Schlagwort: Constantin Entertainment

Klatschvieh (1):
Frieren für Thomas Gottschalk

Von Freitag nächster Woche an moderiert Thomas Gottschalk eine neue Show auf RTL. Sie heißt „Back to School — Gottschalks großes Klassentreffen“, wird von der Firma Constantin Entertainment produziert, und die ersten Kritiken kann man schon im Netz lesen. Geschrieben von Leuten, die bei der Aufzeichnung in Berlin-Adlershof waren. Oder jedenfalls hätten dabei sein wollen.

In den Erfahrungsberichten des Kartenanbieters TwoTickets.de liest sich das etwa so:

Es war total schlecht. Wir mussten 45 Minuten in der Kälte warten, dann noch einmal 1:15 Std in einer Vorhalle, um schließlich zu hören, dass die Proben sich weiter verzögern und nicht feststeht, wann wir eingelassen werden. In diesem Augenblick reichte es uns endgültig, wir sind gegangen. Das werden wir nie, nie, nie wieder machen. Dies ist eine Warnung an alle!!

Oder so:

Wir standen seit ca 17.00 Uhr 1 Stunde vor dem Studio und dann insgesamt bis nach 19.00 Uhr im Foyer, ohne daß es konkrete Hinweise zum weiteren Ablauf gegeben hätte. Wir haben das Studio noch vor Beginn der Aufzeichnung verlassen.

So:

Frechheit und Unverschämtheit, was einem hier zugemutet wird!!! Nach langer Wartezeit in langer Warteschlange und klirrender Kälte öffneten sich wie von Gottes Gnaden die Foyertüren um 17:30 Uhr. Tröpfelnd langsam ging es hinein. Drinne gab es nur wenige Sitzplätze, wir standen 1 1/2 Stunden und warteten auf Einlaß ins Studio und daß es endlich losgeht. Nix! Keine Info – lautes Stimmengewirr, nix zu trinken, kein Snack. Wir sind gegangen. Nie wieder!!! Extrem schlechteste Organisation, totale Volksverarschung. Nie wieder!

Und so:

Es ist wohl üblich bei solchen Veranstaltungen das Publikum wie eine Herde zu behandeln und Stundenlang warten zu lassen. (…) Wir haben tapfer bis 19.00 gewartet (erstmal draußen im Kalten, dann im Foyer). Die ganze Zeit keine Sitzmöglichkeiten, kein Trinken, nur wenige Toiletten vorhaden und riesige Schlange davor. Nach der nächsten Durchsage: Es fänge in 20 min an, sind wir einfach gegangen..

Und auch so:

Die Veranstaltung an sich war prima. Nur die Organisation und der Ablauf war unglaublich schlecht. So wurden die Zuschauer fast eine Stunde bei Minusgraden draußen warten gelassen. Dann dauerte der Einlass sehr lange und bis man in das Studio eingelassen wurde, vergangen noch mal 2 Stunden, die man im Vorraum stehend verbringen musste.

Nun ist das vermutlich nicht gleich ein Fall für Amnesty International oder das Fernsehhilfswerk der Vereinten Nationen. Aber doch ein bisschen verblüffend: Denn die Funktion des Studiopublikums bei solchen Aufzeichnungen ist ja, sich sicht- und hörbar zu amüsieren. Man würde annehmen, dass es eine gute Idee wäre, diese Menschen so zu behandeln, dass sie davor oder dabei keine übermäßige Übellaunigkeit entwickeln.

Auf den Gedanken scheinen deutsche Fernsehproduzenten erstaunlich häufig nicht zu kommen.

Ich habe den halben Dezember an unwirtlichen Orten wie Hürth, Ossendorf und Adlershof verbracht und mir für das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ Fernsehen aus der Perspektive des Studiopublikums angesehen. Der Artikel ist am vergangenen Freitag erschienen und steht auch online.


Illustrationen: Philippe Petit-Roulet

In den nächsten Tagen will ich hier noch die eine oder andere Zugabe posten. Und vielleicht haben Sie ja auch tolle schlimme Dinge in Fernsehstudios erlebt und möchten sie gerne in den Kommentaren mit anderen teilen (per Mail geht natürlich auch). Ich kann allerdings nicht garantieren, dass das als Therapie von allen Krankenkassen anerkannt wird.

Volksverdummungsversuch gescheitert

Würde ich in einer der Esoterik-Redaktionen des Landes arbeiten, also zum Beispiel bei „Bild“, ProSieben oder N24, müsste ich nun natürlich grübeln, welcher „Fluch“ wohl gestern auf meinem Festplattenrekorder lag und verhinderte, dass er die Show „Uri Geller live: Ufos und Aliens“ aufnahm. (Daran, dass die Festplatte voll war, wird es ja nicht gelegen haben.)

Ich habe immerhin für ein paar Minuten reingeschaltet und festgestellt, dass ich mir das nicht angucken kann. Die dort zur Schau gestellte Dummheit und Lust am Versuch der Verdummung anderer übersteigt selbst meinen Masochismus und meine in vielen Stunden 9Live-Konsum eigentlich gestählte Leidensfähigkeit.

Aber der Peer hat es für „Spiegel Online“ durchgehalten:

Ein „Ufo-Forscher“ durfte erklären, woran man erkennt, dass ein Ufo-Video echt ist (wenn die Untertasse hinter Bäumen vorbeifliegt, weil das so schwer zu manipulieren ist). Autor Erich von Däniken („umstritten aber erfolgreich“) schilderte seine Theorie der Prä-Astronautik und dass die Menschen früher Sex mit Aliens hatten, weil sie sonst keine Pyramiden hätten bauen können. Und die überzeugte Ufo-Befürworterin Nina Hagen durfte ein Interview mit einem Herrn aus dem Untertassen-Absturzort Roswell beisteuern, der von sich behauptet, halb Mensch und halb Alien zu sein (Pyramiden hat er allerdings noch keine gebaut).

Und Thomas Lückerath vom Medienmagazin DWDL hat sich schön in Rage geschrieben:

Um mit Vorsatz und Anlauf auch gleich bleibend weitere Marken des Programms zu schädigen, hat man „Galileo“-Moderator Daniel Aminati in diesem pseudo-wissenschaftlichen Umfeld seine Glaubwürdigkeit demontieren lassen. Aminati stand während der Sendung – so hieß es zumindest – in einem Kontrollraum des wiederum tatsächlich existierenden Radio-Teleskop nahe der Stadt Evpatoria in der Ukraine – und durfte immer wieder betonend wie spannend und unheimlich alles sei. Extra eingespielte Ton- und Bildprobleme legten allerdings beinahe den Verdacht nahe, dass sich Aminati mit ein paar schlechten, Wissenschaftler darstellenden Schauspielern im Nachbarstudio aufhielt. (…)

Wer in der Öffentlichkeit kegelt, muss sich gefallen lassen, wenn andere die Punkte zählen. Deshalb muss die Kritikfähigkeit der Verantwortlichen und Beteiligten einigen Fragen standhalten. Herr Steiner, Herr Brock, wie kann man so etwas produzieren? Herr Proff, wie kann man so etwas über den Sender gehen lassen? Herr Gödde (Foto), wie kann man so etwas moderieren? Ob von diesen Herren irgendjemand den Anstand besitzt, sich von dieser Sendung zu distanzieren? Oder etwa die Dreistigkeit dies noch als Qualitätsfernsehen zu verteidigen?

Ich hatte gestern Abend einen ähnlichen Gedanken: Dass es bei diesen Privatsendern nicht einmal mehr jemanden gibt, den man mit den Fragen an diese Sendung konfrontieren könnte, wie man es vor ein paar Jahren noch ganz selbstverständlich für eine Medienseite getan hätte. Ich weiß gar nicht, ob ProSieben zum Beispiel überhaupt noch einen Chefredakteur hat. Und wenn es ihn gibt, bin ich sicher, dass er nichts sagen würde, was irgendwie von Belang und nicht nur erwartbares PR-Geschwätz wäre. Die Herren Steiner und Brock, die Lückerath anspricht, sind die Chefs der Produktionsfirma Constantin Entertainment. Die produzieren alles! Herr Gödde moderiert bei ProSieben sonst das Boulevardmagazin „taff“ und hat schon den „Next Uri Geller“-Unsinn präsentiert. Der moderiert alles!

Dass kaum eine ernsthafte Debatte über das perfide Sat.1-Sozialschmarotzerformat „Gnadenlos gerecht“ geführt wurde, lag auch daran, dass jedes ernst zu nehmendes Gegenüber fehlt: Mit wem bei dem Sender oder der Produktionsfirma würde man sich darüber auseinandersetzen können? Wollen?

Es gibt unter den Verantwortlichen bei den deutschen Privatsendern vielleicht noch eine Handvoll Leute, die die Frage überhaupt verstehen würden, wie man so etwas wie den Uri-Geller-Quatsch senden kann, und mit denen man ein Gespräch darüber führen könnte, wo die Unterhaltung aufhört und die gefährliche Volksverdummung anfängt. Die anderen machen halt, was sie machen, was gibt es da zu reden?

Aber die gute Nachricht des Abends lautet: Die Leute sind nicht halb so blöd wie ProSieben glaubt. Die Quoten waren außerunterirdisch. Auch in der jüngeren Zielgruppe sahen fast viermal soviele Menschen „Die Chroniken von Narnia“, die im Vergleich zur Geller-Show wie eine realistische Dokumentation wirkten.