Nothelle & Singelnstein

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Er gibt sich keine Mühe, seine Geringschätzung zu verbergen. Es ist ja schon Zumutung genug, dass er sich als Regierender, ach was: Natürlicher Bürgermeister von Berlin zwei Fernsehduellen mit irgendwelchen Herausforderern stellen muss. Dann könnte er die Sache wenigstens selber moderieren.

Das Schlimme ist, dass man Klaus Wowereit tatsächlich sofort die Leitung der Sendung übergeben möchte oder, alternativ, irgendjemandem. Stattdessen wird das „Berlin-Duell“ moderiert von der Programmdirektorin und dem Chefredakteur des RBB, Claudia Nothelle und Christoph Singelnstein. Als gutes Argument für die Regel, Fernsehsendungen von Moderatoren moderieren zu lassen und nicht vom Führungspersonal, hat die ARD eigentlich schon HR-Chefredakteur Alois Theisen, aber diese beiden stellen sogar ihn in den Schatten. Sie wirken, als hätte man sie gerade in einem vergessenen Kellerraum des Sender Freies Berlin entdeckt und sicherheitshalber nicht aufgeweckt. Immerhin können sie es aber vor der Kamera fast mit der Lebendigkeit der Polizeikommissare in alten „Aktenzeichen XY“-Folgen aufnehmen.

Sie beginnen die Sendung ernsthaft damit, Renate Künast zu fragen, was ihr „durch den Kopf ging“, als sie am Vormittag hörte, dass zwei Männer festgenommen wurden, die womöglich einen Bombenanschlag geplant hatten, und schließen den Themenblock im Kindergärtnerinnentonfall ab: „Auch wir haben einen großen Schreck bekommen und sind natürlich froh, dass nichts passiert ist.“ Singelnstein sucht wie ein Fünftklässler beim Gedichtaufsagen an der Decke nach den richtigen Wortern, während Nothelle flüssig Fragen formuliert, die frei von Inhalt sind. „Was raten Sie Bewohnern, die ihren Stadtteil wieder voranbringen wollen?“ Die Abschlussfrage an Wowereit lautet: „Welche Erfahrung (in der Zeit als Regierender Bürgermeister) hat Sie besonders geprägt, und welche nehmen Sie mit, um vielleicht auch das ein oder andere anders zu machen?“

Aus irgendeinem Grund waren beide wild entschlossen, nur Künast, aber nicht Wowereit zu fragen, mit wem sie koalieren wollten, und als Künast Wowereit zu einer Antwort aufforderte, ging Singelnstein mehrmals mutig dazwischen: „Wir fragen Sie jetzt nicht nach den möglichen Koalitionen, sondern am 18. September, aber wenn Sie antworten wollen, dann gerne.“

Am Ende bitten die Moderatoren die Berliner Zuschauer, am nächsten Sonntag zur Wahl zu gehen. Wer es geschafft hat, wach zu bleiben, sieht keinen Grund, ihnen den Gefallen zu tun.

17 Replies to “Nothelle & Singelnstein”

  1. >Es ist ja schon Zumutung genug, dass er sich als Regierender, ach was: Natürlicher Bürgermeister von Berlin zwei Fernsehduellen mit irgendwelchen Herausforderern stellen muss. <

    Wie kommt auf solche Fomrulierung? Spitze! Aber wenn man mal genau guckt, dann ist Wowi genau das. Auch die nächsten vier Jahre – weil er eben nonchalant die Ansicht jeden (eingeborenen)Berliners transportiert der Mittelpunkt mindestens Deutschlands zu sein. Mit irgendwelchen programmen udn mögen sie noch so gut sein kommt man hier nicht weit. Hier gewinnt wer Herz und Schnauze hat und dem man es abnimmt…

  2. Wenn es solche Artikel in Zukunft nur noch im Spiegel gäbe, müßte ich mir wohl tatsächllich überlegen, den wieder zu lesen!

  3. Darauf hab ich sehnsuechtig gewartet!
    Ich war dermassen sauer, fuer wie bloed die RBB-Chefs ihre Zuschauer halten, dass ich mich schon wieder gefreut habe, dass SN bestimmt einen unterhaltsamen Verriss schreiben werden wuerde.

  4. Nothelle & Singelnstein verdienen die Bezeichnung „Moderatoren“ genauso sehr wie der Cast von Niedrig und Kuhnt die Bezeichnung „Schauspieler“ verdient

  5. Hmm, also… ich fand jetzt die hier zitierten Fragen gar nicht mal so besonders. Sind das nicht dieselben bescheuerten Fragen, die in jeder bescheuerten Talk Show gestellt werden? Die sind doch alle furchtbar, diese Menschen.

  6. Singelnstein – eine kleine zeitgeschichtliche Anmerkung: Wie konnte man ihn im „vergessenen Kellerraum“ des SFB entdecken? Der Mann stammt aus der DDR. Könnte sich also bestenfalls im Keller des Berliner Rundfunk oder des ORB in Babelsberg verirrt haben oder aus einer Besenkammer von Antenne Brandenburg rausgeholt worden sein.

  7. @ ammersee: Der rbb heißt erst ein paar Jahre so, Herr Singelnstein könnte es also nach Wendezeiten geschafft haben, sich in einem Keller des SFB zu verirren …

  8. „Am Ende bitten die Moderatoren die Berliner Zuschauer, am nächsten Sonntag zur Wahl zu gehen. Wer es geschafft hat, wach zu bleiben, sieht keinen Grund, ihnen den Gefallen zu tun. “
    Eine ziemlich gefährliche „Empfehlung“ – lieber ungültig statt gar nicht wählen! Ich hoffe, Sie gehen am 18. September ins Lokal…

  9. @Nummer 13

    Was ist denn aus Ihrer Sicht am Nicht-Wählen so gefährlich?

    Für mich ist das Unsinn. Wenn mir aus dem Parteienspektrum keine zusagt, dann geh ich nicht wählen. Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mir den rechten Parteien: Die sind so unwichtig, die taugen schon lange nicht mehr zur Herleitung eines Wahlzwangs.

  10. @Anton Trappe

    Wahl in MeckPom wohl verschlafen, oder was? Niedrige Wahlbeteiligung hat die Braunen Zecken, da wo sie sich bereits festgesetzt haben, bisher leider immer begünstigt. Sagen zumindest die Statistiker. Falls Sie glauben, es besser zu wissen, bitte Gegenbeweis erbringen.

    Und wissen Sie, was mir so richtig auf den Zeiger geht? Dass es meiner Erfahrung nach, meistens die Nicht-Wähler sind, die hinterher am größten die Klappe aufreissen, wenn das Wahlergebnis ihnen nicht passt.

    Außerdem stellen sich ja auf Bundes- und Landesebene meist sehr viel mehr Parteien als die 5, die sich momentan im Parlament befinden. Wollen Sie mir ernsthaft erzählen, dass Ihnen von all den Parteien, die Sie bei den Parlamentswahlen auf dem Zettel haben, nicht eine einzige dabei ist, die Ihnen auch nur irgendwie zusagt? Oder sind Sie einfach nur zu faul, um sich mit den Parteiprogrammen einfach mal richtig zu beschäftigen?

    Und wenn Ihnen wirklich sämtliche Parteien so stinken, warum gründen Sie dann engagieren Sie sich nicht und gründen einfach eine eigene, die dann wirklich all Ihren politischen Vorstellungen entspricht? Zu viel Arbeit? Demokratie gibt´s nicht zum Nulltarif, sorry.

    In Nordafrika und im Nahen Osten setzen seit fast einem Jahr täglich junge Menschen ihr Leben aufs Spiel, um eines Tages die Chance auf freie Wahlen in ihren Ländern zu bekommen. Man kann Ihnen nur Erfolg dabei wünschen.

    Meiner Meinung nach sind deutsche Nichtwähler dagegen verwöhnte Rotzlöffel. Die offenbar jetzt bereits nach zwei, drei Generationen (im Osten sogar schon nach einer) vergessen haben, dass freie Wahlen ein Privileg freier Demokratien sind, die ja nun nicht gerade die Mehrheit der Staaten auf dieser Erde darstellen.

    @15…das hier ist ein Kommentarstrang, keine Kloschüssel. Ihr homophobes, vulgäres Gebrabbel sollten Sie also woanders auskotzen.

    So…rant over!

  11. „Ihr homophobes, vulgäres Gebrabbel sollten Sie also woanders auskotzen.“

    Hab ich was verpasst?

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