Schlagwort: Shitstorm

Waterboarding für den gemeingefährlichen Irren! Deutsche Journalisten über Claus Weselsky

Böser noch als Yanis Varoufakis ist natürlich Claus Weselsky. Mein Kollege Tobias Rüther hat für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ Wortmeldungen deutscher Journalisten über den GDL-Chef gesammelt. Es ist ein beeindruckendes Dokument, das man vielleicht auch bei der nächsten Diskussion hervorholen könnte, in der sich Journalisten darüber beklagen, was für ein schlimmer, unsachlicher Pöbelton im Internet herrscht. Es bestärkt den Verdacht, dass das eigentliche Problem, das viele Journalisten mit sogenannten Shitstorms haben, darin besteht, dass sie das Monopol darauf verloren haben.

Eine kleine Auswahl:

Irrlichternd bewegt sich Claus Weselsky durch die Welt, die für ihn eine Bühne ist – bei seinen öffentlichen Auftritten immer mehr ähnelnd jenem „großen Diktator“ aus Charlie Chaplins Schwarzweißfilm – und riesigem Erfolg aus dem Jahre 1940. Irgendwie zum Lachen, aber bitter, sehr bitter. Verwurzelt ist der Chef der Loklenkergewerkschaft GDL natürlich nicht in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern eher in den östlichen sechziger oder siebziger Jahren desselben. Was es damals an Streikrecht in der DDR nicht gab (brauchte ja auch keiner im Arbeiterparadies), will der Dresdner nun mit Gewalt nachholen. Wozu hat er all die politischen Seminare gemacht und die Kampfkraft der proletarischen Massen studiert? Da müsste doch nun im Westen mal mindestens der Ehrentitel des Größten Lokführers aller Zeiten herausspringen.

Reinhard Schlieker, ZDF, in seiner Kolumne für „Börse am Sonntag“.
 

#Weselsky ist die ideale Kombination aus SED-Borniertheit und DGB-Hochmut. So findet im 25. Jahr der Einheit zusammen, was zusammengehört

Jan Fleischhauer („Spiegel“) auf Twitter.
 

Würde den Herrn Weselsky ja gerne mal einem Waterboarding unterziehen – allerdings: Bei diesen Zugtoiletten …

Günter Klein („Münchner Merkur“) auf Twitter.
 

Seit 90 Minuten aufm Heimweg. Um es auf den Punkt zu bringen: dem #Weselsky haben sie ins Hirn geschi…!

Florian Witte („Bild“) auf Twitter.
 

Ich sag’s ja nur ungern. Aber dem wahnsinnigen Weselsky sind jetzt alle Sicherungen durchgebrannt. Wer stoppt den gemeingefährlichen Irren?

Christian Deutschländer („Münchner Merkur“) auf Twitter.
 

Der Mann hat es geschafft, innerhalb weniger Monate einen Sympathiewert zu erreichen, der irgendwo zwischen Darth Vader und dem griechischen Finanzminister pendelt. Sollte seine Mission sein, als unbeliebtester Deutscher des neuen Jahrtausends prämiert zu werden, kommt der Mann mit dem sächsischen Dialekt gut voran. Es steckt eben eine Menge Esel in Weselsky. Ich wünsche ihm, dass er bald abgesetzt wird und nur noch daheim mit seiner Lego-Lok Streik spielen kann.

Jürgen Schwandt in der „Hamburger Morgenpost“.
 

Die Geißel des Landes (#GDL) schlägt heute wieder zu. Wer stoppt den Terror des Kommandos Claus #Weselsky? #Bahnstreik

Franz W. Rother („Wirtschaftswoche“) auf Twitter.
 

GDL-Chef Claus Weselsky ist nicht einfach nur der Buhmann. Der Mann hat ein psychologisches Problem. Er braucht Hilfe.

Christoph Rottwilm online im „Manager Magazin“.
 

Claus Weselsky, man muss das leider so krass sagen, führt sich auch im reichlich gesetzten Alter von 55 Jahren nicht wesentlich anders auf als das kleine Arschloch der großen Pause, dem es irgendwann gleichgültig zu sein scheint, dass ihn keiner mag. Er legt es regelrecht darauf an, zur Hassfigur Nummer eins der Republik zu werden. Mister 109 Stunden. Der Mann, der für seine Ziele die Republik stillstehen lässt. So etwas maßt sich sonst keiner an. Wahrscheinlich empfindet sich Weselsky als so etwas wie ein Freiheitskämpfer. Aber das tun die Salafisten auch.

Andreas Hoidn-Borchers auf stern.de.

Wie es sich liest, wenn sich „Die Zeit“ einmal fast ein bisschen korrigiert

Ich habe vorhin etwas Verrücktes gemacht. Ich habe mir die neue Ausgabe der „Zeit“ gekauft, um nachzusehen, ob darin etwas über den Nazi-Vergleich der Vorwoche steht. Ob die angesehene Wochenzeitung in irgendeiner Weise auf die Kritik daran eingeht, dass ihr Herausgeber Josef Joffe meinte, eine Online-Petition gegen einen öffentlich-rechtlichen Moderator sei das heutige Pendant zum „Kauft nicht beim Juden!“ der Nationalsozialisten in den dreißiger Jahren. Oder ob die angesehene Wochenzeitung wenigstens Joffes Behauptung korrigiert, man könne „‚Shitstorm-Pakete‘ in den Größen von S bis XL“ kaufen, zum Preis „von 5000 bis 20.000 Euro“.

Das Geld hätte ich mir sparen können.

Ich muss mich allerdings in einem Punkt korrigieren.

Joffe hatte die Sache mit der „Shitstorm-Agentur“ ja mutmaßlich aus der „Zeit“. Sein Kollege Peter Kümmel hatte dort vor einem Jahr über ein entsprechendes Unternehmen namens „Caveman“ berichtet, das sich später als Fake herausstellte. Die „Zeit“ hätte ihre Leser nicht darüber informiert, dass sie ihnen eine Ente serviert hatte, schrieb ich.

Das stimmt nicht ganz. In Wahrheit hat Kümmel zwei Wochen nach seinem Original-Artikel noch einmal über „Caveman“ berichtet. Der Text geht so:

Die schönsten Märchen handeln davon, dass sich eine böse in eine gute Macht verwandelt. Zum Beispiel: Aus dem feuerspeienden Drachen wird ein sanftes Wesen. So ein Märchen wird hier erzählt.

Kürzlich berichteten wir in diesem Blatt über einen modernen feuerspeienden Drachen, nämlich über den Shitstorm — also über Menschen, die sich im Internet zur Hetzmeute formieren und sozusagen vermummt über einen unvermummten Einzelnen herfallen (ZEIT Nr. 14/13). Bei der Recherche zu diesem Text begegnete uns auch der für ein gutes Märchen unbedingt erforderliche böse Zauberer. Der böse Zauberer hatte seinen Sitz in einer durchaus angesehenen Eventagentur namens Caveman, zu deren Dienstleistungen es gehörte, Shitstürme zu erzeugen (…).

Andere Zeitungen interessierten sich für den bösen Zauber. Am 5. April interviewte die Süddeutsche Zeitung den Sturm-Magier persönlich, einen Herrn namens Oliver Bienkowski, er ist der Chef der Agentur Caveman. Herr B. erklärte, dass er seine Shitstürme mit der Hilfe armer Menschen säe — er setze Obdachlose an PCs und lasse sie die ganze Arbeit tun. (…)

Noch am selben Tag aber wurde aus dem bösen Zauberer ein wohltätiger Prinz: Herr B., kaum war das Interview in der Welt, verkündete, er betreibe keine Shitstorm-Fabrik, er habe das alles nur erfunden, um die Öffentlichkeit auf die Nöte von Obdachlosen hinzuweisen.

Wir fragen uns nun: Was wäre passiert, wenn nicht eine Zeitung (also wir) die Sache öffentlich gemacht hätte? Was, wenn stattdessen ein Kunde gekommen wäre und der Agentur Caveman den Auftrag gegeben hätte: Lasst einen Shitstorm los! Wie hätte der Zauberer gehandelt? Hätte er mitgespielt? Hat der Shitstorm sich erst im Licht der Öffentlichkeit in einen guten Sturm verwandelt?

Nein, das halten wir für ausgeschlossen! Herr B. hat das Böse vorgetäuscht, um das Gute zu bewirken. Die kleine Geschichte kann einem den Glauben an die Menschheit wiedergegeben. In jedem Shitstorm steckt nämlich ein Aufschrei, ein gemeinschaftlicher Schmerz — ein Flehen um Güte und Mitgefühl. Man muss nur versuchen, es im Sturmgeheul zu hören.

Ich habe diese Zeilen jetzt mehrmals gelesen, und ich möchte nicht ausschließen, dass man in ihnen, wenn man sich erfolgreich durch den dichten Dschungel aus Geschwurbel und Metaphern kämpft, so etwas Ähnliches wie eine Ahnung von einer Annäherung an eine Korrektur findet.

Mehr kann man von dieser Zeitung offenbar nicht erwarten. Auch nicht, dass sie den Fehler ihres Herausgebers korrigiert, der auf eine Ente seine Blattes hereingefallen ist und womöglich auch auf die Art, wie sie ihn (nicht) korrigiert hat. Und auch nicht, dass sie dem alten Artikel im Internet einen Hinweis hinzufügt, dass er in einem entscheidenden Punkt falsch ist.

In der „Zeit“ stehen kluge, lesenswerte Texte. Und für die „Zeit“ arbeiten Menschen, deren Arbeit ich sehr schätze. Aber die „Zeit“ scheint nachhaltig geprägt von einer bestürzenden Kultur der irgendwie bildungsbürgerlich gemeinten Überheblichkeit und Abschottung, kombiniert mit bräsiger Selbstzufriedenheit. Vermutlich deshalb fällt es ihr so schwer, mit Kritik und Fehlern umzugehen. Und mit Phänomenen wie einer Online-Petition, mit der irgendwelche dahergelaufenen Menschen, von denen man nicht einmal weiß, ob sie Hochschulabschluss haben, Gehör und Aufmerksamkeit finden.