Anke Engelke

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Man vergisst irgendwann, wie ungewöhnlich es ist, dass ausgerechnet
Anke Engelke auf dieser Bühne steht: eine Sat.1-Frau als Gesicht der wohl wichtigsten Show des Ersten Deutschen Fernsehens seit vielen Jahren. Man vergisst es, weil man sich beim besten Willen niemanden vorstellen kann, der hier an ihrer Stelle stehen sollte. Sie wirkt wie die geborene Moderatorin des Eurovision Song Contest, selbst wenn das eher wie ein Fluch denn wie ein Kompliment klingen mag.

Sie hatte — bei den Proben, den Halbfinalen und dem sogenannten „Jury-Finale“ am Freitagabend, auf dessen Grundlage die Juroren in den 43 Ländern ihre Punkte abgeben — neben Judith Rakers und Stefan Raab eine fast unerhört gute Laune. Sie schaffte es scheinbar mühelos, die Rolle der würdevollen Gastgeberin mit Momenten des Slapstick oder auch nur des Augenzwinkerns zu mischen. Sie erstarrte nicht auf dieser großen Bühne mit dem engen Ablauf-Korsett, sondern erspielte sich kleine Freiräume, in denen sie ihre Begeisterung für diesen Wettbewerb zeigen konnte. Sie tanzte ausgelassen albern zu den Titeln, die es ins Finale schafften, und konnte spontan den italienischen Beitrag singen, als der (zufällig bestimmt) in der Generalprobe gewann. Sie jonglierte mit Namen und Sprachen, Haltungen und Rollen. Und wenn es nötig war und zum Beispiel eine Schaltung nicht funktionierte oder einer der Menschen, die die Punkte verlasen, sich im Versuch witzig zu sein verhedderte, konnte sie auch ein geduldiges Standard-Moderatorinnen-Lächeln einrasten lassen. Wer weiß, vielleicht hat sich da die Erfahrung als Volksmusikmoderatorinnenparodie Anneliese Funzfichler sogar ausgezahlt. Es ist jedenfalls ein großer Schatz an Charakteren, aus dem sie da auf der Bühne schöpfen kann. Dazu kommt offensichtlich noch das ganz eigene, private Fantum.

Sie scheint sich so zuhause zu fühlen auf dieser Bühne, dass man sich fast mit Gewalt daran erinnern muss, dass sie — anders als eben ihre Anneliese Funzfichler — gar nicht schon seit Jahrzehnten dauernd als Gastgeberin großer Fernsehshows auftritt. Warum ist das eigentlich so? Wieso hat diese Frau keine eigene Samstagabendshow, in der sie prominente und nicht-prominente Gäste empfängt und mit ihnen singt und herumalbert, mit Glamour und großer Pose, aber auch den komödiantischen Brüchen, die eine solche Rolle heute bräuchte?

Sie müsste sofort für Gottschalks Nachfolge bei „Wetten dass“ verpflichtet werden — außer, dass das natürlich ein Job ist, den man womöglich gar nicht haben möchte. Vielleicht könnten wir uns für den Anfang und darauf einigen, dass sie jetzt jedes Jahr den Eurovision Song Contest moderiert. So als Mindestforderung.

Schlaflos in Düsseldorf (2)


Foto: Imre Grimm

Es ist dann, wie das Foto vom Anfang der Woche anschaulich illustriert, doch gut, dass morgen alles vorbei sein wird. Aber vorher läuft dann endlich das Finale des Eurovision Song Contest, von dem Thomas Lückerath schreibt: „Eine spektakulärere Show hat das deutsche Fernsehen noch nicht gesehen“, was überschwänglich klingen mag, aber doch nur stimmt.

Wenn man sich nur ein bisschen für Fernsehunterhaltung interessiert, muss man das gesehen haben. Was Florian Wieder, Jerry Appelt und all die anderen mit der LED-Wand, dem Licht, der Bühne und ungezählten, sagen wir: Wunderkerzen zaubern, ist einmalig. Tobi Baumann (der uns als Regisseur unseren BILDblog-Werbespot geschenkt hat), hat etwas kitschige, aber zauberhafte Postkarten aus Deutschland produziert. Stefan Raab zeigt in den ersten, atemberaubenden Minuten seine Entertainer-Qualitäten, Judith Rakers hat schöne Moderationsmomente, Anke Engelke ist überragend als Gastgeberin und Punkteeinsammlerin. Jan Delay wird den Saal rocken. Und spätestens, wenn die große Wand aufgeht und den Green Room mit den Künstlern zum Teil der Halle macht, wird klar, dass es den Verantwortlichen und Kreativen nicht nur darum ging, etwas Großes zu machen, sondern etwas Besonderes.

Man wird nach der Veranstaltung kritisch über die Art der Zusammenarbeit mit Brainpool reden müssen — nicht nur, weil sie in einem unguten Maße die Berichterstattung im Fernsehen dominierten –, aber ich bin sicher, dass Deutschland als Gastgeber nach diesem Abend gewonnen haben wird.

Wer den Wettbewerb gewinnen wird, vermag ich beim besten Willen nicht zu sagen. Über Finnland würde ich mich am meisten freuen, Italien wäre sensationell, Serbien sympathisch, Aserbaidschan als Reiseziel fürs nächste Jahr der Hammer, und wenn Lena es allen zeigte und noch einmal gewönne, wäre das eine grandiose Pointe. Wirklich ärgern würde ich mich nur, wenn am Ende die blöden Poser aus Dänemark mit ihrem Blümchen-Song vorne liegen (was womöglich gar nicht unwahrscheinlich ist).

Was auch kommt, es wird morgen in der vierzehnten und vorerst letzten Folge von Duslog.tv zu sehen sein. Und schon heute Abend bloggen wir wieder live aus dem Pressezentrum. Jetzt lege ich mich noch eine Stunde hin und wünsche: Gute Unterhaltung!

Als der Song Contest noch Song Contest hieß

Es hätte ein großer Abend werden können, gestern in der Düsseldorfer Tonhalle. Der WDR hatte geladen und sein Sinfonieorchester mitgebracht. Heldinnen und Helden der Grand-Prix-Geschichte wie Mary Roos, Ingrid Peters, Katja Ebstein und Johnny Logan waren gekommen, um die Klassiker aus dem Wettbewerb noch einmal live und im Orchester-Arrangement zu singen und sich feiern zu lassen, von der dankbaren, treuen Fangemeinde.

Es sind große, unvergessene Schlager: „Wunder gibt es immer wieder“, „Nur die Liebe lässt uns leben“, „Über die Brücke gehn“, „Aufrecht gehn“… Das Publikum sang begeistert mit, nahm raunend zur Kenntnis, was für eine coole Sau Nino de Angelo ist, der Toto Cutugnos „Insieme“ interpretierte, und freute sich über die groovende Swing-Nummer, die Guildo Horn aus Michelles „Wer Liebe lebt“ machte und die sogar Versatzstücke von Monty Pythons „Always Look On The Bright Side Of Life“ enthielt. Die Künstler strahlten, als hätten sie seit Jahren nicht mehr einen solchen Zuspruch erfahren (was womöglich stimmt), und ließen sich zu der frenetisch geforderten Zugabe überreden.

Es hätte ein großer Abend werden können — sogar trotz Ralph Morgenstern, der ihn zu moderieren versuchte — nostalgisch natürlich, aber mitreißend. Aber diese „Grand Prix Classics“ waren nicht nur ein Begleitprogramm zur Finalwoche in Düsseldorf; sie waren auch ein Gegen-Programm. Sie wurden zu einer Demonstration derjenigen, die sich gegen die Modernisierung sträuben, die der Wettbewerb in den vergangenen gut zehn Jahren erlebt hat und in deren Geist auch das Finale von Düsseldorf stattfindet. Sie sehnen sich nach dem zurück, was der Grand Prix einmal war, oder genauer: wozu sie ihn verklärt haben.

Das fängt schon an mit dem auch und insbesondere unter Journalisten nicht ausrottbaren Irrglauben, die Veranstaltung heiße erst seit kurzem „Eurovision Song Contest“. Dies ist die Schrifttafel zu Beginn des vermeintlichen „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ 1983 in München:

Warum es überhaupt besser sein soll, den Liederwettbewerb im Deutschen mit einem französischen Namen zu benennen, erklärt sich vermutlich aus der Ablehnung des Englischen als böse, böse Sprache, die alle anderen (und nicht zuletzt die deutsche) aufzufressen drohe.

Entsprechend die andere Klage, die immer wieder erklingt: Dass die Länder beim Grand Prix nicht mehr wie früher™ in ihrer Landessprache singen müssen. (Diese Regel galt übrigens keineswegs von Anfang an und gab es auch in den siebziger Jahren zeitweise nicht.)

Beim WDR-Abend in der Tonhalle verhedderte sich Katja Ebstein heillos beim Versuch, gegen das Singen auf Englisch zu plädieren.

Katja Ebstein: Ich finde, intelligente Menschen können auch gut auf deutsch singen. (Demonstrativer Recht-hat-sie-Beifall aus dem Publikum.) Auch wenn es nicht so geschmeidig ist wie das Englische. Wir wollen was erzählen. Und die Menschen, die da zuhören, zumindest in unserem Land, brauchen das Deutsche, weil sie dem Text der Geschichte sonst nicht folgen können. Und ich finde, wenn man die Beliebigkeit sieht – wir haben gestern mal reingeschaut, in diese Vorconteste da, die singen jetzt alle, ob Russen, Türken, wer auch immer, alles singt englisch. Kein Mensch hört mehr auf die Geschichten, weil die es ja gar nicht hören können, verstehen können, bis auf eine Zeile. Das ist zuwenig.

Ralph Morgenstern: Aber es ist doch ein internationaler Wettbewerb.

Katja Ebstein: Macht doch nichts.

Also, ich persönlich verstehe eventuelle Geschichten in den russischen, türkischen und aserbaidschanischen Beiträgen besser, wenn sie mir auf englisch erzählt werden statt in der jeweiligen Landessprache. Wenn Verständlichkeit das Argument wäre, wäre es ein Argument dafür, alle auf englisch singen zu lassen.

Natürlich hat Katja Ebstein Recht, wenn sie die Gefahr der Beliebigkeit anspricht. Natürlich ist es merkwürdig, wenn ein Land wie Aserbaidschan Beiträge schickt, die moderner, internationaler und, mutmaßlich, unaserbaidschaniger klingen als alle anderen im Wettbewerb. Aber sagt uns das nicht mehr über das Land und wie es sich der Welt darstellen will als ein aserbaidschanischer Chanson?

Wenn es – jenseits der unfreiwilligen Komik, die allein einen solchen Wettbewerb aber nicht über 55 Jahre am Leben erhalten hätte – etwas gibt, das den Eurovision Song Contest faszinierend macht, dann doch das: Dass man sehen kann, wie sich Künstler aus verschiedenen Ländern auf dieser Bühne präsentieren, und interpretieren kann, was das über diese Länder aussagt. Und während der Punktevergabe kann man auch noch spekulieren, warum wer wem Punkte gab, und was das wiederum über Europa aussagt.

Der Grand Prix lebt von seiner Vielfalt. Er ist für Länder wie Aserbaidschan und Armenien der Versuch, sich mithilfe von Popmusik als moderne Länder im westlichen Sinne darzustellen. Er ist für Länder wie Griechenland und die Türkei immer wieder ein Anlass, neue Verknüpfungen von traditionellen einheimischen Rhythmen mit internationalem Pop zu suchen. Die Franzosen kommen in diesem Jahr mit einem Tenor, der auf korsisch singt, und glauben, dass gerade das die perfekte Kombination ist um mal wieder weit vorne zu landen. Und wer weiß, womöglich haben sie recht? (Ich glaube nicht.)

Dieser Wettbewerb soll besser sein, wenn man den Ländern vorschreibt, in welcher Sprache sie zu singen haben, und möglichst auch noch, dass für uns exotische Völker gefälligst für uns exotisch klingende Musik von zuhause mitbringen müssen? Wie kleingeistig.

Es sind jedes Jahr viele merkwürdige Beiträge dabei, was kein Wunder ist, denn es handelt sich um einen merkwürdigen Wettbewerb. Ein europäisches Wettsingen — was für eine grandiose Quatschidee. Natürlich geht es dabei nicht nur um die Qualität von Musik (als ob die sich irgendwie objektiv messen ließe), es geht um Sympathien gegenüber Künstlern, Auftritten und Nationen, es geht um Entertainment und es geht darum, wer es schafft, den Funken überspringen zu lassen und die Herzen der unterschiedlichsten Menschen vor den Bildschirmen zu erreichen, und sei es nur für exakt drei Minuten.

Natürlich kann man sagen, dass diesem Großereignis jede Relevanz fehlt, aber trifft das nicht auf alle Unterhaltung zu, nicht zuletzt auf Fußball? Ich habe das schon vor über zehn Jahren mal in einen Artikel geschrieben, aber das Gefühl, es täglich wieder irgendwohin schreiben zu müssen. Der Grand Prix ist — wie Fußball — exakt so wichtig, wie man ihn nimmt:

Fußball ist unser Leben, und der Grand Prix auch. Nicht für dieselben Leute, klar, auch nicht für ganz so viele, aber doch. Der europäische Schlagerwettbewerb ist genau so unendlich wichtig wie eine Europameisterschaft. Und natürlich genau so unendlich egal. Aber erheben sich vor dem Endspiel oder nach einem 0:3 gegen Kroatien mahnende Stimmen, die sagen: „Regt Euch ab, ist doch nur Fußball?“ Also.

Aber ironischerweise kann man, wenn man ihn dann wichtig nimmt, den Grand Prix, viel Spaß haben. Oder, natürlich, sich in seiner eigenen Engstirnigkeit einmauern. Und so sitzen sie da, die alten Grand-Prix-Knacker in der Tonhalle in Düsseldorf, und jammern, dass alles nicht mehr so „gemütlich“ ist, wie es vor 40 Jahren war, als ob irgendetwas anderes noch so „gemütlich“ wäre wie vor 20, 30, 40 Jahren. („Gemütlich“ ist auch nicht das erste Wort, das mir einfiele, um etwa die Anmutung des Song Contest 1983 in München zu beschreiben). Sie klagen, dass es kein Orchester mehr gibt, was tatsächlich schade ist – andererseits aber auch nur reflektiert, dass moderne Musik heute nicht von Orchestern gespielt wird. Und überhaupt ist ihnen das alles nicht geheuer. Und dann kommt natürlich, wie immer, der Hinweis, dass es sich nicht um einen Sänger-, sondern einen Komponistenwettstreit handele. Das ist richtig, aber dem Publikum herzlich egal, und zwar immer schon. Ich glaube nicht, dass jemand anders als Lena 2010 mit „Satellite“ den Eurovision Song Contest gewonnen hätte.

Leider treffen die Nostalgiker und Dogmatiker bei denjenigen, die für den Song Contest von heute verantwortlich sind, umgekehrt auf ähnliche Ignoranz. Stefan Raab und seine Leute haben sich nach meiner Wahrnehmung noch nie besonders für die Historie dieses Wettbewerbs oder die ihn umgebene schwule Kultur interessiert, die wiederum ihnen nicht geheuer ist (von deren Tauglichkeit als Zielscheibe für Spott natürlich abgesehen).

Lena muss in diesen Tagen übrigens für diverse Einspielfilme der Produktionsfirma Brainpool Kartoffelsalat an die verschiedenen Delegationen verteilen. Der Gedanke, dass sie mit den anderen Sängerinnen und Sängern musizieren könnte, war offenbar zu abwegig.

Das Vorabendgrauen zum Eurovision Song Contest

Wie schwer kann es sein, eine kleine Show zu produzieren, die in der Woche des Eurovision Song Contest über das Spektakel berichtet?

Seit einer Woche wird hier in Düsseldorf geprobt. Delegationen aus 43 Ländern sind vor Ort, schrille Kandidaten und ernsthafte Künstler, es findet ununterbrochen irgendein Termin statt, um die Journalistenmeute mit Stoff zu versorgen, es ließe sich, wie in der Vorberichterstattung zu einer Fußball-WM, über Favoriten, Strategien, Technik und historische Parallelen diskutieren, man könnte die vielen unterschiedlichen Menschen miteinander musizieren lassen.

Selbst für einen Sender mit der Unterhaltungsinkompetenz der ARD müsste es möglich sein, aus diesem Grand-Prix-Zirkus eine sehenswerte oder wenigstens ansehbare oder immerhin doch nicht völlig peinliche Vorabendshow zu kondensieren. Es ist ihm nicht gelungen.

Alles, einfach alles an der Premiere der „Show für Deutschland“ war grauenvoll: Der Sendungstitel. Der Moderator. Das muffige Design. Das überflüssige Quiz-„Duell“. Der Moderator. Die Idee, Jan Feddersen als Experten in eine Ecke des Studios zu setzen, in die der Moderator nur mit Halsverrenkungen sehen kann. Der Moderator. Der Verzicht darauf, mit Katja Ebstein, wenn sie schon mal da ist, auch ein Gespräch zu führen. Hab ich schon „Der Moderator“ gesagt?

Wer kommt auf die Idee, eine solche Sendung von Frank Elstner moderieren zu lassen, einem Mann, der an besseren Tagen vielleicht weniger verwirrt durch eine Sendung stolpert, dem aber ohnehin jeder Bezug zu dieser Veranstaltung fehlt? Die Fassungslosigkeit von Lena Meyer-Landrut über die Ahnungslosigkeit und Ungeschicklichkeit des Mannes war unübersehbar und nachvollziehbar. Es entwickelten sich Dialoge wie der folgende:

Frank Elstner: Sie sind der einsamste Mensch da unten auf der Bühne.

Lena Meyer-Landrut: Nein, ich habe fünf Mädchen bei mir.

Elstner: Aber doch nicht auf der Bühne. Hinter Ihnen, die mit Ihnen tanzen!

Meyer-Landrut: Auf der gleichen Bühne, auf der ich auchsstehe, sind auch die fünf Mädchen.

Elstner: Ja, aber wenn Sie singen und Ihnen der Text nicht einfallen lassen würde, dann, kein Mensch kann Ihnen helfen. Dann sind Sie in dem Moment einsam.

Meyer-Landrut: Das ist richtig. Da werde ich dann in Fantasiesprache improvisieren.

(…)

Elstner: Der Herr Raab, der sich ja um Sie kümmert, Sie entdeckt hat, Ihr Pate ist, der für Sie viel produziert hat…

Meyer-Landrut: (lacht) Mein Pate! Der überweist mir jeden Monat zwei Mark fünfzig.

Elstner: Der Stefan, der wird doch irgendwo Kontakt zu Ihnen halten während Ihres Auftritts, oder? Gibt es Geheimzeichen?

Meyer-Landrut: Nein. Nein, tatsächlich nicht. Ich weiß auch überhaupt gar nicht, wo der ist, während meines Auftritts. Keine Ahnung, der wird vermutlich hier vorne irgendwo stehen und moderieren.

(…)

Elstner: Und jetzt wollen wir mal was ganz anderes zeigen. Das hier war ja früher mal ein Fußballstadion.

Meyer-Landrut: Isses auch immer noch.

Elstner: Wie hat man aus einem Fußballstadion so eine Showbühne gezaubert? Dahinter stecken natürlich sehr viele Handwerker, sehr viele fleißige Menschen, Hundertschaften, die hier wochenlang gearbeitet haben. Wollen Sie die Handwerker mal ganz herzlich grüßen und Danke sagen?

Meyer-Landrut: Danke, Handwerker.

Elstner war das größte Problem der Sendung, aber nicht das einzige. Er behauptete munter, es seien auch Länder aus Nordafrika dabei. In einem Einspielfilm wurde die Größe der LED-Wand auf 60 mal 80 Meter vervierfacht. Reporter Thorsten Schorn dokumentierte, wie die schrillen irischen Teilnehmer Jedward nichts anderes taten, als Lena Blumen zu überreichen. Seine Kollegin Sabine Heinrich musste in einem Filmbericht den Tagesablauf von Lena nacherzählen – über weite Strecken ohne Lena. Im Tonfall eines Unterrichtsfilms dokumentierte der Sprecher:

„Lena steigt mit Team und Presse direkt in den Bus. Der Zeitplan ist eng, wie an jedem Song-Contest-Tag.“

Danach konfrontierte Frank Elstner Lena noch mit einer Statistik, die zeigte, welche Farben die Kleider der Sieger in der Geschichte des Eurovision Song Contest hatten, und suggerierte, dass ihr Schwarz dann ja kein gutes Omen sei. (Dass sowohl Lena als auch Nicole ein schwarzes Kleid bei ihren Siegen trugen, war offenbar niemandem in der Vorbereitung aufgefallen.)

Es ist ein Programm voller Verzweiflung und zum Verzweifeln – in der zweiten Folge heute befragte man im Rausch der Ideen- und Sinnlosigkeit eine Kartenlegerin, wer den Wettbewerb gewinnen wird.

Schaut man in den Abspann, wer diesen Unfall zu verantworten hat, stößt man auf einen interessanten Namen: Die täglichen ARD-Vorabendsendungen zum Eurovision Song Contest werden von der Firma Brainpool produziert. Die produziert praktischerweise auch die täglichen ProSieben-Spätabendsendungen zum Eurovision Song Contest. Sie hat auch die (überaus uninspirierte) Aufzeichnung des Konzertes von Lena Meyer-Landrut produziert. Und sie ist der wichtigste Partner der ARD bei der Produktion des Eurovision Song Contest selbst. Ihr Chef Jörg Grabosch hat die entscheidende Funkton „Producer TV Show“ inne.

Die Beteiligten geben sich große Mühe, die Kooperation als unspektakulär darzustellen und betonen, dass Brainpool nur eine von mehr als hundert Firmen ist, mit denen der NDR zusammenarbeitet. Sie tun das aber so angestrengt, dass erst recht der Eindruck entsteht, dass es sich um ein Politikum handelt. Der ARD-Grand-Prix-Chef Thomas Schreiber sagte vor einigen Wochen, man arbeite mit Brainpool unter anderem deshalb zusammen, weil die Firma schon in der Düsseldorfer Arena produziert hat und es nicht viele Produktionsfirmen und Sender gebe, die mit solchen Dimensionen umgehen könne. Er räumte ein, dass es auch intern kritische Fragen gebe. Er hoffe aber, dass auch die Kritiker nach der gelungenen Show einsähen, dass es eine gute Kooperation war.

Nun ja. Tatsächlich macht das, was man in Düsseldorf von den Grand-Prix-Shows sehen kann, einen hervorragenden Eindruck. Drumherum gibt es aber einiges Grummeln bei ARD-Mitarbeitern, die sich als Mitarbeiter zweiter Klasse behandelt fühlen. Kameraleute vom NDR dürfen oder müssen vor Ort die Pressekonferenzen filmen und zusehen, wie dafür Brainpool-Leute beim Produzieren fürs Fernsehen das tun, was ihrer Meinung nach ihre Aufgabe wäre.

Für die „Show für Deutschland“ müssten sie sich jedenfalls beide schämen. Die ARD. Und Brainpool.

Keine große Leuchte

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Wie die LED das Fernsehen verändert hat und es aufregender und einfallsloser machte.

Manchmal ist Größe doch alles. Wenn in Düsseldorf in der kommenden Woche ein pausbäckiger Finne mit seiner Gitarre auf einer Bühne steht und sein Lied von dem kleinen Paul singt, der hinausging, die Welt zu retten, funkelt hinter ihm ein gewaltiger Sternhimmel. Und dann: geht die Erde auf.

Das ist die mit Abstand naheliegendste Idee, einen solchen Schlager zu illustrieren, doch so hat man das noch nie gesehen. Die Dimensionen dieses blauen Planeten, der sich da langsam von unten ins Bild schiebt, sind ungeheuerlich. Die Leinwand, auf der er erscheint, ist zehnmal so hoch wie der Mann, der vor ihr steht, und breit wie ein Fußballfeld. Fast provozierend detailgetreu drehen sich Wolken, Meere und Kontinente. Es wirkt so erhaben und monumental, als hätte jemand einen Weltraumspaziergang bei perfekten Bedingungen in hochauflösender Qualität gedreht.

Eine Unzahl kleiner Leuchtdioden, die aneinandergesteckt in einem Gerüst von der Decke des Studios hängen, das eigentlich ein Fußballstadion ist, bilden diesen über tausend Quadratmeter großen temporären Bildschirm. Wenn in der kommenden Woche der Eurovision Song Contest ausgetragen wird, werden darauf mit den Moldauern bunte irre Zeichentrickmännchen tanzen, zum griechischen Beitrag surreal große Vorhänge ionische Säulen umwehen und hinter den Sängern aus Mazedonien scheinbar ganze Räume rotieren.

Florian Wieder ist ungefähr der Einzige, der sich nicht überwältigt zeigt von den Dimensionen dieser Spielfläche. „Die Arena ist groß, deshalb musste die LED-Wand auch so groß werden“, sagt er achselzuckend. Er hat es leicht, sich unbeeindruckt zu geben, denn er ist als Designer nicht nur für die Bühne beim Grand Prix verantwortlich, sondern hat schon ungezählte Materialschlachten geschlagen, um Fernsehshows imposant aussehen zu lassen. Dass er heute mit seiner Firma weltweit gefragt ist, hängt nicht zuletzt mit dieser Technik zusammen, die in den vergangenen zehn Jahren das Fernsehen erobert und verändert hat: der LED.

Ihren Siegeszug begann die Light Emitting Diode unauffällig: als Beleuchtung von Kanten und Bühnenrändern. Wer früher eine Lichtleiste setzen wollte, musste Glühlampen nehmen, die groß waren, heiß wurden und nur jeweils eine Farbe haben konnten. Leuchtdioden waren viel handlicher und flexibler. Die Revolution begann damit, die Lichtpunkte zu ganzen Bildern zusammenzusetzen. Über Computer, sogenannte Mediaserver, erfahren die Dioden, wann sie wie zu leuchten haben. Jede LED wird zu einem Pixel, und im richtigen Abstand wird aus den Pixeln ein Bild. Am Anfang, als er die Technik im Bühnenbild der RTL-2-Show einsetzte, erzählt Rainer Otto von der Firma OM Design, sei dieses Bild so grobkörnig gewesen, dass es nur ganz hinten oben im Publikum gut aussah. Inzwischen ist die Auflösung so hoch, dass die Bilder erstaunlich realistisch wirken. Wenn da schwarze Riesendiamanten durch den Raum fliegen, fliegen da schwarze Riesendiamanten durch den Raum.

Die LED-Technik, aber auch moderne Projektionen mit Beamern, sind die Erfüllung des Traums, ohne große Umbauarbeiten beliebige Kulissen herbeizaubern zu können – ein Traum, der in psychedelisch bunten Farben schon in den frühen siebziger Jahren geträumt wurde. Damals war die Technik der Blue-Box neu, bei der die Akteure vor einem einfarbigen Hintergrund stehen, der herausgestanzt und durch andere Aufnahmen ersetzt wird. Die Begeisterung darüber war so groß, dass einige Jahre lang alles getan wurde, was möglich war, egal, ob es sinnvoll war.

Manchmal scheint es, als befinde sich das Fernsehen gerade in Bezug auf LED-Wände in einer ähnlichen Phase. Einerseits sind die kreativen Möglichkeiten, die sie bieten, schier grenzenlos. Andererseits verführen sie dazu, schon das Aufstellen einer technisch eindrucksvollen Wand mit einer kreativen Idee zu verwechseln. Berüchtigt sind Standard-Animationen von Wolken, die sich günstig einkaufen lassen und immer passen, also nie. „Es gibt schon einen Hang dazu, viel Geld für die Technik auszugeben und dann am Grafiker zu sparen, der gute, maßgeschneiderte Inhalte erstellt“, kritisiert Rainer Otto.

Die RTL-Castingsoap „Deutschland sucht den Superstar“ zeigt gut Chancen und Fluch des LED-Einsatzes. Das Studio ist voll von LED-Wänden, -Tonnen,

-Bändern, -Stegen und -Bühnen. Florian Wieder, der es gestaltet hat, machte sich damit international einen Namen – unter anderem mit der Idee, LEDs auch im Boden auszulegen und es aussehen zu lassen, als träten die Kandidaten auf ihren eigenen, animierten Konterfeis auf. Nichts an dieser Präsentation ist Understatement, „alles ist 150 Prozent, fast schon eine Parodie auf die Inszenierung von Weltstars“, räumt Wieder ein. Es ist eine faszinierende Flimmerwelt, die in Sekundenschnelle auf eine andere Stimmung umschalten kann, in der ununterbrochen Namen durchs Bild flackern und meterhohe Zeitlupenaufnahmen der Auftritte zu sehen sind; ein gewollter Overkill, eine Reizüberflutung für ein Publikum, dem man sicherheitshalber keine Sekunde zumuten möchte, nur einem vermeintlichen Nachwuchssänger zusehen zu müssen.

„Ich nutze dieses Zeug jetzt seit zehn Jahren“, sagt Florian Wieder, „und je länger ich das mache, umso weniger tue ich es eigentlich. LEDs sind ja nur ein Mittel zum Zweck. Die Idee besteht eher darin, über Video Inszenierungen zu kreieren. Wenn man das clever einsetzt, kann es sehr cool sein.“ Er gerät ins Schwärmen, vom aufregenden Spiel mit der Perspektive oder dem Auftritt von Taylor Swift bei den Video Music Awards von MTV im vergangenen Jahr, die sehr klein und sehr groß in einem riesigen schwarzen Raum stand, in dem Wörter auftauchten und wieder zerbröselten. Die Flächen sind faszinierende Leinwände für Videokünstler wie Falk Rosenthal, der für den Inhalt der LED-Wand beim Eurovision Song Contest verantwortlich ist.

Aber die Gefahr ist, dass die Technik mit all der Opulenz, die sie ermöglicht, nicht mehr der Inszenierung des Künstlers dient, sondern der Künstler nur noch Bestandteil einer Bühnen-Inszenierung ist. (Angesichts einiger Kandidaten beim Grand-Prix ist das natürlich nicht immer das Schlimmste, das passieren kann.)

Angesichts der Allgegenwart der mit „Content“ bespielten Flächen fällt es schwer, sich zu vergegenwärtigen, wie jung diese Technik ist. Beim Eurovision Song Contest 1983 in München steckte der künstlerische Ehrgeiz in Blumengestecken, die die Nationalflaggen nachbildeten; das Bühnenbild war ein Geflecht aus einer Art Heizdraht, das im Rhythmus der Musik aufglimmte. Erst seit 2000 erobert die LED-Wand den Bildschirm, dann aber mit Macht. Die Serben bauten aus Leuchtdioden die Mündung der Save in die Donau als Bühnenbild nach, die Russen verbauten vor zwei Jahren den größten Teil aller damals überhaupt verfügbaren LED-Flächen und ließen sie teilweise über der Bühne rotieren.

Mehr geht kaum, besser vermutlich schon. Auf der Düsseldorfer Eurovisions-Bühne kontrastieren Florian Wieder und der Licht-Designer Jerry Appelt die Videos auf der LED-Wand auffallend oft mit wärmer und greifbarer wirkenden Scheinwerferstrahlen, die durch feinen Dauernebel in der Halle sichtbar gemacht werden. Wenn es nach den Veranstaltern gegangen wäre, hätten auch mehr Länder mit realen Gegenständen auf der Bühne gestanden, um einen Kontrast zur Virtualität hinter ihnen zu bilden. Aber die meisten Delegationen wollten das nicht. Einige müssen ohnehin mit der Enttäuschung fertig werden, dass die Riesenleinwand, von der sie so viel gehört hatten, bei ihnen gar nicht genutzt wird – um eine Abwechslung in der Dramaturgie zu erzeugen.

Florian Wieder steht oben in den Rängen, schaut hinunter in die Arena, die vollgepackt ist mit Tausenden beweglichen Scheinwerfern aller Art, in der sich bespielbare LED-Flächen unter der Decke ausbreiten und am Boden von der Bühne bis weit in den Zuschauerraum, und erzählt, dass man eigentlich noch sehr viel mehr „Spielzeuge“ hätte gebrauchen können, um die 43 Titel abwechslungsreich in Szene zu setzen.

Und dann gab es noch die Idee, die Zuschauer in der Halle alle mit einem LED-Element auszustatten, jeder Mensch ein Pixel, und daraus lebende Bilder zu malen. Das war aber zu aufwendig. Für dieses Mal.

Abschied von 9live

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Vielleicht wäre eine humane Lösung, die Moderatoren glauben zu machen, dass 9live den Betrieb seiner Anrufspiele gar nicht einstellt. Man könnte den Studiotrakt, in dem sie arbeiten, abriegeln und sie einfach weiter arbeiten lassen. Gelegentlich müsste mal jemand anrufen und durchgestellt werden und eine falsche Lösung sagen, aber das wäre kein großer Aufwand, auch finanziell nicht.

Sie scheinen dort schließlich, wenn schon nicht glücklich zu sein, so doch wenigstens ein Zuhause gefunden zu haben. Am Freitagabend konnte man Tina Kaiser zusehen, die sich die endlose Zeit, bis der „Hot Button“ zuschlug, damit vertrieb, ihren Lieblingssong „Spending My Time“ (!) von Roxette leise vor sich hin zu summen. Ihr Kollege Dirk Löbling, der die nächste Schicht übernahm, beschimpfte leidenschaftlich die Kollegen in der Regie, wobei unklar blieb, ob die Stimmen, mit denen er sich unterhält, tatsächlich in seinem Ohr oder nur in seinem Kopf sind. Später kam Max Schradin und begann seine Sendung damit, minutenlang zu tanzen, wie ein Achtjähriger im Kinderzimmer vor dem Spiegel.

9Live hat längst mehr mit betreutem Wohnen zu tun gehabt als mit Fernsehen. Warum soll man diesen Menschen das nehmen? Nur weil sich der Countdown bis zum Zuschlag des Hot Button ab Ende Mai von ewig auf unendlich verlängert?

Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Lösung wäre natürlich, dass Menschen, die rund um die Uhr bei einer Fernsehsender-Attrappe moderieren, nicht woanders moderieren können. Denn obwohl die Call-TV-Animateure sich, seit das Aus des Programms bekannt ist, in bitteren schwarzen Humor flüchten, muss man fürchten, dass sie mit ihrem Talent zum Füllen von Zeit durch Nichts auch in anderen Sendern eine öffentliche Aufgabe finden werden. Vermutlich reicht es schon, sie auf eine schlammfarbene Couch zu setzen, und sie könnten als Moderatoren der Nachmittagsfüllungen in den Dritten Programmen durchgehen.

Die am Dienstag gesuchten männlichen Vornamen mit einem L waren übrigens Kalani, Naphtali, Neacel, Sheldon, Sobieslaw, Udalfried, Walo, Zabdiel und Zsolt.

Schlaflos in Düsseldorf




Während ich das hier blogge, sitzt Lukas am Küchentisch und macht das, was er seit Sonntag jede Nacht um diese Zeit gemacht hat und vermutlich auch die nächsten neun Nächte noch tun wird: Er baut die Übergänge zwischen die einzelnen Szenen der nächsten Folge von duslog.tv, steuert den Ton aus, flucht über die Eigenart der Kamera, einen Kanal lauter aufzunehmen als den anderen, lacht, niest und gähnt. Dann exportiert er noch die Datei und geht irgendwann ins Bett, während sie bei YouTube hochlädt.

Ein Vorteil von Düsseldorf gegenüber Oslo: In Düsseldorf wird es dann wenigstens noch nicht wieder hell.

Der fünften Folge, die in ein paar Stunden online sein sollte, merkt man vermutlich ein bisschen an, dass es gewagt war, zwei Wochen lang jeden Tag eine Folge zu produzieren. Nicht dass es an Stoff mangelt (obwohl die richtige Beklopptheit hier erst am Wochenende losgeht, wenn Lena zum ersten Mal probt, der Bürgermeister zum Empfang lädt und die meisten Berichterstatter anreisen). Aber bei unserer bestenfalls viertelprofessionellen Arbeitsweise, die alles andere als effizient ist, treten schnell Ermüdungserscheinungen auf, allein schon durch Schlafmangel. Und das Ergebnis ist sehr tagesformabhängig, weil es so wenig durch irgendeine Planung, sondern den Zufall bestimmt ist. (Und wenn wir dann nicht rechtzeitig ein schönes Plätzchen zum Drehen finden, sitzen wir halt im Dunkeln, wie in Folge 5.)

Ich hoffe, dass der kreative Wahnsinn, der dadurch gelegentlich entsteht, den Mangel an Perfektion ausgleicht. Und obwohl es schön wäre, wie der Kollege Roman Rätzke, der mit Sandra Nicole Hofmann das offizielle Videoblog auf eurovision.de moderiert, das eigentliche Produzieren anderen überlassen und abends feiern recherchieren gehen zu können, liebe ich es nach wie vor, das alles — mit Lukas — in Handarbeit selbst machen zu können.

Ich wollte noch ein paar Sachen aufschreiben, die ich gelernt habe in den ersten Tagen beim Eurovision Song Contest in Düsseldorf. Aber ich muss jetzt wirklich ins Bett.

(Lukas hatte für den „Journalist“ schon ein paar Sachen aufgeschrieben, die er im Vorfeld gelernt hat.)

Beat Jobatey

Es ist schon richtig. Man darf über die lustigen Quatschveranstaltungen nicht das Elend dieser Welt vergessen. Am Sonntag kam diese erschütternde Nachricht: Cherno Jobatey ist der deutsche „Journalist“ mit den meistern Followern auf Facebook.

Der „TV-Liebling“ (Cherno Jobatey über Cherno Jobatey), „a secure interviewer on any topic“ (Cherno Jobatey über Cherno Jobatey), der „lustige Clown aus dem ‚ZDF-Morgenmagazin'“ (Silke Burmester über Cherno Jobatey) „gefällt“ auf Facebook 5554 Personen.

„Das kann ich nicht auf unserem Berufsstand sitzen lassen“, findet die Journalistin Burmester, „und auch nicht auf mir.“ Sie hat die Kampagne „Beat Jobatey“ ins Leben gerufen und ruft dazu auf, bei ihrer Facebook-Seite „Die Kriegsreporterin“ auf „Gefällt mir“ zu klicken.

„Kriegsreporterin“ ist der Name ihrer mittwöchlichen „taz“-Kolumne, in der sie von der „Medienfront“ berichtet. Zum Beispiel so:

Immerhin sind Frauen heutzutage flexibel. Darauf wies auch der Mediendienst von Peter Turi letzte Woche hin, der schrieb: „Glamour-Chefredakteurin Andrea Ketterer sieht veränderte Anforderungen der Leserinnen an Frauenmagazine.“ Diese hatte nämlich den Satz gesagt: „Keine Leserin nimmt sich die Zeit, einen Artikel zweimal zu lesen. Wenn sie im Vorspann nicht versteht, worum es geht, ist sie weg.“ Es ist gut, dass diese Entwicklung endlich einmal laut benannt wurde, jetzt können auch die Dozenten der Journalistenschulen endlich damit aufhören, den Schülern das recht aufwendige Formulieren komplizierter, verschachtelter und missverständlicher Vorspänne beizubringen.

Für das, und ich rede hier aus Erfahrung, die meisten Schüler auch immer etwas zu blöd waren. Nichtsdestotrotz eine Notwendigkeit, als es noch weder Fernseher, Internet noch Vibratoren gab und die Frauen ihre Abende damit verbrachten, Artikel wieder und wieder zu lesen. Bereits mit der Erfindung des Strickzeugs sank die Bereitschaft, einen Text mehr als viermal zu lesen um 27,8 Prozent.

Die Burmesterin, die Anfang des Jahres kurz neben Frank Schirrmacher stehen durfte, hat mich gefragt, ob ich nicht für ihre Aktion trommeln mag. Das tue ich gerne, denn sie ist eine Nette. Auch wenn Sie sie nicht kennen, können Sie ruhigen Gewissens mitmachen, denn Sie kennen ja Cherno Jobatey.

Nachtrag, 5. Mai. Silke Burmester hat Post vom Management von Cherno Jobatey bekommen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei die Infos zur unglaublichen Hetzkampagne gegen Herrn Jobatey, die seine Persönlichkeitsrechte verletzt.

Wir gehen davon aus, dass

1. Sie den Artikel löschen
2. Sie die Facebook Seite löschen
3. Die TAZ sich bei Cherno Jobatey entschuldigt.

Danke.

Ach, fängt schon an?

In den kommenden beiden Wochen bin ich in Düsseldorf, um mit Lukas dieses Grand-Prix-Ding zu begleiten. Auf Oslog folgt Duslog! Die Details erklärt Ihnen gerne noch einmal Fräulein Meyer-Landrut:

Wenn alles klappt, sollte die erste Folge am Montagmorgen online sein.