Heute schon Zugangsdaten mitgeschnitten?

Andererseits: Was soll man erwarten von einer Seite wie sueddeutsche.de, die ihren Lesern in einem (gemeinsam mit Langenscheidt veröffentlichten) Internetlexikon den Begriff Weblog allen Ernstes so erklärt:

Website mit nicht kommerziellem Inhalt und personalisierter Information, die regelmäßig mit Informationen zu einem bestimmten Thema aktualisiert wird. (…) Der Name ist dabei Programm und kommt von den Logfiles, in denen ein Webserver Zugangsdaten mitschneidet (…).

Reinhold Beckmann

Es war alles nur Tarnung. Jahrelang musste Reinhold Beckmann den Emo-Talker geben. Musste abwechselnd fragen: „Wie fühlten Sie sich dabei“ und: „Was war das für ein Gefühl damals“, musste in eine Prominentenseele nach der anderen hineinkriechen, um ein bislang privates Gefühl herauszukitzeln, das sich dort verängstigt in einer Ecke versteckte. Er musste sich rankuscheln an seine Gäste, sie glauben machen, er sei ihr Freund. Oder ihr Therapeut. Oder ein befreundeter Therapeut. Jedenfalls kein Journalist.

Woche für Woche übte er in seiner Talkshow, bis er es schaffte, nicht einmal den Blick von seinem Gast abwenden zu müssen, wenn er auf dessen Bitte „Das ist mir zu privat, darüber möchte ich nicht reden“ reflexartig mit den Worten reagierte: „Aber der Selbstmord Ihrer Mutter damals . . .“ Er musste sein Profil als ernstzunehmender Journalist aufs Spiel setzen… Moment, nein: Er musste darauf verzichten, sich ein Profil als ernstzunehmender Journalist aufzubauen. Aber er wusste, irgendwann würde einer, der es verdient hat, in die Falle tappen und den wahren Beckmann kennenlernen. Und auf den Satz „Ich kann darüber aus rechtlichen Gründen nicht reden“ würde er antworten: „Dann gehen wir die Sachen mal langsam durch“, und man würde sein Taubsein plötzlich für eine harte Nachfrage halten. Und wenn sich herausstellte, dass der, der es verdient hat, auch noch die schlechtesten Berater der Welt hat, die hinterher sagen, man habe ihnen versprochen, dass das gar kein richtiges Interview werden würde, sondern nur ein beckmannsches Kuschelgespräch, dann würde er sogar als großer Verteidiger des Journalismus dastehen.

(Gut, die andere Möglichkeit ist natürlich, dass Beckmann die bösen Fragen nur als Lockerungsübung vor dem viel spannenderen „Wie fühlen Sie sich“-Gespräch mit Jan Ullrichs Frau gestellt hatte und selbst nicht ahnte, dass der NDR den kritischen Teil hinterher überraschenderweise nicht rausschneiden würde.)

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Wiederholungstäter III

Oktober 2006. Die „Frankfurter Rundschau“ schreibt über Blogs — und verwechselt Monate mit Tagen. Zwei Wochen später macht derselbe Autor denselben Fehler noch einmal.

Dezember 2006. „Jetzt.de“ schreibt über Blogs — und verwechselt Monate mit Tagen. Als er von den Lesern in den Kommentaren auf seinen Fehler hingewiesen wird, wiederholt der Autor ihn pampig. (Der Artikel ist bis heute nicht korrigiert.)

März 2007. Die „Fach“-Zeitschrift „werben & verkaufen“ schreibt über Blogs — und verwechselt Monate mit Tagen.

Es muss eine Berufskrankheit sein. Journalisten können nicht über Blogs schreiben, ohne sie um den Faktor 30 zu klein zu machen. Der neueste Fall trägt die Überschrift „Das Ende des Blogging-Wahns“ — und natürlich hätte man da schon aufhören sollen zu lesen.

Nachdem ich es trotzdem getan habe, hätte ich so einige Fragen an den Autor Gregor Fuchs. Zum Beispiel, was er mit seiner gleich zweimal gebrauchten kryptischen Formulierung meint, diese oder jene Firmen hätten „so etwas wie einen Blog“. Vielleicht wäre ich nach Ansehen der entsprechenden Seiten schlauer, wie Blog-ähnlich sie sind. Aber dazu müsste ich jede einzelne mühsam recherchieren. sueddeutsche.de hat es geschafft, den „w&v“-Artikel über das Internet im Internet zu veröffentlichen, ohne einen einzigen Link zu setzen.

Fuchs beruft sich auf die Blogstudie der Universität Leipzig und schreibt:

Nur gut ein Viertel (26,4 Prozent) aller Teilnehmer gab an, den Inhalten von Corporate Blogs zu trauen.

Im Gegenteil: Nur gut ein Viertel gab an, ihnen nicht zu trauen.

Und schließlich behaupten w&v bzw. sueddeutsche.de über das Schlämmerblog:

Die von der Agentur Tribal DDB betreute Site kommt pro Monat auf vergleichsweise hohe 25000 Nutzer …

Nein, nicht pro Monat. Pro Tag.

Journalisten verrechnen sich, was Blogs angeht. In jeder Hinsicht.

Super-Symbolfotos (12)

Das hier hat Holger Lembke heute entdeckt:

Folgende Erklärungsmöglichkeiten sind ihm eingefallen:

a.) ich habe den witz nicht verstanden
b.) sie machen es absichtlich, weil sie sehen wollen, wie lange es dauert, bis es irgendwie gepostet wird.
c.) gorilla marketing (sich zum affen machen)

Weitere Vorschläge, jemand?

alleshateinendenurdiewursthat2.de

Zu den von der Wissenschaft noch sträflich vernachlässigten Nebenwirkungen des Internets gehört die euphorisierende Wirkung, die der Erwerb einer Domain auslösen kann. Ist es denkbar, dass eigene Denic-Rezeptoren im Gehirn auf eine erfolgreiche Registrierung mit der Ausschüttung von Botenstoffen reagieren? Kann dieser Rausch süchtig machen? Muss der Staat das unkontrollierte Registrieren von Domains verbieten?

Ich selbst beispielsweise bin seit zwei Jahren stolzer Besitzer der Adresse flauschzottel.de.

Und die Seuche hat offenbar weitere Opfer gefordert: zum Beispiel Peter Turi. Vor einigen Jahren entwickelte er eine Geschäftsidee namens internet123, die ungefähr darin bestand, sich für jeden noch so abwegigen Begriff eine Domain mit der Endung „123.de“ zu sichern. Wer irgendwas über Nacktnasenwombats suchte, sollte nur www.nacktnasenwombats123.de eingeben müssen und würde zu einem Portal mit Informationen über Nacktnasenwombats und Links zu Nacktnasenwombat-relevanten Seiten kommen. Soweit der Plan. Abertausende Domains waren bereits registriert, als das Geld ausging. Das war vor gut fünf Jahren.

Am Wochenende wurde bekannt, dass Peter Turi nicht mehr Geschäftsführer einer Firma namens „Medien 2.0 Verwaltungsgesellschaft“ ist. Turi besitzt zwar noch die Domain medien2.de, hat sich aber — interessanterweise nach der vermutlichen Trennung von der Medien-2.0-Firma — die Adresse medien20.de gesichert.

Irgendwie hängt er an der Zahl. Sehr. Er betreibt eine Internetseite namens turi2.de, zu der die Adressen bookmarks2.de, koepfe2.de, specials2.de, gruender2.de, firmen2.de, lexikon2.de und heute2.de gehören.

Neulich, als ich mich darüber ärgerte, dass er in meine Texte Dinge hineinliest, die da nicht drinstehen, wollte ich einen blöden Witz machen, dass das wohl daran liegt, dass er sich lesen2.de noch nicht gesichert hat. Zum Glück prüfte ich das vorher schnell noch nach und stellte fest: Er hat sich lesen2.de gesichert.

Und dann hab ich gestern abend mal eine Stunde ein lustiges Denic-Quiz gegen mich selber gespielt: heiteres Turi-Domain-Raten. Und fand nicht nur lesen2.de, sondern auch:

fragen2.de
sehen2.de
hoeren2.de
schreiben2.de

Und:

anzeigen2.de
autoren2.de
interview2.de
journalismus2.de
journalisten2.de
marketing2.de
presse2.de
print2.de
unternehmen2.de
unternehmer2.de
verkaufen2.de
verlage2.de
verleger2.de
werben2.de
werbung2.de
zeitungen2.de
zeitschriften2.de

Sowie:

finden2.de
suchen2.de

Und:

gestern2.de
morgen2.de
woche2.de

Nicht zu vergessen:

kochen2.de
essen2.de
trinken2.de
familie2.de
eltern2.de
freunde2.de

Sowie selbstverständlich:

blogs2.de
bloggen2.de
internet2.de

Außerdem:

walldorf2.de
heidelberg2.de
debatte2.de
wissen2.de
neu2.de
berater2.de
chef2.de
jobs2.de
karriere2.de
gesundheit2.de
umwelt2.de
fernsehen2.de
film2.de
fotos2.de
hoerfunk2.de
spots2.de
sprecher2.de
videos2.de

Und sogar:

kultur2.de
lachen2.de
laufen2.de
singen2.de
spiele2.de
spielen2.de
theater2.de

Nachdem ich festgestellt hatte, dass er sich dejavu2.de nicht gesichert hatte, fiel mir nichts mehr ein.

Vor gut einem Jahr schrieb Turi über internet123.de: „Für diese Idee habe ich gebrannt, an sie glaube ich noch heute und über sie sollten wir in fünf Jahren noch mal sprechen.“

PS: Ich hätte noch bloggr.de im Angebot. Da ist zwar keine Zahl drin, aber dafür fehlt ein Buchstabe. Herr Turi?

Wer nicht grabscht, ist schwul

Harald Staun hat heute in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ nachgelegt und eine fulminante Abrechnung mit Thomas Gottschalk und seinen fiesen Grabbeleien geschrieben.

Auf FAZ.net reagiert ein Leser darauf mit dieser in jeder, aber wirklich: jeder Hinsicht beunruhigenden Wortmeldung:

Latten am Zaun

Der lustige Schreiberling, der Herr Staun
Schreibt wirklich fast ganz vergnünglich
Doch er hat wohl nicht alle Latten am Zaun
Braucht er einen Tritt in den Arsch unverzüglich

Woher die Winde wehen, scheint er zu wissen
Seine schwul-stigen Pamphleteien sind peinlich
Auch scheint er freiwillig gegen Wind zu pissen
Es riecht gar etwas streng und auch zu seimich

Sich als Anwalt der Damen aufzuschwingen
Die sich, obwohl alt genug nie beschwerten
Zeigt welche Lieder er zu Nächten singen
Welche Pfade er wandelt – die verkehrten

Nun soll er in seinem öden Dunstkreise bleiben
Uns mit seiner geistigen Krankheit verschonen
Soll er es weiterhin in dunkeln Ecken treiben
Den faulen Quarke lassen in seinen Hirnregionen

Nachtrag, 26. Februar. FAZ.net hat den Artikel mitsamt den Kommentaren aus seinem Angebot entfernt. Warum, weiß ich nicht. Der Artikel ist aber bei Spiegel Online noch zu lesen.

„Welt Online“ verliert Stimmen

Auf seiner neugestalteten Homepage lässt „Welt Online“ die Leser gerade über Bischof Mixa und seine „Gebärmaschinen“-These abstimmen. Das Ergebnis ist überraschend eindeutig:

Noch erstaunlicher ist aber die Zahl der abgegebenen Stimmen. Aktuell wird sie mit 1794 angegeben. Dabei war vor einer Stunde schon die 2000-Marke überschritten gewesen. Wie kann die Zahl plötzlich abnehmen?

Das geht, wie Leser Andreas Eisele entdeckt hat, die ganze Zeit schon so.

23.20 Uhr:
1564 Stimmen.

8.30 Uhr:
1478 Stimmen.

11 Uhr:
1628 Stimmen.

11.45 Uhr:
1931 Stimmen.

12 Uhr:
1703 Stimmen.

12.30 Uhr:
2024 Stimmen.

13.30 Uhr:
1794 Stimmen.

Wie kommt das? Was soll das? Wer macht sowas?

Neues über die neue Offenheit der „Welt“

Ein Kollege hat bei „Welt Online“ nachgefragt, warum BILDblog dort plötzlich aus den „Blog-Empfehlungen“ entfernt wurde. Er bekam vom Chefredakteur Christoph Keese folgende Antwort:

„(…) vielen Dank für Ihre Frage, die wir gern beantworten: Wir empfehlen prinzipiell keine Blogs, die sich gegen unsere Verlinkung wehren. In diesem Blog entstand schnell eine Debatte darüber, ob die ‚Welt‘ wohl einen Link setzen dürfe. Da wir uns nicht aufdrängen wollen, listen wir den Blog nicht mehr.“

Langsam hört der Spaß aber auf.

1. Dies ist nicht das BILDblog.
2. Im BILDblog entstand keine Debatte über den Link.
3. Das BILDblog hat sich nicht gegen die Verlinkung gewehrt.
4. Ich habe mich explizit nicht gegen die Verlinkung gewehrt.

Und weil Herr Keese das alles natürlich weiß, gilt schon deshalb:

5. Seine Erklärung, warum „Welt Online“ angeblich den Link auf BILDblog entfernt hat, stimmt nicht.

Allmählich fange ich an, „Don Alphonso“ in seiner Einschätzung über den besten Umgang mit diesen Leuten fast Recht zu geben.

(Und vielleicht beantwortet die Art, wie Christoph Keese antwortet, auch zu einem kleinen Teil die Frage, die neulich jemand stellte, warum ich mir nicht vorstellen kann, bei Axel Springer zu arbeiten.)

Bei RTL.de ist das Grauen jetzt blau

Seit gestern abend erstrahlt RTL.de in neuem Glanz und einheitlicher Farbe. Es gibt viel zu sehen.

Super-Symbolfotos…

…gewagtes Design…

…typographische Experimente…

…und lustige Farbverläufe…

…beherzter Einsatz von Legasthenikern…

…minimalistische Baustellen-Schilder…

…Sackgassen mit Fehlerseiten, auf denen nicht einmal steht, dass es sich um einen Fehler handelt…

…und Anzeigen, die man entweder daran erkennt, dass sie wie redaktionelle Artikel aussehen…

…oder natürlich daran, dass das Signalwort „Themen“ darüber steht.

Selbst wenn RTL.de es irgendwann schaffen sollte, die unfassbare Zahl von Programmier-Fehlern zu korrigieren (Peer hat auch noch einen), bleiben die Seiten eine unfassbare Zumutung. Nach wie vor packt RTL.de Nachrichten in endlose Bildergalerien (wie diese) von unbestimmter (und nie angegebener) Größe, bei denen die Texte unter wahllos zusammengeklaubten und dazu eher nur zufällig passenden Fotos stehen.

RTL.de war und ist für jeden, der sich über das Programm oder gar etwas anderes informieren will, unbrauchbar. Die Seiten sind offenkundig optimiert für Leute, die auch auf virus.exe-Anhänge doppelklicken und auf Spam-Mails mit ihren Kontodaten antworten.

PS: Kann mir jemand das hier erklären?