Vielleicht haben Sie neulich in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ oder auf FAZ.net das Pamphlet „Die Netzanbeter“ von Susanne Gaschke gelesen, in dem sie schreibt:
Seine Anhänger sehen das Netz als gesellschaftsverändernde Kraft. In der vollendeten Netzgesellschaft, von der sie träumen, sind alle gleich, gut, hilfsbereit und zugewandt. Von einer „himmlischen Stadt“ schwärmt ein Netzprophet, und zahllosen Aufsätzen und Interviews merkt man die Ungeduld und die Vorfreude auf die neuen himmlischen Zustände an.
Und vielleicht haben Sie sich gefragt, wer der anonyme „Netzprophet“ sein mag, von dem das Zitat stammt.
Nun. Wenn ich es richtig sehe (und ich habe das natürlich nur in diesem Internet nachgeguckt), handelt es sich um Michael Benedikt, einen amerikanischen Architekten und Erforscher virtueller Realitäten. Anscheinend stammt der Begriff aus seinem Vorwort zu dem Buch „Cyberspace: First Steps“ [pdf]. Es ist vor 18 Jahren erschienen, 1991, im selben Jahr also, in dem das World Wide Web überhaupt erst das Licht der Welt erblickte.
Wir können uns natürlich jetzt den Spaß machen und den „Zeitungsanbetern“ dieser Tage irgendwelche heute absurd klingenden Heilsversprechen aus jener Zeit entgegen halten, als die Menschen erstmals entdeckten, dass man Nachrichten in größerer Auflage auf Papier drucken kann, aber ich hatte jetzt keinen Nerv, ewig im Mittelalter herumzuwühlen.
Und ist es nicht lustig, dass Frau Gaschke nicht nur Namen und Jahreszahl verschweigt, sondern sicherheitshalber sogar das Schwärmen grammatisch in die Gegenwart verlegt hat?
Falls Sie sich trotzdem noch weiter mit den wilden Verwünschungen der „Zeit“-Redakteurin auseinandersetzen wollen (und sie womöglich gar, wie der Rezensent der „Süddeutschen Zeitung“, für eine „pragmatische Netznutzerin“ halten), möchte ich Ihnen diese Replik ans Herz legen: „Die Netzignoranten“.