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Das obere Bloggerhundert

[Disclaimer: Ich schreibe regelmäßig für die Sonntagszeitung der FAZ.]

Die „Frankfurter Allgemeine“ kommt spät mit ihrem Artikel zur re:publica, aber dafür ist ihr Bericht (aus der Print-Ausgabe vom Mittwoch) im Gegensatz zu anderen lesens- und diskutierenswert. Dabei ist das Fazit von Martin Schöb durchaus vernichtend — sowohl was die Veranstaltung angeht, als auch Blogs insgesamt:

Was die deutschsprachige Blogosphäre nicht nur für Werbetreibende uninteressant macht, ist ihr beklagenswerter und in erster Linie selbstverschuldeter Zustand: Neben der Menge weitgehend unbekannter, nicht selten lesenswerter Blogs gibt es eine zweistellige Zahl prominenter A-Blogs. Diese drehen sich derart raumgreifend um sich selbst, dass für die anderen kein Vorbeikommen ist. (…)

Ohne Selbstbezüge und ohne die Bezugsgröße Print würden die meisten meinungsführenden Blogs — und zwar nur diese — in sich zusammenfallen wie ein Heißluftballon ohne Flamme. Bis es so weit ist, bleibt der Blog-Olymp für Neulinge nahezu unzugänglich; dort kennt man sich, man zitiert und kommentiert sich, spricht denselben Jargon, schreibt über sich und die Medien und bleibt so konsequent unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle all jener Leser, die ihr Leben nicht im Netz verbringen.

Hmmm. Wenn ich jetzt darüber blogge, was die FAZ über Blogs schreibt, dreht sich die Selbstbezüglichkeitsschraube noch eine Windung weiter. Andererseits: Ich habe auch in den etablierten Medien schon immer über Medien geschrieben, bei mir ist die Selbstbezüglichkeit quasi Dauerzustand. Ich würde auch nicht fordern, endlich mit dem Meta-Geblogge aufzuhören und finde auch nichts dabei, sich seinen Blog-Heißluftballon mit diesem Stoff und der Kritik an den etablierten Medien zu befeuern. Aber in den meinungsführenden deutschen Tageszeitungen kommen auf eine Medienseite mehrere Dutzend Seiten über Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport. In den „meinungsführenden deutschen Blogs“, wenn man davon sprechen will, ist das Verhältnis deutlich anders. Warum tun sich Themenblogs in Deutschland anscheinend so schwer? Oder ist das nur eine Phase gerade, eine Selbstfindungsphase des Mediums?

Ich würde Schöb in der Absolutheit vieler seiner Aussagen widersprechen. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass Blogs für Werbetreibende uninteressant sind. Und ich glaube, man muss den Zustand der Blogosphäre schon deshalb nicht so apokalyptisch beschreiben, weil das alles im Fluss ist, weil so viel gerade erst entsteht und weil sich alles mit rasanter Geschwindigkeit ändern kann.

Aber die Fragen, die Schöb aufwirft, sind berechtigt. Und tatsächlich glaube ich auch, dass die re:publica als Klassentreffen wunderbar funktioniert hat. Aber als Kongress litt sie darunter, dass Blicke von außen fehlten, „externe Expertise aus der Wissenschaft, den Medien, der Wirtschaft“, wie Schöb schreibt:

„Das obere Bloggerhundert will anscheinend alles selbst machen, alles wissen, alles können, aber mit niemandem außerhalb des Gemeinwesens etwas zu tun haben.“

Nachtrag. Selbstreferenz galore: Martin Schöb kommentiert die Blog-Reaktionen auf seinen Artikel über Blogs in seinem Blog.