Warum PCs keine Radios sind (Stand 1997)

Dieses Zitat hier ist aus dem Oktober 1997:

„Innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre wird es technisch nicht möglich sein, Sendungen mit weniger als 15 Sekunden Zeitverzögerung über das Internet zu übertragen.“

Süß, oder? Gesagt hat es nicht irgendein Internet-Miesmacher, sondern im Gegenteil: der Geschäftsführer des Fachverbandes Informationstechnik, Bernhard Rohleder.

Im Sommer 1997 tobte nämlich zum ersten Mal der Streit um Rundfunkgebühren für internetfähige Computer. Und deren Gegner hatten Mühe zu argumentieren, dass PCs, mit denen man Hörfunk oder Fernsehen über das Internet empfangen kann, trotzdem keine Empfangsgeräte im Sinne des seit Anfang 1997 geltenden Rundfunkgebühren-Staatsvertrages sein sollten. Bis jemandem auffiel, dass darin ausdrücklich vom „nicht zeitversetzten“ Empfang der Programme die Rede war.

Und deshalb redete der Fachverband mal eben die Möglichkeiten der eigenen Branche schlecht — technisch sei es doch gar nicht möglich, Programme übers Internet so schnell zu verbreiten wie über Kabel oder Antenne, deshalb könne ein PC auch nicht mit einem Radio oder Fernsehgerät verglichen werden.

Bernhard Rohleder ist übrigens auch heute noch ganz vorne mit dabei, wenn es gegen die PC-Gebühr geht. Er ist inzwischen Geschäftsführer des Neue-Medien-Lobby-Verbandes BITCOM. Nur das Argument mit der unvermeidlichen Zeitverzögerung, das benutzt er komischerweise nicht mehr.

16 Replies to “Warum PCs keine Radios sind (Stand 1997)”

  1. Zu dieser unvermeidlichen Zeitverzögerung (oder eher zum Zusammenbruch der Übertragung) würde es aber kommen, wenn zu viele Nutzer zur gleichen Zeit die selben Übertragungen hören oder sehen wollten. Bei der Übertragung über Antenne, Kabel oder ASTRA spielt das keine Rolle, bei der Übertragung über UMTS oder Internet schon.

    Die große Koalition der Gebührenerhöher hätte aber sicher auch kein Problem damit, den Staatsvertrag entsprechend zu ändern. Schließlich kann man sich ja im Gegenzug die eigenen Kostenpauschalen erhöhen …

  2. Alle bisherigen ;-)

    Für einen freiberuflichen PC-Nutzer, der bisher keinen Fernseher hat, ist es momentan eine Gebührenerhöhung von Null auf die volle Fernsehgebühr.

  3. Nein: auf die Radiogebühr (5,52 Euro). Jedenfalls nach dem Vorschlag der ARD, die anregt, für PCs nicht wie eigentlich vorgesehen, die Fernsehgebühr zu kassieren.

    Und ein Autoradio hast Du auch nicht?

  4. Ich bezahle momentan die Radiogebühr. Und bis zum heutigen Tag gilt, dass ein PC ab 2007 als „Fernseher“ zu bewerten ist. Auch wenn er technisch überhaupt nicht für den Fernsehempfang ausgelegt ist, weil er beispielsweise über ISDN oder ein Modem an das Internet angeschlossen ist. — Alles andere sind nur unausgegorene Vorschläge, mit denen sich bisher kein Landesparlament befasst hat.

  5. Wäre es nicht sinnvoll, wenn ich vor der Einführung der Rundfunkgebühren für das Internet wenigstens legal Radio über das Internet empfangen kann? Oder Fernsehen?

  6. Der Radio-Empfang ist wohl teilweise schon möglich, wenn man eine DSL-Flatrate (oder eine vergleichbare Internetanbindung) hat. Mit Modem oder IDSN ist aber auch der Radioempfang nicht sinnvoll möglich — und diese Nutzer sollen trotzdem mit abkassiert werden.

    Die Bedingung müsste IMHO lauten: Erst wenn für /jeden/ privaten Nutzer in Deutschland ein DSL-Anschluss (oder ein gleichwertiger Anschluss) zum Flat-Tarif verfügbar ist *und* wenn die Sender entsprechend leistungsfähige Server haben, um genügend Zuschauer zu versorgen, können wir über Fernsehgebühren auf PCs reden.

    Die Nutzung des Internet in Betrieben sollte trotzdem dauerhaft von der Gebühr befreit werden. Die GEZ will z.B. auch alle Ärzte abkassieren, die auf elektronischem Weg über ISDN ihre Abrechnungen vornehmen. Oder kleine Handwerker, die per Modem ihre Steuerdaten beim Finanzamt einreichen. Weder die Arzthelferin noch der Handwerker würden an diesem PC jemals fernsehen …

  7. Das Problem ist ein ganz Einfaches. Erstens, Internet ist kein Runfdunk (Point-to-Point vs. Broadcast). Zweitens, es gibt keinen Grundversorgungsauftrag der ÖR für das Internet, mithin lassen sich hier ohne Probleme zahlende Konsumenten und am Internet-ÖR Uninteressierte per Zugangsbeschränkungsverfahren auseinanderhalten. Drittens, bis jetzt konnte sich jeder bewußt entscheiden, ob er Rundfunkteilnehmer ist oder nicht. Mit der Umdefinition des Computers zum Radio oder Fernseher fällt das weg. Das halte ich für verfassungswidrig.
    Lösung liegt IMHO in einer geräteunabhängigen Rundfunkabgabe pro Haushalt/Person/wasweißich. Das Emfangsgerätekonzept war für Omas Dampfradio OK, heute hat es sich definitiv überlebt.

  8. für zulassungsbeschränkungen kann nur jemand eintreten, der noch nicht den spaß hatte, digitale set-top-boxen zu kaufen und bei dem einen oder anderen pay-tv-dienst anzumelden. oder entsprechende abos abzumelden. oder zu versuchen bestimmte sendungen auf bestimmte kanäle aufzuzeichnen.

    wer das mal mit erlebt hat, kann nicht ernsthaft behaupten, dass der weg der zukunft MEHR zulassungsbeschränkung ist, egal ob via antenne, kabel oder internet, sondern weniger und *wirklich* standadisierte verfahren ist.

    GEZ und das verhalten der öffentlich-rechtlichen ist diskussionswürdig. aber nicht die 5 EUR pro monat mehr, sondern ganz andere schauplätze:

    – programmqualität

    – grundversorgungsauftrag im internet (es macht in diesem zeitalter keinen sinn mehr, dem internet gegenüber anderen verbreitungswegen eine sonderstellung einzuräumen, zumal ja auch die herren & damen zeitungsverleger und privatfernsehsender nicht gewillt sind, adäquate angebote zur verfügung zu stellen)

    – bestimmung der gebührenhöhe. pro-kopf-pauschale statt geräteabgabe? automatische anpassung via inflationsrate statt politische einflußnahme wie ministerpräsidentenkonferenz der länder? 

    – umstrukturierung wg. effizienz (braucht es acht servicewellen für deutschland? fünf nachrichtenradios? sechs jugendsender? x klassiksender?)

    stattdessen nimmt man mit den fünf euro das so ziemlich einfachste ding zur zielscheibe, das gleichzeitig am wenigsten strukturelle veränderungen für die ÖRs bedeutet.

  9. Eine Geräteabgabe macht keinen Sinn, wenn jede Mautbrücke, jedes Telefon, jeder Webserver und eben jeder PC ein Rundfunkempfangsgerät ist. Sollen die Ministerpräsidenten halt jährlich neu die Pro-Kopf-Pauschale festlegen.

    Ansonsten dürfte es nicht schwierig sein, für Inhaber eines GEZ-„Teilnehmerkontos“ ein Passwort zu generieren und den Zugang zu ÖR-Streams mit diesem zu schützen. Man macht das nicht, weils hat niemand in Anspruch nehmen würde, von ein paar notorischen arte- und 3sat-Guckern (mich eingeschlossen) vielleicht abgesehen. Und was die Abmeldung von „Abos“ angeht: Schon mal versucht, sich bei der GEZ abzumelden? Fast ein Ding der Unmöglichkeit.

  10. @Nordlicht: Die Differenzierung Point-to-Point vs. Broadcast ist primär eine technisch (Ja, das steht so ähnlich auch noch im Rundfunkstaatsvertrag, geschenkt). In der Realität wird Rundfunk seit geraumer Zeit über IP-Netze verbreitet.

    Aus dieser real existierenden Verbreitung entsteht die Notwendigkeit auch von Betreibern „neuartiger Empfangsgeräte“ die Entrichtung von Rundfunkgebühren zu verlangen. Das nennt sich „Gebührengerechtigkeit“.

    Mit dem Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender oder der Möglichkeit „Uninteressierten“ die Gebühr zu ersparen hat das nichts zu tun. Der Witz ist gerade, dass auch die Uninteressierten ihren Beitrag zum Gleichgewicht zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rundfunkveranstaltern leisten sollen. Und das ist gut so.

    Mit einer Kopfpauschale für alle wäre es evtl. besser. Aber dann gehen z.B. WG-Bewohner auf die Barrikaden.

    dogfood: ACK. Diese strukturellen Veränderungen werden seit Jahren aktiv blockiert.

  11. @Jo: Deine Argumentation greift leider solange zu kurz, wie es noch Gebiete ohne DSL-Versorgung gibt, in denen man öffentlich-rechtliches Fernsehen also überhaupt nicht sehen /kann/ und in denen es ökonomisch unsinnig wäre, über das Internet Radio zu hören. Nach einer wirklich flächendeckenden Versorgung mit „Breitband“-Anschlüssen würde ich Dir für den privaten Bereich eventuell zustimmen, aber zur Zeit wäre das Abkassieren derer, die die Angebote überhaupt nicht nutzen /können/, alles andere als „gebührengerecht“.

    Die Nutzung des Internet in Betrieben, Hochschulen, Behörden (…) muss generell von der GEZ-Gebührenpflicht ausgenommen werden, weil dort nicht ferngesehen, sondern gerarbeitet werden soll und weil diese Maßnahme die Kosten der Unternehmen durch unangemessene Zwangsgebühren in die Höhe treibt. Die GEZ wird sich auch auf diesem Gebiet allerlei Schikanen einfallen lassen, an die heute noch keiner denkt (man lese Berichte über deren bisherige Tätigkeit; der SPIEGEL hat dafür einen passenden Namen gefunden).

  12. @jo: Das war auch ein untergeordnetes Argument. Entscheidend ist, daß ich die Wahlfreiheit, Rundfunkteilnehmer zu sein oder nicht, nicht mehr habe. Und wenn das so ist, dann ist die Kopfpauschale zwingend. Ich hab ja nichts gegen die ÖR. Ich hab nur was gegen Scheinheiligkeit.

  13. Diese Rundfunkgebühr für „neuartige Rundfunkgeräte“ ist der bare Unsinn – dieses Wortungetüm macht es ja schon deutlich. Erinnert mich an den „Heizer auf der Elektrolok“. Neben den allen schon genannten Gründen will ich noch folgende anführen:

    Internet ist immer noch kein Rundfunk – bestimmt noch für lange Zeit. Die Angst, das Internet würde den Rundfunk obsolet machen, stammt noch aus der Zeit vor dem letzten Jahrtausend, als die Zukunft des Internets noch gülden und voller Gedankenblasen war. Viele Blasen sind inzwischen mit einem lauten Knall geplatzt. Diese GEZ-Blase ist noch kurz davor und ein anachronistisches Überbleibsel aus dieser Zeit.

    Heute sollte man das realistischer betrachten. Für Rundfunk und Fernsehen ist es z. B. egal, wie viele Zuschauer gleichzeitig ihr Gerät einschalten. Wer sich schon einmal eine Streaming-Sendung über das Internet angetan hat, bei der einige tausend Zuschauer gleichzeitig mitsehen, weiß, dass das noch lange nichts mit „Fernsehen“ zu tun hat. Obwohl die verfügbare Bandreite inzwischen viel größer geworden ist und trotz der dabei notwendigen, zugekauften Serverpower ist das immer noch ein ruckelndes, abgehacktes Trauerspiel. Bandbreite im Internet ist eine endliche Größe. Werden die Sendeanstalten jetzt Serverfarmen aufbauen und neue Glasfaserkabel verlegen? Werden sie für die ins Internet „ausgestrahlten“ Sendungen die notwendigen weltweiten Lizenzen zukaufen? Wenn es ihnen ernst wäre mit dem Rundfunk- und Fernehempfang über das Internet, müssten sie das. Aber das wäre einiges teurer als die zusätzlichen Gebühreneinnahmen. Allein das zeigt schon, dass hier ein frisiertes Schaf als Windhund verkauft werden soll.

    Das Internet ist ein zutiefst demokratisches und weltweites Netz. Und auch aus diesem Grund niemals mit „Rundfunk“ vergleichbar. Und wer meint, er möchte im Internet teilnehmen, soll sich m. M. nach auch an die dortigen Spielregeln halten und nicht sich wie ein Kuckucksei ins gemachte Nest setzen wollen.

    Es gibt noch lange kein Grund für den ÖR, das Internet nutzen zu müssen. Wenn ich Radio hören will, schalte ich das Radio ein, zum Fernsehen den Fernseher. Dafür zahle ich auch meine Gebühr an die GEZ. Wer meint, am Computer fernsehen zu müssen, soll sich eine TV-Karte oder einen DVB-T Stick kaufen, die schon immer GEZ-pflichtig waren. Wofür sollen denn die ganzen Investitionen in DVB-T gut sein, wenn nicht dafür?

    Ich sitze hier als Selbständiger hier an meinem Computer, wie seit Jahren. Wenn ich nicht wie eben gegen diesen unsinnigen Anachronismus poste, liebe ich es, in aller Stille zu arbeiten. Und plötzlich ist mein Arbeitscomputer zum gebührenpflichtigen Radio/Fernseher mutiert, für den ich erst 17,03 Euro, jetzt 5,52 Euro im Monat bezahlen soll??? Für was denn? Als Privatmensch höre ich ab und an Radio und sehe fern – und dafür bezahle ich ja schon. Und es tröstet mich wenig, dass ich scheinbar als Randgruppe zum Kollateralschaden gehöre, den lieber in Kauf nimmt als ein schlecht gemachtes Gesetz nochmal gründlich zu überarbeiten.

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