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The Seehofers – Der Film

Vom Filmemacher Dieter Wedel hatte man auch schon länger nichts mehr gehört. (Okay, er bleibt bis 2011 Intendant der Nibelungen-Festspiele in Worms, bekommt bei einem Winzerfest den Weinkulturpreis der Stadt Alzey, des Landkreises Alzey-Worms, der Winzer der Wein- und Sektterrasse und der Allgemeinen Zeitung Alzey zuerkannt – und hat einen neuen Pudel namens Willy Billy Willy.) Im Februar zeigte das ZDF noch Wedels aktuellsten TV-Film „Mein alter Freund Fritz“, doch für Schlagzeilen taugte der offenbar (trotz eines Gastauftritts des niedersächsische Ministerpräsidenten Christian Wulff) nicht.

Nein, für Schlagzeilen sorgt der „Star-Regisseur“ seit Jahren immer dann, wenn wieder mal irgendeine Sau durchs Dorf getrieben wird. Kurz vor dem Ortsausgangsschild steht dann Wedel – und anderntags in den Zeitungen dies:

Der Regisseur Dieter Wedel will in einem Doku-Drama die letzten Tage Adolf Hitlers im Berliner Führungsbunker verfilmen.
(Quelle: „Hörzu“ im April 2003, unmittelbar vor der offiziellen Vorstellung des „Untergang“-Projekts von Bernd Eichinger)

Star-Regisseur Wedel denkt über Möllemann-Film nach
(Quelle: „Bild am Sonntag“ im Juni 2003, kurz nach dem Tod von Jürgen Möllemann)

Aufstieg und Niedergang Leo Kirchs will Dieter Wedel verfilmen
(Quelle: „Focus“ im Juni 2003, nach der Insolvenz der Kirch-Gruppe)

Star-Regisseur Wedel will Türck-Affäre verfilmen
(Quelle: „Bild am Sonntag“ im August 2005, kurz vor dem Prozess gegen Andreas Türck)

Wedel will Stoiber-Drama verfilmen
(Quelle: „Bild am Sonntag“ im Januar 2007, kurz nach der Rücktrittsankündigung Edmund Stoibers)

Dieter Wedel will die VW-Affäre verfilmen
(Quelle: „Hamburger Morgenpost“ im Februar 2007, kurz nach dem Urteil für Ex-VW-Manager Peter Hartz)

Star-Regisseur Dieter Wedel denkt (…) über die Verfilmung der „Menage à Trois“ von Horst Seehofer nach.
(Quelle: „Bunte“ im August 2007, kurz nach dem „Bunte“-Interview mit Seehofers Ex-Geliebter)

Die Berliner Boulevardzeitung „B.Z.“ berichtet heute ebenfalls über die
Seehofer-Pläne, nennt Wedel aber nicht „Star-„, sondern bloß „Ich-verfilme-alles-Regisseur“.

Mit Dank an diverse BILDblog-Leser für die Anregung.

Eine deutsche Geschichte

Eigentlich mag ich es nicht, wenn man von Dingen redet, die „typisch deutsch“ seien. Erstens lehne ich Verallgemeinerungen grundsätzlich ab, und zweitens gibt es sicher auch andere Völker auf diesem Planeten, die mindestens ebenso spießig, Fortschritts-skeptisch, ahnungslos ihrer eigenen Gesellschaftsform gegenüber, und schlecht gekleidet sind. Und doch komme ich mitunter nicht umhin, Dinge selbst für „typisch deutsch“ zu halten.

Diese Meldung zum Beispiel: Der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, beschwert sich laut „Spiegel“ (Artikel online natürlich nicht verfügbar) in einem Brief an MDR-Intendant Udo Reiter, dass der MDR einen Fernsehfilm in Auftrag gegeben habe, in dem sich eine DDR-Oppositionelle im Stasi-Gefängnis in ihren Verhörer verliebe. Knabe kündigt schon mal vorsorglich Proteste von Opferverbänden gegen die Ausstrahlung an und greift dann zum Totschlagargument: Der Film verharmlose die Tätigkeit der Stasi.

Da der Film „für 2008 in der ARD geplant“ ist, können wir davon ausgehen, dass Herr Knabe ihn nicht gesehen hat, da es ihn noch gar nicht gibt. Das macht nichts, denn „Sachen im Vorfeld kritisieren“ ist eine Disziplin, in der die Deutschen derart Weltmeister sind, dass von den Chinesen ausnahmsweise keine Gefahr droht. Man kann alles kritisieren: Bücher, die noch niemand gelesen hat; Gesetzesentwürfe, die noch niemand eingereicht hat, selbst zusammengereimt aus Passagen eines Politiker-Interviews, das noch gar nicht veröffentlicht wurde; und natürlich das Wetter in drei Wochen, wenn man in Urlaub fahren möchte, an einen Ort, an dem man noch nie war, den man aber sicher doof finden wird.

Es kann kein Zufall sein, dass es in keiner mir bekannten Sprache ein Äquivalent zum deutschen Wort „Bedenkenträger“ gibt, wobei das Wort an sich schon eine Menge aussagt: der Brite trägt Melone, der Italiener Goldkettchen, der Franzose ein Baguette unterm Arm und der Deutsche eben Bedenken. Läuft eine Fernsehsendung wie „Big Brother“ in Deutschland an, hyperventilieren Politiker den Untergang des Abendlandes herbei. Ich stelle mir dann immer einen Stammtisch im Berliner Regierungsviertel vor, wo sich Weltuntergangspropheten überparteilich ihrer Sympathie füreinander versichern und bitterlich darüber weinen, dass sich ein Typ wie Tom Cruise nicht mal von deutschen Politikern einen 80-Millionen-Dollar-Film ausreden lässt (worüber ich bei mir schon mal geschrieben hatte). Es ist aber auch zu dreist von diesen Amerikanern, dass sie eine ur-deutsche Helden-Geschichte verfilmen wollen, denn bei ihrer Geschichte verstehen Deutsche noch weniger Spaß als bei Volksmusik- oder Comedysendungen.

Vielleicht liegt das Problem auch hier in der Sprache: „Geschichte“ kann ja Erzählung (story) und Historie (history) sein – da kommt man schon mal ebenso schnell durcheinander wie der Vater, der seinem Jungen erklären muss, dass Oma zwar jetzt „im Himmel“ (heaven) sei, aber sie trotzdem nicht runterfalle, wenn der Himmel (sky) wolkenfrei sei. Und so scheint die Botschaft, dass Literatur, Film und Bildende Kunst eben nicht die Wirklichkeit (egal ob vergangene, gegenwärtige oder zukünftige) abbilden, noch nicht bei jedem angekommen. Das führt dann zu Diskussionen darüber, ob eine Romanze vor einem historischen Hintergrund nicht doch eine „nachträgliche Erfindung“ sein könnte – als ob das auf den tatsächlichen Schrecken in der DDR eine Auswirkung hätte.

Billy Wilders fantastische Ost-West-Komödie „Eins, zwei, drei“ ist keine Verharmlosung der deutschen Teilung, obwohl ihr mitten im Dreh ausgerechnet der Bau der Berliner Mauer dazwischen kam. Und auch wenn „Valkyrie“ mit Tom Cruise und „12 heißt: Ich liebe dich“, der jetzt diskutierte MDR-Film, sicher nicht mit „Eins, zwei, drei“ vergleichbar sein werden, sind sie doch alle drei Spielfilme, die von Menschen gemacht wurden und werden, denen man ausreichend geistige Reife für ein solches Projekt unterstellen kann. Die Gefahr von „Verharmlosungen“ droht wohl eher da, wo man Filmprojekten, die schon in zehn Jahren vergessen sein werden, eine ähnliche Aufmerksamkeit beimisst wie der Aufarbeitung der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte.