Flausch am Sonntag (7)

Ich bin bekanntlich größter lebender Fan von Martin Reinl, seinen Puppen und seinen Kalauern. Sein Hund Wiwaldi lebt seit Jahren schon hinterm Gästesofa von „Zimmer frei“, und seit einiger Zeit bringt er immer wieder befreundete Tiere mit in die Sendung, so dass Martin dann zwei Puppen gleichzeitig spielt und spricht, was die Zahl der guten schlechten Witze noch einmal potenziert. Seine Firma Big Smile hat jetzt dankenswerterweise einen Großteil des Werkes bei YouTube hochgeladen, so dass ich hier jetzt einige meiner Favoriten präsentieren kann. Viel Vergnügen!

Ebenfalls sehenswert: Wiwaldi und Nina Ruge, Outtakes mit der „Schwulen Sau“ von Timm-TV und natürlich die Klassiker: das Sperma und der Tofu.

Rangierpanne auf Burdas Verschiebebahnhof

Klitzekleines Problem mit dem Titelbild der aktuellen „TV Today“:

— es ist gar kein Stromberg-Interview drin!

Das angekündigte „Exklusiv-Interview“ steht nämlich nicht in der „TV Today“, sondern in der „TV Spielfilm“:

Das ist nicht ganz so überraschend, wie man denken könnte.

Seit „TV Today“ (ehemals Verlag Gruner+Jahr) und „TV Spielfilm“ (ehemals Milchstraße) beide bei Burda erscheinen, sind die Zeitschriften im Kern identisch. Die Produktion einer „TV Today“ funktioniert im Wesentlichen so: Man nimmt die „TV Spielfilm“, baut ein neues Cover, rechnet die Daumen-hoch- und -runter-Symbole im Programmteil in Punkte um, ersetzt das Wort „TV Spielfilm“ durch „TV Today“, ändert die Überschriftentypografie …


… tauscht Kalkofes Kolumne gegen Fotos mit lustig gemeinten Texten aus und verschiebt alibimäßig den ein oder anderen Artikel, so dass „TV Spielfilm“ vier Fragen an Anke Engelke stellt, „TV Today“ aber nur drei.

Aber irgendetwas ist diesmal bei der journalistischen Hütchenspielerei schief gegangen: Anstelle des Interviews mit Bernd Stromberg in der „TV Spielfilm“ steht in „TV Today“ ein Interview mit Anne Ratte-Polle, und das groß auf dem Titel angekündigte Stromberg-Interview fehlt ganz.

Jetzt wäre natürlich die Frage, ob Menschen, die die „TV Today“ gekauft haben, um ein „Exklusiv-Interview mit Deutschlands Lieblings-Stinkstiefel“ zu lesen, ihr Geld zurückverlangen können. Andererseits bekommen die „TV Spielfilm“-Leser dafür unerwarteterweise ein „Exklusiv-Interview“, das tatsächlich wenigstens nicht wortgleich in einer anderen Zeitschrift steht.

„Männer wie wir“

  • Brad Pitt ist ein Mann, und Männer löffeln keinen kakaobestäubten Milchschaum.
  • Männer reden nicht gern über sich.
  • Frauen sind ein Komma, Männer sind der Punkt im Satz.
  • So sind Männer, sie sagen manchmal mehr, wenn sie nichts sagen.
  • Nur Männer können sich schweigend unterhalten, you know?
  • Wie bei allen wirklichen Männern tut man Pitt den größten Gefallen, wenn man nicht nach seiner Ehe, seiner Frau, blödsinnigen oder weniger blödsinnigen Gerüchten fragt.
  • Über so was reden Männer vielleicht mit ihrem besten Freund oder ihrer Wodkaflasche. Aber nicht mit der Welt.
  • „Make it right“, nannte Pitt seine Kampagne, „Mach es richtig“, wie wir Männer sagen.
  • Nur Männer denken über ihr Dasein in Kapiteln, sie sind Bergsteiger des Lebens und lassen Gipfel gern hinter sich, wenn sich neue zeigen. Frauen nicht, Frauen sind Höhenflieger, sie werden nervös, wenn’s nur ruckelt.
  • [Brad Pitts] Maulfaulheit erinnert an die eigenen Momente, in denen man mit der Frau oder der Familie zu Hause einmal nach einem langen Tag nicht reden möchte.
  • Man hat als Reporter nach einer Pitt-Begegnung vielleicht nicht viel zu erzählen, aber als Mann fühlt man sich in diesem Zimmer mit der nicht angerührten Cola zu Hause.
  • Wirkliche Männer sind Feinde der Eitelkeit.
  • Er hat eine höfliche Eile, wenn er wieder aufsteht und sich verabschiedet. Es ist die Eile von Männern, die unbedingt draußen eine Zigarette rauchen wollen.

(Alle Zitate aus einem vorgeblichen Brad-Pitt-Porträt, der Titelgeschichte des neuen Satire- und Therapiemagazins „Gala MEN“. Mehr über die Testosteron-Offensive von Gruner+Jahr bei Oliver Gehrs.)

„Meedia“ lässt Strunz ein Erfolgsbad ein

Frage: Wo befinden Sie sich im Projekt "Abendblatt 3.0"? Antwort: Mittendrin. Wir machen sukzessive aus einem Traditionsblatt eine moderne multimediale Metropolen-Zeitung. Ganz entscheidend dabei ist die Geschwindigkeit. Zu schnell ist genauso falsch wie zu langsam. Wir gehen dynamisch, aber mit Sorgfalt voran. Frage: Sie haben ja auch schon einiges erreicht. Antwort: Danke.

Experten erkennen es gleich: Es war wieder einmal Zeit für den Online-Branchendienst „Meedia“, mit Claus Strunz vom „Hamburger Abendblatt“ zu reden — man trifft sich alle paar Monate zum Plaudern (April, Juni Oktober), und Strunz führt seinem Gesprächspartner Alexander Becker dann vor, dass er heiße Luft rosa schimmern lassen kann.

Ich vermute, dass sich an die oben zitierten Zeilen im Original-Gespräch noch die Frage: „Ich mag Ihre Krawatte, ist die neu?“ anschloss, aber die ist wohl bei der Autorisierung weggefallen. Inhaltlich lässt sich das Interview ohne größere Substanzverluste auf einen Wortwechsel von twitterbarer Länge reduzieren, etwa: „‚Und, alles gut?‘ – ‚Besser!'“ Die Gesprächsatmosphäre ist dabei so, dass die kritischste denkbare Frage ungefähr lauten würde: „Herr Strunz, macht Ihnen Ihr überragender Erfolg nicht manchmal selbst Angst?“

Immerhin erfahren wir, dass Strunz seinen Wechsel von der „BamS“ zum „Abendblatt“ „hart, aber schön“ fand, dass er im Jahr ungefähr 1500 Leseranfragen persönlich beantwortet und dass es ihm einen „wahre Freude“ ist, „jeden Tag zu sehen, wie viele Fachleute und kritische Geister in dieser Redaktion hochwertigen Qualitätsjournalismus produzieren“.

Nun wäre Strunz nicht Strunz, wenn er es schaffte, bei der Wahrheit zu bleiben. Und so brüstet er sich:

Innerhalb eines Jahres konnten wir die Anzahl der Nutzer und Zugriffe [auf abendblatt.de] mehr als verdoppeln. Und haben zudem die Printauflage weitestgehend stabilisiert.

Die Zahl der Zugriffe hat sich dank absurder Klickstrecken tatsächlich mehr als verdoppelt, die der Nutzer aber nicht — egal wie man sie misst. Die „Visits“ haben um 65 Prozent zugenommen, bei den „Unique Usern“ lässt sich gegenüber dem Vorjahr keinerlei Wachstum feststellen. Strunz‘ Formulierung sei „so nicht korrekt“, räumt „Meedia“-Chefredakteur Georg Altrogge auf Nachfrage ein. (Im Interview hätte ein entsprechender Widerspruch oder ein Hinweis für die Leser aber vermutlich nur die plüschige Atmosphäre gestört, nehme ich an.)

Und was die „weitestgehend stabilisierte Printauflage“ angeht, hilft vielleicht ein Blick auf folgende Grafik (ohne die unrentablen „sonstigen Verkäufe“, auf deren Reduzierung Strunz den Auflagenrückgang um vier Prozent im Interview schiebt):

Wenn Sie ganz genau hinschauen, können Sie erkennen, dass beide Abwärtskurven tatsächlich wieder einen winzigen Tick flacher geworden sind. Die Zahl der Abonnenten ist nur noch um 2,4 Prozent gesunken (nach 3,0 im Vorjahr); im Einzelverkauf betrug der Rückgang nur noch 4,9 Prozent (nach 8,0 im Vorjahr).

Ja: wow.

Nun muss man es natürlich nicht dramatisch finden, wenn der Interviewte seine eigenen Leistungen schönfärbt. Ich finde es aber dramatisch, wenn der Interviewer sich daran beteiligt:

Strunz: In der Redaktion existiert zudem ein großer kreativer Spirit.

Meedia: Sie haben auch die Redaktion umgebaut?

Strunz: Das gehört dazu. Für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts „Abendblatt 3.0“ brauche ich eine schlagkräftige Mannschaft: Einige Kollegen haben uns verlassen, einige haben neue Aufgaben erhalten und einige sind neu dazu gekommen. (…)

Meedia: Sie unternehmen den Umbau aus einer Position der Stärke, Sie haben einen modernen Newsroom — was passiert, wenn Sie trotzdem scheitern?

Strunz: Wieso scheitern? Mit der Abendblatt 3.0-Strategie sind wir bestens für die Zukunft gewappnet.

Sensationelle letzte Frage übrigens, aber: Wer würde ahnen, dass hinter der nichtssagenden Formulierung vom „unternommenen Umbau“, die Alexander Becker benutzt, die rabiate „Freistellung“ von über 30, teils langjährigen „Abendblatt“-Redakteuren gehörte: Die Kollegen mussten offenbar von einem Tag auf den anderen ihre Schreibtische räumen und die Karten abgeben, mit denen sie in die Redaktion gelangten. Ein Mitarbeiter schrieb mir: „Empörend ist nicht nur, was der Mann macht, sondern auch, wie er es macht.“

Auch „Meedia“ berichtete damals; das war aber eine Gelegenheit, zu der Strunz sich ausnahmsweise nicht einmal gegenüber seinem Kuschelpartner äußern wollte. Auf meine Frage, warum „Meedia“ jetzt auf eine kritische Frage dazu verzichtete, antwortete mir Altrogge:

Die Freistellung von rund 30 Abendblatt-Redakteuren ist mit der Frage nach dem Umbau der Redaktion angesprochen worden, und darauf antwortet Claus Strunz auch.

Okay.

Letzte Frage von mir an den Interviewer: „Läuft da was zwischen Ihnen und dem Claus?“ An seiner Stelle antwortete der „Meedia“-Chefredakteur, er finde die Frage „irritierend“:

Was auch immer Sie damit meinen, die Antwort ist nein.

Dabei hätte das so viel erklärt.

Sonntagsredner telefonieren billiger (2)

„Bei ‚Bild‘ haben wir Dessous, Volksbibeln und Handytarife vermarktet. Diese Zeitung ist in Wahrheit eine Marketingmaschine. Da muss man schauen, was davon übernommen werden kann. Erfolg kann man nicht genug haben.“

(WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus auf die Frage, was er von seiner Zeit als Verlagsgeschäftsfüher der „Bild“-Gruppe mitgenommen habe; „Süddeutsche Zeitung“, 19. September 2008.)

Das Gute ist natürlich, dass dieser Mann, der aus Zeitungen Marketingmaschinen machen kann, es bei der WAZ-Gruppe mit Blättern zu tun hat, die es mit der Trennung von journalistischen und werblichen Inhalten (wie berichtet) ganz genau nehmen, aber ganz genau. Schließlich dürfe das „Vertrauenskapital“, über das Regionalzeitungen in besonders hohem Maße verfügten, „nicht gefährdet werden“.

Im „Ehrenkodex“ (Motto: „Journalisten sind nicht käuflich“), der von den Verantwortlichen sogar mit richtiger Tinte unterschrieben wurde (sehen Sie selbst), stehen Sätze wie: „Werbebotschaften dürfen nicht in einer Aufmachung (Schriftart und Typographie) präsentiert werden, die für redaktionelle Beiträge üblich ist“.

Also zum Beispiel nicht so:

(„Thüringer Allgemeine“, WAZ-Grupe)

Oder so:

(„Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, WAZ-Gruppe)

Oder so:

(„Südanzeiger / Stadtspiegel Essen“, WAZ-Gruppe)

(Gut, das letzte ist ein kostenloses Anzeigenblatt, keine richtige „Regionalzeitung“, das wird lustig, wenn die „WAZ“-Leute in Zukunft den Lesern den Unterschied erklären wollen.)

„Werbetexte, Werbefotos und Werbezeichnungen sind eindeutig kenntlich zu machen“, heißt es im Kodex.

Also nicht so wie hier:

(„Neue Ruhr-Zeitung“, WAZ-Gruppe)

Am besten gefällt mir dieses Zitat aus der werberedaktionellen Berichterstattung der „NRZ“:

„Auch in der Redaktion“? Die Leser kommen wirklich auf die verrücktesten Ideen.

[mit Dank an Rolf Dennes!]

„Die Blog-Konfrontation“

Bayern 2 hat am vergangenen Sonntag in der Rubrik „Zündfunk – Generator“ eine Sendung über das Verhältnis der Blogosphäre zu den klassischen Medien ausgestrahlt (in der ich auch mit ein paar Sätzen zu Wort komme). Es ist kein Stück mit bahnbrechenden neuen Einsichten, aber es ist keine schlechte Einführung in den merkwürdigen Konflikt (auch wenn es am Ende zu einer Werbesendung für Jakob Augstein und seinen „Freitag“ wird).

Und den legendären Eingangsdialog zwischen „Focus“-Herausgeber Helmut Markwort, dem „Ersten“ „Journalisten“ von Burda, und dem Demokratie- und Medienexperten Ulrich Hoeneß zum Thema „Artikel 5 Grundgesetz — das kann doch keiner wollen?!“ kann man gar nicht oft genug hören und ausstrahlen.

[audio:http://gffstream-7.vo.llnwd.net/e1/imperia/md/audio/podcast/import/2009_10/2009_10_09_14_58_17_podcastgeneratorblog_konfronta_a.mp3]

(Am schönsten ist ja, dass Helmut „ich als professioneller Journalist“ Markwort nur von der „üblichen journalistischen Sorgfaltspflicht“ spricht, die von Medien wie seiner Illustrierten und ihrem Online-Ableger eingehalten werde. Das schließt offenbar die Möglichkeit der Verleumdung sowie die Chance, das Gegenteil dessen zu veröffentlichen, was stimmt, ohne sich hinterher korrigieren zu müssen, nicht aus.

Ich hatte damals, als „Focus“ meldete, dass Ulla Schmidt unter keinen Umständen zum Wahlkampfteam von Frank-Walter Steinmeier gehören würde, was sich als nicht hunderprozentig treffend herausstellen sollte, dem Autor der Geschichte, Kayhan Özgenc, Leiter der „Focus“-Parlamentsredaktion, eine Mail geschrieben:

Sehr geehrter Herr Özgenc,

ich würde Ihnen gern eine Frage zu Ihrer Exklusivmeldung von vergangener Woche stellen, dass Ulla Schmidt „keinesfalls in Steinmeiers Wahlkampfteam nachrücken“ werde. Diese Information hatte sich ja noch vor Erscheinen des „Focus“ als falsch herausgestellt.

Nun habe ich im aktuellen „Focus“ nach irgendeinem Hinweis gesucht, einer Korrektur, vielleicht auch einem kleinen Hintergrundstück, warum der „Focus“ in diesem Fall so falsch lag. Ich habe aber nichts gefunden. Habe ich etwas übersehen? Oder glauben Sie nicht, dass ein Medium solche Fehler richtigstellen oder ihr Entstehen erklären sollte — auch als vertrauensbildende Maßnahme? Oder ist sowas dem „Focus“-Leser egal?

Ich möchte darüber gern in meinem Blog stefan-niggemeier.de/blog berichten und würde mich über eine Antwort freuen.

Ich habe keine Antwort bekommen. Vermutlich ist Özgenzc als Journalist einfach genau so professionell wie sein Chef.)

dpa und der total zue Boyzone-Sänger

Vor einem halben Jahr wurde bekannt, dass „Spiegel Online“-Chefredakteur Wolfgang Büchner dpa-Chef wird. Damit verbunden war für viele Kritiker die Hoffnung, dass sich die Nachrichtenagentur in vielerlei Hinsicht locker macht — auch was Sprache und Themen angeht. Der scheidende Chefredakteur Wilm Herlyn selbst hatte von einer „schrecklich altbackenen Nachrichtensprache“ gesprochen, in der viele dpa-Autoren „verharren“. Und Büchner sagte in einem Interview, das die Agentur mit ihren eigenen Chefs zum 60. Geburtstag führte, auf die Frage, ob die Entwicklung zur Boulevardisierung der Informationen eine Chance oder ein Risiko sei:

„Unterhaltung — auch Klatsch und Tratsch — ist seit jeher ein wichtiger Teil des Journalismus, das war schon zu Zeiten der Minnesänger so. Wenn Journalisten — ganz gleich ob bei einer Lokalzeitung, einer Website, im Fernsehen oder bei einer Agentur — diesem Bedürfnis Rechnung tragen, sorgen sie dafür, dass ihre Leser sich diese Informationen nicht an anderen Stellen suchen.“

Gestern brachte dpa mehrere ausführliche Berichte über den Tod des Boyzone-Sängers Stephen Gately auf Mallorca, und wenn man wollte, konnte man darin schon erkennen, wie das aussieht, wenn dpa sich locker macht. Um 17.15 Uhr brachte die Agentur eine Zusammenfassung, die so begann:

London/Palma de Mallorca (dpa) — Boyzone-Sänger Stephen Gately soll nach Medienberichten vor seinem plötzlichen Tod stundenlang heftig gezecht haben und später an seinem Erbrochenen erstickt sein. Der 33-Jährige habe mit seinem Mann Andrew Cowles (32) in der Nacht zum Samstag in einem Schwulenclub auf Mallorca Cocktails und Weißwein konsumiert und sei komplett betrunken gewesen, berichteten britische Boulevardzeitungen am Montag. Der Anwalt von Gatelys Familie wies die Darstellung zurück.

Drei Stunden später folgte eine neue Version, mit weiteren Details und der ein oder anderen geänderten Formulierung. Im zweiten Satz war nicht mehr davon die Rede, Gately sei „komplett betrunken“ gewesen. Nun hieß es:

Der 33-Jährige habe mit seinem Mann Andrew Cowles (32) in der Nacht zum Samstag in einem Schwulenclub auf Mallorca Cocktails und Weißwein durcheinandergetrunken und sei total zu gewesen, berichteten mehrere britische Boulevardzeitungen am Montag.

Das ist doch mal ein erfrischender Bruch mit der schrecklich altbackenen Nachrichtensprache: „total zu“ war der schwule Popstar also. Die Formulierung hat immerhin den Vorteil, dass man auch sprachlich gleich auf dem Niveau der Medien ist, die der dpa als glaubwürdige Grundlage für Spekulationen über den Tod eines Menschen dienen. Die „Sun“ will einen anonymem „partygoer“ aufgetan haben, der mit Gately und seinem Partner etwas getrunken habe, und schreibt ihm den Satz zu, Stephen sei „total betrunken“ gewesen. Die dpa glaubt’s und zitiert den unbekannten „Nachtschwärmer“. Die deutsche Nachrichtenagentur findet auch erwähnenswert, dass das Paar „den Medienberichten zufolge“ einen „jungen Mann“ kennenlernte und Gatelys Partner mit ihm die Nacht zusammen verbracht habe. Später habe Cowles „vergeblich versucht, den Sänger wiederzubeleben, hätten Freunde berichtet“, berichtet die „Sun“, berichtet dpa. Und, Tatsache: Die Quellen der berüchtigten britischen Boulevardzeitung sind, wörtlich: „Friends“ und „One Pal“. Ausführlich transkribiert die Agentur, was die „Sun“ berichtet — eine Zeitung, die nicht zögerte, schon am Montag zu behaupten, die Todesursache des Sängers zu kennen: Totgesoffen habe er sich.

Oder anders: Er war halt „total zu“.

(Inzwischen liegt das Ergebnis der Obduktion vor, und angeblich haben weder Alkohol noch Drogen beim Tod Gatelys eine Rolle gespielt. Ich wäre aber — nach Rücksprache mit dem Pathologen meines Vertrauens — vorsichtig, das für erwiesen zu halten, bis die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchungen vorliegen. Aber so wenig die Medien die Obduktion abwarten konnten, können sie wiederum das jetzt abwarten.)

Wolfgang Büchner hat seiner Agentur neulich Regeln für den Umgang mit vermeintlich „exklusiven Informationen“ gegeben. Regeln für den Umgang mit vermeintlich exklusiven Informationen anderer Medien scheint es bei dpa nach wie vor nicht zu geben. Und das Schlimme daran ist, dass dpa diese Mischung aus Gerüchten, Spekulationen und Lügen adelt: Über den Umweg über die Nachrichtenagentur wird für andere Medien aus der unseriösen Quelle „Sun“ die seriöse Quelle dpa.

Andererseits: Wenn seriöse Journalisten unseriöse Meldungen von Blättern wie der „Sun“ verbreiten, sorgen sie wenigstens dafür, dass ihre Leser sich diesen Unsinn nicht an anderen Stellen suchen.

Horst Lichter

Die Mainzelmännchen können einpacken: Horst Lichter ist das neue Maskottchen des ZDF.

Der Vergleich hinkt natürlich. Ganz so oft wie der Fernsehkoch tauchen die alten Zeichentrickmützen ja wirklich nicht im Programm auf. Und während sie im Dienst des ZDF stehen, scheint es bei Lichter umgekehrt.

Aber der Mann ist nicht schlecht als Fernsehmaskottchen, gerade für ein älteres Publikum. Auch bei nachlassender Sehschärfe kann man ihn leicht an Glatze, Brille, Bart erkennen, notfalls auch am rheinländischen Dialekt und der Konzentration auf das, was unser Leben lebenswert macht: Sahne und Butter. Den aufgeschäumten Süppchen der Sterneköche, zwischen denen er sich vor ein paar Jahren dank Kerner plötzlich widerfand, setzt er Mächtigkeit und Gutbürgerlichkeit entgegen und entdeckte, dass sich darauf in Verbindung mit entsprechend rustikalem Humor eine ganze Karriere aufbauen lässt. In seinem Comedybühnenprogramm, das, natürlich, das ZDF ausstrahlt (Teil 2 am Dienstag um 23 Uhr), bringt er das Publikum zum Juchzen, indem er ein Pfund Butter ins Kartoffelpüree rührt („eine Messerspitze“, sagt er und balanciert den ganzen Fettklumpen auf der Spitze). Er erzählt, das Gute an Vegetariern sei, dass man sie nicht beerdigen müsse, sondern kompostieren könne, macht sich über Wasabi lustig, als sei Sushi diesen Monat erst in Europa angekommen, und erklärt: „Bei den Japanern ist ein Herd so wichtig wie im Vatikan ein Bordell.“

Wirklich lustig ist er nur, wenn er spontan auf eine Situation reagieren kann, dann ist er sensationell schlagfertig, und weil er auch Frauen so gerne anfasst, kann es sein, dass das ZDF ihn heimlich zum Nachfolger von Gottschalk bei „Wetten dass“ aufbaut, wo er im Sommer schon als Moderator der Nachbereitungsshow sowas wie Karnevalsstimmung verbreitete.

Er ist im ZDF nicht nur in drei verschiedenen Kochshows zu sehen, sondern auch Dauergast in der Talkshow seines Biographen Markus Lanz, der mit ihm ein Weihnachtsspecial „Mein Advent in Südtirol“ drehte und eine Sendung zum Doch-nicht-Formel-1-Comeback von Michael Schumacher mit der uns damals alle bewegenden Frage eröffnete: „Horst, wie hast du davon erfahren?“ In zwei Wochen bekommt Lichter auch noch eine eigene Talkshow (Titel, natürlich: „Aber bitte mit Sahne“), und das Vierteltragische daran ist, dass der Mann in kleinen Dosen durchaus eine interessante Würze im Programm hätte sein können und nicht zwangsläufig zum personifizierten Sodbrennen hätte werden müssen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung