“ und sagte:

„Die meisten denken dann gleich an Darkrooms und Analverkehr. Und ich kann Ihnen versichern, dass Homosexualität damit nichts — ausschließlich — zu tun hat.“

Und allein die aufschlussreiche grammatische Un-Konstruktion in diesem Satz, mit der Udo Walz die ihm offensichtlich unangenehme Möglichkeit, dass Schwule Analverkehr haben, vollständig ausschließt, ohne sie vollständig auszuschließen, würde vermutlich ausreichen, seine Krankenkasse von der Notwendigkeit einer Therapie zu überzeugen.

Später führte Walz, der sich selbst als zum Glück „sehr maskulin“ bezeichnete, noch aus, dass es ihn stört, wenn Männer sich in der Öffentlichkeit küssen:

„… küssende Männer gehören nicht auf die Straße.“

Bei Heteros gilt das für ihn nur „mit Abstrichen“.

Udo Walz ist ein Grund, sich zu schämen, schwul zu sein.

*) Komischerweise ist der „Tagesspiegel“-Artikel nicht mehr in seiner ursprünglichen Form online. Das Zitat steht nur noch im Schwesterblatt „BusinessNews“.