Schlagwort: Qualitätsjournalismus

Fotostrecke ohne Sehenswürdigkeiten

Persönlich würde ich die Qualität eines Online-Mediums auch daran messen, ob es mir zu einem Artikel ein, zwei ausgewählte Fotos präsentiert. Oder eine uferlose Bildergalerie mit allen Agenturfotos, die die Datenbank automatisch zum Thema auswirft.

Bei „Spiegel Online“ zum Beispiel erscheint mit großer Berechenbarkeit seit einigen Wochen bei jedem Artikel, der mit dem Streit um den Berliner Hauptbahnhof zu tun hat, um die nicht gebaute Gewölbedecke im Untergeschoss oder das verkürzten Glasdach oben, exakt dieselbe siebenteilige Bildergalerie:

Hier und hier und hier und hier.

Und als sei das an sich nicht schon albern genug, zeigt leider keines der sieben Fotos das, worum gestritten wird: die ursprünglich geplante Decke, die nun doch gebaut werden soll, oder das Glasdach, weder in der geplanten Länge noch in der real exisiterenden Stummelversion. Der Bildtext „Ursprüngliche Planung des Architekten ‚erheblich entstellt'“ steht neben einem Foto vom nicht entstellten Teil des Bahnhofs. Und neben der vielversprechenden Zeile „Im Prozess ging es um die Decke im Untergeschoss“ sieht man das Foto eines einfahrenden Zuges im Obergeschoss.

Wiederholungstäter II

Jede Wette: Noch in zehn Jahren werden sich Journalisten in vermeintlich wichtigen Tageszeitungen über die Bedeutungslosigkeit der deutschen Blogosphäre mokieren und darauf hinweisen, dass man es „schon mit 450 Zugriffen im Monat“ in die Top100 schaffe.

Nach der „Frankfurter Rundschau“ verbreitet nun auch die „Süddeutsche Zeitung“ bzw. jetzt.de diese Mär, und auf Nachfrage antwortet der Autor süffisant:

Zum besseren Verständnis:

Die Information, dass man mit „450 Zugriffen schon in die Top100 kommt“ ist dem Buch „Weblogs“ von Jan Schmidt entnommen (2006), einer der ersten wissenschaftlichen Studien (kein Marketing-Pamphlet oder Selbstauskunft von Blog-Betreibern) in Deutschland über die von uns allen doch so sehr geschätzte Blogosphäre.

Erfahrungsgemäß kann es sich jetzt nur noch um Wochen handeln, bis der Autor merkt, dass zwar die Zahl stimmt, aber die Zeiteinheit nicht: Er hat Monate mit Tagen verwechselt.

Aber dann hat bestimmt längst der nächste Kollege die falsche Zahl abgeschrieben.

(via Sherpa)

Videomonopol

Videos sind ja angeblich das nächste große Ding für Nachrichtenseiten im Internet. Und tatsächlich berichten fast alle großen deutschen Seiten von der Flucht des Angeklagten im sogenannten Stephanie-Prozess auch mit bewegten Bildern.

Mit exakt denselben bewegten Bildern. Die alle exakt gleich geschnitten und betextet sind. Weil alle denselben fertigen Video-Nachrichten-Beitrag von der Nachrichtenagentur Reuters übernommen haben.

Spiegel Online:

Focus Online:

Stern.de:

Bild Online:

sueddeutsche.de:

Ich weiß nicht, ob ich das zutiefst beunruhigend finden soll. Oder als Schritt zur Transparenz begrüße. Denn auch viele Artikel auf den verschiedenen Seiten beruhen ja regelmäßig auf derselben Agenturmeldung — nur fällt es bei Texten, die unterschiedlich präsentiert, gekürzt, betitelt werden, nicht so auf.