Schlagwort: Helmut Mauró

James Lasts flauschige Subdominante

Was schenkt man jemandem, der schon alles hat?

James Last, der am Freitag seinen 80. Geburtstag feierte, hat, nach allem was man weiß: Wohlstand, ein Haus in Florida, familiäres Glück, beruflichen Erfolg. Aber ein Text, wie ihn ihm Helmut Mauró in der „Süddeutschen Zeitung“ schenkte, ist zuvor bestimmt noch nicht über ihn verfasst worden.

(…) Der Titelsong „Happy Heart“ löst dann tatsächlich auch ein, was ein glückliches Herz ausmacht; zumindest einen bestimmten Typus davon: Der E-Bass, der später mehr grunzt als rülpst, da unterscheidet sich James Last doch ein wenig vom Hard Rock, macht zunächst das Trampolin, auf dem zwei kleine Bongos Luftsprünge vollführen, vom zweigestrichenen g aus schleimt sich die E-Gitarre chromatisch vermindert nach unten und landet unausweichlich in C-Dur. Fröhlichkeit pur, noch bevor der Song überhaupt begonnen hat. Nun kommt das volle, bei James aber immer gut durchgelüftete Schlagzeug hinzu, federnden Schrittes wie immer, dazu schleift die E-Gitarre die Melodietöne von unten an, zieht sie streng nach oben, sodass kleine Quiekgeräusche entstehen — ein fröhliches Quieken glücklicher Schweine. Endlich stimmt das E-Piano die Melodie an. (…)

Falls Sie das jetzt trotz dieser genauen Beschreibung nicht unmittelbar in den Ohren haben: Bitteschön.

Über die schon seit ein paar Takten chromatisch anvisierte Septe im Bass, also dem Sekundakkord, fällt das so beinahe klar erreichte D-Dur in die flauschig ausgebreitete Subdominante, das reine G-Dur, das ein bisschen nach frischem Heu riecht und sich anfühlt wie die heißen Steine beim Masseur. Es ist exakt jene Du-Darfst-Erotik, dieses Wassertreten ohne Reue, die etwas einlöst, was es sonst nur als Werbeversprechen gibt: Glück ohne Abgrund, Wurst ohne Fett, Liebe ohne Schmerz. (…)

Über 200 Zeitungszeilen (bzw. eine fünfteilige Bilderstrecke) geht das so, bis der Artikel nach einzelnen zeitgemäßen subdominantischen Schlenkern und synkopisch versetzten Metren entschlossen das Lenkrad herumreißt hin zum zweigestrichenen K der Kryptik und mit den Sätzen endet:

Es sind erlesen skurrile Momente im Meer des Glücks, in dem manche oben schwimmen und andere sofort ertrinken. Beides möchte man nicht.

Ich habe den Text jetzt dreimal gelesen und bin trotzdem kein bisschen schlauer, ob er ernstgemeinte musikwissenschaftliche Analyse eines Lebenswerkes sein will oder Parodie darauf. Oder ob es sich um eine Geburtstagsgirlande handelt, deren Witz darin besteht, sich ausgerechnet dem Meister des seichten Happy-Sounds mit dem filigranen Handwerkszeug des detailversessenen Kritikers klassischer Musik zu widmen.

In jedem Fall: grandios gaga. Schwimmen wir also einfach mit im Meer des Glücks, mit genügend Puste, um vor dem Ersaufen noch ein paar seltene Tiefsee-Skurrilien auflesen zu können.

Weiter mit Musik.