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Schock: Griechenlands Radikalos-Naked-Bike-Rider-Regierung hält Frist ein!

Am vergangenen Freitag haben sich die Finanzminister der Euro-Staaten darauf verständigt, dass die griechische Regierung für eine Verlängerung der Finanzhilfen am Montag eine Liste mit „Reformmaßnahmen“ vorlegen muss. Am Montag, um kurz vor Mitternacht, hat die griechische Regierung diese Liste offiziell bei der EU eingereicht.

Es ist also, sollte man meinen, nichts Besonderes passiert. Eine Ankündigung ist umgesetzt worden. Eine Frist ist eingehalten worden.

Die deutschen Medien aber haben die vergangenen Tage dazu genutzt, aufgeregt über das Ankunftsdatum dieser Liste zu spekulieren. Sie haben, befeuert durch Falschmeldungen, einen abenteuerlichen Wettlauf inszeniert. Aus der komplexen Frage, wie die Krise in Griechenland gelöst werden kann, machten sie die einfache Frage, wann ein „Brief“ in Brüssel eintrifft.

Selbst die hat sie überfordert. Insbesondere natürlich die griechenfeindliche „Bild“-Zeitung und einen ihrer verantwortlichen Brandstifter, Béla Anda.

Morgens früh verschickt Anda immer sein kostenloses „Politik-Briefing“ an jeden, der es haben will. Es reichert die regulären Politik-Artikel aus der Zeitung, die das Blatt auf diese Weise verschenkt, mit einer Extra-Portion Hass und Dummheit an.

Gestern, am Montag also, schrieb Anda darin:

Griechenland hat nach eigenen Angaben die Liste mit Spar- und Reformvorschlägen bereits fertiggestellt und abgeschickt (…).

Diesem Gerücht hatte der griechische Finanzminister um diese Zeit längst widersprochen. Er twitterte:

Our reform list is almost ready. But rumours that we have dispatched it already to the Commission are false.

Ralf Schuler schrieb im „Bild“-Leitartikel am selben Tag, dass Eile in diesem Fall keine gute Idee sei: Die neuen Reformpläne müssten gründlichst geprüfen werden –

auch wenn es Wochen dauert. Zeitdruck darf es nicht geben. (…)

Diesmal gilt die alte Weisheit „Zeit ist Geld“ nicht — denn es ist unser Geld.

Das galt gestern Abend plötzlich nicht mehr, als „Bild“ meinte, dass Griechenland seine finale Liste nun doch erst am Dienstag vorlegen werde. Auf Bild.de hieß es nun vorwurfsvoll:

Sie halten hin, zögern hinaus, tüfteln bis zur letzten Minute… (…)

Am Montagmittag hieß es: Bis Mitternacht!

Doch die Griechen nehmen sich noch mehr Zeit – Zeit, die kein anderer hat.

Heute früh schreibt Béla Anda in seinem „Briefing“ entsprechend gehässig:

Eulen nach Athen zu tragen ist offenkundig doch sinnvoller als auf Spar- und Reformvorschläge aus Athen zu warten: Denn zunächst wollte Griechenlands Radikalo-Naked-Bike-Rider, Finanzminister Varoufakis, das für eine weitere Milliardenspritze aus Brüssel unabdingbare Reformpapier bereits letzten Sonntag übersenden, dann am Montag, schließlich heute – und damit nur wenige Stunden, bevor die Finanzminister der Euro-Gruppe sich um 14 Uhr zusammenschalten wollen, um die griechischen Vorschläge gutzuheißen. Das Problem von Varoufakis ist, dass man ihm als Experte für Spieltheorie mittlerweile jede Tat als Taktik auslegt, selbst wenn seine Mitarbeiter mit Erstellen des Schriftsatzes schlicht nicht fertig geworden sind.

Nun, wie gesagt: Sie sind fertig geworden. Die fertige Liste ist am Montag, wie versprochen, abgegeben worden — gegen 23:15 Uhr ist sie laut Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem fristgerecht in Brüssel eingegangen.

Als Anda am Montag schrieb, dass die Liste bereits am Sonntag abgegeben worden sei, war das falsch. Als er am Dienstag überraschend schrieb, dass sie noch immer nicht abgegeben worden sei, war das falsch. Aus der Realität haben sich diese Leute längst verabschiedet. So lässt es sich aber auch viel unbeschwerter gegen Griechenland und die Griechen hetzen.

Und das ist weiterhin oberste „Bild“-Zeitungs-Pflicht. Nach Jahren, in denen das Blatt die Griechen immer als „Pleite-Griechen“ diffamiert hat, haben sich Anda und seine Leute neue Begriffe der Verachtung ausgedacht. Vor ein paar Tagen begann das Blatt damit, die Griechen, die aufgrund der Sparvorgaben massenhaft in die Armut getrieben wurden, als „Raffke-Griechen“ und „Griechen-Raffkes“ zu bezeichnen. Finanzminister Varoufakis wurde zum „Raffke-Minister“.

Anda nennt die Regierung immer und immer und immer wieder die „Radikalos-Regierung“, und man kann sich leicht vorstellen, wie er sich jedes und jedes und jedes Mal wieder freut über dieses Wort.

Das „Radikalos“-Image der griechischen Regierung wird für ihn dadurch verstärkt, dass Varoufakis etwas für Béla Anda Unerhörtes tut: Er fährt Motorrad. Eine 1300er-Yamaha (oder wie „Bild“ und Anda sie nennen: Kawasaki).

Es handelt sich um ein so genanntes „Naked Bike“ – ein Begriff, der aufregendste Assoziationen im Kopf von Béla Anda wecken muss. Vielleicht erklärt ihm jemand, dass das einfach nur die Bezeichnung für ein Motorrad ohne Verkleidung ist, wie es früher fast alle Motorräder waren, aber vielleicht lässt man ihm auch einfach all die Rocker- und Sex-Assoziationen, damit er weiterhin aufgeregt in seinem Newsletter Formulierungen wie „Griechenlands Radikalo-Naked-Bike-Rider“ benutzen oder Sätze wie diese schreiben kann:

Wie lederbejackte Rüpel-Rocker röhren Griechenlands Neo-Premier und sein Posterboy-Finanzminister seit ihrem mit platten Parolen erzielten Wahlsieg durch Brüssel. Ihr Gesetz ist die Straße. Hier sind sie (politisch) groß geworden. Hier ist ihre Hood. Deren Unterstützung wollen die Kawa-Naked-Biker (zumindest Varoufakis hat eine) nicht verlieren.

Aber die neue griechische Regierung tut noch Schlimmeres als Motorräder ohne Verkleidung zu fahren.

Schlimm ist Tsipra’s Versprechen an das griechische Volk, es bleibe sein „einziger Verbündeter, Unterstützer und Richter“. Das bedeutet, dass Tsipras sein politisches Schicksal von der Dauerzustimmung seiner Wähler abhängig macht. Die Folge kann nur eine Politik des puren Populismus sein. Und die ist nie gut.

Ich habe das Tsipras-Zitat jetzt nicht gefunden*, aber wenn Anda das schreibt, wird Tispras das ja sicher so gesagt haben.

Jedenfalls: krass. Ein Regierungsschef, der geradezu schwört, seine Kraft dem Wohle seines Volkes zu widmen. Und der sein politisches Schicksal von der Zustimmung der Wähler abhängig macht. Das muss ja böse enden.

*) Nachtrag, 11:35 Uhr. Das Tsipras-Zitat stammt aus seiner Fernsehansprache am Samstag. Es lautet in der englischen Übersetzung:

In this continuous and difficult battle, in this essential negotiation which is expected in June, the Greek government will march on with even more decisiveness. Always aiming at the restoration of our national and popular sovereignty and with the Greek people as our sole ally, supporter, but also strict judge.

Lügen wie nicht gedruckt

In seinem „Tagebuch“ (das ist so etwas wie ein Blog auf Papier) im aktuellen „Focus“ schreibt Helmut Markwort:

Das über dubiose Internet-Quellen verbreitete Gerücht, an geheim gehaltenen Orten in Großbritannien werde schon die neue D-Mark gedruckt, ist blühender Unsinn. Verblüffenderweise gibt es eine Menge Menschen, die solchen Quatsch glauben und weitererzählen mit der Begründung, es habe ja im Internet gestanden.

Sie sagen das mit der gleichen Wichtigkeit wie den Satz: Es hat ja in der Zeitung gestanden. Fakten in Zeitungen werden im Allgemeinen verantwortungsbewusst und seriös geprüft. Im Internet hingegen gibt es nicht nur bekannte und zuverlässige Anbieter. Jeder Narr, Desinformant oder Denunziant kann dort jeden Blödsinn oder auch jede Gemeinheit in die Welt setzen.

Der letzte Satz ist zweifellos richtig. In Zeitungen kann nicht jeder jeden Blödsinn oder auch jede Gemeinheit in die Welt setzen, sondern nur die Narren, Desinformanten oder Denunzianten, die es in die Redaktion geschafft haben.

Aus Daffke habe ich mir mal die Mühe gemacht, nachzusehen, wer den „blühenden Unsinn“ verbreitet, dass in Großbritannien schon wieder die D-Mark gedruckt werde. (mehr …)