Gerhard Zeiler

Max

Der Stratege. Vor neun Monaten übernahm er das Ruder bei RTL. Seither hat
Gerhard Zeiler viele unpopuläre Entscheidungen getroffen. Notfalls gegen
die eigene Mannschaft. Gibt der Erfolg ihm recht?

Notfalls reicht ihm eine Tischdecke, um seine Qualifikation nachzuweisen. Er räumt das Geschirr ganz an den Rand, greift sich einen Löffel und malt damit ein Diagramm seiner Erfahrungen auf das weiße Linnen. Oben steht ein Kasten für den Aufsichtsratsposten beim ORF. Darunter zwei weitere – einer für die Zeit, als er rechte Hand des Intendanten war, und einer für die Zeit als Chef selbst. Und dann noch je ein Kasten für die komplette Umwandlung von Tele 5 und den Aufbau von RTL 2.

Das, sagt Gerhard Zeiler und umkastet seinen unsichtbaren Karriereturm, das sei das Know-how, das er sich erarbeitet habe.

Fast beiläufig beweist er mit dem Teelöffel, daß er für seinen neuen Job als Geschäftsführer von RTL geeignet ist wie kein zweiter. Mit der Ausstrahlung von einem, der meint, daß die Fakten für sich sprechen. Was ist das Geheimnis seines Erfolgs? Zeiler fällt sofort eine Antwort ein. Aber er ziert sich. Er weiß, diesen Satz würde ihm die Presse ewig anhängen. Schließlich sagt er ihn, aber er sagt ihn nur in der Vergangenheitsform. Früher, da hätte er geantwortet: „Ich bin einfach gut.“ Heute klingt das so: „Eine Mischung aus Erfahrung, Instinkt und Managerial Abilities.“

Von seinen Manager-Qualitäten sind nicht alle so überzeugt wie er. Im November vergangenen Jahres wurde Zeiler, 44, RTL-Chef. Seit dem Frühjahr weht ihm der Wind voll ins Gesicht. Mitarbeiter erzählen genüßlich, daß ihnen ein paar Fehler nie passiert wären. Zum Beispiel „Veronas Welt“ auf den Samstag legen? Ha! Das hätte man wissen müssen, daß die gegen die „Wochenshow“ nicht ankommen kann! Dann ist da noch sein Vorgänger Helmut Thoma. Eine Legende, bei RTL und im deutschen Fernsehen überhaupt. Wurde aber mit sanfter Gewalt von seinem Stuhl entfernt. Den Verlust kompensiert er mit regelmäßigen Interviews, in denen ergebetsmühlenartig wiederholt, daß sein Nachfolger sich überschätze: „ein Abteilungsleiter“.

Hat Zeiler mit soviel Gegenwind gerechnet? Ja, sagt er. Ärgert es ihn? Ja. Trotzdem.

Gesprächstermin im „Peninsula“, einem noblen Hotel an der Fifth Avenue in New York. Zeiler kommt gerade aus Hollywood, wo er auf einer großen TV-Messe, den May Screenings, nach neuen Programmen Ausschau gehalten hat. Auf dem Rückweg macht er in New York Halt für ein paar Geschäftstreffen. Jetzt sitzt er vor seinem Bircher-Müesli (testweise, um zu sehen, ob die Amis das hinkriegen), malt mit einem Teelöffel auf der Tischdecke herum und versucht, trotz Rückflugtermins im Nacken, den Eindruck zu vermeiden, er sei einer dieser Menschen, die ihre Zeit nicht in den Griff bekommen. So viel wie jetzt wolle er nur im ersten RTL-Jahr arbeiten. „So ein Pensum jahrelang zu leisten scheint mir etwas übertrieben zu sein“, formuliert er vorsichtig. Zwei Abende in der Woche und einen Tag am Wochenende, das hat er seiner Frau versprochen, will er für die Familie reservieren. Meist klappt das, sagt er. Muß auch. „Wenn einer keine Zeit für sich und seine Familie aufbringt, organisiert er sich falsch und ist nicht geeignet für seinen Job.“

Aber das erste Jahr ist hart. Er muß den Laden und seine Leute kennenlernen. „Wenn man sich in kürzester Zeit ein perfektes Gesamtbild des Unternehmens machen will, muß man sehr tief rein“, sagt Zeiler. Deshalb beschäftigt er sich nicht nur mit den großen Strategien, sondern auch mit dem Tagesgeschäft. Das bringt Detailkenntnisse. Und die spielen eine große Rolle im System Zeiler. Sie helfen ihm, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber sie helfen vor allem auch, sie durchzusetzen. Detailkenntnisse bedeuten Macht.

Das wußte er schon mit 30, als er Generalsekretär des ORF wurde – engster Mitarbeiter des Generalintendanten, zuständig für Personal, Organisation, Marketing, innere Revision und vieles mehr. Drei Wochen nahm sich Zeiler, um Aktenberge aus acht Jahren durchzuarbeiten, die sein Vorgänger hinterlassen hatte. „Danach wußte ich mehr als der größte Teil des Managements. Das war eine notwendige Voraussetzung, um Dinge umzusetzen.“ Zeiler verläßt sich gern auf sich selbst.

So erledigt er, bis das erste RTL-Jahr rum ist, auch den zweitwichtigsten Job im Haus: den des Programmdirektors. Das ist gewagt. Seine Vorgänger Thoma und Mark Conrad waren ausgelastet. Und ausgerechnet Programmkenntnisse gelten als Zeilers schwacher Punkt. Doch seine Möglichkeiten, selbst zu gestalten, sind zur Zeit ohnehin begrenzt: Die Puzzlestücke, aus denen er das RTL-Programm baut, hat Thoma noch angeschafft. Zeiler kann sie höchstens neu zusammensetzen. Bis die eigenen Stücke fertig sind, vergehen bis zu eineinhalb Jahre. Im Herbst gibt es eine andere Verpackung für das Puzzle: neue Werbeagentur, neue Kampagnen.

Vor Mitte 2000 könne eigentlich niemand beurteilen, was Zeiler bringe, sagt sein Gegenüber von Sat. 1, Fred Kogel. Fernsehen ist ein langfristiges Geschäft. Zeiler erzählt, was ihm ein guter Freund sagte: „Den Titel hast du am ersten Tag. Daß die Außenwelt weiß, daß du ihn hast, kannst du in einem halben Jahr schaffen. Daß jeder Mitarbeiter dich als Geschäftsführer akzeptiert, dauert mindestens ein Jahr. Bis du selber weißt, du hast alles unter Kontrolle, vergehen vielleicht eineinhalb.“

Zur Zeit ist der Neue in der Phase, in der er im Haus noch um Vertrauen buhlen muß. Auf der oberen und mittleren Ebene ist die Stimmung nicht besonders. Teils, weil die Mitarbeiter gerne genauer wüßten, wohin die Reise geht. Teils, weil sie nicht sicher sind, ob sie mitreisen dürfen.

Zeiler erzählt gerne, er habe nur einen Mitarbeiter zu RTL mitgebracht und sei nicht „mit einer ganzen Truppe einmarschiert“. Er habe jedem einzelnen eine Chance geben wollen, seine Kreativität unter Beweis zu stellen. Ein hehrer Anspruch. Aber die Realität? Praktisch hat er die komplette obere Führungsebene ausgetauscht, darunter die Verantwortlichen für Marketing, Kommunikation, Einkauf und strategische Entwicklung. Der Chef eines anderen Privatsenders gibt ihm recht: Ohne solche Entlassungen ginge es gar nicht – sonst wären alte Loyalitäten zu mächtig. Aber im Haus sorgen sie für Unruhe.

Besser ist die Stimmung beim Fußvolk. Bei einer Betriebsversammlung Ende April stellte sich Zeiler erstmals den Mitarbeitern – und machte eine gute Figur. Die Leute waren zwar distanziert und skeptisch. Aber viele wollten Zeiler nicht vorverurteilen, sondern ihm eine Chance geben. Zeiler, der Psychologie studiert hat und einmal Therapeut werden wollte (heute würde er Jura und BWL belegen, sagt er), steht im Formel-l-Studio von RTL auf der Bühne. Er referiert, hört zu, sieht den Leuten in die Augen und wirkt verblüffend gelassen. Bei der offenen Fragerunde umkreist sein Zeigefinger unablässig das Kinn – ein Zeichen dafür, daß jemand unbewußt seine Sinne schärft, sich wappnet für unangenehme Fragen. Zum Beispiel die, wann er nun endlich, wie versprochen, alle Redaktionen besucht haben wird.

Das ist eine häufige Kritik am neuen Chef: mangelnde Kommunikation. Zeiler empfindet es allerdings schon als Zumutung, darüber öffentlich diskutieren zu sollen – und nährt damit den Vorwurf noch. Nach einigen Monaten macht er den murrenden Mitarbeitern einen Vorschlag: Sie könnten ihre Anliegen ja perE-Mail an ihn richten; er werde dann in der Mitarbeiterzeitschrift antworten. Das war nicht gerade das, was die Leute wollten. Nicht das, was sie von Thoma gewohnt waren. Und auch nicht das, was Zeiler ihnen bei seinem Amtsantritt versprochen hatte, als er versicherte: „Ich bin ein Teamplayer.“

An vielen Punkten tun sich erstaunliche Widersprüche zwischen der Selbstdarstellung Zeilers und der Wahrnehmung durch andere auf. Er selbst sagt: „Ich liebe es zu kommunizieren.“ Doch dann fällt ihm auf die Beschwerde von Kollegen, man treffe ihn nie in der Kantine, nur ein, daß er halt mittags nie warm esse – und verkennt, daß die Kantine nur ein Symbol ist. Zeiler ist niemand, der schulterklopfend und small-talkend durchs Haus geht. Muß er auch nicht. Aber auch von seinem Referenten sagen Mitarbeiter, nicht einmal grüßen täte der. Wenn Zeilers engster Mitarbeiter sein Draht zur Außenwelt ist, läßt sich nachvollziehen, daß die Außenwelt einen Draht zu Zeiler vermißt.

Im Gespräch ist er dann aber angenehm direkt, schnörkellos, verbindlich. Denkpausen füllt er mit sehr österreichischen, stimmhaften Ohms, die seine Sätze unendlich weich klingen lassen. Doch der altmodische Charme des Wieners ist ihm fremd. Das heißt: Dem Geschäftsmann Zeiler ist er fremd. Der Privatmann soll ganz anders sein. Doch die beiden leben völlig getrennt voneinander. In seinem Büro lebt ausschließlich der Geschäftsmann Zeiler: Es ist so unpersönlich, daß jedes Zimmer bei Ikea individueller und bewohnter wirkt. Das einzige Bild an der Wand ist ein RTL-Werbeposter. Helmut Thomas Büro war voll von Andenken, Spielzeug, Preisen – buntem Gedöns aller Art.

Immer wieder der ungeliebte Vergleich. Thoma verpackte seine Schmähungen anderer in charmanten Anekdoten. Zeiler ist auch in der Kritik direkt. Als eine seiner Tugenden nennt er, anderen ehrlich ins Gesicht nein sagen zu können. Wenn er sich ärgert, spricht er mit purem, humorlosen Zynismus. Der Neue hat mit dem Alten nichts gemein. Das war Einstellungsvoraussetzung. Der Bertelsmann-Konzern, der hinter RTL steht, meint, daß einer wie Thoma nicht der richtige Typ ist für die harten Zeiten, die der Branche bevorstehen. Statt mit zweistelligen Wachstumsraten wie in den vergangenen Jahren rechnen die großen Privatsender künftig mit einem geringeren jährlichen Einnahmenplus. Als Werbeträger verliert das Fernsehen an Bedeutung.

In solchen Zeiten braucht es – nicht nur nach Ansicht der gewinnfixierten Bertelsmänner – andere Manager. Thoma entschied aus dem Bauch. Er hätte die Champions League gekauft, um sie zu haben. Er führte RTL, wie er selbst sagte, „als ob der Sender mir gehört“. Zeiler entscheidet rational, läßt die Champions League sausen, wenn die Zahlen gegen den Kauf sprechen. Er stellt sich und RTL in den Dienst des Gesamtkonzerns. 15 Prozent Rendite hat er ihm versprochen, in diesem Jahr sollen es noch weit mehr werden.

Auch unter Thoma hat RTL guten Gewinn gemacht, aber im Zweifel war das nicht das Wichtigste. Und weil manchmal im Leben einfach alles zusammenpaßt, mußte Zeiler in den ersten Monaten seiner Amtszeit in ein Nachbargebäude umziehen, das RTL übernommen hat, eine ehemalige Bank. Alte Mitarbeiter lästern öffentlich, dies sei genau der Ort, wo einer wie Zeiler hingehöre: in eine Sparkasse.

Zeiler hat den Ruf eines kaltherzigen Erbsenzählers. Er hält das für ein Produkt von Journalisten, die ihn nicht kennen. Und einige seiner Ziele sind tatsächlich ganz und gar nicht buchhalterischer Natur: „Ich hoffe, daß ich in vier Jahren sagen kann, RTL ist meine zweite Familie.“ Und daß auch die Mitarbeiter dieses so empfänden – eine „gewisse Geborgenheit“, die man brauche, um motiviert arbeiten zu können. Das klingt ehrlich und kein bißchen nach vorbereiteten Image-Phrasen.

Dazu ist zumindest dem Geschäftsmann Zeiler sein Image zu egal. Wie könnte er es auch ändern, ohne Gefühle und Persönliches öffentlich zu machen. Und das will er nicht. Als Zeilers Abschied beim ORF vergleichsweise emotional ausfällt, entdeckt eine Zeitung überrascht, er habe ja eine „zarte Seele“. Zeiler sagt, selbstverständlich habe er die: „Sie war immer da und wird immer da sein. Aber das muß man mit sich selbst ausmachen.“

Beim Abschied von Tele 5 hatte er Tränen in den Augen. Heute zeigt Zeiler als einer, der unbeirrt Widerstände überwindet, keine Verletzungen mehr. „Das kann und soll man nicht. Da braucht man Familie und gute Freunde, denen man sich öffnen kann.“ Brauchte er die im vergangenen halben Jahr besonders oft? Zeilers erste Reaktion – ein Abwehrreflex: „Warum fragen Sie?“ Erst nach ein paar Sekunden entspannt er sich und sagt: „Ja, klar.“

Überhaupt hat Zeiler oft zwei Antworten parat: eine offizielle, manchmal pampige; und eine, die ahnen läßt, daß sich dahinter ein sensibler Mensch versteckt. Warum übernimmt jemand eine Aufgabe wie die Gewinnmaximierung von RTL, bei der er sich nur unbeliebt machen kann? „Meine Existenz ist nicht auf das Wohlwollen der Journalisten angewiesen“, antwortet er barsch. Erst dann sagt er, daß die jetzigen Verrisse ja kein Dauerzustand sein werden. „Fred Kogel wurde ganz anders vorgeführt. Er hat’s überlebt, und plötzlich hat man Respekt vor ihm. Glauben Sie mir: Ich werde diese Phase auch überleben.“

Zeilers Laufbahn ist bemerkenswert. Immer war er entweder „Kofferträger“, die rechte Hand der Chefs, oder selbst Chef. Er erklomm nicht die Karriere-, sondern die Unternehmensleiter: Die Firmen wurden wichtiger, nicht die Positionen, die er bekleidete. 24 Jahre war er, als er Pressesprecher von Fred Sinowatz wurde – der erst Unterrichtsminister, später Bundeskanzler war. 24! „In einem kleinen Land wie Österreich sind die Möglichkeiten leichter“, sagt Zeiler. Als erklärte das irgendwas.

Eine andere mögliche Erklärung wischt er vom Tisch, noch bevor sie geäußert wurde: daß sein Aufstieg irgend etwas mit der Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei zu tun haben könnte. Glück habe er gehabt. Etwa, daß ihm sein Chef als ORF-Generalsekretär viele seiner Aufgaben übertrug. ORF- Übervater Gerd Bacher sagt, Zeiler habe sich nie als „Durchführungsorgan“ verstanden, sondern als „autonomer Machthaber“.

Eines haben alle seine Stationen gemeinsam: Wenn er ging, war das Unternehmen nicht wiederzuerkennen. Tele 5 wandelte er vom Musik- in ein Vollprogramm um, RTL 2 schuf er gleich ganz aus dem Nichts. Den ORF machte er fit für die Zukunft, aber er orientierte ihn an einem einzigen Maßstab: der Quote. Österreichische Kommentatoren sagten damals das gleiche wie heute die Leute bei RTL: „Ein Kulturschock“.

Zwei Eigenschaften attestieren Zeiler Freunde wie Feinde. Erstens: Zuverlässigkeit – selbst Konkurrenten loben ihn als direkt und ehrlich; und zweitens: Konsequenz. Zeiler steckt sich große Ziele – und setzt sie gegen alle Widerstände durch. „Ich bin jemand, der, wenn er eine Aufgabe übernimmt, sie zu Ende bringt. Mit jedem Einsatz.“ Wie das geht, zeigte er als Generalintendant des ORF: Er wußte, daß sich gegen seine Radikalkur Widerstand regen würde. Deshalb setzte er sie in Rekordzeit um. Nach sechs Monaten war er bereits mit dem Austausch von Personal und Sendungen fertig. Bevor seine Kritiker überhaupt zur Besinnung gekommen waren.

Soviel Durchsetzungsvermögen und Berechnung mag bewunderswert sein. Zeiler sagt allerdings sogar selbst, ihm sei erst rückblickend der Gedanke gekommen, daß er eigentlich Zweifel hätte haben müssen. Er hatte sie nicht. „Es war mir immer klar, daß wir das jetzt machen müssen“, sagt er. Diskussionen über das Ziel hält Zeiler für unnötig. Das Zielgibt er vor. Allenfalls über den Weg dahin redet er, in kleinen Gruppen.

In der Zeit als ORF-General muß Zeiler seinen Führungsstil verändert haben. Ulrich Krenn, unter Zeiler Nachrichtenchef bei Tele 5, sagt, damals sei er noch „sehr umgänglich“ gewesen. „Genau das Gegenteil von dem, wie ihn heute seine Kritiker bei RTL beschreiben: Er hat sich nicht abgeschottet. Man konnte in sein Büro kommen, und in fünf Minuten hatte man eine Entscheidung.“

Einer, der ihn seit Jahren kennt, sagt, Zeiler sei „im zwischenmenschlichen Bereich absolut okay“. Aber: „Er ist auch ein Karrierist, ein knallharter Geschäftsmann. Er ist in der Lage, Leute gegeneinander auszuspielen, wenn es ihm hilft, seine Interessen durchzusetzen.“ Der das sagt, bezeichnet sich übrigens als Freund Zeilers.

RTL geht es gut. Gerade das ist ein Problem für den Reformer. Beim ORF traf er auf eine Mannschaft, die nach Veränderungen dürstete. Anders bei RTL. Hier fehlt der Leidensdruck. Zeiler sagt, es gehe darum zu vermitteln“, daß wir dennoch eine Kurskorrektur vornehmen müssen“. Es sei der Versuch, ein Unternehmen zu übernehmen, bevor es in den Sinkflug gehe. Weil RTL praktisch nur für 14bis 49jährige Zuschauer Werbegeld bekommt, wird er das Programm weiter verjüngen. Kaltgestellte „Alte“.“ wie Ilona Christen und Geert Müller-Gerbes haben sich schon lautstark beschwert. Aber Zeiler hat ein dickes Fell. Zu ORF-Zeiten ließ er sich die heftigen Schlagzeilen über sich gar nicht erst zeigen.

RTL wird unter ihm wieder provokanter werden. Für den Samstagabend ist eine Stuntshow mit Amateuren geplant, die selbst hausintern als im Wortsinn mörderisch gilt. Allerdings gibt es Grenzen: Eine Prügel-Talkshow wie „Jerry Springer“ in den USA wird es nicht geben. „Da ist unter uns noch eine Qualitätsstufe, die wir nicht mehr bedienen.“

Zeiler akzeptiert dennoch keine anderen Qualitätsmaßstäbe als die Quote. Mit Boulevard, Trash und billigen US-Importen hat er kein Problem. Ein Problem hat er mit Leuten, die darin ein Problem sehen. Um so erstaunlicher, daß er im Fragebogen des FAZ-Magazins auf die Frage nach seiner Heldin in der Literatur Heinrich Bölls Katharina Blum angegeben hat: eine Frau, deren Leben durch Sensationsreporter einer Boulevardzeitung zerstört wird. „An ihr hat mich der Kampf fasziniert“, sagt Zeiler. „Daß es auch noch um eine gerechte Sache ging, ist schön, aber das stand für mich nicht im Vordergrund.“ Die Blum hat ihren Gegner am Ende erschossen. Zeilers Gegnern sei es eine Warnung.

Anders, wie alle anderen

Süddeutsche Zeitung

MTV will mit neuen Shows wieder schräg werden.

MTV hat jetzt eine richtige Musiksendung. Doch, das ist eine Nachricht! In den vergangenen Jahren wurde der Platz zwischen den Videos wie bei Viva vorzugsweise mit Informationen darüber gefüllt, welche Haarfarbe der Künstler gerade ausprobiert und mit wem er vorletzte Woche im Restaurant gesehen wurde. Bei Brand:neu erfährt man tatsächlich, welche Leute an der Platte mitgewirkt haben und warum die Single nur in den USA rauskam. Kein Meilenstein des Journalismus – aber den erwartet auch niemand. Eine Offenbarung ist immerhin der Moderator: Gerd Bischoff, der erste Video-Jockey, der nicht ausgewählt wurde, weil er aussieht wie Holger Speckhahn oder Kristiane Backer, sondern weil er 15 000 Platten, Erfahrung als Journalist und Ahnung von Musik hat. Der erste über 40 ist er außerdem.

Brand:neu ist eine von vier neuen deutschsprachigen Sendungen auf MTV – und die einzige, die hausintern nicht umstritten ist. Klar: In unsicheren Zeiten funktioniert die Rückbesinnung auf den Kern am besten. MTV ist trotz steigender Quoten in einer Identitätskrise. Das liegt zum einen daran, daß es schwerer denn je zu sein scheint, zu wissen, was die Jugend will – im allgemeinen und vom Musikfernsehen im besonderen. Aufmüpfigkeit, Rebellion? Och nö. Kooperationen mit Greenpeace? I bäh!

Sterni steht und sächselt

Ein weiterer Grund ist Christiane zu Salm, seit 15 Monaten Deutschlandchefin von MTV. Als sie antrat, gab sie die Devise aus, um jeden Preis Quote zu machen. Das Ergebnis war die Show Live aus Berlin, die den Begriff „Infotainment“ als kombinierte Abwesenheit von Sinn und Witz definierte und auch nach Salms Ansicht ein Fehler war. Jetzt sollen die Sendungen wieder schräg sein, ironisch, respektlos – anders. Das ist nicht leicht, da die Fernsehwelt heute bevölkert ist von Harald Schmidts und Stefan Raabs und die MTV-Welt nicht mehr von Ray Cokes und Christian Ulmen.

Die neue Show emtevau mit deutscher Musik moderiert Sterni, ein netter 24jähriger Koch, den Salm in Leipzig getroffen hat. Sie war begeistert von seinen „Nüs“ und „Geleschenheiten“, gab ihm ein altes Mikrophon im handlichen Riesensalamiformat, stellte ihn vor eine Panoramatapete und bat ihn, sich seine Unbeholfenheit und seinen Dialekt nie abzugewöhnen. Da steht er nun und sächselt. Das ist zwar innovativer als bei Viva, wo sich die Moderatorinnen nur durch ihre Gesichtspiercings unterscheiden – aber seit Stefan Raab die „Öla Palöma Boys“ groß rausgebracht hat, ist Sterni so originell wie Toastbrot in Scheiben.

Salms Vorgänger machte den Fehler, nur die Hitparaden-Top-40 zu spielen; Salm steuerte um und schuf mit den neuen Shows gezielt Nischen. Dennoch erbleichten ihre Musikredakteure, als sie Kitchen sahen. Erstes Video: Nancy Sinatra. Manchmal gibt es zwischen Smashing Pumpkins und Blur auch Ray Charles. Schöne Idee, nur: Wer will das sehen, mittags um eins? Fünftkläßler, die von der Schule kommen? Kitchen ist eine der Sendungen, die dem Prinzip folgen, es reiche, jeden Tag einen anderen Gast „Schnapp die Wurst“ spielen zu lassen. David Copperfield war da. Unsichtbar allerdings, „sein neuester Trick“. Netter Gag. Aber eine Stunde lang? Kitchen krankt am fehlenden Mut, wirklich radikal zu sein. Salms MTV ist schräg, aber harmlos. Der Kitchen-Moderator Max von Thun ist kein Anarcho; er spielt einen. Einmal hatte er das sprechende Spielzeug Furby in seiner Sendung und taufte es – sein Kollege Niels Ruf hatte auf Viva 2 zuvor zwei Furbies. Er probierte mit ihnen Stellungen des Geschlechtsverkehrs.

Dann ist da noch Enjoy MTV, eine Kooperation mit der Frauenzeitschrift Joy. Paarungswillige Menschen erzählen, was sie toll an sich finden, was nicht und wie das war, als sie beim Sex im Englischen Garten erwischt wurden. Alles komplett in Schwarz-Weiß; das ist fast so cool wie Joy und die Kandidaten. Steve, 26, sucht eine Frau, die gebaut ist wie ein Porsche: „Melde dich, mein Sportwagen, dann fahre ich dich. “ Und Mehmet, 33, bewirbt sich mit dem Satz: „Es ist immer wieder peinlich, wenn ich im Bett zu schnell komme. “ In der Tat.

Gag-Academy

Stern

Lachen nach Lehrplan. Seit aus dem Comedy-Boom eine Industrie geworden ist, hungert die Branche ständig nach neuen Witzen. Mit Seminaren werden jetzt erstmals Nachwuchstalente auf den ernsten Beruf des Gag-Schreibers vorbereitet.

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Fischhaltefolie. Fischlein deck dich. Woran erkennt man das Geschlecht eines Fisches? An Brust- oder Schwanzflosse. Seit 45 Minuten sammelt eine Gruppe junger Humor-Azubis Wortspiele mit Fisch. Inzwischen haben sie mehrere Blätter gefüllt, aber eine witzige Angel-Szene für Bastian Pastewka ist nicht entstanden. Sie lernen: 97 Kalauer machen noch keinen guten Sketch. Der steht heute auf dem Lehrplan. In Theorie und Praxis. Mit Referat und Gesprächsrunde. 13 Comedy-Schüler und zwei Schülerinnen sitzen in einem humorlos eingerichteten Seminarraum in Köln. Vorne die Lehrer: Regisseure und Autoren der „Harald Schmidt Show“, „Sieben Tage, sieben Köpfe“, „TVTotal“ — und Pastewka selbst, der Brisko Schneider aus der „Wochenshow“.

Jeder von ihnen sagt, die Möglichkeit, an einem Expertengespräch namens „Der gute Sketch“ teilzunehmen, sei ein Traum. Nicht nur, weil sich das selbst nach einem Stück Comedy anhört. Sondern auch, ganz ernsthaft, weil sie so etwas selbst gern gehabt hätten, als sie ihre ersten Schritte in Richtung Fernseh-Humor machten.

Zum Beispiel 1992, als Martin Keß anfing, für die erste Late Night Show mit Thomas Gottschalk zu schreiben. Damals schaute sich Keß Stunde um Stunde einschlägige US-Sendungen an. Schrieb jeden Witz auf, analysierte ihn, kategorisierte ihn. Aber das wirkliche Wissen, was zündet und was im Rohr krepiert, kam erst mit den Jahren. Heute ist Keß 34, Chefautor der TV-Produktionsfirma „Brainpool“, und aus dem Comedy-Metier ist längst eine Industrie geworden. Immer hungrig nach neuen Lachern.

Da muß Nachwuchs und Ausbildung her. Seit wenigen Wochen gibt es drei Versuche, aus Humor ein Lehrfach zu machen. Die Kölner Comedy-Schule etwa, mit RTL im Boot, kümmert sich um Talente vor der Kamera; zwei anderen Comedy-Unternehmen geht es um Autoren: „Frühstyxradio“ schult in Hannover für den Hörfunk; „Brainpool“ lud potentielle TV-Mitarbeiter zur „Gag-Academy“ nach Köln.

Sie sind in der Regel zwischen 20 und 30 Jahre alt. Etwas Erfahrung haben die meisten, echten Erfolg die wenigsten. Vier Academy-Teilnehmer aus Recklinghausen haben es immerhin schon geschafft, für die Chaos-Sendung „Viva Family“ zu schreiben — aber die ist eingestellt worden. Roland Slawik ist es gelungen, dem ZDF eine Sitcom zu verkaufen. Die vom Sender überarbeitete Fassung hat er gerade zurückbekommen: „Jetzt versuche ich, die Witze wieder reinzuschreiben.“ Tanja Sawitzki ist erst 18, hat aber schon mit 13 bei Stefan Raab als „Zuschauerin der Woche“ den Kopf hingehalten und seitdem zwei humorige Bücher veröffentlicht.

Witzigsein lohnt sich. Ralf Husmann zum Beispiel, einer der Referenten bei der Gag-Academy, 34 Jahre alt, früher Chefautor bei Harald Schmidt, heute für Anke Engelke, hat sich schon vor Jahren mit eigenem Kabarett seinen Lebensunterhalt verdient. „Mit freiem Theater“, sagt er, „wäre das viel schwieriger gewesen.“ Vor allem der Verkauf einzelner Witze bringt Geld: Bei einer guten Handvoll TV-Shows gibt es etwa 200 Mark pro Pointe. Wer würde dagegen einen einzelnen Bühnendialog, einen genialen Reim kaufen?

Wo Scherze industriell produziert werden, zählt nicht Kunst, sondern vor allem Handwerk. Harald Schmidts Monologe, sagt sein Ex-Chefschreiber Husmann, beruhten letztlich nur auf der Kombination immer gleicher Standards mit aktuellen Themen. Mal treten Figuren wie Jürgen Drews in den Witzen als Sexmonster auf, mal Bill Clinton. Und wenn eine Susan Stahnke kommt, darf an ihr das ganze Repertoire von Blondinenwitzen durchgespielt werden.

Handwerk heißt auch, zu einer bestimmten Zeit Brauchbares abzuliefern. Wer auf den Kuß der Muse wartet, hat verloren. Deshalb sieht der Radio-Nachwuchskomiker Rene Steinberg gerade gar nicht amüsiert aus. Noch zwei Stunden: Dann muß er einen Hörfunksketch produziert haben. Und die Schlußpointe fehlt immer noch. Mit seiner Grundidee ist er ganz zufrieden: Ein Professor wird interviewt, der alte Tonbandaufnahmen von Goethe gefunden hat, auf denen der Meister sich als Schweinigel outet. Aber wie das Ding zum Ende bringen?

Das „Frühstyxradio“-Team um Oliver Kalkofe kennt Tricks für Notfälle: sich dreimal versprechen und im Chaos enden. Lachen, bis alle mitlachen. Eine Katze platzen lassen. Steinberg entscheidet sich am Ende dafür, Goethes Sauereien ins Absurde zu steigern. Nicht genial, aber sendbar. Die Schüler lernen: Irgendwas geht immer, wenn es gehen muß.

In den USA ist Comedy-Autor bereits ein Büro-Job wie jeder andere. Er kommt um neun und geht um fünf. In Deutschland können immerhin schon um die 100 Leute vom TV-Gagschreiben leben, schätzt Martin Keß. Und der Bedarf nach frischen Albernheiten ist groß: „Ich kenne keine Sendung, die Beiträge von neuen Autoren ablehnt, weil sie genug Material hätte“, sagt Husmann. Das ist für die jungen Comedy-Macher, die bislang allein vor sich hingewitzelt haben, durchaus eine ermutigende Erfahrung.
Die wenigsten von ihnen sind mit dem Vorsatz nach Hannover oder Köln gefahren, aus der Begeisterung für Comedy einen Beruf zu machen — nicht, weil sie davon nicht träumten, sondern weil sie es nur für einen Traum hielten. Wie Rene Steinberg: Plötzlich ärgert er sich, daß er gerade im Uni-Prüfungsstreß steckt und nicht sofort die offenen Türen einrennen kann, die er entdeckt hat.

Doch die Anforderungen sind hoch, gerade beim Hörfunk, wo man am liebsten fertige Serien-Dauerbrenner bekäme. Und bei allen Schulregeln: Humor bleibt eine Frage des Geschmacks — im Zweifelsfall hat der entscheidende Redakteur einen anderen.

Für solche Fälle gibt „TV Total“-Moderator Stefan Raab seinen Schülern die vermeintliche Antwort, warum jemand über etwas lacht oder nicht. Seine Mitarbeiter haben sie — als steten Quell von Trost und zugleich Verzweiflung — – in ihrem Büro aufgehängt. Sie lautet: ‚Witzig ist witzig.“ Das erklärt nichts und stimmt immer. Und der Nachwuchs erkennt: Alles kann man eben doch nicht lernen.

Wo falsche Schlampen mit falschen Haaren werfen

Süddeutsche Zeitung

Hans Meiser zeigt, daß frei erfundene Talkshows am erfolgreichsten sind — die Konkurrenz sieht es mit Grausen.

Wenn Hans Meiser nach einem kleinen Spaß zumute ist, steckt er sich seinen Klaus-Kopka-Button ans Revers. Klaus Kopka war früher CSU-Landtagsabgeordneter und ist heute Vorsitzender des Medienrates der Bayerischen Landesmedienanstalt. Er hat viel Zeit fernzusehen, und viele Möglichkeiten, mit seinem Urteil über das, was er sieht, in die Schlagzeilen zu kommen. Meiser ist Kopkas Lieblingsgegner, und Kopka der von Meiser. Deshalb trägt Meiser gelegentlich in seiner Talkshow den Anstecker mit Kopkas Bild und sagt ironisch, wie sehr die beiden doch das Streben nach „sauberen Talk“ eine.

Wenn Hans Meiser nach einem großen Spaß zumute ist, macht er Sendungen, von denen er weiß, daß sie Leute wie Kopka besonders ärgern werden. Er läßt seine Gäste übereinander herfallen, intimste Geheimnisse offenbaren, sich gegenseitig das Leben ruinieren — und in dem Moment, wenn der Abspann läuft und Kopka vermutlich gerade zum Hörer greift, um seine Empörung einem Journalisten anzuvertrauen, verrät er, daß alles nur ein Spaß war. Frei erfunden, von Schauspielern dargestellt. Als Aprilscherz hat er das in diesem Jahr gemacht, der verwirrenderweise schon am 31. März ausgestrahlt wurde. Und am Montag dieser Woche wieder.

Es war der Tag nach Muttertag; die Sendung hieß „Mami, mit dir hab ich noch eine Rechnung offen“. Sie bestand im Wesentlichen daraus, daß sich Familienmitglieder gegenseitig beschimpften, mit ihren Liebhabern konfrontierten, handgreiflich wurden und bekannten, mit ihren Schwiegersöhnen geschlafen zu haben, was sie anhand des Intimschmucks beweisen konnten. Nachdem die Geschichten sich ins Absurdeste gesteigert hatten, enthüllte Moderator Meiser am Schluß, daß es tatsächlich nur Geschichten waren. „Märchen“, wie in der erfolgreichen Aprilscherz-Sendung. Die habe ja, erklärte Meiser, „so manchen Medien- und Moralapostel aufgeregt“.

Und nicht nur Kopka. Auch die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), die von den Privatsendern mit der Überwachung des Jugendschutzes betraut ist, war über Meisers Idee nicht glücklich. „Wenn die Sendung am 1. April gelaufen wäre, hätten die Zuschauer sie vielleicht von vornherein mit anderen Augen angesehen“, sagt Geschäftsführer Joachim von Gottberg. „So aber haben die Leute das übliche Geschäft erwartet.“ Das sei problematisch. Meiser ist der einzige Talkmaster, der sich an anderen Tagen als dem 1. April traut, das eigene Genre und sich selbst unangekündigt zu parodieren — in seiner eigenen Show Meiser und in der Sendung Birte Karalus, die auch von seiner Firma Creatv produziert wird. Creatv-Sprecherin Jutta Oellig erklärt, man habe nach der Aprilscherz-Sendung so viele Zuschauerpost mit Talk-Märchen bekommen. Und warum zum Muttertag? Weil diese Einrichtung doch „eigentlich absurd“ sei, sagt Oellig.

Die Sorge, daß viele Zuschauer vor dem Schluß der Sendung umgeschaltet und die Auflösung verpaßt haben, scheint unbegründet: Die Muttertags-Sendung schaffte es, die Zuschauer zu fesseln. Bis zum Finale wuchs die Quote kontinuierlich, von einer auf über zweieinhalb Millionen. Das ist bei Meiser sonst nicht immer der Fall. Jugendschützer Von Gottberg zweifelt jedoch, ob ein 13jähriger wirklich in der Lage sei, sich im Nachhinein von dem Gesehenen zu distanzieren. „Wenn Menschen eine Stunde lang nach allen Regeln der Kunst vorgeführt werden und das erst in den letzten drei Minuten aufgelöst wird, stellt sich die Frage: Wird die Wirkung der ganzen Fürchterlichkeiten, des Hasses und der Verletzung der Menschenwürde dadurch relativiert? Oder sind die vorher geweckten Emotionen viel zu groß?“

Kollegen und Konkurrenten von Meiser gehen auf Distanz: „Wir würden das nie machen“, sagt Talk-Produzent Peter Schwartzkopff (Sonja, Andreas Türck, Pilawa). Die Versuche Meisers beeinträchtigten die Glaubwürdigkeit aller. „Es ist nicht in Ordnung, wenn ein echter Moderator plötzlich in einer Talkshow mit nicht echten Gästen steht.“ Wenn Meiser Märchen ansagen wolle, dann auch immer und konsequent — in einer Show wie dem Comedy-Talk TV Kaiser. Was immer Meiser geritten habe — als Provokation der Medienanstalten seien seine Aktionen in jedem Fall „unklug“.

Angesichts der anhaltenden Schmuddel-Diskussion haben Meisers Späße Sat 1-Sprecherin Kristina Faßler gerade noch gefehlt. Damit würde ausgerechnet das Kernargument der Privatsender konterkariert, daß die Talkshows „einfach Realität“ abbildeten. Die Glaubwürdigkeit ist der wunde Punkt der Shows: Einerseits leben Meiser, Sonja, Arabella und Co davon. Sat 1 kündigt seine Talkshows gar als „Information“ an. Andererseits hat der Sender in einem Verfahren, das ein Mann, der in Vera am Mittag als gewalttätiger Alkoholiker geoutet wurde, gegen den Sender angestrengt hatte, argumentiert: Die Zuschauer wüßten, daß es sich nicht um Journalismus handle, sondern die Talks Gästen nur eine Art „Tanzfläche“ böten. Also doch eher Fiktion als Realität?

In den getürkten Shows geht es noch heftiger zu als im Talkalltag von Meiser und den anderen. „Wenn das wahre Geschichten wären, würden wir das nicht zeigen“, räumt creatv-Sprecherin Oellig ein. Der Gedanke liegt nahe, daß Meiser auf die fiktive Ebene wechselt, um sich richtig austoben und neue Grenzen erproben zu können. Von Gottberg fragt, ob so der Verhaltenskodex, den sich die Privatsender gegeben haben, unterlaufen werden solle. Ein Freibrief wäre der Einsatz von Schauspielern allerdings nicht. „Allein als Ausrede für Exzesse reicht mir das nicht“, sagt Von Gottberg. „Es gibt keine Legitimation“, sagt Sat 1-Sprecherin Faßler, „mit Schauspielern Verhaltensweisen zu zeigen, die mit real existierenden Menschen nicht gezeigt werden dürften.“

Creatv versichert, weitere Fakes seien vorerst nicht geplant. Allerdings sahen am Montag über 900 000 junge Zuschauer zu, wie die „Tochter“ ihrer „Schlampe“ von „Mutter“ die Perücke vom Kopf riß. So viele erreichte Meiser in den Wochen davor mit keiner Sendung. Die beiden erfundenen Sendungen hatten die höchsten Marktanteile aller Meiser-Sendungen der letzten Zeit. Es wäre das erste Mal, daß ein Privatsender auf den Einsatz eines dramaturgischen Mittels verzichtete, das besseren Quoten bringt.

Meiser treibt ein gewagtes Spiel: Ausgerechnet in einem Genre, in dem falsche Gäste ohnehin eher Regel als Ausnahme sind, spielt er mit Erwartungen und Vertrauen des Publikums. Aber vielleicht protestieren die Konkurrenten auch deshalb so laut, weil Meiser einen Trend entdeckt haben könnte: Daß es den Zuschauern möglicherweise egal ist, ob die Leute, denen sie beim Streiten zusehen, echt sind oder nicht. Dann hätten die Produzenten sich die Auseinandersetzungen um verletzte Persönlichkeitsrechte sparen können. Und das bißchen Recherche noch dazu.

Große Freiheit für Viva

Süddeutsche Zeitung

Dieter Gorny sitzt in seiner Suite in einem Hamburger Hotel und ist zufrieden mit sich und der Welt. Am Tag zuvor hat der Musiksender MTV seinen Abschied aus der Stadt bekanntgegeben. Aus der Routinereise des Viva-Chefs zu Musikproduzenten und Agenturen ist plötzlich ein kleiner Staatsbesuch geworden. Hamburger Politiker rufen an und bitten dringend um ein Gespräch. Journalisten geben sich die Klinke in die Hand. Die Sonne scheint.

Im Gegensatz zu Gorny hält MTV-Chefin Christiane zu Salm nicht Hof. Deshalb läßt sich nur vermuten, daß auch sie strahlt. Hat sie es doch nach monatelangen Verhandlungen geschafft, der Bayerischen Staatsregierung Geld für den Umzug nach München aus der Tasche zu leiern – vier Millionen sollen es sein. Doch da eine Entscheidung selten zwei Konkurrenten gleichermaßen dauerhaft beglückt, stellt sich die Frage, wer zuletzt lachen wird.

Christiane zu Salm kennt das TV-Geschäft. Sie hat dank des absurden Wettlaufs der Medienstandorte geschafft, was in kaum einer anderen Branche denkbar wäre: Für ein Unternehmen Subventionen zu bekommen, das 1998 mit 26 Millionen Mark Gewinn rechnete. Nun sind vier Millionen Mark für einen Sender wie MTV eine Menge Geld – nicht viel höher ist etwa der Jahresetat für die deutschen Sendungen. Aber auf Dauer sind solche Einmalzahlungen ohne Bedeutung, es sei denn, ein Fernsehsender wechselte jährlich seinen Standort. In Hamburg hat zu Salm dagegen mehr verlassen als nur eine Stadt, die ihr keine Millionen zahlen konnte und wollte.

Vom Musik-TV-Geschäft versteht zu Salm nicht viel. Das wäre nicht so tragisch, hätte sie ihre Führungsriege nicht mit Leuten bestückt, denen es genauso geht. Für Musiksender gelten eigene Regeln. Das fängt damit an, daß A und O des Geschäftes nicht Quoten sind, sondern Glaubwürdigkeit. In der Reichweite werden Viva und MTV nie mit RTL 2 oder Pro Sieben mithalten können. Aber sie können eine viel größere emotionale Nähe und Überzeugungskraft zu Teenagern aufbauen – nur das macht sie interessant für Werbekunden. Dazu muß ein Sender dicht an der Szene und den Trends von morgen sein. Über die zukünftige MTV-Heimat München läßt sich einiges Positives sagen. Daß von ihr die angesagtesten Mode-, Musik- und Jugendkulturtrends ausgehen, gehört eher nicht dazu.

Musiksender sind in der kuriosen Situation, daß die Plattenfirmen gleichzeitig Produzenten und Kunden sind: Sie liefern die Videos und werben für die Musik. Die Musikbranche aber sitzt in Hamburg. Die Werbebranche auch. Die kurzen Wege waren ein Vorteil, um den Viva MTV bislang beneidet hatte. Auf seinen Reisen zu Produzenten und Kunden verbringt Gorny regelmäßig vier Tage in Hamburg. München schafft er in einem.

Und dann ist da noch Viva 2: Ambitioniert, laut und billig, für Leute, die weder DJ Bobo noch Rolling Stones, sondern Guano Apes hören wollen; von Gorny mit viel PR als Alternative für die Leute verkauft, die das alte, schräge MTV vermissen. Solange MTV fest in Hamburg saß, verhinderte die Landesmedienanstalt HAM, daß Viva 2 ins Kabel kam. Das tat Gorny weh. Weil Viva 2 naturgemäß eher was für Großstadtmenschen ist als für die Bewohner Mittelhessens. Und weil ausgerechnet die Masse der Werbe-, Musik- und Medienleute sein verlustmachendes Prestigeobjekt nicht sehen konnte – und deshalb nicht buchte oder drüber schrieb.

Das ändert sich jetzt. Vermutlich noch im Sommer wird die HAM bekanntgeben, daß Viva 2 ins Hamburger Kabel kommt. Im Gegenzug wird Viva bekanntgeben, die örtliche Musikszene mit ein paar Hunderttausend Mark zu fördern. Ähnliche Geschäfte hat Gorny schon in Niedersachsen und Berlin abgeschlossen. Gespräche in Hamburg gab es schon länger, aber die Verhandlungssituation hat sich geändert: Bislang brauchte Gorny Hamburg dringender als Hamburg Gorny. Seit dieser Woche ist das umgekehrt.

Christiane zu Salm kommt – wie der Großteil des neuen MTV-Managements – aus München und ist mit der Münchener Medienszene eng verbandelt. Wenn zu Salm in den vergangenen Monaten die Abwanderungspläne dementierte, tat sie das gerne entrüstet: „Sie glauben doch nicht im Ernst, daß wir umziehen werden, weil es mir persönlich in München besser gefällt?“ Eigentlich nicht. Aber nicht nur Dieter Gorny fällt kein anderer Grund ein.

Nackter Wahnsinn

Süddeutsche Zeitung

Premierenkritik zu „TV Total“ (Pro Sieben).

Über Rudi Carrell ist einmal gesagt worden, sein Erfolgsgeheimnis liege darin, daß seine Mundwinkel in einer Form festgefroren seien, die den (meist falschen) Eindruck erwecke, er lächle. Das stimmt nur fast. In Wahrheit – und schon für diese Erkenntnis muß man TV Total dankbar sein – gibt es bedeutsame Nuancen im Carrell’schen Mundwinkelkrümmungsgrad. Als Moderator Stefan Raab ihn in seinem Büro mit Ukulele überrascht und anfängt, ihm ein Ständchen zu singen, ziehen sich Carrells Mundwinkel nach oben und scheinen zu sagen: „Netter, junger Mann, hab‘ ich irgendwo schon mal gesehen, ist ja niedlich, komm‘ ich mal in eine andere Show als meine eigene.“ Raab singt Carrells alten Schlager „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“, allerdings mit dem Text: „Wann wirst Du wieder richtig witzig . . .“ – die Mundwinkel senken sich – „. . . so witzig, wie Du früher schon nie warst.“ Und spätestens an dieser Stelle bilden Carrells Falten nur noch formal ein Grinsen, anscheinend denkt er sich: „Sei froh, daß ich Profi bin und diesen Mist mitmache, aber wag‘ bloß nicht, eine zweite Strophe zu singen!“

Sowas kann Raab. Nicht nur Ukulele spielen, sondern dem Feind direkt ins Gesicht singen. Viel mehr muß er für seine neue Show nicht können, die die Fortsetzung von Kalkofes Mattscheibe mit anderen Mitteln ist und davon lebt, daß der Wahnsinn, der täglich auf den Kanälen tobt, die Vorstellungskraft immer noch um ein Vielfaches übersteigt. Im Regionalsender Südwest macht Dr. Carlo Bussi (!) Hüftübungen: „Schieben, und wieder rausziehen.“ Andreas Türck steht in seiner Talkshow mit „landminengroßen Schweißflecken“ unter den Achseln da. Und Moderator Adi Furler ist halbnackt und erschreckt uns, so Raab, mit seinen „Titten“. Gut, die mußten wir nicht unbedingt sehen. Aber in glücklichen Momenten baut TV Total aus den Schnipseln eine eigene Dramaturgie, und Raab nimmt ab und zu sogar den Blick vom Monitor, auf dem er sich selbst sieht.

Jetzt könnten wir noch ein wenig lamentieren über die Selbstreferentialität des Mediums. Andererseits sind die Müllberge, die es täglich produziert, so gewaltig, daß die ein oder andere Wiederaufbereitungsanlage, die sie recycelt, verbrennt oder schlicht öffentlich ausstellt, nicht schaden kann. Vor allem, da die Alternative aller Wahrscheinlichkeit nach nur die Produktion neuen Mülls wäre.

Alarm!

Süddeutsche Zeitung

Nach dem Abschied von Christian Ulmen wird MTV in Deutschland zu einem normalen und ironiefreien Musiksender.

So schnell wird aus einem Kompliment die Prophezeiung eines Todes: Die Zeitschrift TV Today hat Moderatoren getestet und bei den Neuen von MTV viel Elend entdeckt. Fazit: „Nur der schlagfertige Christian Ulmen kann MTV vor dem Aus retten. “ Als das Heft am Freitag erschien, hatte Ulmen schon gekündigt: „Das Know-How, die Coolness und der Hochglanz von MTV- Live aus Berlin lassen mich beschließen: Wenn`s am Schönsten ist, soll man aufhören. “ Die Pressemitteilung trieft vor Ironie. Live aus Berlin ist so cool wie der Tigerenten-Club, hat den Hochglanz einer verpatzten Generalprobe und das Know-How eines von Praktikanten gefilmten Moderatorenwettbewerbs in der Fußgängerzone.

Nur weil sein größter Star kündigt, geht kein Musiksender zugrunde. Doch der 23jährige war das letzte Überbleibsel einer Zeit, als MTV nicht im Strom mitschwamm, sondern ihn formte. Ulmens erste Sendung Hot fand vor einem starren Fischauge statt, das ihn in einem fast leeren weißen Raum filmte. Bei Alarm war das Herzstück eine häßliche braune Schrankwand. Live aus Berlin beschreibt Ulmen dagegen als eine „typische Teenie-Nachmittags-Show“.

Dazwischen liegt der Antritt der Geschäftsführerin Christiane zu Salm – und ein Kulturschock. Sie ließ von Alarm nicht eine, sondern bis zu fünf Shows täglich aufzeichnen. In Live aus Berlin verbannte sie Ulmens schrägen Humor in kleine Biotope, was nicht funktionierte, weil ihn im sonst ironiefreien Programm niemand verstand. „Früher wurde bei MTV aus Leidenschaft fürs Programm gearbeitet und experimentiert“, erzählt Ulmen. „Heute heißt es, Fernsehen funktioniere nur nach bestimmten Regeln und alles Schräge von damals wird mit dem Argument abgebügelt: Hat keiner geguckt. “ Zum Glück hat er seine Hamburger Wohnung nicht gekündigt. Jetzt wird ausschlafen und die Angebote anderer Sender prüfen.

Süßes statt Spinat

Salm gibt ihren Kritikern erst einmal recht: „Christian hat MTV das Profil verliehen, das ich gerne hätte. “ Sie sagt, daß ihr bei Live aus Berlin „Substanz und Kanten“ fehlen. Im Konflikt zwischen Kanten und Quoten habe sie sich aber entschieden, mit Telephonspielen erst einmal die Massen zu gewinnen, um ihnen dann irgendwann auch Schräges zuzumuten. „Das ist“, meint Ulmen, „als wollte ich ein Kind dazu bringen, Spinat zu essen, indem ich ihm erstmal ganz viel Süßigkeiten gebe“. Doch die Berlin-Sendung war nicht nur als Zucker für die breite Masse, sondern auch für die Medienanstalt Berlin-Brandenburg entwickelt worden. Die bedankte sich und gab MTV den Vorzug vor Viva bei der Vergabe eines guten Kabelplatzes.

Christiane zu Salm, 32, ist seit einem Jahr Geschäftsführerin von MTV-Central Europe. Sie hat gründlich aufgeräumt. Heute ist kaum ein Mitarbeiter von damals mehr in leitenden Positionen. Komplette Abteilungen sind ausgewechselt; nach Ulmens Kündigung wollen weitere langjährige MTV-Mitarbeiter gehen. Jegliche Spuren ihrer Vorgänger beseitigte Salm, kündigte vorzeitig der Werbeagentur, beendete die Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma MME, ließ Eigenproduktionen und Design außer Haus entwickeln.

Salm sagt, all das sei nötig gewesen: „Kreativität ist nichts ohne Strukturen, und bei uns war alles immer ein Chaos. “ Alte MTVler nennen dieses Chaos den „Spirit“, der MTV ausgemacht habe. Eine von denen, die frustriert gegangen sind, trägt den schönen Namen Silke Super, bunte Haaren und schräge Klamotten. Sie war für die Kontakte zu Künstlern und der Musikindustrie verantwortlich und wird es in Zukunft für Viva sein: „Musik hat viel mit Gefühl und Identifikation zu tun“, sagt sie. „Man muß als Geschäftsführer nicht unbedingt selbst dieses Gefühl haben. Aber man muß die Leute holen, die es haben. “ Christiane zu Salm holte stattdessen Experten des Mainstream wie Programmchef Christofer Sebald – Ex-Vera-am-Mittag. „Mir fehlt bei MTV heute Liebhaberei“, sagt Super: „Man kann Lifestyle nicht vom grünen Tisch verkaufen. “ Ehemalige Verantwortliche sagen, kein anderer Sender müsse so sehr aus dem Bauch gemacht werden wie MTV. Es sind zwei Welten: Punks, die sich Silke Super nennen und auch so aussehen, und Anzugträger, die die Regeln des Privatfernsehens kennen und für die „Bauchgefühl“ ein anderes Wort für Dilettantismus ist. Salm verabreicht ihre Kulturschocks nicht mit Fingerspitzengefühl.

Die Mannschaft, die sie bei ihrem Amtsantritt vorfand, nennt sie „Hiwis“. Dem Vorwurf, sie habe viele Leute telephonisch aus ihrem Urlaub gefeuert, in den sie gleich nach ihrem Amtsantritt gefahren ist, widerspricht sie: „Die wurden alle vorher entlassen. “ Und bei der Telemesse steht sie vor ihren Moderatoren und erzählt, daß gerade die Moderatoren noch ein Schwachpunkt seien.

Anfang vergangener Woche verkündete MTV nur zwei Monate nach der Programmreform den Erfolg: Viva, bislang weit in Führung, sei überholt worden. Die Zahl der MTV-Zuschauer habe sich nach einer Umfrage des Instituts Phone Research gegenüber 1998 fast verdoppelt. Phone Research sitzt im gleichen Gebäudekomplex wie MTV und ermittelt seit Jahren auch in schlechten Zeiten gute Zahlen für den Sender. Intern arbeiten MTV und Viva mit handfesten GfK-Zahlen. Die gibt es, die Sender müßten aber Millionen bezahlen, um sie veröffentlichen zu dürfen. Laut GfK hat MTV in den ersten beiden Monaten seinen Marktanteil in der Zielgruppe tatsächlich fast verdoppelt, bleibt aber deutlich hinter Viva zurück. Experten führen das darauf zurück, daß MTV seit Januar unverschlüsselt über Satellit zu empfangen ist und doppelt so viele Haushalte erreicht.

Bitte nicht edgy

Dabei sind Quoten nur ein Nebenkriegsschauplatz. MTV und Viva erreichen beide nur Marktanteile im Promillebereich, in der Zielgruppe zwischen ein und zwei Prozent. Niemand wirbt bei einem Musiksender wegen der Zuschauermassen, sondern wegen der engen Verzahnung von Programm und Werbung und der Glaubwürdigkeit der Marke. „Schnell Quoten zu schaffen, wäre kein Problem“, sagt Viva-Chef Dieter Gorny: Man spiele einfach nur Top 20. Doch eine Marke, die Teil der Lebenswelt der Jugendlichen wird und Trends setzt, erzeuge man damit nicht. Salms Vorgänger Michael Oplesch hatte dennoch die Musikauswahl auf Top-40 umgestellt. „Wir mußten gegenüber der Plattenindustrie einen Schlingerkurs verkaufen, bei dem alle drei Monate die Richtung geändert wurde“, sagt Silke Super. Christiane zu Salm gab zwar offiziell die Devise „Back to the roots“ aus. Aber, sagt Super: „Das wurde nur ein Weilchen durchgezogen. Dann hieß es wieder: Bitte nicht zu edgy, verkaufen muß es sich auch.“

Was also wird aus MTV? „Wenn es das Ziel ist, Quote zu machen, werden sie das auch schaffen“, sagt Christian Ulmen, „wenn auch auf Kosten der Identität des Senders“. Den Erfolg von MTV garantiert eine solche Hinwendung zum Seichten in der Tat nicht. „Alarm war von Künstlern, die dort auftreten wollten und das Ambiente liebten, Monate vorher ausgebucht“, sagt Silke Super. Bei Live aus Berlin ist das, Quote hin oder her, offenbar anders. Einige prominente Stars sollen sich weigern, dort überhaupt aufzutreten.

Ein glorreicher Halunke

Süddeutsche Zeitung

Der Viva-Star Stefan Raab will jetzt bei Pro Sieben die TV Kollegen hochnehmen — einige finden ihn gar nicht komisch.

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So hatte man sich das Zuhause eines grinsenden Jungkomikers, eines respektlosen Mistkerls nicht vorgestellt. Stefan Raab wohnt in Köln, und zwar in Köln-Sülz. In Sülz stehen viele graue Häuser mit wohnzimmergroßen Kneipen und Läden im Erdgeschoß. Auf einem dieser Häuser steht in orangefarbenen Buchstabenquadraten „Metzgerei“ und in Schreibschrift darunter „Raab“. Eine traurige Gardine hängt inzwischen im Schaufenster, die Metzgerei ist nicht mehr in Betrieb. Und die Tür öffnet nicht eine charmante Assistentin, sondern Raabs Mutter.

Stefan Raab, 32, TV-Moderator und Musikproduzent, ist nicht da. Das ist erst einmal ein Glücksfall. Denn so geht es mit Mutter Raab in die Wohnküche, in der Raabs Freund Guildo Horn gerne sitzt und ihre Mettbrötchen ißt. Frau Raab erzählt, daß sie manchmal eine Stunde braucht, um zur Bank an der Ecke zu kommen, weil sie alle paar Minuten jemand auf der Straße anspricht. Aber das seien sie, die Raabs, als eingesessene Kaufleute gewohnt. Den Stefan kennt hier noch jeder von damals, als er im Laden gestanden und seine Metzger-Lehre gemacht hat. Und daß sich viel verändern wird, wo er jetzt von Viva zu Pro Sieben geht, das glaubt Frau Raab nicht. Eigentlich sei das mit der Karriere immer einfach so passiert. Der Stefan sei als Kind nie groß aufgefallen, nicht mal Schülersprecher gewesen. Eigentlich ein ganz ruhiger, naja, vielleicht nicht ganz ruhiger, naja, wie Jungs halt sind.

Ja, klar, Frau Raab. „Der tut nichts“, ruft das Herrchen am Horizont, während der Hund mit sabbernden Lefzen auf sein Opfer zugalloppiert. „Der spielt nur“, brüllt der Mann, während das Tier zubeißt. So ist Stefan Raab. Er will keinem etwas Böses. Aber läßt man ihn von der Leine, stürmt er los, und zerbeißt das Lieblings-Spielzeug der anderen. Schreibt ein Lied für Guildo Horn und versaut damit Ralph Siegel seinen Schlager-Grand-Prix. Sprengt die Hitparade, weil er sich an den Moderator fesselt. Ärgert Dieter Thomas Heck, indem er bei der Verleihung der Goldenen Stimmgabel die Lippen nicht zum Playback bewegt. „Mein Mann und ich fanden es nicht witzig“, sagte Frau Heck hinterher. Und Raab steht da wie der Hund im Blumenbeet und versteht nicht, wofür man ihn prügelt. „Ist doch nur Spaß“, sagt er. „Wer den nicht versteht, ist selber schuld. Es gibt zuviele Leute, die sich und das, was sie machen, zu ernst nehmen.“ Das kann Stefan Raab nicht passieren.

Von 1993 an hat er auf dem Musiksender Viva die Sendung Vivasion moderiert. „Viva hat mir die Gelegenheit gegeben, fünf Jahre lang On-Air zu proben“, sagt Raab. Das ist kokett, aber nicht falsch. Zur öffentlichen Dauerprobe gehört, daß Raab von seiner Redaktion markierte Stellen aus der Bravo oder aus Zuschauerfaxen vorliest. Das Besondere besteht schlicht darin, daß Raab in das Manuskript exakt in dem Moment zum ersten Mal sieht, in dem er es vorliest. Dann nimmt ein Sänger oder Halb-Promi neben ihm Platz und Raab fängt an, in dessen Biographie zu blättern: „Mensch, Du hattest ja letzthin, wollen wir mal gucken, was Du da alles gemacht hast, äh, ach ja hier, wie war das denn..?“ Freunde gewinnt man damit nicht. Aber Fans. Und das alles ist doch kein Grund für die Gäste, beleidigt zu sein: „Ist doch nur Spaß.“

Spaß ist für Raab ein anderer Ausdruck für „gute Unterhaltung“. Die schafft er, meint er, indem er mal die Gala zur Verleihung der Goldenen Stimmgabel aufmischt. Und freut sich, wenn ein Mini-Skandal daraus wird. „Provokation ist ein Mittel, um für Aufmerksamkeit zu sorgen“, sagt Raab“,aber keines, mit dem man langfristig Entertainment machen kann“. In den letzten zwei Jahren habe er schon versucht, „nicht nur über Randale zum Spiel zu kommen“, wie er es am Anfang fast ausschließlich tat.

Daß man ihn ein „Arschloch“ nennt, läßt er sich gefallen. Gegen den Ausdruck „arrogant“ hingegen wehrt er sich. „Vielleicht kommt das so rüber“, sagt er und legt Wert darauf, daß er das Fußvolk hinter der Bühne auch im Streß nett behandelt. „Was ich im Fernsehen mache, ist Show. Es hat zwar mit dem privaten Raab zu tun, ist aber immer sehr überspitzt“, sagt er. Als Alf Igel peitscht er beim Grand Prix die Massen in goldener Glitzerjacke an; bei der Echo-Verleihung fährt er auf dem Dach eines Wagens vor und gibt eine Michael-Jackson-Parodie. Wenn er aber ganz privat auf die Straße geht, zieht er sich die Baseballkappe tief ins Gesicht und schaut auf den Boden. Bei Filmpremieren ist er kaum zu sehen. Und tatsächlich gibt es weder Stefan-Raab-Schlüsselanhänger noch einen Fanclub. Als zu seiner Hoch-Zeit bei Viva Mädels in Schlafsäcken vor seiner Tür übernachteten, habe er das als „totale Eingrenzung seines persönlichen Bereiches“ empfunden, sagt er pikiert.

In der ehemaligen Wurstküche der Metzgerei hat sich Raab ein großes Studio eingerichtet, in dem er seiner Hauptberufung nachgeht: Künstler zu produzieren und sich gelegentlich selbst immense Hits wie „Börti Vogts“ oder „Hier kommt die Maus“ zu schreiben. Wenn’s um seine Musik geht, soll ihm bloß keiner dumm kommen: Dann hält er schon mal Kurzreferate, warum sich hinter der scheinbaren Schlichtheit eine komplexe Struktur verbirgt, und erwähnt dezent, daß der Spitzen-Jazztrompeter Till Brönner ein guter Freund von ihm ist: „Wenn ich mich entscheiden müßte für die Musik oder das Fernsehen, würde ich mich sofort für die Musik entscheiden.“ Alt möchte er nicht werden im Fernsehen: „Vielleicht erwachsen.“

Den Sprung aus der Kinderecke des Fernsehens hätte Raab längst machen können. Dutzendweise hatte er Angebote vorliegen: TV Kaiser, Cashman, eine Prominenten-Karaoke, Samstagabendshows auf RTL und Sat 1. Er hat alles abgelehnt: „Da war viel Müll dabei.“ Und weil der Zeitpunkt nicht der richtige war: „Es bedurfte noch einer Entwicklung bei meinem Image. “ Seit er sich mit seinem Hit „Hier kommt die Maus“ auch in Kinderzimmer und Elternherzen gesungen hat, ist er wenigstens nicht mehr nur der Rabauke: „Die Maus war mir sehr dienlich.“

Es ist immer noch alles nur Spaß, was Raab im Fernsehen macht, aber heute nennt er es „Entertainment“. Sein neuer Chef Jobst Benthus, „Abteilungsleiter Show“ bei Pro Sieben, kirrt ihn zur Verkörperung „der Generation der jungen Entertainer“. Ab März hat er dort seine eigene wöchentliche Show TV Total. Bald wird er dort wohl, wie Arabella Kiesbauer, auch als Werbeträger für den Sender auftreten und beide Seiten sind glücklich: Pro Sieben läßt Raab erwachsen werden und ein breiteres Publikum ansprechen. Raab bringt zu Pro Sieben im Idealfall einige jüngere, vorzugsweise weibliche Zuschauer von Viva mit.

Zum Erwachsensein gehört, daß Raab in Zukunft die Sende-Manuskripte vorher durchlesen wird. „Major-TV“ nennt Raab Pro Sieben respektvoll im Gegensatz zum Mini-Sender Viva. TV-Total ist die Raab-Version von Kalkofes Mattscheibe auf Premiere: Die Dauerglotzer von der Firma Brainpool, die auch die Wochenshow auf Sat 1 produziert, suchen nach Pannen, Katastrophen oder Originalen wie Gustav Lommerzheim, der im Offenen Kanal Berlin einen Tanzclub für Senioren veranstaltet. Die besten Geschichten aus den täglichen Talkshows werden als Märchen nacherzählt. Zwischendurch darf Raab machen, was er am liebsten macht: Unschuldige Menschen auf der Straße oder am Telephon mit blöden Fragen nerven — drauf zutraben und freundlich zubeißen.

Einen riesigen Schritt sieht er in dem Wechsel dennoch nicht: „Es bleibt ja dabei, was ich nicht witzig finde, kommt nicht in die Sendung.“ Seine Hauptstärke wird weiterhin in dem Mut bestehen, mit einer Mini-Gitarre die Show-Ikone Rudi Carrell zu überraschen und zu singen: „Wann wirst du endlich wieder witzig? So witzig, wie du früher schon nie warst…“ Herr und Frau Heck und viele andere auch werden immer noch nicht drüber lachen können.

Vera

Süddeutsche Zeitung

Ne ne ne ne. Ne ne. Ne ne. “Vera am Mittag”: Michaela hat Harry, Andreas hat Michaela.

Harry, 39, ist arbeitslos, Alkoholiker und eine Niete im Bett – das sollte für ein erfülltes Leben reichen. Doch jetzt weiß Harry außerdem, daß seine Frau Michaela, 25, ihn betrügt. Und der Rest der Welt weiß es auch, denn rausgekommen ist alles bei Vera am Mittag auf Sat 1. Eigentlich waren Harry und Michaela nur gekommen, um über eine uralte Geschichte zu reden. Peter, 27, hatte sich zum Thema „Warum hast du mir das angetan?!“ gemeldet. Er war vor acht Jahren kurz mit Michaela zusammen; sie betrog und verließ ihn. Und heute, sagt er, ist Michaela nicht mit Harry, sondern mit einem Andreas zusammen.

Andreas, 25, ist am Telephon. Stimmt, sagt er, ich habe ein Verhältnis mit Michaela. Die sieht plötzlich nicht mehr ganz so glücklich aus. Ihr Mann Harry noch weniger. Peter lacht und sagt, daß ihm das eine Genugtuung sei, nachdem er Michaela damals in flagranti mit Harry erwischt habe. „Peter, das war, nachdem die mit dir Schluß hatte“, widerspricht Harry. Aber Peter: „Ne ne ne ne ne ne ne. Ne ne ne ne. Ne ne. Ne ne.“ Michaela erklärt, warum sie Peter damals verließ: „Ich frag mal hier im Publikum, ob eine der Frauen Lust hat, mit einem zusammen zu sein, der sich auf die Brücke stellt und umbringen will.“ – „Ja wegen dir, blöde Kuh!“ schreit Peter zurück. Beifall. Vera, bekümmert: „Ist da soviel Haß in dir, Peter?“

Dann will sie wissen, was Michaela eigentlich bei Harry vermißt, und zwar „ganz ehrlich, denn wir haben uns drauf geeinigt: Wir sind da ganz ehrlich!“ Also gut: Weil er Alkoholiker ist und nicht weiß, wie man eine Frau richtig behandelt. „Ist ein Problem in der Sexualität da?“ fragt Vera. „Ein bißchen ja. Ich bin nur noch wegen der Kinder mit meinem Mann zusammen.“ Jetzt wird es etwas kompliziert. Andreas sagt, daß Harry Michaela mal mit dem Messer ins Bein gestochen habe, was man aber, wie Vera feststellt, hier nicht beweisen kann. Andreas will Michaela. Die aber stört, daß er arbeitslos ist. Sie sei fassungslos, daß er „das hier in aller Öffentlichkeit auf den Tisch kehrt“.

Vera versichert, daß es doch gut sei, daß jetzt wenigstens alles raus sei, oder, Harry? Klar! „Der glücklichste Mensch“ sei er, sagt er, „wunderbar, daß der dahin geht und meine Familie kaputtmachen will.“ Zum Publikum: „Immer man drauf! Jetzt habt ihr alle die Chance dafür.“ Immerhin ist er – außer Vera – der einzige, der sich nicht umbringen will, während Andreas, Michaela und Peter abwechselnd damit gedroht haben, sich „hinter den Zug zu werfen“.

Keine Sorge, sagt Vera, wir haben eine Psychologin da. Eine ordentliche Talkshow läßt ihre Gäste nicht allein mit den Problemen, in die sie sie stürzt. Noch ein Rat von Vera an Anreas: Gib Michaela auf! „Aber . . .“ – „Nein, Andreas, jetzt reden wir nicht mehr darüber. Ganz, ganz lieben Dank, daß du Zeit hattest, ans Telephon zu gehen, und von hier aus viele Grüße. Tschüß!“

Operation Phoenix

Süddeutsche Zeitung

Das Übersinnliche lauert überall. Die erste deutsche Mystery-Serie: „Operation Phoenix“.

Wenn die Außerirdischen klug sind, wovon auszugehen ist, werden sie die Amerikaner enttäuschen und die Erde von Deutschland aus erobern. Wir wären ihnen schutzlos ausgeliefert. Genau wie der Wahrheit, sollte sie je genug davon haben, „irgendwo da draußen“ zu sein, und in die Nachbarschaft einziehen wollen. RTL hat zwar immerhin als erster Sender eine eigene Spezialeinheit installiert, die sich um Kriminalfälle im Zusammenhang mit paranormalen Phänomenen kümmert. Aber im Ernstfall würde sie, wie viele große Ideen, am kleinen Detail scheitern. „Sie können hier nicht rein“, ruft eine Krankenschwester den Spezialisten zu, als die in die Intensivstation eindringen. „Wir können“, widerspricht ihr ein Ermittler, und seine Kollegin wirft ihr im Vorbeirennen ein erklärendes „BMI!“ zu. Beeindruckt gibt die Krankenschwester jeden Widerstand auf.

BMI? Das Kürzel steht für „Bundesministerium des Inneren“, wo die Einheit angesiedelt ist. Nur daß es sich im Alltag noch nicht ganz so durchgesetzt hat wie das „F.B.I.“, mit dem sich die amerikanischen Kollegen in Sekunden Respekt verschaffen. In Wirklichkeit hätte die Krankenschwester mit dem Hinweis „ABM“ vermutlich mehr anfangen können. Wie soll man unter solchen Umständen erfolgreich übernatürliche Straftäter fangen können?

Argumente, die mit „In Wirklichkeit…“ anfangen, sind müßig im Mystery-Genre – das Beispiel „BMI“ zeigt nur, wie originalgetreu RTL bei der ersten deutschen Serie dieser Art Originale wie „Akte X“ oder „Millennium“ übersetzt hat. Die deutsche Truppe heißt „Operation Phoenix“. Sie besteht aus drei Mitgliedern, mit klar verteilten Rollen: Mark Pohl (Dirk Martens) ist der vermeintliche Spinner, die treibende Kraft. Wenn es so aussieht, als sei Seelenwanderung im Spiel, ist seine Erklärung, daß Seelenwanderung im Spiel ist. Er weiß, daß das Fachwort dafür „Palingenese“ lautet und sucht solange in der Bibliothek, bis er ein Photo davon gefunden hat. Kris Mertens (Alana Bock) ist die Psychologin. Das Unerklärliche schließt sie nicht aus – siedelt es aber erstmal im Kopf des Betroffenen an. Palingenese? Vielleicht doch eher ein Virus, das Aggressionen hervorruft. Richard Lorentz (Robert Jarczyk) schließlich ist der Kluge, der im Mystery-Genre klassischerweise der Dumme ist. Lorentz ist so rational, daß er selbst an Bord des UFOs noch einen Trick mit Spiegeln vermuten würde. Seelenwanderung? Humbug! Höchstens Hypnose.

Mystery sprengt die Grenzen des klassischen Krimis. Es geht nicht darum, das scheinbar Unerklärliche zu erklären – sondern eine Möglichkeit zu finden, mit dem Unerklärlichen zu leben. Wenn der Täter den Körper wechseln kann, ist es nicht mehr damit getan, ihn zu ermitteln und dingfest zu machen. „Mystery bietet mehr erzählerische Freiheiten“, sagt Drehbuchautor Marco Rossi. Durch die Kombination von Kriminalfällen mit paranormalen Phänomenen könne eine Spannung kreiert werden, die jenseits konventioneller Erzählformen liegt.

Daß die grünen Leuchtbänder, mit denen die Seele von Mund zu Mund wandert, am Ende nicht als Taschenspielertricks entlarvt werden, ist für deutsche Serien eine echte Innovation. Es bedeutet auch, daß die Phoenix am Ende machtlos ist – und das Übersinnliche überall lauert. Solche Paranoia ist in den USA weit verbreitet. Ob sich der Deutsche, und sei es nur für den Nervenkitzel vor dem Fernseher, davon massenhaft anstecken läßt, ist eine spannende Frage. Die Privatsender werden sie klären: Im nächsten Jahr zieht „Akte-X“-Sender Pro Sieben mit einer eigenen Mystery-Serie nach. RTL jedenfalls mußte sich schon gewaltig anstrengen und einen echten Parapsychologen aufbieten, um das Übersinnliche in den Deutschen halbwegs nachweisen zu können: Nur an Nahtodeserfahrungen oder Genmanipulationen glaubt die große Masse. Von der Existenz von UFOs oder Reinkarnation ist nicht mehr als ein Drittel der Deutschen überzeugt.