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BBC, Scientology und die neue Medienwelt

Die BBC wollte einen Bericht über Scientology drehen und über die Frage, ob sich diese Organisation verändert hat. Am Ende lautete der Titel der „Panorama“-Sendung „Scientology and me“, weil es ein Bericht darüber wurde, was passiert, wenn man versucht, einen kritischen Film über Scientology zu drehen. Das Stück ist bemerkenswert, und man kann es sich hier ansehen. (Und sich dabei gelegentlich daran erinnern, dass das ZDF zufrieden damit war, das Scientology-Testimonial John Travolta auf der „Wetten dass“-Couch sitzen zu lassen, wenn er nur nicht über Scientology redet.)

Mindestens so spannend wie das „Panorama“-Stück ist das, was drumherum geschah. An einer Stelle während einer Konfrontation mit Scientology rastet BBC-Reporter John Sweeney vollständig aus, und Scientology sorgte dafür, dass dieser höchst beunruhigende Ausschnitt schnell per YouTube weltweite Verbreitung fand.

Es ist eine beschämende Szene für den Reporter und für die BBC. Und wie geht die BBC damit um? Mit Selbstbewusstsein, Offenheit und Transparenz. Sie zeigt den Ausraster in dem „Panorama“-Stück selbst. Sie verlinkt auf das YouTube-Video. Sie lässt den Reporter in einem Online-Artikel erklären, wie es dazu kam. Sie lässt den Redakteur der Sendung im Editors-Blog erklären, wie er die Sache einschätzt, und er sagt unter anderem: „I’m very disappointed with John, and he’s very disappointed.“ Sie lässt den Chef des „BBC College of Journalism“ im Editors-Blog diskutieren, was sich aus dem Fall lernen lässt. Und er verlinkt auf die Anti-BBC-Scientology-Seite und erklärt:

„The scientologists have done us a service. Their rebuttal campaign aimed at John Sweeney’s Panorama investigation is a foretaste – a particularly well-funded and well-produced foretaste – of the feedback firestorm beginning to engulf all of Big Journalism. (…)

It’s uncomfortable… IF you’re used to the old one-to-many lecture that journalism used to be. But the reason it’s to be welcomed is that it will improve journalism; perhaps even raise our trust in what journalists tell us. (…)

Journalism that has integrity and honesty in the first place has nothing to fear.“

Es lebe die Doppelmoderation!

Die Moderatoren Fearne Cotton und Terry Wogan geben bekannt, wen die BBC-Zuschauer zum britischen Vertreter beim Eurovision Song Contest gewählt haben — Scooch oder Cindy:

BBC-Chef Mark Thompson sagte hinterher:

„I think they were trying so hard to get the phones right that something else must have gone wrong. I’ll find out tomorrow morning exactly what but whoever’s fault it was I’m sure it wasn’t Terry Wogan’s.“

(via MediaGuardian)

And mostly what I need from you

BBC-Chef Michael Grade verlässt den Sender, um Chef der kommerziellen Konkurrenz ITV zu werden. Die Exklusiv-Meldung des „Daily Telegraph“ ist eine Sensation und ein Schlag für die BBC. Oder in den Worten des „Telegraph“:

Grade’s defection will stun colleagues and cause mayhem inside the BBC …

Ich wette: Jedes deutsche Medienunternehmen, das ähnlich mit so ungünstigen Neuigkeiten in die Schlagzeilen geriete, würde die Meldung in seiner eigenen Berichterstattung verstecken, herunterspielen, schönfärben.

Und die BBC?

Macht mit der Meldung aktuell die UK-Ausgabe ihrer Nachrichtenseite auf. Schreibt gleich im zweiten Absatz des längeren Artikels:

The move will be a blow to the BBC, …

Und zitiert dann den Ressortleiter Wirtschaft des Senders mit den Worten:

„The timing of Michael Grade’s departure to ITV could hardly be worse for the BBC. … As one member of the BBC board of governors put it to me, it’s a mess.“

Noch einmal: Das sagt ein leitender BBC-Mann. In einem großen BBC-Artikel. Auf der BBC-Seite. Über die BBC.

Dafür liebe ich diese Anstalt.

Nachtrag. Und einen Tag später gibt’s auch noch einen kleinen Blick hinter die Kulissen. Wie cool ist das.