Schlagwort: Rundfunkbeitrag

Gegen einen Notgroschen für besseres öffentlich-rechtliches Fernsehen

Morgen entscheiden die Ministerpräsidenten, was mit den überschüssigen Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag passieren soll. Nach der Umstellung auf die Haushaltsabgabe wurde viel mehr Geld eingenommen, als dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zusteht.

Sechs Verbände von Schauspielern, Drehbuchautoren, Filmschaffenden und Produzenten haben heute einen Vorschlag gemacht: Rund 100 Millionen von dem zuviel eingenommenen Geld sollen ARD und ZDF behalten dürfen, um damit besseres Programm zu machen.

Gut, eigentlich sollen ARD und ZDF das Geld natürlich den Schauspielern, Drehbuchautoren, Filmschaffenden und Produzenten geben, damit die damit ein besseres Programm machen können. Es ist insofern ein leicht durchschaubares, aber völlig legitimes Werben in eigener Sache. Aber die Argumentation dahinter ist von rührender Naivität.

In der gemeinsamen Presseerklärung heißt es:

Die Produzentenallianz und verschiedene Kreativen-Verbände haben sich in mehreren Stellungnahmen dafür ausgesprochen, jedenfalls Teile der zu erwartenden Überschüsse zu nutzen, um ARD und ZDF in die Lage zu versetzen, eine Programmoffensive zu starten (…).

Ahem. Wenn die Sender statt, grob gerechnet, 8 Milliarden Euro 8,1 Milliarden Euro zur Verfügung hätten, dann wären sie plötzlich „in der Lage“, eine Programmoffensive zu starten? Mit all den tollen innovativen Sendungen, die bislang irgendwie nur das Ausland hinkriegt?

Ja, genau so stellen sich das die Filmverbände vor:

Eine solche Programm-Initiative würde es beiden Sendern ermöglichen, vermehrt Programme in Auftrag zu geben, die international Qualitätsstandards setzen und die mit Produktionsbudgets ausgestattet wären, welche es den Produzenten ermöglichen, den Kreativen und den Filmschaffenden Arbeits- und Vergütungsbedingungen zu bieten, die der hohen Qualität ihrer Leistungen entsprechen.

Und dann gibt es endlich auch ein deutsches „House of Cards“, ein deutsches „Homeland“, ein deutsches „Downton Abbey“, ein deutsches „Borgen“? Genau:

Die Mittelkürzungen in den Programmetats von ARD und ZDF sind eine Ursache dafür, dass die heute international anerkannten Programmideen nicht mehr aus Deutschland kommen. Hier sind etwa die TV Serien („House of Cards“, „Homeland“, „Downton Abbey“, „Borgen“ etc.) zu nennen, die weltweit — und auch in Deutschland — wegen der Qualität und Sorgfalt, mit der sie produziert wurden, Anerkennung finden.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was die Produzenten mit „nicht mehr“ meinen. Welche frühere international anerkannte Programmidee kam denn aus Deutschland? Okay, „Derrick“.

Die Bedingungen, unter denen in Deutschland Fernsehen entsteht, sind sicher schwieriger geworden; Etats, Drehtage, Gagen schrumpfen. Der Anspruch an ARD und ZDF, Arbeitsbedingungen zu schaffen, unter denen hochwertiges, auch innovatives Fernsehen entstehen kann, ist absolut berechtigt. Das ist ihr Auftrag.

Aber was für ein absurder Gedanke, dass dieser Auftrag nicht mit 8 Milliarden Euro erfüllt werden könnte. Oder wenn er nicht mit 8 Milliarden Euro erfüllt werden kann, dass er mit 8,1 Milliarden Euro erfüllt würde.

Ich bin prinzipiell ein Freund des dualen Systems und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Finanzierung durch die Allgemeinheit (obwohl mir die Programme von ARD und ZDF zunehmend Probleme bereiten, das zu begründen). Aber die Idee, dass man den Sendern zusätzlich Geld geben müsste, damit sie herausragendes Fernsehen machen, ist komplett abwegig.

Es ist eine Frage des Wollens. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung. Und es ist eine Frage der Senderkultur. Man kann das am Beispiel des dänischen Fernsehens nachlesen, dass deren besonderen, hochwertigen, erfolgreichen Produktionen eben in einem besonderen Umfeld entstanden sind, mit Menschen, die eine Vorstellung von dem hatten, was sie tun wollten, mit einem Sender, der sich seines besonderen Auftrages bewusst war, mit einer Kultur, in der nicht Angst und Risikovermeidung und Quotenfixierung herrscht, sondern die Kreativität ermöglicht, Freiräume schafft, Talente fördert.

Es stimmt schon, dass Geld dabei auch hilft, aber so sehr es in den Sendern aufgrund der eher sinkenden Programmbudgets an einigen Stellen empfindlich kneifen mag, kann doch niemand ernsthaft behaupten, dass es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland insgesamt an Mitteln fehlt.

(Und, wie gesagt, das schreibe ich als einer von gefühlt gar nicht so vielen Menschen, die ARD und ZDF das Geld, das sie jetzt bekommen, noch verhältnismäßig gern zugestehen und sie nicht auf irgendwelche Schwarzbrot- oder Pay-TV-Programme reduzieren wollen. Zur vor-vor-(vor?)-letzten Gebührenerhöhung hab ich noch in der FAS einen Artikel mit der Überschrift „Gebt’s ihnen“ geschrieben. So einer bin ich.)

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs hat vorgeschlagen, den Rundfunkbeitrag um 73 Cent zu senken. Das entspricht der Hälfte des Betrags, der nach ihren Schätzungen gerade zuviel eingenommen wird. Die andere Hälfte soll zurückgelegt werden, für den Fall, dass sich diese Schätzungen als falsch herausstellen, und als Puffer, damit der Beitrag dann nicht sofort wieder erhöht werden muss.

Ich bin sehr für diese Senkung, weil genau das immer die Geschäftsgrundlage für die Umstellung der Rundfunkgebühren war: Wenn dadurch mehr eingenommen wird, bekommen die Bürger das zurück. Das war auch ein entscheidendes Argument, den hysterischen Medienberichten der vergangenen Jahre zu widersprechen, die immer neue, immer höhere Prognosen brachten, wie viel Mehreinnahmen zustande kommen könnten: Dass sich das Geld, das ARD und ZDF bekommen, nicht danach richtet, wieviel eingenommen wird, sondern danach, was sie brauchen und ihnen von der KEF zugestanden wird. Dass man erbittert darüber streiten kann, wie viel das sein sollte, liegt in der Natur der Sache. Aber dieses Prinzip jetzt in Frage zu stellen, wäre falsch und ein gefährliches Signal an die rundfunksbeitragsskeptischen Rundfunkbeitragszahler.

Mögen die 73 Cent auch läppisch wirken: Die Reduzierung wäre ein klares Zeichen und eine vertrauensbildende Maßnahme. Und die Kreativen müssen das Geld, das sie brauchen, um bessere oder wenigstens besser bezahlte Arbeit zu machen, aus dem bestehenden Etat heraus verhandeln. Hilft alles nix.

Milchmädchen im Einsatz gegen ARD und ZDF: Der Unsinn der Steuerzahler-„Studie“

Heute erkläre ich Ihnen, wie ARD und ZDF eine halbe Milliarde Euro jährlich einsparen können. Achtung: Indem sie das Geld einfach nicht ausgeben. Ta-daa!

Und jetzt sagen Sie nicht, das sei eine Rechnung, für die man nicht einmal ein Milchmädchen wecken müsste. Der Steuerzahlerbund, ein natürlicher Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, hat es mit dieser Rechnung heute in die „Welt“, die „Rheinische Post“, die „FAZ“ und diverse Online-Medien geschafft.

Er hat sie natürlich besser verpackt. Er hat sie als „Sonderinformation 1“ seines „Deutschen Steuerzahlerinstituts“ (DSi) herausgegeben und mit diversen Fußnoten, Quellenangaben und volkswirtschaftlichen Erläuterungen den Eindruck erweckt, es handele sich hier um eine seriöse wissenschaftliche Forschungsarbeit. Die Medien nennen das Papier „Studie“.

Angeblich weist es den öffentlich-rechtlichen Sendern nach, dass sie jährlich 650 Millionen Euro verschwenden.

Der größte Batzen dieses Betrages kommt aus den Sportrechte-Etats der Sender. Die ließen sich, laut der „Studie“, von jährlich 335 Millionen Euro auf 185 Millionen Euro senken. Auf die Zahl von 185 Millionen Euro kommt die „Studie“ nicht durch irgendein akribisches Nachrechnen, sondern durch den „Vorschlag“, es würde doch völlig genügen, wenn ARD und ZDF die Ausgaben für Sportgroßereignisse „generell auf z.B. fünf Prozent des Programmaufwands begrenzen“.

Hätte die „Studie“ ohne weitere Erklärung eine Begrenzung auf „z.B. vier Prozent“ oder „z.B. drei Prozent“ vorgeschlagen, hätten ARD und ZDF nach dieser Logik also noch viel mehr Geld verschwendet.

Darüber hinaus könnten ZDF, arte und Deutschlandradio laut der „Studie“ jährlich 50 Millionen Euro bei den Programmaufwendungen sparen. Diese Zahl ist nicht selbst ausgedacht, sondern stammt aus einer guten Quelle: Dem Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF). Die habe ein solche Kürzungspotenzial bei den Sendern festgestellt.

Das ist richtig. Und sie hat es nicht nur festgestellt, sondern diese Summe den Sendern auch gleich abgezogen. Die KEF hat die Etats, die sie ZDF, arte und Deutschlandradio bewilligt, für die aktuelle Gebührenperiode bereits um dieses Kürzungspotenzial reduziert. Anders gesagt: Die Sender mussten bzw. müssen dieses Geld ohnehin sparen und können es nicht mehr „verschwenden“. Denselben Logikfehler macht die „Studie“ auch beim von der KEF gekürzten Personalaufwand der Sender.

Ein erheblicher Anteil der 650 Millionen Euro, die ARD und ZDF angeblich verschwenden, ist Geld, das ARD und ZDF gar nicht bekommen: Das DSi schlägt vor, die 14 Landesmedienanstalten zusammenzulegen. Die bekommen jährlich 142 Millionen Euro von den Rundfunkbeiträgen. Was man auf diese Weise sparen könnte? Die „Studie“ weiß es — wie so oft — auch nicht, glaubt aber einfach mal — wie so oft — dem ausgewiesenen Medienexperten Hans-Peter Siebenhaar vom „Handelsblatt“. Weil der einmal von einer Ersparnis „im dreistelligen Millionen Euro-Bereich“ schrieb, zählt die „Studie“ einfach mal grob 100 Millionen auf die Gesamtverschwendungssumme — wohlgemerkt: von ARD und ZDF, die damit nichts zu tun haben.

Wie seriös die „Studie“ ist, zeigt sich auch in den Fußnoten. An einer Stelle heißt es:

Der Vorwurf, Politik und Rundfunk unterlägen gegenseitiger Einflussnahme kommt nicht von ungefähr. (…) Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk spielt gelegentlich sein Machtpotenzial gegenüber der Politik aus. So wurde den Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtags z.B. gedroht, wenn diese gegen den neuen Rundfunkbeitrag stimmten, würde das im WDR eine negative Berichterstattung zur Folge haben.

Urheber dieser Behauptung ist Christian Nienhaus, der Geschäftsführer der WAZ-Gruppe (heute Funke-Gruppe), der das 2011 in einem FAZ-Interview gesagt hatte. Die Passage sorgte — verständlicherweise — für einigen Wirbel; der WDR drohte Nienhaus mit rechtlichen Schritten. Eine Woche später nahm er seine Äußerungen zurück:

„Ich stelle ausdrücklich klar, das ich mit meiner Äußerung nicht die Behauptung aufstellen wollte, der WDR habe unmittelbar oder mittelbar Abgeordneten im Landtag von Nordrhein-Westfalen in Zusammenhang mit deren Abstimmungsverhalten über die Mediengebühr mit einer negativen Berichterstattung im WDR gedroht“.

Die Verfasser der „Studie“ haben das praktischerweise nicht mitgekriegt, was natürlich auch daran liegen kann, dass sie womöglich eher fachfremd sind. Autoren sind im Papier nicht angegeben, am Ende steht nur: „Bearbeitung: Karolin Herrmann“. Karolin Hermann ist Diplom-Volkswirtin und beim DSi eigentlich zuständig für Haushaltspolitik und Haushaltsrecht.

Als Positionspapier und Sammlung von Argumenten gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der bestehenden Form aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Veröffentlichung natürlich völlig legitim. Es lässt sich aus ihr nur nicht seriös ablesen, wieviel Geld ARD und ZDF jährlich „verschwenden“.

Aber was ist „seriös“ schon für ein Kriterium, wenn es gegen ARD und ZDF geht?

[Offenlegung: Ich habe im Sommer mein Geld hauptsächlich damit verdient, für eine WDR-Sendung zu arbeiten. Persönlich unterstütze ich die Forderungen nach einer Deckelung des Sportrechte-Etats und einer Zusammenlegung der Medienanstalten, aber das ist ja nicht der Punkt.]

Programmhinweis (44)

Das ist ein schöner Moment, wenn die NDR-Reporter mit Hans-Peter Siebenhaar vom „Handelsblatt“ über seine Kritik an den teuren öffentlich-rechtlichen „Fernsehballetten“ reden.

Siebenhaar: Ich meinte natürlich das MDR-Fernsehballett, was ja den großen Skandal hatte beim MDR. Das ist ja mittlerweile privatisiert.

Sprecher: Und zwar seit einem Jahr. Und ein anderes ARD-Ballett gibt es nicht. Doch im Handelsblatt tanzen sie immer noch, die „Fernsehballette“.

Siebenhaar: Über das Fernsehballett hab ich nicht geschrieben. Schon lang nicht mehr.

Nun. „Handelsblatt“-Titelgeschichte, 25. Januar 2013, Autor: Hans-Peter Siebenhaar:

Es ist, andererseits, ungleich beunruhigender, Günther Jauchs Chuzpe noch einmal vorgeführt zu bekommen. In seiner ARD-Talkshow war er von Peer Steinbrück gefragt worden, ob er seinen Vertrag mit der ARD öffentlich machen wolle, und Jauch hatte doppelt gesagt:

Jauch: Das Problem ist, der ist öffentlich. Das Problem ist, der ist öffentlich.

Ist er natürlich nicht. Ein Interview mit dem NDR, für den er seine Talkshow produziert, lehnte Jauch ab. Er berief sich, richtig: auf eine Verschwiegenheitsklausel mit der ARD.

Man kann der Dokumentation, die das NDR-Fernsehen heute Abend über das Getöse um den neuen Rundfunkbeitrag zeigt, also nicht vorwerfen, die wunden Punkte ausgespart zu haben. In der Dreiviertelstunde finden die Beschwerden der Kommunen, die sich über erhebliche Mehrkosten beklagen, ebenso Platz wie Kritik an fehlender Transparenz und den gewaltigen Ausgaben der Sender für Sportrechte. Es geht aber auch um die irreführende und einseitige Berichterstattung von „Bild“ und „Handelsblatt“ — und die berüchtigten Friedhofsbagger.

Es ist ein solider Beitrag in eigener Sache geworden, der die Diskussion mit vielen Talking Heads abbildet, ohne ihr wirklich neue Erkenntnisse hinzuzufügen. Mir hätte er es leichter gemacht, mich auf ihn einzulassen, wenn er auf die aufdringlich süffisante Art verzichtet hätte, in der die Off-Texte vorgetragen werden (Sprecherin: Regina Lemnitz).

Neben FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld, Beitragsservice-Behördenleiter Stefan Wolf, den Intendanten Thomas Bellut (ZDF) und Lutz Marmor (NDR) komme auch ich drin vor — anfangs mit etwas rätselhaft verkürzten Zitaten wie diesem:

Wenn die BILD-Zeitung Tag für Tag mit Halbwahrheiten und Übertreibungen Stimmung gegen ARD und ZDF macht, kann man leicht sich zurücklehnen und sagen, kennen wir ja schon. Machen die immer. Die sind gegen uns. Den Reflex kann ich verstehen. Ich glaube aber, dass der falsch ist.

Ging eigentlich weiter:

Ich glaube, dass wirklich diese neue Art, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, viel höhere Anforderungen an die Öffentlich-Rechtlichen in Zukunft stellt, sich zu legitimieren, zu sagen: Wir machen ein Programm, für das jeder in der Gesellschaft zahlen muss.

Andererseits komme ich in dem Film so ausführlich zu Wort, dass ich mich da nicht beklagen will.

  • Über Gebühr: Streit um den neuen Rundfunkbeitrag,
    heute, 22 Uhr, NDR-Fernsehen
    und jetzt schon mit einem größeren Dossier auf ndr.de.