Hohe Kompetenz mit versierten Fachautoren!

Vielleicht raten Sie einfach mal mit, ob es sich bei diesem Text um eine Pressemitteilung von Gruner+Jahr oder den aktuellen Aufmacher des Online-Medien-Dienstes „Meedia“ handelt:

’stern‘-Sensationserfolg mit Jacko-Sonderheft

(…) Die Verkaufszahlen sind vor dem Hintergrund des auch für ein Sonderheft hohen Copy-Preises extrem ermutigend. (…)

Beim Thema Michael Jackson konnte der „stern“ seine hohe Kompetenz in der Verbindung anspruchvolle [sic] Redaktion plus eindrucksvolle Fotostrecken ausspielen. „Ein solches Projekt“, so [„Stern“-Chefredakteur Andreas] Petzold, „ist eine Freude für jeden Layouter“. Für den Text zeichnete unter anderem der versierte Fachautor Jochen Siemens verantwortlich.

Die Produktion des Sonderheftes war laut Petzold schnell entschieden: „Wir waren überhaupt nicht zögerlich und wussten gleich, dass dies ein Sonderheft werden muss.“ Folgerichtig sicherte sich das Hamburger Magazin für den Extra-Titel umgehend die Exklusivrechte an dem legendären Jackson-Foto von Herb Ritts und brachte dieses auf dem Cover. (…)

Okay, war leicht.

[via Swarley in den Kommentaren]

Programmhinweis (30)

Wer mag, kann mich in dieser Woche gleich zweimal im Radio hören.

  • Gleich geht es kurz um den Kampf der Zeitungsverleger gegen Google und Co. (Deutschlandradio Kultur, heute, 15.07 Uhr).
  • Und am Mittwochvormittag darf ich mit Experten und Hörern ausführlich über das Thema „Glaubwürdigkeit im Journalismus“ diskutieren. Hintergrund ist eine Studie des Kommunikationswissenschaftlers Professor Wolfgang Donsbach über „Journalismusverdrossenheit“ in Deutschland (Deutschlandfunk, Mittwoch, 10 Uhr).

Meedioker

Beim Mediendienst „Meedia“ scheinen jetzt auch die betrunkenen Legastheniker zu arbeiten, die sonst die Seiten von „RP-Online“ füllen:

Ja, das ist eine Meldung für „Meedia“, und, ja, das ist die komplette Meldung.

Aber die Pointe kommt noch: Es stimmt nicht einmal, was da steht. Evan Williams sagte in der BBC (wie man auch der von „Meedia“ verlinkten Sekundärliteratur entnehmen kann), dass London die „top Twitter using city“ sei — also noch vor San Fran, äh, sico und New York liegen muss.

Dieses Geschäftsmodell, Nachrichten von anderen Seiten abzuschreiben und eigene Meldungen daraus zu machen, es ist anspruchsvoller, als man denken sollte.

Nachtrag, 12.35 Uhr. meedia.de hat flugs die Rechtschreibfehler korrigiert, am falschen Inhalt der Meldung aber sicherheitshalber nichts geändert.

Nachtrag, 13.30 Uhr. Nun ist die Meldung zwar nicht mehr eindeutig falsch. Aber von San Francisco und New York und ihren Platzierungen ist in Williams‘ BBC-Interview gar keine Rede.

Annemarie Warnkross

Ich glaube nicht mehr an die Existenz von Annemarie Warnkross.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob es eine der genialen Frauenfiguren von Anke Engelke ist oder eine neue Roboterentwicklung, die diese makellose leere Künstlichkeit ermöglicht. Aber alles andere ist zu unwahrscheinlich.


Fotos: ProSieben.de

Warnkross moderiert angeblich das Pro-Sieben-Starmagazin „red!“, das aus einem Paralleluniversum kommt, in dem La Toya Jackson in dieser Woche „zum allerersten Mal überhaupt“ über den „Tod ihres geliebten Bruders Michael“ sprach (in unserer Welt war La Toya seit dessen Tod mit wenig anderem beschäftigt, als darüber Interviews zu geben). Möglich gemacht hatte das „‚red!‘-Star-Reporterin“ Bettina von Schimmelmann, die Frau, „die als einzige deutsche TV-Reporterin während der Trauerfeier im Staples-Center“ saß. Alle drei Frauen müssen sich vorher schon beim Friseur getroffen haben, und Warnkross und Schimmelmann hatten sogar ein verständnisvolles Synchronnicken einstudiert, das im Gegenschnitt ihre Achtziger-Jahre-Locken perfekt wippen ließ.

La Toya erklärte Warnkross, die sie mit einer Art Hofknicks begrüßt hatte und danach ihr Gesicht in einem selig-debilen Dauergrinsen eingerastet ließ, dass man nicht vergessen dürfe, dass Michael Jackson bei den geplanten Konzerten ja älter gewesen wäre als früher. Und Warnkross gab in die Werbepause mit Sätzen wie: „Ja, da haben wir schon über sehr viele emotionale Sachen mit ihr sprechen können.“

Der Wahnsinn hatte das ganze Team erfasst. In Einspielfilmen nannten sie Jackson einen „King of Pop, der seit jeher Mundschutz statt Krone trägt“, und als alle nach der bizarren Audienz mitsamt dem Kamerateam von einem Hotelzimmer in ein anderes gingen, um sich Videos von Michael anzusehen, hieß das ein „persönliches Privatgespräch“. La Toya kämpfte hier sehr attraktiv mit den Tränen, und Warnkross neben ihr strahlte wie ein achtjähriges Mädchen, das endlich den Weihnachtsmann treffen durfte.

Als Bonusmaterial glucksten die „Star-Reporterin“ und die Schöne-Moderatorinnen-Parodie dann noch in die Kamera, wie „toll“ das war und dass La Toya gar nicht zickig gewesen sei und der Annemarie sogar Komplimente gemacht hat, selber aber keine annehmen wollte. Gut, über ihren Mordverdacht und sowas hätte La Toya natürlich nicht reden können, klar. „Aber ansonsten haben wir alles erfahren. Auch dass ihre Lieblingsfarbe Rot ist. Und Gold.“

Anke, komm raus!

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

 

Der DJV kennt Google News nicht

In dieser Woche schrieb Michael Konken, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), in der „FAZ“:

Der Nachrichtenaggregator Google News ist dagegen bisher weitgehend unbeschadet von Ansprüchen Dritter geblieben. Dabei ist hier die fast vollautomatische Zeitung schon heute Realität. Einerseits sorgt die Präsenz auf dieser Seite für mehr „Traffic“ bei den dort verlinkten Internetseiten, andererseits übernehmen diese und vergleichbare Angebote einen wichtigen Teil des Anzeigengeschäfts, das die Produktion dieser Inhalte erst möglich macht.

Das konnte man noch für den Irrtum eines schlechtinformierten Lobbyisten halten, der es mit der Wahrheit eh nicht immer so genau nimmt. Aber es ist schlimmer.

In der offiziellen Stellungnahme des DJV zu Änderungen der Urheberrechtes [pdf], die der Verband dem Bundesjustizministerium zukommen ließ, formuliert der Justiziar Benno H. Pöppelmann:

Es ist einerseits ärgerlich, wenn Google Geld mit Werbung verdient, die neben Hinweisen auf von Verlagen finanzierte Veröffentlichungen34 platziert wird. Andererseits kann nicht übersehen werden, dass die Anzeigen durch die Suchmaschine zu Zugriffen auf das Angebot der Verlage führen und damit für die Werbeeinnahmen der Verlage förderlich sind.

Und die Fußnote auf derselben Seite lautet unmissverständlich:

34 http://news.google.de

Weil die Sache so unübersichtlich ist, habe ich sie einmal in einem Schaubild verdeutlicht — als kleinen Service für Herrn Konken, Herrn Pöppelmann und die anderen. Das hier links ist eine verkleinerte Darstellung der aktuellen deutschen Google-News-Seite. Und auf der rechten Seite ist die komplette Werbung zu sehen, die Google darauf platziert hat, sämtliche Anzeigen, mit denen Google News auf der Grundlage der Inhalte der Verlage Geld verdient, das dem Anzeigengeschäft der Medien fehlt:

Ich kann’s aber auch sicherheitshalber noch einmal hinschreiben: Auf news.google.de ist keine Werbung. Google News ist zur Zeit in Deutschland ein kostenloser, werbefreier Service von Google, von dem Leser und Online-Medien profitieren.

Das Schlimme ist: Die differenzierte Position des DJV zur Forderung der Verlage nach einem Leistungsschutzrecht, wie sie in dem Papier formuliert wurde, ist gar nicht dumm; sie ist auch sehr in meinem Interesse als (freier) Journalist. Aber würden Sie diese Leute ernst nehmen?

Programmhinweis (29)

Er hat das Bildblog in Teilen, Schafscontent fast zur Gänze und unabhängige Medienkritik eigentlich gar nicht erfunden, dafür aber mit viel Geduld und Spucke im Netz hoffähig gemacht.

Das ist mal eine tolle Kurzbiographie! Die sympathischen Fußballblogger von „Du gehst niemals allein“ haben eine originelle Serie namens „Im Abseits“ gemacht, in der sie mit Menschen gesprochen haben, „die am Samstag Abend nichts besseres zu tun haben, als nicht die Sportschau zu gucken“. Gesprächspartner sind nette Blogger und ein „Don Alphonso“. Und in der achten und letzten Folge spreche ich über traumatische Kindheitserlebnisse und verrate exklusiv, wer Deutscher Meister 2009/2010 wird.

E-Mail-Zusammenarbeits-Dings gesucht

Ich bin auf der Suche nach einem Programm. Bei BILDblog arbeiten wir zur Zeit so, dass mehrere Leute auf einen E-Mail-Account (über Google Apps) zugreifen, wo die ganzen sachdienlichen Hinweise einlaufen. Was die Arbeit erheblich übersichtlicher machen würde, wäre, wenn man zu jeder Mail im Postfach eine kurze Notiz für die anderen BILDblogger schreiben könnte, also etwa: „schon erledigt“, „ich kümmer mich drum“, „ist nichts“, „kannst Du morgen da mal nachfragen“ o.ä.

Kennt jemand eine Online-Anwendung oder ein Programm, mit dem sich so etwas machen lassen könnte? Die üblichen Softwarelösungen zum Customer Relationship Management (oder wie das heißt) oder irgendwelche Ticket-Systeme wären für uns vermutlich völlig überdimensioniert und unnötig komplex. Andererseits kommt man mit den Labels in GMail auch nicht weit.

Ideen, anyone?

Kurz verlinkt (40)

Julia Franck, die geschätzte Familienschriftstellerin (Buchpreis 2007), sitzt in einem anderen Clip auf einem roten Sessel in stilvoll abgedunkeltem Ambiente neben einem Blumenstrauß und hebt mit einer teedamenhaften Süße […] an: „Also, es gibt Menschen, die können etwas mit Gedichten anfangen, und es gibt Menschen, die können das nicht.“

Wobei sie Gedichte so dunkel-ernst spricht, dass es beinahe wie „Gedüchte“ klingt, wie eine Sache also, deren Nichtverstehen einen in eine niedrigere Klasse der Menschheit katapultiert.

„Herrn Steinmeier habe ich von Anfang an zu den Ersten gezählt“, fährt Frau Franck fort. „Aus einem ganz einfachen Grund, es gibt“, und hier gluckst sie zart wissend, „Menschen, die müssen in einer ungeheuren Geschwindigkeit sehr genau wahrnehmen, müssen Entscheidungen treffen, und jenseits von diesen funktionalen Entscheidungen müssen sie genießen können, sie müssen so etwas wie irrationale Welt und Sinnlichkeit begreifen können.“

Klar, dass uns da Frank-Walter Steinmeier als Erstes einfällt!

Gustav Seibt in der „Süddeutschen Zeitung“ über die Seite„Steinmeier wird Kanzler“ mit unglaublichen Auftritten von Moritz Rinke, Julia Franck und anderen. [via Altpapier]

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haben sie noch alle maultaschen in der pfanne? […] im übrigen ist es meine aufgabe, ihre absichten zu hinterfragen und nicht umgekehrt. ich nehme zu ihren gunsten an, dass sie noch nicht lange genug OB sind, um sich an diese art der arbeitsteilung gewöhnt zu haben. […] das letzte mal hab ich so ein verhalten vor über 20 jahren erlebt, anlässlich eines besuches beim schriftstellerverband der ddr, als uns hermann kant erklärte, was er gefragt werden möchte. f.j. strauss hat sich ab und zu ebenso benommen, weswegen er von ralph giordano als „zwangsdemokrat“ bezeichnet wurde. das trifft auch auf sie zu. […] sie sind nicht nur ein eingebildeter jude, sie sind auch ein ignorant, der sich von fakten nicht beirren lässt. und sie sind ein jammerlappen. […] die sache hat auch zwei schöne aspekte. der erste ist: sie haben den höhepunkt ihrer inkompetenz überschritten. von nun an geht es bergab. der zweite: sie stecken in tübingen fest, ich fahre durch vermont.

Die „Stuttgarter Nachrichten“ dokumentieren einen Mailwechsel zwischen Henryk M. Broder und dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer.

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Journalism at a major newspaper is different from what’s usually required in the wild and riffy world of the Internet. And that wild world is killing real reporting — the kind of work practiced not just by newspapers but by nonprofits, some blogs and other news outlets. […]

After all the reporting, it took me about a day to write the 1,500-word piece. How long did it take Gawker to rewrite and republish it, cherry-pick the funniest quotes, sell ads against it and ultimately reap 9,500 (and counting) page views?

„Washington Post“-Reporter Ian Shapira über das komplizierte und oft paradoxe Verhältnis zwischen Medien und Aggregatoren und die Gefahr, dass sich eigenes Recherchieren nicht mehr lohnt. (Und die kindisch-pampige Antwort von Gawker darauf.)

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„Geek and Poke“: Simply explained — Synergies

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The Associated Press has become so deranged, so disconnected from reality, that it will sell you a „license“ to quote words it didn’t write and doesn’t own. […]

I require no license to quote Jefferson. The AP has no right to stop me, no right to demand money from me. All their application does is count words to calculate a fee. It doesn’t even check that the words come from the story being „quoted.“

„The Laboratorium“ stellt den Copyright-Wahnsinn von AP bloß. [via Gawker]

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There was quite a buzz in the news a few years ago when a Newcastle University research team discovered that people are more honest when eyes are watching them, even if the eyes are fake. […]

This is how the AP currently formats its datelines:

NEW YORK (AP) — A judge ruled Thursday…

I propose a small change:

NEW YORK (AP) Ó›Ò — A judge ruled Thursday…

Yes, that’s right. I’m suggesting that the AP begin putting a little face in all their datelines. It’s the Smiley as copy protection.

„Ironic Sans“ hat eine Idee, wie die Nachrichtenagentur AP ihre Texte wirksam vor Content-Dieben schützen kann.

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„Wenn wir gegen das Grundgesetz verstossen, weil wir Pädophilen unmöglich machen kinderpornografische Bilder aus dem Internet herunterzuladen, dann nehme ich das in Kauf.“

Thomas Jurk, Spitzenkandidat der sächsischen Splitterpartei SPD, in einem Chat der „Freien Presse“. [via lawblog]

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[…] even a newspaper like The Times, with layers of editing to ensure accuracy, can go off the rails when communication is poor, individuals do not bear down hard enough, and they make assumptions about what others have done. Five editors read the article at different times, but none subjected it to rigorous fact-checking, even after catching two other errors in it. And three editors combined to cause one of the errors themselves.

Seemingly little mistakes, when they come in such big clusters, undermine the authority of a newspaper, and senior editors say they are determined to find fixes. The Times seems to have particular difficulty in writing about people after their deaths. In addition to the appraisal in the Arts section, a front-page Cronkite obituary had two errors of its own, and the paper has suffered through a recent string of obits with multiple errors.

Clark Hoyt, der Public Editor der „New York Times“ (eine Art Ombudsmann) erklärt in der „New York Times“, wie es zu einer Fehler-Häufung in einem Nachruf auf Walter Cronkite kommen konnte, warum das ein Problem ist und was die Zeitung dagegen tun will — ein Verständnis von Transparenz und Qualität, das von einem anderen Planeten stammt als dem, auf dem deutsche Medien leben.

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„My belief,“ says Scott Kelby, president of the Florida-based National Assn. of Photoshop Professionals, „is that every single major magazine cover is retouched. I don’t know how they couldn’t be.“ But don’t stop there. Aside from U.S. newspapers, most of which do not permit photos to be manipulated, it’s quite possible that the vast majority of images seen in the public arena have been altered.

„Los Angeles Times“: Photoshopped images: the good, the bad and the ugly [via StinkyJournalism.org]