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Demagogie und Journalismus

Natürlich hätte man sich denken können, wie sich das anhört, wenn eine Ministerin das Thema Kindesmissbrauch zu Wahlkampfzwecken missbraucht. Wenn sie sich als Retterin geschundener Kinderseelen aufspielt und mit dem Päckchen, das sie sich zum Thema Kinderpornographie und Internet geschnürt hat, über die Dörfer zieht, mit all den Lügen und Halbwahrheiten, der kalkulierten Emotionalität und den irreführenden Appellen an den vermeintlich gesunden Menschenverstand. Natürlich hätte man sich denken können, dass das kein schöner Anblick ist, insbesondere, wenn die Rednerin auf eine schreckliche Weise gut ist, wenn sie es schafft, dass die Zuschauer mit dem Tremolo in ihrer Stimme mitschwingen und keine Sekunde auf den Gedanken kommen, dass irgendjemand irgendetwas gegen das sagen könnte, was die sympathische Frau hinter dem Pult sagt und tut und fordert.

Und trotzdem fand ich es schockierend, den Auftritt von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Montag in Sulzbach zu sehen:

Das ist das, was man Demagogie nennt.

Und jetzt kommt das, was man sich Journalismus nennt.

Die „Saarbrücker Zeitung“ berichtet über die Veranstaltung:

Sympathische Frau begeistert Sulzbacher

(…) Am Montagabend war die Kämpferin für eine neue Familienpolitik in Deutschland zu Gast in Sulzbach. In der Aula warteten 300 Gäste auf die „sympathische Revolutionärin“, wie von der Leyen gerne bezeichnet wird. Die Gruppe The Angels spielte den Titel „a beautiful day“, als die Ministerin pünktlich um 20 Uhr an der Aula eintraf. (…) Der [Festsaal] war rappelvoll und prächtig geschmückt. Das hatten die Damen der CDU-Frauen-Union erledigt. „Wir sind von dieser tollen Resonanz überwältigt“, freute sich [Innenminister] Klaus Meiser (…).

45 Minuten erläuterte die Ministerin dann ihre Thesen zur Familienpolitik. Am Ende ihres engagierten Vortrages gab es minutenlang Beifall von den Gästen. Alle waren begeistert von der Ministerin. „Eine sehr sympathische Frau“, so die überwiegende Meinung. Der Sulzbacher CDU-Chef Michael Adam überreichte Ursula von der Leyen noch einen Blumenstrauß – und weg war die Politikerin. Um 21.30 Uhr war noch ein Termin, der letzte an diesem Tag im Saarland. Es sah nicht so aus, als mache ihr der Terminstress etwas aus. Mit einem Lächeln im Gesicht stieg die 50-Jährige in den grauen Audi mit Berliner Kennzeichen.

(Argumente gegen Ursula von der Leyen und ihren Propaganda-Feldzug bei Thomas Stadler, „c’t“, netzpolitik.org.)

[via Ralf Schwartz]

Gefährliches Halbwissen

Es ist, wie immer, alles noch schlimmer. Der traurige Versuch einer „Spiegel“-Redakteurin, in der ohnehin unwürdigen Presseschau-Rubrik des „ZDF-Morgenmagazins“ die Titelgeschichte des Blattes zum Thema Recht im Internet zu erklären, der als YouTube-Video seit einigen Tagen die Runde macht — das war ihr wacher Auftritt.

Dies hier ist ihr Auftritt in derselben Sendung, zum selben Thema, eine gute Stunde zuvor:

Ich weiß nicht, ob diese Sprach- und Haltlosigkeit repräsentativ für die Redaktion des Nachrichtenmagazins ist. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass genau diese Mischung aus halb verstandenen Schlagworten und nicht verstandenen Zusammenhängen für einen Großteil der Bevölkerung exakt das ist, was von den Diskussionen der vergangenen Wochen und der „Spiegel“-Titelgeschichte hängen geblieben ist.