Froben Homburger, der Nachrichtenchef der Deutschen Presse-Agentur (dpa), hat sich gemeldet, weil ich hier kürzlich über dpa geschrieben habe, was Homburger, nun ja: nicht so richtig gut fand. Er findet sogar, dass es sich um eine „mutwillig selektive Darstellung“ handelt, ferner diagnostizierte er eine „fährlässige selektive Wahrnehmung“, was natürlich nicht schön ist, aber auch nicht schlimm. Ich will die Gelegenheit jedenfalls nutzen, ihm hier zu antworten.
In Homburgers Wahrnehmung hat dpa „völlig korrekt“ und „weit von jeder Panikmache entfernt“ berichtet. Als Beleg dienen Homburger dafür Passagen des Nachrichtentextes, aus dem ich ja auch schon zitiert hatte. Dort steht, dass die Ebola-Gefahr hierzulande gering sei, weshalb man Homburger also zustimmen muss: Das ist keine Panikmache. Allerdings ging es darum auch nicht. Es ging um die Überschrift und die Frage, wieso dpa dort nicht reinpackt, dass es „sehr unwahrscheinlich“ ist, dass sich Ebola hierzulande ausbreitet, sondern das hier:
Homburger sagt dazu, dass es eben nicht die „Hauptneuigkeit“ gewesen sei, dass „die Experten ’nach wie vor‘ eine Ausbreitung von Ebola in Deutschland ausschließen“, das täten sie schon seit Monaten, „und das hat dpa auch schon dutzendfach berichtet.“ Das Neue sei gewesen, dass mehr Verdachtsfälle erwartet würden, deshalb habe dpa das gemeldet, und das kann man natürlich so sehen. Doch neu war allenfalls, dass nun auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sagt, dass einzelne Verdachtsfälle möglich sind, was aber ein „sehr seltenes Ereignis“ sein werde, wenn überhaupt. Ganz schön dünn, finde ich. Außerdem war diese Prognose bei der Pressekonferenz eher eine Randnotiz. Und neu ist sie auch nicht. Zwei Tage zuvor hatte dpa schon gemeldet:
Tropen-Mediziner: Ebola-Verdachtsfälle kommen im Dezember
Da stand quasi schon alles drin, sogar konkreter. Nach der vermeintlichen Tatsache in der Überschrift heißt es im Text, nun im Konjunktiv: „Schon in wenigen Wochen“ könnten „mehr Ebola-Verdachtsfälle in Deutschland gemeldet werden als bisher.“ Das hatte der Würzburger Professor August Stich so behauptet und auch gleich, ohne Konjunktiv, angekündigt, wie sich diese Verdachtsfälle auswirken werden:
„Im Dezember wird es losgehen, dass sich die Zahl von Ebola-Verdachtsfällen in der Republik häufen wird. Und damit wird unser ganzes Gesundheitssystem ziemlich angespannt werden.“
Die Meldung lief beachtlich gut, was aber auch kein Wunder ist bei dem Szenario, das sich nicht nach Einzelfällen anhörte, sondern nach einem Haufen, der unser Gesundheitssytem angreift: „Hunderte deutsche Helfer“ würden aus Westafrika heimkehren, sagte Stich. Und er beschrieb via dpa, welche Gefahren das mit sich bringe, und dass jeder Heimkehrer mit erhöhter Temperatur „oder anderen Symptomen“ überprüft werden müsse, was bisher ja schon nicht gut laufe:
„Was ich jetzt erlebt habe, ist wirklich Panik, wenn jemand mit Durchfall aus Afrika zurückkommt.“
In der Tat. Von dieser Panik berichten Helfer oder auch Journalisten, etwa die „Zeit“-Reporterin Amrai Coen. Die Rückkehrer werden gemieden wie Aussätzige, seit sie wieder da sind aus Afrika. Sie sollen den Aufzug meiden, die Toilette desinfizieren, und nicht nur Kollegen, auch Freunde machen aus Angst einen Bogen um sie. Dabei ist die Sorge unbegründet. Ebola ist ansteckend, wenn die Krankheit ausgebrochen ist, vorher nicht. Doch selbst in intellektuellen Kreisen macht man sich hierzulande ins Hemd, wenn es um Ebola geht, und ich fürchte, dass diese Panik durch immer neue konjunktivische Meldungen eher noch schlimmer wird.
Zumal man über den Nachrichtenwert bisweilen streiten kann: Ist es wichtig, dass alle wissen, dass bald möglicherweise einzelne Personen mit Verdacht auf Ebola zum Arzt gehen werden, sie aber lediglich eine Grippe haben? Oder ist das nicht vor allem für Ärzte, Polizisten oder Rettungssanitäter wichtig, die von behördlicher Seite ohnehin vorbereitet werden? Auf der Pressekonferenz der BBK ging es hauptsächlich darum, dass alles gut ist und alles gut vorbereitet. Keine Sorge. Das war die Kernbotschaft. Aber nun bleibt, denke ich, eher hängen, dass da welche nach Deutschland kommen, die möglicherweise dieses Ebola haben.
Es geht nicht darum, dpa in die Nähe der dumpf grölenden Deppen-Panik eines Blattes wie „Bild“ zu rücken. So schlimm ist es nun wirklich nicht. Es geht darum, zu überlegen, was Schlagzeilen bewirken können. Man muss nur mal schauen, was aus der ersten dpa-Meldung zu den vermuteten Verdachtsfällen so geworden ist:
Beim letzten Beispiel aus dem Stefanaustereigniskanal N24 stimmt dann gar nichts mehr: „Neue Ebola-Fälle“ – als hätte es hier je welche gegeben! In Kombination mit der Überschrift und dem Foto muss das zwangsläufig so ankommen, als sollte man sich vielleicht schon mal schutzkleiden. Die Rückkehrer aus Westafrika können sich also auf einen herzlichen Empfang einstellen.
Natürlich ist das abermals selektiv ausgewählt und gemein, weil dpa ja nichts dafür kann, was aus einer Meldung in den Redaktionen gemacht wird. Aber vielleicht ist der Blick darauf trotzdem ganz hilfreich. August Stich jedenfalls, der Professor, ist nicht so begeistert von dem, was aus seinen dpa-Aussagen in anderen Medien wurde. Er sei „nicht korrekt wiedergegeben worden“, sagt er nun. Die verkürzten Überschriften sorgten für „Unruhe und Panik“, wobei man vielleicht richtiger sagen sollte, dass verkürzte Überschriften für noch mehr Panik und noch mehr Unruhe sorgen, denn das Szenario, das Stich via dpa entwirft, ist ja an sich schon ganz knackig. Aber eben unwahrscheinlich.
Und deshalb habe ich das Gefühl, dass von all den „Hauptneuigkeiten“ bloß ein Haufen unbegründeter Angst übrig bleibt.
Nachtrag 13.11.2014. dpa-Nachrichtenchef Homburger widerspricht nochmal.
Nachtrag, 13.11.2014, 20:16 Uhr. Auch hier eine Korrektur: Ich schrieb, das BBK halte „einzelne Verdachtsfälle“ für möglich. Korrekt ist: Das BBK hält es für möglich, dass man es in Deutschland „allenfalls mit Einzelfällen“ von Ebola-Erkrankungen zu tun haben wird. Und dass man sich in den nächsten Monaten auf eine Zunahme von Verdachtsfällen einstellen müsse. Aber nicht schlimm, weil: Alles gut vorbereitet. Eine Ausbreitung hierzulande halten die Behörden für nahezu ausgeschlossen. Über diese Szenarien hat das BBK auf der Pressekonferenz gesprochen, auch gleich zu Beginn. Falsch ist sie also nicht, die Überschrift der dpa-Meldung. Eine andere halte ich trotzdem noch für möglich.