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Wir sind Gutedel!

Und als der Vorhang aufging, stand da eine Big-Band vor einem überlebensgroßen BILDblog-Logo, gebildet aus 3500 leeren Weinflaschen, Gesamtgewicht knapp 2 Tonnen.

Es war wie ein Traum.

Ich hatte, zugegeben, vorher noch nicht einmal davon gehört, dass es eine traditionsreiche Weinsorte namens Gutedel gibt. Und ich hätte das Markgräflerland auch nicht mit Sicherheit richtig in der südwestlichsten Ecke Deutschlands platziert, in Baden, zwischen Rheinebene und Schwarzwald. Aber dann kam im Januar der Brief von der Markgräfler Gutedelgesellschaft, dass wir ihren Preis gewonnen hätten. Schon die bunte Mischung aus Preisträgern war bemerkenswert, die Ausschreibung („Menschen, deren Eigensinn öffentlich und im besten Sinne kreativ wirksam wird“) klang nach einer begehrenswerten Auszeichnung — und dann war da noch das kluge Motto: „Guter Wein, in Maßen genossen, schadet auch in größeren Mengen nicht“.

Ich hatte gedacht, dass das ein schönes Wochenende wird, aber auf das, was Christoph und mich erwartete, war ich nicht vorbereitet. Nicht auf diesen Aufwand, nicht auf so viel Aufmerksamkeit und Interesse, nicht auf solche unkomplizierte, unaufdringliche, herzliche Gastfreundschaft. 500 Menschen waren ins Stadthaus von Neuenburg am Rhein gekommen, um zu feiern und den ersten Gutedel vom Müllheimer Reggenhag 2007 zu trinken, der ein sehr guter Jahrgang sein soll. Christoph Wirtz hielt eine Laudatio, die so pointiert und pointenreich war, so schonungslos und böse und gut gelaunt, wie ich sie selten gehört habe und sicher noch nie auf etwas, an dem ich beteiligt war. (Leider weigert er sich bislang hartnäckig, sie rauszugeben, aber das kriegen wir noch hin.)

Anstatt das 225-Liter-Fass, das den Preis darstellt, anzuzapfen, wie es Tradition ist, zog der Stifter Hermann Dörflinger beherzt einen Gutedel aus dem Flaschenlogo, um mit uns anzustoßen. Der Kabarettist Mathias Deutschmann, einer der Gründer der Gutedelgesellschaft, ätzte noch ein wenig, und es gab Markgräfler Suppenfleisch mit Bouillonkartoffeln und frischem Meerrettich — wie die „Badische Zeitung“ heute schreibt, „eines der ehrlichsten badischen Gerichte“, quasi als Gegensatz zur „Bild“-Zeitung.

Das aufrichtige Essen kam vom „Taberna“ in Müllheim, einem modernen Restaurant mit italienischer Küche, das wie ein Fremdkörper in der sonst (zumindest von außen) piefig wirkenden Gaststättenlandschaft in Richtung Schwarzwald wirkt. Dorthin ging es nach dem offiziellen Teil auch zum Weiterfeiern, -trinken und -essen. Die Stimmung, die dort herrschte, scheint einigermaßen typisch zu sein — oder wie der „Gault Millau“ formuliert: „Das Taberna betreibt auch einen Weinhandel, wovon seine mitunter recht trinkfeste Klientel umfassend profitiert.“ Bis halb sieben Uhr morgens sollen die letzten durchgehalten haben.

Zum Glück aber bekommt man ja vom Gutedel keinen Kopf (was, wenn ich mich recht entsinne, irgendwie mit der unfassbar niedrigen Restsüße des Weines (0,4 g/l) zusammenhängen soll, vielleicht ist mir beim Versuch, die Behauptung mit dem ausbleibenden Kater einer angemessen schweren Belastungsprobe zu unterziehen, die ein oder andere Erinnerung durcheinandergeraten — leider mir unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt ist aber, wie mir ein älterer Mann am Waschbecken in der Herrentoilette des Stadthauses eindringlich die Regel mit auf den Weg gab: „Es gibt Badische und Unsymbadische“). Allerdings gab es am Abend darauf auf Einladung von Hermann Dörflinger noch einen Vergleichstest, wie der Organismus darauf reagiert, über viele Stunden viele verschiedene gute Weine von ihm durcheinander zu trinken — nicht so gut. Wir saßen in einem kleinen Häuschen zusammen, das die Dörflingers inmitten ihrer Weinberge haben und von dem aus man wunderbare Sonnenuntergänge über den Vogesen sehen können soll (im Dunkeln sieht man vor allem das neue Gewerbegebiet Müllheim-West, was der Stimmung und Gemütlichkeit keinen Abbruch tat).

Diesmal hatte Torsten Jauch vom „Taberna“ unter anderem junge Ziege mitgebracht, die man hier „Gitzi“ nennt — und einen sensationellen Schokoladenpudding. (Das „Taberna“ hat übrigens eine Homepage, bei der sich ein Großteil der Fotos auch hervorragend als Bildschirmschoner oder -hintergrund eignet. Keine Ahnung, ob man vom Angucken schon zunimmt, ich halte das aber für wahrscheinlich.)

Für mich war diese Preisverleihung die wunderbarste überhaupt (und das nicht nur, weil man den Preis trinken kann). Ich bin eigentlich jemand, der lieber mit 4 Leuten feiert als mit 40 oder 400 — aber in der Form, in die Markgräfler die Geselligkeit pflegen, kann ich mich sehr für sie begeistern. Das Wochenende wird ein toller Motivationsschub sein — sobald der Restalkohol nicht mehr das Formulieren und Buchstabieren erschwert.