Die „Welt“ geht auf den Strich

Auf dem Nachrichtensender n-tv läuft zur Zeit dieser Werbespot der „Welt“, einer der „führenden Zeitungen Europas“:


„Wenn ein Auto, das edles Design …

… und technische Intelligenz miteinander vereint, jetzt zusätzlich mit dem neuen Modell Passat BlueMotion …

… einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet und ab 2,9 Prozent effektiven Jahrezins bequem zu finanzieren ist, …

… dann nennen wir das: WELT-KLASSE.“

Der richtige Text hätte natürlich gelautet:

Wenn eine Zeitung, die seit vielen Jahren publizistische Tristesse und wirtschaftliche Erfolglosigkeit miteinander vereint, seit einigen Monaten zusätzlich mit dem neuen „Crossmedia-Werbeformat“ für „Premiumprodukte“ „Welt-Klasse“ auch noch die letzten Reste von Haltung und Selbstachtung aufgibt und ihre journalistische Glaubwürdigkeit ab 500.000 Euro Brutto-Werbevolumen verkauft, dann nennen wir das: BANKROTT.

[via ms 6950]

15 Replies to “Die „Welt“ geht auf den Strich”

  1. Das Schlimme an einem solchen „Crossmedia-Werbeformat“ ist, das es den Ruf auf Jahre beschädigt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie die Titelseite der Welt mal komplett „AOL-blau“ war. Bei mir hat sich das festgesetzt, so sehr, dass ich bei diesem Beitrag hier spontan denken musste: Typisch Die Welt.

    Dennoch: warum nicht auchmal neue Werbeformen ausprobieren. Problematisch wirds ja eigentlich erst dann, wenn sich der „Einfluss“ des Beworbenen auch im Inhalt widerspiegelt (etwa ein positiver Beitrag im Autoteil). Davon gehe ich im Falle der Welt aber nicht aus.

  2. Wenn eine Zeitung mit dem Wort „wir“ als Absender einen zahlenden Kunden lobt, ist das für mich allerdings „problematisch“. Eine Zeitung, die nebenbei glaubt, es sei eine gute Idee, den Eindruck zu erwecken, man rühme dieses tolle Auto auch noch auf seiner Titelseite mit redaktionellen Artikeln. Nein, „problematisch“ ist gar kein Ausdruck.

  3. also darüber kann ich mich jetzt nicht so richtig aufregen.
    viel schlimmer finde ich all die tendenziösen artikel hinter denen sich vorauseilender gehorsam gegenüber mächtigen politischen klüngeln und kapitalinteressen verbirgt.
    die nummer der süddeutschen mit frau merkel und frau will da wurde mir richtig schlecht.

    im gesamten printbereich werden sich vielleicht eine handvoll, wenn es gut geht, blätter so-etwas wie integrität bewahren können in deutschland.

    der gesamte rest wird eingehen oder zu reinen anzeigenblättchen.
    hier im stuttgarter raum ist dieser ihk-journalismus schon sehr weit gediehen. trennung von werbung und redaktionellem, na ja die werbung paßt halt immer so gut zu nebenstehenden artikel- ein schelm.
    in zehn jahren wird von der klassischen print landschaft nicht mehr viel zu erkennen sein.

  4. „Wenn eine Zeitung mit dem Wort „wir” als Absender einen zahlenden Kunden lobt, ist das für mich allerdings „problematisch”.“

    Ok, da gebe ich Dir Recht. In der Sache sowieso, ich bin auch der Ansicht, dass das nicht sein muss.

    Bauchschmerzen habe ich deswegen allerdings nicht, da es auch für Menschen, die vielleicht weniger Medienkompetenz haben, ja als Werbung zu identifizieren ist.

  5. Und wenn weitere Informationen gar nicht wie versprochen unter weltklasse.de sondern ausschliesslich unter www.weltklasse.de erreichbar ist, dann hat die Agentur geschlampt.

  6. Fast „jeder“ weiß DANK Internet was am Freitag im und vor dem Reichstag los gewesen ist. Ich gebe ab HEUTE keine 3,20 Euro mehr aus für ein Nachrichtenmagazin um mir Müntes Jubel gelaBBer rein zuziehen, während mittlerweile absolut frustrierte Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit Artikel ins Netz stellen wie die Statistiken geschönt werden und sie mal so richtig die Schnauze voll haben. Lafontaine bringt den Mindestlohn zur Debatte weil die SPD ganz vergessen hat das sie die Kampagne gestartet hat. Die Union kann sich allenfalls eine gesetzliche Ächtung sittenwidriger Löhne vorstellen. „Sittenwidrig“ ist nach aktueller Rechtsauffassung ein Lohn dann, wenn er 30 Prozent unterhalb der ortsüblichen bzw. tariflichen Löhne liegt.
    ERGO: Jeder der die Wahrheit wissen will liest im WEB.
    Danke fürs Lesen

  7. Wo um Himmels Willen hast du bei Springer „die letzten Reste von Haltung und Selbstachtung“ entdeckt. Da nusst du aber sehr tief gegraben haben. Obwohl gab es im frühen Mittelalter die Welt schon?

  8. Das lässt wirklich befürchten, dass man bei Springer versucht, die kommerziellen „Erfolge“ der Bild-Zeitung (siehe Bildblog) nun auch bei anderen Titeln zu kopieren. Was, wenn sich nun – rein hypothetisch – herausstellen sollte, dass dieses Auto elementare Schwächen aufweist (besondere Unfallrisiken etc.)? Ich denke, in diesem Fall entsprechend kritisch zu berichten, dürfte der „Welt“ zumindest… nun ja, Schmerzen bereiten, denn sie würde nicht nur (wie bei jedem normalen Anzeigengeschäft) einen zahlungskräftigen Kunden verprellen, sondern auch noch ihren eigenen Namen beschädigen, den sie für dieses Auto hergibt.

  9. Gut, dass sich wenigstens die WAZ jetzt einen Kodex gegeben hat, der die Vermengung von Werbung und redaktionellem Inhalt untersagt beinahe unmöglich macht.

  10. Die Idee aus der Sicht der Kreativen finde ich sehr gelungen. Hat geklappt.

    Die Message selbst ist absurd. Das lässt sich auch nicht werberisch schönreden. Man möge sich vorstellen, statt für dieses Vehikel wird mit dem in Deutschland journalistisch geprägten Begriff ‚Welt‘ die Pauke gehauen für Brötchen von Kamps oder Niveaprodukte.

    Ich denke, es hat bei der Welt um diese Werbung Diskussionen gegeben – Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit etc. Die Journalisten bei der Welt haben offensichtlich nicht mehr viel zu sagen.

    Es zeigt, dass dieses Blatt, dass sich gern so tragend, wertkonservativ, investigativ und überhaupt so unterwegs in allem gibt, nur ein Wurzelzwerg ist, der einem Autoschrauber seinen Namen verhökert, weil die Anzeigenabteilung dem Vorstand geschickter beikommt, als die Redaktion.

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