Und wo bleibt das Positive?

Es ist ja nicht alles schlecht am Online-Auftritt der „Rheinischen Post“.

Sebastian Dalkowski hat mir eine Mail geschrieben und mich darauf hingewiesen, dass sich da auch schöne Sachen finden lassen, seine wöchentliche Kolumne „About a Boy“ zum Beispiel.

Und was soll ich sagen? Der Mann hat Recht. Für meinen Geschmack klingen die Texte manchmal ein bisschen zu gewollt nach einer Mischung aus Axel Hacke und Franz Josef Wagner. Aber die Mehrzahl derjenigen, die ich jetzt mal auf die Schnelle gelesen habe, sind lustig, klug und originell.

In der heutigen steht zum Beispiel:

Ich schreibe eine Kolumne für die Homepage einer deutschen Tageszeitung. Sie heißt „About a Boy“. Nichts deutet darauf hin, dass die Zeitung meine Kolumne nach Indien auslagern will. Die Tageszeitung sagt: „Ich will deine Kolumne nicht nach Indien auslagern.“ Ich habe das Gefühl, dass die Tageszeitung das Wort „Indien“ zu sehr betont.

Neulich schrieb er:

Bevor die deutsche Gesellschaft vom Türken verlangt, dass er sich integriert, muss die deutsche Gesellschaft überlegen, wohin sich der Türke integrieren soll: in die deutsche Gesellschaft, wie sie ist, oder in die deutsche Gesellschaft, wie die deutsche Gesellschaft sie gerne hätte.

Entweder also in eine Gesellschaft, in der alle meckern, saufen und einer verurteilten Totschlägerin im australischen Busch beim Fossil-Dasein zugucken. Oder in eine Gesellschaft, in der es keinen Ruhetag gibt, alle pünktlich sind und zufrieden. Integration bedeutet momentan für den Türken: Er kommt vom Regen in die Traufe.

Und dann war da noch die, in der es heißt:

Es gibt viele Berufe, von denen Menschen denken, sie könnten sie selbst ausüben: Kochen, Blumen pflanzen, Zeitungsartikel schreiben. Deshalb gibt es so viele Kochbücher, Gartenratgeber und Blogs.

Die finde ich aber doof.

Doof wie RP-Online (7)

Daniel Bouhs hat für die „taz“ bei „RP-Online“-Chefredakteur Rainer Kurlemann nachgefragt, warum der Internetauftritt der „Rheinischen Post“ so ein Schrott ist. Und Kurlemann hat unter anderem geantwortet:

„Es gehört nun mal zum Internetjournalismus, dass Qualitätskontrolle schwieriger ist als in Zeitungen.“ Man arbeite „eben viel schneller“ und könne Texte „nicht stundenlang bis zu einem späten Redaktionsschluss“ prüfen. Den Bierflaschenfall [gemeint ist diese PR-Geschichte] bedauert der Onlinechef einerseits ausdrücklich; andererseits will er sich nicht für alles die Verantwortung zuschieben lassen: „Letztlich müssen wir dahin kommen, dass die Qualitätssicherung beim Autor beginnt — viel mehr, als das bei Zeitungen üblich ist.“ Das Internet verlange Journalisten „eben eine stärkere Eigenverantwortung ab“.

Dass „RP-Online“ ungefähr alle journalistischen Mindeststandards unterläuft, ist aber anscheinend nicht unbedingt eine Frage fehlender Mittel. Wenn er einen größeren Etat hätte, sagt Kurlemann sinngemäß, würde er damit nicht besseres Zeug produzieren, sondern mehr Zeug.


Symbolscreenshot: RP-Online

BILDblog sucht Server

BILDblog braucht dringend einen neuen Server. Der jetzige verschluckt sich häufiger mal, und wenn ich nur mal kurz vergesse, den Cache auszuschalten, legt er sich auf den Rücken, streckt die Beine in die Luft und stellt sich tot. Der Jan, der ihn vor ein paar Jahren netterweise mit ein paar netten Kollegen von Host Europe für uns konfiguriert und betreut hat, arbeitet inzwischen auch woanders, so dass alles dafür spricht, eine neue Heimat für unser Blog zu suchen — alles, heißt das, außer unserer Trägheit und völligen Unkenntnis über Server.

Aber ich habe ja Leser, die sich mit allem auskennen, sogar mit sowas, und frage deshalb: Kann uns jemand ein gutes Angebot für einen Managed Server machen? Voraussetzung wäre, dass wir im wesentlichen nicht mehr tun können müssen, als ein FTP-Programm bedienen. Und der Server müsste halt mit den Zugriffszahlen auf BILDblog (plus unser großes geheimes Expansionsprogramm) zurecht kommen, die sich (hoffentlich) aus diesen Grafiken ergeben:


(Falls nicht, hätte ich noch viele, viele ähnliche, teils auch andersfarbige Grafiken zu bieten.)

Natürlich wollen wir möglichst wenig Geld ausgeben und würden uns sehr über Sponsoringangebote freuen, aber das Wichtigste ist, dass das Ding zuverlässig läuft.

Hat jemand Vorschläge? Ideen? Gute Erfahrungen? (Ernstgemeinte Angebote gern auch per Mail.)

Nachtrag, 6. Februar. Danke für die vielen Hinweise und Mails! Wir sortieren die jetzt mal — es scheinen einige feine Angebote dabei zu sein. Ich sag dann Bescheid, wie es ausgegangen ist.

Betrug: 9Live entlässt Mitarbeiter

Im vergangenen November ist es bei 9Live zu einem massiven Betrugsvorfall gekommen. Nach meinen Informationen haben zwei Mitarbeiter versucht, einen Anrufer um seinen Gewinn zu bringen, indem sie die richtigen Antworten nachträglich manipuliert haben. 9Live hat sich von beiden getrennt, will sich aber nicht zu dem Fall äußern.

· · ·

18. November 2008, kurz nach Mitternacht. Auf 9Live läuft „Quizzo“. Es moderiert Max Schradin, der in dieser Nacht noch aufgekratzter und irrer wirkt als sonst. Er spielt ein Spiel, das er als „absolute Weltpremiere“ ankündigt: Erstmals sind 16 Begriffe gesucht, die auf „-licht“ enden.

Am Anfang ist es, wie immer, leicht: „BLAULICHT“, „BLITZLICHT“, „BREMSLICHT“, „ROTLICHT“ werden erraten.

Dann erhöht 9Live die Gewinnsumme. Ein Anrufer, der einen der verbliebenen Begriffe hinter den Abdeckungen errät, kann zehn-, zwanzig-, dreißigtausend Euro bekommen. Schradin ermuntert die Zuschauer, leichte Begriffe zu nennen. Als jemand „Seitenlicht“ sagt, erwidert er:

„Denken Sie sich mal bitte keine Begriffe aus. Seitenlicht. Was ist denn ein Seitenlicht, Leute? Klassische Begriffe! (…) Leute, denken Sie sich hier ja nichts aus. Sie kennen die Begriffe, die hier auch abgeklebt sind!“

Das ist natürlich nicht wahr. Die Begriffe, die 9Live später auflöst, lauten:

STACHELICHT, BÜCHSENLICHT, AUERLICHT, NACHSCHUSSPFLICHT, AUSGLEICHUNGSPFLICHT, SCHWINDLICHT, WIDERSTANDSPFLICHT, CHRONISTENPFLICHT, REPRÄSENTATIONSPFLICHT, ANDIENUNGSPFLICHT, LABORLICHT, NACHTHIMMELLICHT.

(Alle Linkversuche von mir.)

Erstaunlich, dass kein einziger davon erraten wird.

Mit der Irreführung der Zuschauer und vermutlich auch der Auswahl der Begriffe verstößt der Sender gegen die Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten, aber das ist Betrugsalltag bei 9Live.

Dabei bleibt es aber in dieser Nacht nicht.

Gegen 0.30 Uhr kommt ein Anrufer namens Nils durch. Er sagt „STEARINLICHT“. Er hat eine der hohen „Gewinnleitungen“ getroffen, die zu dieser Zeit sogar doppelt zählen, hinzu kommt noch der Inhalt einer „Wanne“ mit Geldscheinen — insgesamt vermutlich über 20.000 Euro. Max Schradin bietet ihm bis zu 4000 Euro, wenn er auf seinen Begriff verzichtet. Nils lehnt ab und geht auf Risiko, doch der Begriff wird als falsch gegeben.

Ob er zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht auf der Tafel steht, wird für die Zuschauer nicht nachzuvollziehen sein. Denn eine Stunde später reißt Max Schradin den Bogen mit den noch abgeklebten Lösungen von der Wand und schiebt ihn mit dem Fuß aus dem Bild. Erst kurz vor zwei Uhr morgens später ist er wieder zu sehen: als Schradin auf dem Boden auf ihm herumrutscht, um die Lösungen aufzudecken.


Doch der Bogen soll in der Zwischenzeit manipuliert worden sein. Der Producer der Sendung und der Executive Producer der 9Live-Abendformate, die in dieser Nacht Dienst hatten, sollen nach Angaben eines Insiders die halbe Stunde, in der er nicht zu sehen war, dazu genutzt haben, den Begriff „STEARINLICHT“ auf dem Papierbogen gegen einen anderen auszutauschen. Der Anrufer Nils sei von ihnen um seinen hohen Gewinn geprellt worden.

Im Nachhinein sollen Mitarbeiter den Betrug der Geschäftsleitung gemeldet haben. Nachdem der Justiziar des Senders, Michael Müller, die Sache recherchiert habe, sei den beiden Producern gekündigt worden; Moderator Schradin soll eine Abmahnung bekommen haben.

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Vor zwei Wochen veröffentlichte 9Live-Geschäftsführer Ralf Bartoleit auf der Homepage seines Senders einen Brief „In eigener Sache“ an die „Zuschauerinnen und Zuschauer“. Neben dem üblichen Unsinn („Wie Sie wissen, stand und steht 9Live für Fairness, Transparenz und Chancengleichheit“) schrieb er:

[Es hat] Ende vergangenen Jahres einen Fall gegeben, bei dem es zu einem gravierenden Fehlverhalten gekommen ist. Von den beiden dafür verantwortlichen Mitarbeitern hat sich 9Live unverzüglich getrennt. Wir bedauern diesen Vorfall gegenüber unseren Zuschauern außerordentlich. Gleichwohl zeigt dies aber, dass wir unser Versprechen Ihnen gegenüber, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ernst nehmen. Für die Zuschauer ist durch den Vorfall kein Schaden entstanden. Er zeigt aber auch, dass unsere internen Kontrollmechanismen funktionieren.

Die „Transparenz“ von 9Live geht nicht soweit, den Zuschauern mitzuteilen, worin das „gravierende Fehlverhalten“ genau bestand. Auf meine Anfrage, ob es sich dabei um den oben beschriebenen Vorfall handelt, ob man mir erklären könne, warum sich der Moderator offenbar so bereitwillig an der Manipulation beteiligte, ob Max Schradin die richtigen Antworten wusste, ob 9Live auch gegen ihn Schritte eingeleitet hat und ob dem Anrufer der volle Betrag, den er gewonnen hätte, ausgezahlt wurde, erklärte der Sender nur, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.

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Ich weiß nicht, ob es sich bei dem Betrugsfall um einen außerordentlichen Einzelfall handelte oder ob das Außerordentliche nur war, dass das Handeln des Producers intern auffiel und von der Studiocrew nicht gedeckt wurde. Eine Motivation für das Handeln des Producers könnte sein, dass er budgetverantwortlich ist, das heißt, es muss mit einem vorgegebenen Budget eine bestimmte Zahl an Anrufen generieren. Gerät seine Kalkulation dadurch aus den Fugen, dass ein Zuschauer einen teuren, eigentlich unmöglich zu erratenden Begriff errät, hat er ein Problem.

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Kundschafter des Bürgers

Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Aktenzeichen XV“: Gemütliche Expeditionen in die fremde Welt des Verbrechens.

„Der nächste Fall führt uns eine Welt, die für die meisten unserer Zuschauer fremd und sicher auch etwas unverständlich sein wird: in die Welt der sogenannten SM-Typen. Die Buchstaben ‚SM stehen in diesem Fall für Sadomasochismus. Diese Szene ist in Deutschland, wie wir mit einiger Überraschung festgestellt haben, größer als man sich als Normalbürger vorstellt.“ So klang das, wenn Eduard Zimmermann sein staunendes Normalbürger-Publikum mitnahm in die fremde Welt jenseits ihres Lebens. „Unvorstellbar“ war ein Wort, mit dem er häufig die Verbrechen beschrieb, für deren Aufklärung er die Zuschauer von „Aktenzeichen XY“ „um Ihre Aufmerksamkeit“ bat. Aber immer wieder waren auch die Milieus unvorstellbar, die er seinen Zuschauer zeigte und aus denen die Gefahr in ihre Wohn- und Esszimmer zu sickern drohte.

Der Fernsehfahnder war in seinen Sendungen so etwas wie der Kundschafter und Warner der Normalbürger, an dessen eigener Normalität kein Zweifel bestand, der sich aber von berufswegen auskennen musste mit den Bedrohungen von außerhalb. Wenn er schon überrascht war von der Größe der Szene der „SM-Typen“ in Deutschland, dann musste sie wirklich unglaublich groß sein.

Aber Eduard Zimmermann ist alles Voyeuristische, das das Fernsehen heute so sehr bestimmt, fremd. Er wollte nicht wissen, was die „SM-Typen“ genau miteinander treiben. Seine Sendungen konzentrierten sich darauf, die vermeintliche Normalität in Szene zu setzen, am liebsten am Esstisch und mit Suppe. Nüchtern setzte er seine Anmoderation fort: „Zur Klarstellung vielleicht noch der Hinweis, SM-Praktiken sind im Prinzip nicht verboten. Für die Polizei werden sie erst bedeutsam, wenn jemand dabei zu Schaden kommt. Denn dann liegt die Frage auf dem Tisch: Betriebsunfall oder Verbrechen?“ Das „im Prinzip“ sprach er mit spitzen Fingern aus, mit der Distanz eines Berichterstatters, der korrekt referieren, aber bloß niemanden ermuntern will. Und näher als mit der Wahl des Wortes „Betriebsunfall“ ist er vermutlich nie an etwas gekommen, was man Humor oder Lockerheit nennen könnte.

30 Jahre lang hat er die ZDF-Fahndungssendung geleitet und moderiert, und dass er dabei zu einer deutschen Institution wurde, hat viel damit zu tun, dass er so offensichtlich kein Fernsehstar war. Seine spröde, beamtenhafte, hölzerne Art gab ihm nicht nur eine Glaubwürdigkeit, sondern auch eine Immunität gegen die massiven Vorwürfe von Kritikern. Der „Spiegel“ warf ihm vor, „private Denunzierlust“ zu reizen, sprach von „Massenregie“, „einer Art Treibjagd mit moralischem Alibi“ und einem „Fangspiel“. Für das normalbürgerliche Publikum aber war er einer von ihnen und dazu gehörte, dass er nichts von neumodischen Veränderungen hielt. Erst ab 1975 wurde „XY“ als eine der letzten Fernsehsendungen in Farbe ausgestrahlt, wurde aber mit der muffig-braunen Studiodekoration kaum weniger monochrom. Zimmermann saß im Fernsehen in einer Welt, die aussah, wie die engen Wohnzimmer der Zuschauer mit ihren Anrichten und Schrankwänden. Von dort aus lehrte er sie das Fürchten, warnte sie vor dem Trampen und zeigte ihnen, wie bedroht ihre Idylle jederzeit war.

40 Prozent der „XY“-Fälle konnten nach Angaben des ZDF nach der Ausstrahlung gelöst werden; das Sendungskonzept wurde in viele Länder exportiert. Zimmermann ist für seine Arbeit unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet worden. Am kommenden Mittwoch wird er achtzig Jahre alt.

Die dümmsten Dritten Programme Deutschlands

Wenn man ganz leise ist, kann man sie schon knistern hören, die Spannung: Welcher Berg mag bei den Hessen beliebter sein? Der Chimborazo oder die Hohe Tatra? Der imposante Langkofel, der formschöne Makalu oder doch die schnöde Wasserkuppe? Nur zwei Wochen lang können die Hessen noch abstimmen , und dann heißt es: ausharren bis Ostern, wenn das hr-Fernsehen das Ergebnis endlich im Rahmen einer großen Sendung „Die beliebtesten Berge der Hessen“ bekanntgeben und einige der Lieblingsberge womöglich sogar im Studio begrü- äh, im Bild zeigen wird.

Der Gewinnerberg steht dann in einer Reihe mit Schloss Auerbach („beliebtestes Bauwerk der Hessen“), der „Runkelroiweroppmaschin“ von Adam und die Micky’s („beliebtestes Fastnachtslied der Hessen“), der „Fabelhaften Welt der Amelie“ („beliebtester Liebesfilm der Hessen“), der Frankfurter Skyline („beliebteste Sehenswürdigkeit der Hessen“) und „Love Me Tender“ von Elvis Presley („beliebtestes Liebeslied der Hessen“). Die Wahl der beliebtesten Schauspieler der Hessen ist bereits abgeschlossen, aber noch nicht verkündet – der Hessische Rundfunk verspricht aber, alle Kandidaten seien „geboren oder aufgewachsen in Hessen, an hiesigen Hochschulen ausgebildet oder populär geworden an hessischen Theatern“. Immerhin: Es reicht also nicht, als Schauspieler bloß einmal am Köpperner Berg auf der A5 im Stau gestanden zu haben.

Das hr-Fernsehen hat entdeckt, wie leicht es ist, anstelle von Programm Hitlisten zu senden. Die Sendungen folgen dem Muster der „Ultimativen Chartshow“ mit mehr oder weniger prominenten Menschen, die in kurzen Sätzen halbe Gedanken zu Filmschnipseln formulieren, die hinter ihnen zu sehen sind, sind aber ungleich amateurhafter und liebloser montiert als das Vorbild von RTL. Aber gerade weil sie so egal und anspruchslos sind, lassen sich diese Sendungen endlos wiederholen: Die Show mit den „beliebtesten Weihnachtsliedern der Hessen“ ist seit der Premiere 2005 nicht weniger als sechs Mal wiederholt worden.

Teilweise kooperiert das hr-Fernsehen bei seinen Rankings mit dem Norddeutschen Rundfunk. Für die „beliebtesten TV-Tiere“ wurden die Statements von Menschen wie dem aus dem Pro-Sieben-Programm als Vertilger absurd großer Essensportionen „bekannten“ Jumbo Schreiner in die jeweilige Reihenfolge geschnitten – mal mit dem HR-Fernsehmaskottchen „Onkel Otto“ etwas weniger weiter hinten.

Der NDR ist bei Inflationierung der Chartshows führend. „Hitlisten des Nordens“ heißen sie dort, und 45 davon hat das NDR-Fernsehen schon ausgestrahlt, darunter „die besten Comedy-Songs des Nordens“, „die schönsten Operetten“, „die größten Modesünden“, „die schönsten Leuchttürme Norddeutschlands“, „die beliebtesten Trecker Norddeutschlands“, „die beliebtesten Pferderassen“, „die berühmtesten Zitate“ („I Have A Dream“ vor „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ und „Ich bin ein Berliner“) sowie „die verrücktesten Spektakel Norddeutschlands“ (es gewann mit großem Abstand das, äh, berühmte Currywurst -Schärfe-Wettessen aus der Bruzzelhütte in Harburg.)

Die Abstimmung über die besten Argumente für die Existenz von sieben gebührenfinanzierten Dritten Programmen musste unterdessen mangels Kandidaten auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Kurz verlinkt (29)

Als ihre Tochter starb, erhielt sie rund 5000 Briefe von Menschen, die ihr Beileid bekunden oder Trost spenden wollten. Manchmal liest sie auch heute noch in diesen Briefen, sagt die Freundin. Auf der Einfahrt, gleich hinter dem schmiedeeisernen Tor mit den Lettern »Petra Polis«, zeigt der Asphalt ein paar Risse. Im Wohnzimmer läuft der Fernseher. Draußen ist es ruhig wie auf einem Friedhof. Die weiblichen Steinskulpturen im Garten tragen grüne Längsstreifen vom jahrelangem Regen; in der offenen Garage steht ein dunkelblaues Mercedes Cabrio. Die Kulisse erinnert an die Anfangssequenz eines Derrick-Krimis. Petra Schürmann sitze oft im Wohnzimmer und schaue fern, sagt die Freundin. »Am liebsten die Sendungen, die sie selbst moderiert hat – oder alte Krimis.«

Nach dem Tod der Tochter stand monatelang ein Fernglas auf dem Balkon, damit Petra Schürmann immer das Grab ihrer Tochter auf dem Aufkirchener Friedhof sehen konnte. Das Fernglas hatte sie einst gekauft, um gemeinsam mit der halbwüchsigen Alexandra in die Sterne zu schauen. Doch mit dem Tod Alexandras verwandelte sich das Fernglas in ein Instrument, um in die Vergangenheit zu blicken.

Alexandros Stefanidis im „SZ-Magazin“ über Petra Schürmann: „Was geschah mit Petra S.?“

· · ·

Dass aber die Auftritte all der Akteure des Realityfernsehens überhaupt eine Fortsetzung in der Wirklichkeit haben, ist eine Konsequenz, die Zuschauer und Produzenten mittlerweile völlig ausgeblendet haben. Dabei fällt es der Rezeption nicht schwer, darüber zu erschrecken, wo das Fernsehen heute überall hinkommt. Manchmal aber fängt der Horror erst an, wenn es wieder wegfährt.

Harald Staun in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ über die Kleinstadt Zerbst, den RTL-2-„Frauentausch“ und das Realityfernsehen: „Vom Umtausch ausgeschlossen“.

Wie die HAZ Werbelinks tarnt

Heute spielen wir wieder das beliebte Spiel: Entdecken Sie den Werbelink!

Spielfeld heute ist der Online-Auftritt der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (HAZ):

Na? Hinter welchem Wort verbirgt sich die Werbung? Jede Wette, Sie kommen nicht drauf.

Es ist die große Schaltfläche „Interaktiv“, zwischen „Newsroom“ und „Freizeit“. Sie führt zwar scheinbar auf die Seite http://www.haz.de/interaktiv/index.html, aber die leitet nach dem Klick sofort um zu http://parship.haz.de/?source=Navigation, dem Angebot der Partneragentur Parship. Die hat es wie kaum ein zweites Angebot in Deutschland geschafft, von Online-Medien als eigenes redaktionelles Angebot getarnt zu werden.

Aber die Täuschung der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ ist besonders dreist. Und mal abgesehen davon, dass ein solcher nicht gekennzeichneter Werbelink vermutlich gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstößt (vulgo: unzulässige Schleichwerbung darstellt) — was ist das für ein Geschäftsmodell, das so offensichtlich darauf setzt, die eigenen Leser in die Irre zu führen?

[via mb.twoday.net]