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Die Bemühtlaunigkeit von „NDR-aktuell“: Nachrichten, so lustig wie Thomas Kausch

Es wäre irreführend, die neue Nachrichtensendung im NDR-Fernsehen „lustig“ zu nennen. Es scheint nur so, als hätte jemand den Autoren ein Merkblatt geben, auf dem das Wort „locker“ nicht nur groß und fett stand, sondern sicherheitshalber auch noch gelb markiert, rot eingekringelt und mit drei Ausrufezeichen versehen war. Entsprechend angestrengt wirkt das jetzt.

Vergangene Woche war der tschechische Präsident Václav Klaus zu Besuch in Hamburg. In „NDR-aktuell“ klang das so:

„Im Grunde war das heute in Hamburg ein Staatsbesuch ohne den eigentlichen Gastgeber. Tschechiens Präsident Klaus war da, aber eben der erste Bürgermeister nicht. Wo Olaf Scholz war, kann später erwähnt werden. Erstmal schrieb sich Vaclaw Klaus ins Goldene Buch der Stadt ein und zeigte diesmal kein übersteigertes Interesse am Füller. Bei einem Staatsbesuch in Chile hatte Klaus kürzlich während einer Pressekonferenz einen Kugelschreiber mitgehen lassen. Von Hamburgs zweiter Bürgermeisterin bekam er zumindest so etwas wie das passende Etui dazu. Zu beantworten ist dann noch die Frage, wo denn eigentlich Olaf Scholz, der ursprünglich eingeplante Gastgeber, so herumlief. In Washington. Im Schlepptau der Bundeskanzlerin auf Staatsbesuch in den USA, hier in der zweiten Reihe. Für so einen Termin versetzt man dann doch mal tschechische Präsidenten.“

Soviel Bemühtlaunigkeit ist natürlich immer noch besser als die schablonenhaft staatstragend-lokalpatriotische Fassung, mit der das „Hamburg Journal“ wenige Stunden zuvor dasselbe Ereignis aufbereitet hatte und in der der tschechische Präsident in Hamburg von den glänzenden Beziehungen seines Landes zur Hansestadt schwärmt und der Erste Bürgermeister in Washington von den glänzenden Beziehungen seiner Stadt zu Amerika.

Jedenfalls hat das dritte Programm des Norddeutschen Rundfunks seit einer Woche fast eine richtige Nachrichtensendung, was man prinzipiell begrüßen müsste, wäre es nicht so peinlich, dass es das all die Jahre nicht gab: regelmäßige tagesaktuelle Informationen im Hauptabendprogramm. Unter dem früheren Chef Volker Herres, dem heutigen Programmdirektor des Ersten, war zwischen all den „Tatort“-Wiederholungen und siebzigtausend Quiz-Shows aber auch einfach kein Platz für sowas.

„NDR-aktuell“ ist zehn bis fünfzehn Minuten lang, läuft werktags um 21.45 Uhr, wird im wöchentlichen Wechsel von Ellen Frauenknecht und Thomas Kausch moderiert und kommt aus Hannover. Das ist wohl ein Zugständnis der Vier-Länder-Anstalt an die niedersächsische Landesregieunrg und einigermaßen absurd, weil die Infrastruktur für die aktuelle Berichterstattung (auch des NDR-Fernsehens) sonst in Hamburg ist. Andererseits ist „NDR-aktuell“, wie es im Abspann heißt, ohnehin eine Sendung der vier Landesfunkhäuser. Die bestücken „NDR-aktuell“ mit umgestrickten und auf locker getrimmten Versionen von Beiträgen ihrer Regionalmagazine.

In der ersten Woche ging es, natürlich, immer wieder um EHEC, wobei sich die „NDR-aktuell“-Version eines Filmberichtes über Bauern, die ihr Gemüse am Freitag in der Hamburger Fußgängerzone an Pasasnten verschenkten, kaum wieder einkriegen konnte, wie ironisch das war, dass dann die Entwarnung für Gurken, Tomaten und Salat kam und die Landwirte ihr Zeugs plötzlich doch loswurden, aber wiederum nichts verdienten. Ein Bericht über die Überschwemmungen fragte am Anfang, ob die Menschen denn alle nicht am Tag vorher die Warnungen vor den Unwettern gehört hatten, um am Ende zu merken, dass man auch nicht wüsste, wie man darauf reagieren könnte. Der Sprecher formulierte gespreizt: „Bleibt die berechtigte Frage – und sie bleibt ohne Antwort: Was tun gegen Land unter?“

Weil auch ein Fitness-Studio überschwemmt wurde, hieß es aus dem Off: „Es wird eine ordentliche Kraftanstrengung werden, hier wieder alles fit zu machen.“ Als am Mittwoch starke Sonnenstürme entdeckt wurden, begann Moderator Kausch die Sendung mit dem Satz: „Heute morgen hatten wir schon Sorge, dass Sie uns heute abend nicht sehen können.“ Und zu den Standard-Aufnahmen von einer Experten- und Politikerrunde zum Thema EHEC hieß es mit erstaunlichem Zynismus: „Alle haben ein Wasser getrunken und einen Keks gegessen und sich dann selbst bescheinigt, so schlecht ist unser Krisenmanagement nicht. Sicher, es kann etwas verbessert werden, aber das klären wir nach der Krise.“

Fast alles ist auf eine thomaskauschhafte Art halb schnoddrig, halb wichtigtuerisch formuliert (er verabschiedet sich statt mit „Ciao“ wie früher in „heute nacht“ jetzt mit dem Satz: „Danke für Ihr Vertrauen“). Dieser Tonfall müsste nicht das Schlechteste sein, wenn in der hübschen Verpackung nicht regelmäßig der Sinn verloren ginge. So schön es ist, dass die Sendung Ambitionen hat und sich die Verantwortlichen offenbar bemühen, Inhalte in einer attraktiven und leicht zugänglichen Form zu präsentieren – warum, zum Beispiel, eine Hauptschule in Niedersachsen vor den Problemen mit ihren Schülern kapituliert und eine Gesamtschule am anderen Tag als Vorbild ausgezeichnet wird, vermag „NDR-aktuell“ nicht einmal im Ansatz zu erklären.

Die Sendung lässt es lieber menscheln und begleitet am Tag des Atomausstiegs eine Selbsthilfegruppe krebskranker Frauen in Krümmel. “ Nicht nur Überblick, sondern Durchblick, das wollen wir Ihnen bieten“, hatte Thomas Kausch am Beginn der Premierenausgabe gesagt, realitätsnäher war seine Überleitung wenige Minuten später: „Soweit die Fakten. Aber es ist auch ein Tag der Emotionen, heute, nirgendwo gibt es wohl so viel Erleichterung und zugleich auch Verbitterung wie in Krümmel. Nirgendwo sind nach ihren Beobachtungen so geballt Leukämiefälle aufgetreten, Krankheit und Tod.“ Fakten liefert der folgende Beitrag tatsächlich keine, nur ebenso verständliche wie blinde Wut der Betroffenen, die mit dem Ausstiegsbeschluss fast nichts zu tun hat. Immerhin hat „NDR-aktuell“ aus der „Hallo Niedersachsen“-Version des Berichtes den unerträglich kitschig-propagandistischen Teil herausgeschnitten, in dem ein kleiner Junge ein Gedicht vorliest, das er seinem vor einigen Jahren an Leukämie verstorbenen Freund geschrieben hat.

„NDR-aktuell“ informiert seine Zuschauer nicht so sehr mit Berichten, sondern erzählt ihnen vor allem Geschichten. Die Quote ist gut: Die Premierensendung hatte sogar deutlich mehr Zuschauer als der unmittelbar davor laufende Leipziger Zoo-Serienkitsch „Tierärztin Dr. Mertens“, für dessen Wiederholung im NDR-Fernsehen es sicher auch einen Grund gibt, wenn auch keinen guten.

Im Hamsterrad der Geschichte

Vergangenen Sonntag hab ich in meiner Kolumne in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ über Thomas Kausch und seinen Auftritt als ARD-Guido-Knopp in der neuen Reihe „Geheimnis Geschichte“ geschrieben. Ich fürchte nur, dass man sich keine echte Vorstellung macht von dem Grauen, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Sehen und staunen Sie also:


Link: sevenload.com

(Und mein Artikel dazu steht hier.)

Thomas Kausch

Er läuft durch etwas, das wie eine große Röhre aus Beton aussieht, oder genauer: wie ein Fernsehsstudio, das aussehen soll, als wäre es eine große Röhre aus Beton. Da die Sendung „Geheimnis Geschichte“ heißt, soll das womöglich irgendeine Art von Zeittunnel symbolisieren, vielleicht ist es aber auch ein Ärmel des Mantels der Geschichte, was aber alles nicht diesen komischen Fächer an der Rückwand erklärt und vor allem: warum Thomas Kausch vor ihm wegläuft, nicht schnell, aber unaufhörlich.

Kausch läuft, während er moderiert. Das sieht schon bei den Reportern affig aus, die in Nachrichten oder Magazinen auf der Straße immer sieben Schritte auf die Kamera zugehen müssen, um irgendwelche Dinge aufzusagen, aber bei Kausch sprengt es jedes bekannte Maß an Affigkeit: Er bewegt seine Arme nicht mit beim Gehen, weil er mit beiden Händen die Moderationskarten hält, von denen er nicht abliest. Er läuft nicht nur beim Moderieren, sondern auch beim Gucken, wenn auf die „Beton“-Wand neben ihm Filmaufnahmen projiziert werden und schaut dann auf eine groteske Art nicht in die Richtung, in die er läuft, was aber auch egal ist, weil er sich ohnehin nicht vom Fleck bewegt, sondern offenkundig auf einem Laufband steht, damit Kausch beim Moderieren und Gucken laufen kann und beim Laufen moderieren und gucken.

Manchmal, wenn man seine Füße nicht sieht, wirkt es, als laufe er nicht, sondern stampfe Wein. Oder treibe auf eine altmodische Art einen Generator an, der die Kameras mit Strom versorgt. Und während sein Oberkörper steif bleibt und sein Unterkörper in Bewegung, sagt er Sätze wie: „Wenn jemand glaubt, dass unter den Nazis doch nicht alles schlecht war, zum Beispiel die Rolle der Mütter, dann irrt er, oder er lügt“, und ich habe seit langer Zeit nichts gesehen im an bizarrem Schwachsinn nicht armen deutschen Fernsehen, das derart bizarr und schwachsinnig war wie diese Inszenierung.

Das scheint Strategie zu sein, bei der ARD, sich nicht durch Inhalte, sondern durch merkwürdige Inszenierungen von der Konkurrenz abzusetzen: Auch Denis Schecks Büchermagazin setzt darauf, und bei „W wie Wissen“ moderiert Ranga Yogeshwar aus einer gewollt gleißenden Kunstwelt. Aber das hat auch faszinierende, gelungene Momente und ist nichts im Vergleich zu diesem Herumgelaufe von Herrn Kausch, der schon unbewegt hinter einem Schreibtisch gekünstelt wirkt, und eher nur versehentlich bei Sat.1 zu einem Inbegriff für journalistische Kompetenz wurde.

Jeder Hamster mit einem Funken Restrespekt hätte sich geweigert, sich auf dieses Laufband zu stellen. Und ich soll mir von jemandem, der sich für so einen Unsinn hergibt, Geschichte erkären lassen?

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Fehler-Outsourcing mit der „Netzeitung“

Deutschlands zweitgrößter Privatsender Sat.1 kann oder will es sich nicht leisten, eigene Nachrichten für seinen Online-Auftritt zu produzieren. Deshalb ist das, was unter Thomas Kauschs Gesicht veröffentlicht wird, „powered by N24.de“.

Aber auch Deutschlands größter privater Nachrichtensender N24 kann oder will es sich nicht leisten, eigene Nachrichten für seinen Online-Auftritt zu produzieren. Er lässt sich die Inhalte von der „Netzeitung“ zuliefern.

Und so erscheinen viele Nachrichten wortgleich auf netzeitung.de, N24.de und sat1.de. Das ist vielleicht nicht ideal, sagt auch etwas über die Nachrichtenkompetenz von N24 aus, könnte aber ja Vorteile für die Leser haben: Durch die mehrfache Verwertung einmal erstellter Inhalte wachsen die Erlöse, die man in eine höhere Qualität der Inhalte investieren könnte.

Ja, das ist graue Theorie. Wie grau — das zeigt beispielhaft ein Artikel über „Second Life“, angefertigt offenbar bei der „Netzeitung“, der in all seiner Grottigkeit nun auch sat1.de und N24.de schmückt, wo ganz offensichtlich niemand auch nur einen flüchtigen Blick auf die zugelieferten Inhalte wirft.

Die Zahl der deutschen Second-Life-Bewohner stieg laut Studie nicht in den letzten zwölf Monaten, sondern von Januar bis März um 70 Prozent. Darauf bezieht sich auch das 92-Prozent-Wachsum in den USA. Besonders schön ist die Rechnung, dass 61 Prozent der Nutzer männlich, aber „nur knapp ein Drittel weiblich“ sein sollen.

Und überhaupt ist die Überschrift „Deutsche fallen in Second Life ein“, die man von der britischen Seite „The Register“ übernommen hat, abwegig, da der Vorsprung der Deutschen vor den Amerikanern (oder wie die „Netzeitung“ sie nennt: „die Amerikanische“) ja geschrumpft ist. Genau genommen leben in den USA übrigens auch nicht „mehr als“ vier Mal so viele Menschen wie in Deutschland. Und dann sind da noch ein paar Fehler in Grammatik und Zeichensetzung, die nun auch gleich doppelt und dreifach erscheinen. (Ob die „Netzeitung“ den Unsinn auch noch in ihren Radionachrichten verbreitet hat, habe ich nicht kontrolliert.)

Das ist Outsourcing mit Synergie-Effekt im Online-Journalismus: Sat.1 und N24 lagern die Fehlerproduktion aus und lassen sie zentral von einem günstigen Experten erledigen.