jon stewart und bill moyers

in diesem interview von bill moyers mit jon stewart kann man wahrscheinlich mehr über politik, journalismus und humor (von mir aus auch patriotismus) lernen als in 20 jahren henri nannen schule (man beachte das „wahrscheinlich“).

jon stewart im interview mit bill moyers

jon stewart hat zwar wahrscheinlich einen furchtbar behaarten rücken (tut nix zur sache ich weiss), ist aber gleichzeitig einer der ganz wenigen menschen die es immer wieder schaffen politikern die maske vom gesicht zu reissen und ihnen ihre floskeln aus den händen zu reissen. das faszinierenste an ihm ist nicht nur seine unfassbare schlagfertigkeit und die fähigkeit komplexe zusammenhänge einfach zu erklären oder zu hinterfragen, sondern die völlige abwesenheit von selbstbeweihräucherung und profilierungssucht. ich habe nie das gefühl, dass er in seiner sendung (oder dem interview) politiker oder seine gäste blossstellen will, sondern nur ihre lügen, ihre rhetorik entlarven und zerstören will. seine fähigkeit nutzt er nicht um zuzustossen, sondern um zu entblättern, um zu erklären, zweifel zu sähen und um köstlich zu amüsieren. bill moyers erklärte das in bezug auf stewarts interview mit john mccain so:

So many people seem to want just what you did, somebody to cut through the talking points, and get our politicians to talk candidly and frankly.

stewart brachte etwas später die misere der politik auf den punkt (ich denke das gilt nicht nur für die USA):

Because I don’t think politics is any longer about a conversation with the country. It’s about figuring out how to get to do what you want. The best way to sell the product that you want to put out there, but not necessarily for the products on you know, it– it’s sort of like, when a dishwashing soap you know, they want to make a big splash, so they decide to have more lemon, as though people are gonna be like, „That has been the problem with my dishes! Not enough lemon scent!“

ich habe mich schon öfter gefragt, warum es in deutschland kaum einer schafft die dinge so auf den punkt zu bringen, dass die politiker ihre lügen, ihre hohle rhetorik, ihre sprechblasen um die ohren gehauen bekommen. ich vermute gar nicht, dass es am inzestuösen verhältnis von politik und journalismus liegt, daran, dass journalisten furcht haben die zugänge zu politikern, hintergrundgesprächen oder sonstwas zu verlieren, sondern es liegt vornehmlich an mangelndem talent. nicht nur, dass es journalisten an humor fehlt, schon bei der grundlegensten fähigkeit mangelt es ihnen: politik so zu erklären, dass man nicht gelangweilt oder überfordert abschaltet. ich kenne nicht viele journalisten, aber bei denen die ich kenne fällt mir nur einer ein, der den blick für das wesentliche hat und die fähigkeit besitzt schwierige und komplexe situationen so zu durchdringen und so zu erklären, das man am ende ein aha-erlebnis beim lesen hat. er heisst stefan niggemeier, ist heute aus dem urlaub zurückgekommen und leider nicht witzig und schlagfertig genug um zu einem deutschen jon stewart zu werden.

noch eine frage: warum schaffen es die mit gebührengeldern gemästeten öffentlkich rechtlichen anstalten eigentlich nicht wie die pbs ihre interviews zu transkribieren?

26 Replies to “jon stewart und bill moyers”

  1. Ohne Korinthen kacken zu wollen, aber Dein Verzicht auf Großschreibung ist schwindelerregend. Und danke für die Urlaubsvertretung.

  2. Noch eine Frage: Warum schaffen es die mit Werbegeldern gemaesteten A-Blogger eigentlich nicht wie die meisten anderen Blogger ihre Eintraege in vernuenftiger Gross- und Kleinschreibung zu verfassen?

    PS: Bevor sich jemand darueber beschwert dass ich keine vernuenftigen Umlaute schreibe, sowas haben meine Tastaturen nicht. Ich nehme aber mal stark an dass ix’s Tastatur eine Umschalttaste (oder wie auch immer das nun heisst) hat.

  3. Danke für den Hinweis auf das Interview. Ich hatte es im Fernsehen verpasst und habe es nun gerne am Stück angeschaut. Es zeigt vieles: die verblüffende geistige Kapazität von Stewart, die Klarheit des alten Fahrensmann Moyers. Aber es dürfte trotzdem im Hinblick auf Deutschland nicht viel abwerfen. Die beiden sind – erstens – Ausnahmen im amerikanischen Fernsehgeschäft, das aalglatt ist und allen Mitwirkenden die Ecken und Kanten abschleift. Zweitens zeigen ihre Biographien (und die ihrer Mitstreiter), dass man sehr hart kämpfen muss und sich nicht gleich den Schneid abkaufen lassen darf, wenn der Karriereplan nicht funktioniert. Und man sollte sich – drittens – keine falschen Vorstellungen über die Relevanz und den Einfluss ihrer Arbeit machen. Die Allmachtphantasien von Bush und seinen Freunden konnten auch deshalb so wirkungsvoll umgesetzt werden, weil sie jahrelang jedwede qualifizierte Opposition und deren Rationalität mit Hilfe der willfährigen Medien und tausender angeblich skeptische Journalisten vom Tisch fegen konnten. Dass die „Daily Show“ überlebt hat (es gab sie schon, ehe Stewart den Posten erhielt – mit einem Anchorman, der den Stuhl räumte, als er seine eigene Late-Night-Talk-Show bekam), hat viele Gründe. Sie verdient Geld. Sie wurde zu einem Must-See-TV-Termin für junge Leute. Und sie hatte einen Till-Eulenspiegel-Bonus.
    Auch wenn ich lieber in New York lebe als in Deutschland und mir im Moment nur schwer vorstellen kann, wie – in meinem Heimatland – „die politiker ihre lügen, ihre hohle rhetorik, ihre sprechblasen um die ohren gehauen bekommen“, halte ich das nicht für ausgeschlossen. Die neue, sehr beredte Respektlosigkeit der Blogger ist ein Reservoir für solche Prozessveränderungen. Das Gefühl der Langeweile gegenüber dem gestelzten und gestanzten Poliitk-Alltag ein anderer. Man braucht aber Leute mit Humor für ein solches Projekt und keine Zyniker.

  4. könnte jetzt bitte, für ein ausgeglichenes bild, noch jemand über die tipp-, rechtschreib- und zeichensetzungsfehler zetern?

  5. Wunderbar, nun ist die Ferienvertretung bald vorbei und es gab tatsächlich keinen langen Beitrag von Felix, der nicht sofort in eine Grossschreibdiskussion gemündet ist.

    Scheinbar braucht Deutschland nicht nur mehr sprechblasenentlarvende Journalisten; etwas flexiblere, inhaltefixiertere Blogleser könnten auch nicht schaden…

  6. Ich fürchte fürderhin, dass es in Deutschland auch irgendwie keine Zielgruppe für jemanden wie Jon Stewart (noch nicht mal für einen Michael Moore) gäbe: die linksliberale Elite, falls es eine solche in Deutschland überhaupt gibt, geht zu Kleinkunstabenden mit Matthias Richling (wenn es wenigstens Volker Pispers wäre …) und redet anschließend bei einer Flasche Rotwein über die persönliche Steuerbelastung und den nächsten Urlaub in Italien. Fernsehen als Ort des intellektuellen, aufklärerischen Diskurses ist für solche Menschen nicht denkbar, außerdem gibt es ja Harald Schmidt.

    Oh weh: so viel Kulturpessimismus und solche Feindbilder. Da geh ich mal besser ins Bett.

  7. so sehr ich ihn schätze, aber das mit dem zynismus ist wahrscheinlich genau das warum harald schmidt in einem schwarzen loch verschwunden ist (macht der überhaupt noch fernsehen?). man findet ihn jetzt mit didi hallervorden in einer der unteren schubladen — obwohl der ja gar nicht zynisch ist.

  8. Danke für den Link, die Daily Show sehe ich jetzt täglich, da kann man Comedy Central nicht genug für danken. Ein Mann wie Jon Stewart fehlt in D, aber die ganze Medienlandschaft ist m.E. nicht dafür geschaffen.
    Schaue ich mir an, was bei uns in Nachrichtenkanälen läuft, graut mir. Da fehlt noch einiges an Professionalismus. Ähnliches sehe ich bei solch anspruchsvollen politisch/humorvollen Sendungen: das kann zur Zeit keiner, den ich kenne. Man ist ja über „Neues aus der Anstalt“ schon froh, weil Dinosaurier wie „Scheibenwischer“ endlich mal nicht der höchste Standard sind.

    @ix: ich weiß nicht, aber wenn ich mir Harald Schmidt anschaue, der ist an der mangelnden Konkurrenz eingegangen. Keiner forderte richtig gute Inhalte von ihm. Was der unter „Zynismus“ abliefern konnte, war oft der kleinste gemeinsame Nenner des gerade noch so lustig gemeinten. Da hatte ich ja vor dem Fernseher noch mehr drauf, als HS brachte.
    Trotzdem wurde er vom Feuilleton gelobt, als sei er der Messias. Und er hat es geglaubt, während er immer schlechter wurde.
    Anders ausgedrückt: ich habe ihn nicht mehr gesehen, weil er zu seicht und lahm war. Und es ging vielen meiner Bekannten so.

  9. Schmidt arbeitet viel für das ZDF und ist Sidekick in der Manuel-Andrack-Show, die manchmal mittwochs und donnerstags von der ARD ausgestrahlt wird, wenn auf diesem Sendeplatz nicht gerade Matthias Richling eine Ursula-von-der-Leyen-Perücke spazieren trägt. Wobei er jetzt zumindest eine neue bräuchte.

  10. bin ich der einzige der john stewart nicht für der weisheit letzten schluß
    hält?
    ich fand ihn immer flach, mein glaube an die reinigende wirkung des fremdschämens ist begrenzt.
    warum die leute immer so tun als sei er der auferstandene karl kraus ist mir
    ein rätsel.
    was das veröffentlichen von interviews im wortlaut anlangt – wozu?

    o-töne von politiker, managern und sonstigen lobbyisten haben seit langem den informations und wahrheitsgehalt von waschmittelwerbung deutlich unterschritten.

    im übrigen wird es zeit das herr niggemeier wieder kommt.
    an der gemäßigten kleinschreibung habe ich nichts auszusetzen.

  11. Als Friedrich Küppersbusch noch selber vor der Kamera stand, hatten „wir“ MBMN auch noch so einen. Es gibt sogar noch Leute, die versuchen, diesen Interviewstil im deutschen Fernsehen weiterzupflegen (Thomas Pommer von „extra 3“ zum Beispiel), aber leider nur mit mäßigem Erfolg bzw. zu mäßigem Engagement.

  12. Danke an Hr. ix für diesen Artikel. Das für mich interessante daran ist der Vergelich zwischen Stewart und Niggemeier. Gut der eine ist/war im Urlaub, der andere war wohl auf Sendung. Aber im wesentlichen haben sie viele Gemeinsamkeiten, wobei Hr. ix aber nur die Unterschiede betont hat. Dass jener nämlich nicht witzig und schlagfertig genug wäre. Ob es auch Unterschiede bei der Rückenbehaarung gibt, weiß wahrscheinlich nur Hr. ix.

  13. Ein Glück, dass der Niggemeier wieder da ist… Bitte nie wieder (diese) Urlaubsvertretung engagieren!

  14. in sachen rückenbehaarung bin ich in 99 prozent aller fälle auf pure spekulation angewiesen. auch bei mir selbst. ich seh meinen rücken ja nicht.

  15. @alexander: danke. ich war gerade dabei selber die links aufzuführen, die dem letzten satz widersprechen.

  16. Eigenlob riecht manchmal recht streng und ich möchte (auch) nochmal auf Friedrich Küppersbusch hinweisen.

    Ich kann bis heute nicht verstehen, warum Sendungen wie „ZAK“ (gefühlt) abgewürgt werden.

    Wenn in Deutschland die Politik die Medien kontrolliert über Aufsichtsratsmitglieder in den Gremien der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten fragt man sich quasi reflexartig, ob ein spendenfinanziertes Fernsehen wie PBS die bessere Wahl darstellt – um dann daran erinnert zu werden, dass der Wahlkampf sämtlicher Kandidaten in dort eben auch von Spendengeldern lebt. Kurz darauf denkt man daran, dass NBC im Besitz von General Electric ist (die horizontal ausgerichteteste „Firma“ der Welt – von der Spülmaschine bis zur Atombombe ist alles im Programm).

    Es ist im Prinzip immer die Frage nach dem GRADE der Unabhängigkeit und Kommentatoren, die John Stewart dafür kritisieren, dass er sich prostitutiert auf einem Comedy-Sender, um seine persönliche Agenda ausleben zu können, lassen mich nur den Kopf schütteln.

    TDS ist für mich die einzig erträgliche Möglichkeit, mit der täglichen Arbeit der US-Regierung umgehen zu können, ohne schreien zu wollen. Hier in Deutschland kabbeln wir uns um Mindestlöhne und unsere Verbindung zum Krieg in Afghanistan ist eher marginal. Unsere Probleme scheinen verschwindend gering zu sein, weil wir uns selbst wohl nicht wichtig nehmen oder denken, dass ja alles schon in Ordnung geht bei uns.

    Dann wird in Heiligendamm mit Tornados fotografiert und ein Zaun gebaut und spätestens beim Umgang UNSERER Medien mit diesem Verhalten wird klar, dass auch bei uns ein enormes Bedürfnis nach einem John Stewart besteht und dass Stefan Niggemeiers Auseinandersetzung mit Falschmeldungen diesbezüglich oder der Prostitution der Medien gegenüber Werbetreibenden (Welt, Bild) nichts Nebensächliches sein kann, sondern ein dringend gebrauchter Hinweis auf unsere eigene Perversion der Auffassung darüber, was Journalismus zu sein hat, darstellt.

    Leider schmeckt in diesem Zusammenhang der Grimme Online Award etwas schal. Ähnlich wie John Stewart muss man sich eben hier und da arrangieren wie es scheint, um der großen Masse die eigene Nachricht näher bringen zu können.

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