Schlagwort: 11 Freunde

„Eilmeldung“


Ich fürchte, ich könnte es den Kollegen von „Spiegel Online“ in ihrem Dauerzustand professioneller Atemlosigkeit nicht einmal erklären, was daran so abstoßend ist, die aufgeregt präsentierten Meldungen über den Tod von Robert Enke noch unter dem Banner „Eilmeldung“ zu verkaufen.

(Die Variante, die die Konkurrenz von stern.de gewählt hat, müssen Sie sich in Originalgröße ansehen, um die passende Eigenanzeige ganz oben lesen zu können.)

„Sprachlosigkeit“ ist das Wort, das Journalisten seit gestern immer wieder gebrauchen, um die Reaktionen auf den Tod zu beschreiben, und während sie reden und reden, merken sie gar nicht, dass das eigentlich eine angemessene Reaktion ist: Sprachlosigkeit. Man muss sich, zum Beispiel, das Gespräch im „heute journal“ gestern ansehen, in dem der Reporter Boris Büchler im Studio beschreibt, dass alle trauernden Menschen, die er noch am Abend angerufen hatte, trauern und viele davon sogar so sehr, dass sie gar nicht ans Telefon gegangen seien, um mit ihm darüber zu reden.

Marietta Slomka wusste, dass Robert Enke „vom Pech verfolgt“ war, und Boris Büchler wusste, dass er ein Ausnahmefußballer war, weil er Musicals mochte und lesen konnte und mental so stark war, also, jedenfalls, schien. Für die Sender der Pro-Sieben-Sat.1-Gruppe musste ein Reporter den ganzen Morgen vor dem Hotel der DFB-Mannschaft stehen und im Minutentakt erzählen, dass sich immer noch keiner habe blicken lassen, aber alle geschockt seien und trauerten.

Die Kollegen von „11 Freunde“ haben vor der Aufgabe, über Enkes Tod zu „informieren“, nach eigenen Worten „kapituliert“. Wenige Stunden später wich die Fassungslosigkeit der Empörung:

Diese Art von enthemmtem Journalismus legitimiert sich gern selbst durch die vermeintliche Pflicht, informieren zu müssen. Doch wie kann diese Information an einem solchen Abend aussehen? Archive werden durchwühlt, Formkrisen und Schicksalsschläge des Robert Enke bilden Resonanzräume, in die man gierig hinein lauscht. Gerüchte werden zu Fakten, Hypothesen zu Erklärungen. Aus der scherenschnittartigen Charakteristik der öffentlichen Person, die Robert Enke war, werden Diagnosen für eine private Person konstruiert, von der niemand, der sich daran beteiligt, behaupten kann, dass er sie kannte.

Mutmaßungen sind hier nichts als Anmaßungen. Niemand weiß, was in Robert Enke vorging.

Und noch einmal: Wer will es wissen? Und wen geht es an?