Im Internet das Gute im Fernsehen finden

Gestern sind die Nominierungen für den den Grimme-Preis 2011 bekanntgegeben worden. Das ist eine gute Gelegenheit, für die Seite tittelbach.tv zu werben.

Rainer Tittelbach ist freier Journalist und TV-Kritiker. Er schreibt über Fernsehfilme und Krimi-Reihen und sieht sie im Zweifelsfall alle. Auf seiner Internetseite, die er seit Herbst 2009 betreibt, sammelt er nicht einfach nur seine Texte. Er verlinkt und sortiert, er empfiehlt und analysiert, es ist eine gewaltige Datenbank, eine ideale Kombination aus Service und Feuilleton.

Zum Beispiel jetzt zu Grimme. Ich wüsste nicht, an welcher Stelle man so umfassend, zugänglich und zuverlässig informiert würde über die nominierten Filme wie hier. Tittelbach analysiert kurz die Entscheidung und nennt seine eigenen Favoriten. Er hat zu jedem nominierten Film eine Kurzkritik verfasst, die zur Langfassung verlinkt. Dort finden sich, wie zu jedem der Hunderte besprochenen Filme, Inhaltsangabe und Kritik, ein Urteil in Form von bis zu sechs Sternen, Angaben zu Besetzung und Stab, Sendetermin, Einschaltquote, manchmal Verweise auf YouTube-Clips. Hinter vielen Namen in der Übersicht liegen Links zu Interviews und Portraits.

Als Bonusmaterial sammelt Tittelbach Informationen zu Soundtracks in Fernsehfilmen. Man kann sich die Filme eines Tages anzeigen lassen und in den besten Premieren und Wiederholungen der nächsten Tage stöbern.

Rainer Tittelbach sucht und findet (anders als ich) das Gute und Wertvolle im Fernsehen. Er schreibt über das Selbstverständnis seiner Seite:

Die Spitzenproduktionen innerhalb des Fernsehfilms und TV-Reihen wie „Tatort“, „Bloch“ oder „Bella Block“ sind im internationalen Vergleich seit Jahren Weltspitze.

In den Medien aber fristen diese oft außergewöhnlichen Filme ein Schattendasein. Mit der Medienkrise schrumpfen die Fernsehseiten vieler Tageszeitungen, Agenturen übernehmen die Rolle der TV-Kritik. Das Zufallsprinzip und der Zwang zum Populären bestimmen die Auswahl der Themen. (…)

tittelbach.tv richtet sich an Zuschauer, die gute Fernsehfilme zu schätzen wissen und sich auf einen „Tatort“ genau so freuen können wie auf einen gelobten Kinofilm. Auf der Seite befinden sich pro Monat bis zu 100 Vorbesprechungen von TV-Premieren und sehenswerten Wiederholungen — kompetent, knapp, klar, vorurteilsfrei, vergleichend, verlässlich, bei einem Vorlauf von zwei bis drei Wochen. Die so entstehende Fernsehfilm-Datenbank wird nach und nach aufgestockt um einige Kritiken der besten Fernsehfilme der letzten zehn Jahre.

Schwer zu glauben, dass ein einziger Journalist all das stemmt. Es imponiert mir, wie konsequent er die Möglichkeiten des Mediums Internet nutzt. Eine „hochwertige, systematische Fernsehfilmkritik-Datenbank“ soll tittelbach.tv werden, und Rainer Tittelbach hofft natürlich, dass sich damit einmal auch Geld verdienen lässt. Vom Print-Journalismus verspricht er sich nicht mehr viel.

Ich wünsche ihm, dass tittelbach.tv sein Publikum findet. Nur über die fünfeinhalb Sterne für die ZDF-Klimakterium-Klamotte „Klimawechsel“ müssten wir vielleicht nochmal reden.

54 Replies to “Im Internet das Gute im Fernsehen finden”

  1. Tönt interessant. Nur: sind Tatort und Bella Block nicht das populäre? Ist ein bisschen seltsam, diese als Beispiel zu benutzten wenn man gleichzeitig den Zwang zum populären beklagt.

  2. „Nur über die fünfeinhalb Sterne für die ZDF-Klimakterium-Klamotte „Klimawechsel” müssten wir vielleicht nochmal reden.“
    Allerdings! Tittelbach ist schon immer sehr, sehr nett zu den Filmen.

  3. Danke für den Linktipp.

    Als TV-Freund ist es leider oft gar nicht so einfach die wirklichen Perlen zu entdecken. Vor allem machen es einem die Sender mit unsäglichen Sendezeiten und Müllbergen auch nicht unbedingt leicht.

    Vom ‚KDD‘ z.B. hab ich erst hier im Blog gelesen und auf ‚Breaking Bad‘, das gut auf Arte versteckt ist, wurde ich erst von einem Freund aufmerksam gemacht, sodass ich bereits die Hälfte verpasst hab.

  4. Ich sage auch danke für den Linktipp.

    (Kann mir aber nicht verkneifen, zu sagen, ich befürchte, dass der Name wieder ein Fall für meedia.de wird :p)

  5. Vielen Dank für den Tipp – mildert vielleicht meine Fernsehentfremdung. Auf den ersten Blick muss ich jedoch sagen: Es scheint, als sei der Kritiker auch gegenüber dem letzten Schund recht milde gestimmt…

  6. Ich kenne Weltspitze. Sie findet im britischen und amerikanischen Fernsehen statt und nicht im deutschen. „Tatort“, „Bloch“ und „Bella Block“ sind international betrachtet unterer Durchschnitt, und da bin ich schon gnädig. Ich kann diesen ausgelutschten, klischeebeladenen, depressiven, oberstudienratkompatiblen Käse nicht ertragen. Die Schauspieler tun mir immer am meisten leid, wie sie sich mit diesen lächerlichen Dialogen aus der Retorte abquälen müssen. Kein Wunder, dass sie die ganze Zeit aussehen, als hätten sie nur noch sechs Monate zu leben.

    Sorry, aber für mich hört sich das so an, als würde da jemand sein Leben vergeuden. Diese Filme und Serien werden sowieso geguckt, einfach weil es ein großes völlig schmerzfreies Publikum in Deutschland gibt, das sich alles ansieht, während internationale Qualitätsproduktionen (Qualität wie in „originell“, „witzig“, „abgründig“) bei zdf.neu, arte und 3sat vor sich hinvegetieren.

    Gibt’s eine Seite, die sich auf solche Produktionen konzentriert?

  7. zu 7.

    Zu meiner Schande muß ich gestehen, kein profunder Kenner des britischen Fernsehens zu sein. Wer aber in der Verdummungsmaschinerie „amerikanisches Fernsehen“ irgendein Niveau, geschweige denn „Weltspitze“ entdecken will, der soll mir mal verraten, wo. Oder meinten Sie vielleicht das mexikanische oder irgendein anderes (latein-)amerikanisches Fernsehen? Da müsste ich dann auch aus Unkenntnis passen.

  8. Deutsches Fernsehen hat die gleiche Qualität wie deutscher Film ( der hat jetzt wenigstens wieder eine Zukunft, wo nicht mehr jeder dem Eichinger in den Arsch kriechen muss ).
    Top Premieren
    Highlights bis zum 30.01.2011
    # „Doctor’s Diary (3)“ (RTL, 26.01.)
    # „Stubbe – Von Fall zu Fall: Der Stolz der Familie“ (ZDF, 29.01.)

    Peinliches Drehbuch, dementsprechend desinteressierte Darsteller, für gewöhnlich ist es für eine deutsche Filmproduktion schon zuviel verlangt, das Set richtig auszuleuchten oder den Ton anständig abzumischen.
    Das deutsche Fernsehen mit Filmen und Serien die Anspruch auf Qualität erheben, hängt in der internatiolen Spitze locker 20 Jahre hinterher.
    Dessen sind die sich auch bewusst, sonst hätte man nicht schon vor knapp 10 Jahren richtige Produktionen wie Oz oder Sopranos auf Samstag Nacht 1 Uhr verbannt. Mit ständig wechselnden Sendezeiten und ohne die Werbung, die selbst für so Großmutter TV wie Tatort geschaltet wird, kann man natürlich alles gegen die Wand fahren. Säh ja auch doof aus für die „Eigen“produktionen.
    Abhilfe wurde aber auch da geschaffen, die neueren Knaller werden ja schon gar nicht mehr eingekauft, bzw. nur im Pay TV ausgestrahlt.

  9. „Deutsches Fernsehen ist doof!“ (#7) — „Nein, Amerikanisches Fernsehen ist doof!“ (#9)

    Und das sind Leute, die meinen, sich über Niveaulosigkeit beschweren zu können?

  10. @10 Guck dir halt die Wiederholung von Dschungelcamp an, schwenk das Fähnchen für Lena und Raab, halte Dieter Nuhr für „entlarvend“.

    Das kannst du aber auch nicht mehr als Guilty Pleasure verkaufen.

  11. Die fünfeinhalb Klimakteriumsterne erklären sich vielleicht durch eine, sagen wir mal, gewisse Begeisterung für’s Fernsehen an sich und für Krimigenres im Besonderen. Obsession ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr – und das gilt auch schon für blosse Begeisterung, wenn dadurch die Objektivität eingeschränkt ist.

  12. Nur der Chronistenpflicht halber:
    Wer das Us-Fernsehen als per se als niveaulos schilt, der sollte folgendes sehen und die Tiefe der Plots wie die Vielschichtigkeit der Charaktere und popkulturelle Referenzen:
    Serien: Breaking Bad, Mad Men, Sopranos, Curb Your Enthusiasm, Big Bang Theory, West Wing; Glee; Simpsons&Co. TV-Filme: You dont know Jack, Recount, John Adams etc.
    Das ist nur eine kleine Auswahl. Das US-Fernsehen produziert viel Schund, aber auch eine Qualität (wenn auch teils im PayTV), die ihresgleichen sucht. Wer das leugnet ist nur ein billig pauschalierender Kulturkämpfer, sollte dem Verein für Deutsche Sprache beitreten und ein Buch“Das deutsche Fernsehen schafft sich ab“ schreiben.

  13. Vielen Dank für diesen Tipp! Endlich mal eine Interessante und begründete Übersicht. Und „Klimawechsel“ war genial!

  14. @8: »Zu meiner Schande muß ich gestehen, kein profunder Kenner des britischen Fernsehens zu sein. Wer aber in der Verdummungsmaschinerie ›amerikanisches Fernsehen‹ irgendein Niveau, geschweige denn ›Weltspitze‹ entdecken will, der soll mir mal verraten, wo.«

    Da haben Sie sich aber eben als profunder Nichtkenner des US-amerikanischen Fernsehens entlarvt. Gute Beispiele hat ja bereits mein Namensvetter in [13.] genannt. Hinzufügen möchte ich noch: Arrested Development, South Park, Californication, It’s Always Sunny in Philadelphia, Trailer Park Boys (Canada) etc. Alles Serien die im deutschen Fernsehen (aber natürlich auch international) ihres gleichen suchen. (Stromberg z. B. spielt meiner Ansicht nach allerdings auch in dieser Liga.) Die ganzen großartigen Filme, die die USA so hervorgebracht haben, muss man da nichtmal bemühen.

    »Oder meinten Sie vielleicht das mexikanische oder irgendein anderes (latein-)amerikanisches Fernsehen? Da müsste ich dann auch aus Unkenntnis passen.«

    Hätten Sie beim US-amerikanischen mal lieber auch getan …

    Ob das Schund–Große-Kunst–Verhältnis in den USA nun besser als in Deutschland ist, weiß ich auch nicht. Bei der absoluten Anzahl der bereits entstandenen und kontinuierlich entstehenden Perlen sind die USA aber weit, weit vorn. Das ließe sich aber natürlich auch allein durch die produzierte Masse erklären.

    Cheers

  15. zu 13.

    Vielen Dank für die „kleine Auswahl“ als pflichtbewußter Chronist. Danach hatte ich ja gefragt. Freilich kann man darüber sicher streiten, was die Tiefe von Plots oder die Vielschichtigkeit der Charaktere wirklich angeht. Für mich bleiben da bei Deiner Aufzählung nur ein paar übrig. Aber immerhin. Dennoch gibt es keinen Grund, ausfällig zu werden und andere als „billige Kulturkämpfer“ zu titulieren oder in die braune Sarrazin-Ecke zu stellen.

  16. Torchwood, Survivors (Groß-Britannien) – aber noch besser: True Blood, Sons of Anarchy und viele viele andere Serien aus den USA sind spannende Unterhaltung (im O-Ton genossen), die Zuschauer süchtig werden lässt. Und JA! Klimawechsel (als deutsche Produktion, für die die Messlatte wesentlich tiefer gehängt werden muss) hätte ich 5 Punkte gegeben. Jawoll! Das war nämlich typisch deutsch und Maria Happel, Juliane Köhler, Ulrike Kriener und Andrea Sawatzki waren genial.
    Danke für den Tipp zu Tittelbach!

  17. Falkster hat völlig recht, das US-Fernsehen bringt allein durch die Masse, aber gerade durch die beiden Pay-TV Sender HBO und Showtime, viel hervorragendes zustande. Dass der große „schrott“ natürlich erst gar nicht ins Ausland verkauft wird, wird dann eben übersehen. So dürfte sich das im Vergleich mit dem deutschen TV wieder relativieren, wobei sich mit Doctor’s Diary, KDD und Danni Lowinski zumindest mal drei Serien der letzter Zeit keineswegs vor der internationalen Konkurrenz zu verstecken brauchen.

    Und Tittelbach ist nun im Feed Reader

  18. Wenn das deutsche Fernsehen mal irgendwann eine Produktion zustande bringt, die auch nur halb so originell, ausgefeilt, unaufdringlich, clever, selbstbewusst, tiefgründig, unbequem und unterhaltsam daher kommt wie die schlechteste Folge der SOPRANOS oder von DEADWOOD oder von THE SHIELD, dann sagt mir bitte bescheid. Ich werde dann ein zwanzigseitiges offenes Dankesschreiben an den entsprechenden Intendanten verfassen.

  19. Vielen Dank an diverse Vorredner für die Auflistung der besten amerikanischen Serien, jetzt muss ich mir nicht mehr die Mühe machen. Bin schon etwas müde…

  20. Ach, es gibt doch auch herausragende deutsche Produktionen. Neben den bereits genannten Serien Nachtschicht, KDD und Stromberg fällt mir spontan Dr. Psycho ein.

    In der Tatort-Reihe herausragend waren „Frau Bu lacht“ vom BR und „Weil sie böse sind“ vom HR. Und Dutzende, deren Titel mir derzeit nicht erinnerlich ist.

    Die Sendung mit der Maus, Willi Will’s Wissen und Wissen macht Ah! sind einfach phantastisch. Schlag den Raab und Unser Star für Oslo habe ich in dieser nach unten offenen Kommentarspalte schon häufig genug gelobhudelt.

    Oder zu Weihnachten wurde „Der Grüffolo“ gezeigt – auch eine ARD-Co-Produktion.

    P.S.: Schade, dass tittelbach.tv gestalterisch und strukturell bei weitem nicht so hochwertig ist, wie der Inhalt beim ersten Querlesen zu sein scheint.

  21. In Düsseldorf fand gerade eine „Tatort-Retro“ im filmuseum statt, wo dann ehemalige Tatort-Komissare von der guten alten Zeit erzählen durften, Konsens war wohl, dass Tatort mehr für Deutschland getan hat, als Goethe und Schiller zusammen!
    Die SZ verreisst die letzten Tatorte in einer neuen Serie, fängt damit aber erst nach dem letzten aus München an, weil der ja Kinoqualität hatte?!?
    Unser Charlie wird für epochaler als die Entdeckung Amerikas angesehen und so geht es weiter. Sprechkultur? Nie gehört! Tonmeister? Iss auffm Klo den Schneemann treffen! Das Zdf schafft es, 7T7K zu kopieren und das Original an Blödheit noch zu übertreffen-wenn einer der Gäste dann das Skripten der Teilnehmer anspricht wird es absurd.
    Bella Block unterbietet locker das Dschungelcamp, weil die „Schauspielerin“ Hoger seit Jahren nur noch mit monotoner Stimme Blaffen und nölen kann.
    Armin Müller Stahl, der alles was mit Mann zu tun hat spielen muss, spricht schon lange nur noch so, als würde er sich durch Rülpsatmung verständigen.
    Kultur und Wissenschaftssendungen kann man vergessen, weil über ALLES eine GEMA-frei Musikspur gelegt wird. Das Vögel sich über ihren GESANG verständigen wird man bei ARD und Zdf schon lange vergessen haben.
    Bei Neues aus der Anstallt dürfen dann Gäste auftreten, bei denenen man glaubt, sie kämen wirklich aus der Anstalt(„Eine Legislaturperiode des dt. Bundestages dauert 5 Jahre“.
    Singulär wäre das Beschriebene sehr erheiternd, in der Summe aber depremiert es mich, weil jährlich 9 Milliarden Euro verschwendet werden. (Die Kinder, kann nicht mal ENDLICH einer an die Kinder Denken?)

    Also BITTE keine Berichte mehr über die „Perlen“ im deutschen ÖR Fernsehen.

  22. @22: „Neben den bereits genannten Serien Nachtschicht, KDD und Stromberg fällt mir spontan Dr. Psycho ein.“

    Ich schätze STROMBERG und DR. PSYCHO sehr, und ich stimme zu, dass deren Qualität und Eigenständigkeit im deutschen Fernsehen ihresgleichen suchen. Die Tatsache, dass die Macher nicht nur sich, sondern auch ihrem Publikum etwas zutrauen, fällt da sofort angenehm auf. Und doch können auch diese beiden Beispiele noch lange nicht an den genannten US-Serien tippen. Deren Drehbücher spielen in einer ganz anderen Liga. (Von den Produktionsmitteln und Schauspielern ganz abgesehen, aber der Vergleich wäre natürlich nicht besonders fair.)

    KDD schien mir zum Ende hin wie eine schlechte, völlig überdrehte Parodie, bei der ich aus dem Augenrollen nicht mehr rauskam. Die Figuren schreien sich ständig an und benehmen sich wie Wahnsinnige, ohne dafür auch nur eine annähernd überzeugende Motivation zu haben. Man hatte wohl sowas wie THE SHIELD im Sinn, fand aber nicht die dramaturgischen und handwerklichen Mittel, den Reiz der Serie über den Atlantik zu retten — und übersah leider auch, dass Berlin nun mal nicht LA ist.

    Man merkt schon zuweilen, dass sich die deutschen TV-Macher der Qualität der einschlägigen US-Serien bewusst sind, aber mehr als mal mehr und mal weniger plumpe Kopien kommen dabei oft nicht rum. Das ist leider auch bei IM ANGESICHT DES VERBRECHENS so — eine weitere Reihe, die in Deutschland zwar qualitativ herausragt, international aber nicht gegen ihre Vorbilder anstinken kann.

  23. Das ist ja nicht der erste Eintrag in diesem Blog, der schnell zu „Fernsehen 20XX: GER vs. USA“ mutiert. Sicher gibt es in den USA absolut mehr akzeptable Serien, gibt ja auch einen etwas größeren Markt (und wenn die Staaten alle fertigbespielt sind, wird es noch einmal an 90% aller anderen amerikanischen Länder verkauft und dann nach Europa und Asien).

    Aber gerade was den Krimibereich angeht, finde ich die europäische Herangehensweise wesentlich angenehmer und unterhaltender. So einen Mist wie XYZ-CIS: Nappa County, Law & Order: Special Victims Super Trooper Sonstwas Unit oder die x-te Staffel von Bones gucke ich mir jedenfalls nicht mehr an. Es gibt/gab auch Perlen, so ist es nicht: Flash Forward, In Plain Sight, Rookie Blue oder The Good Guys.

    @Marc-Oliver
    Was ist/sind denn bitte das/die Vorbild(er) für „Im Angesicht des Verbrechens“?

  24. Ich vergaß zu erwähnen: Mein (amerikanisches) Kabelfernsehen kommt wieder weg. Für das viele Geld kann ich mir die guten Sachen auch online oder auf DVD kaufen. Und ich muss dann nicht immer daran denken, warum man Käse sechs Monate in Plastikdosen frisch halten will und was Jack LaLanne und Frank DeCaro wohl gemacht hätten, wenn sie sich je zum Abendessen getroffen hätten.

  25. Mein „Sammelantwortkommentar“:

    @17 (Mitleserin): „Torchwood“ geht gar nicht. Ich bin ja nicht unbedingt homophob, aber die ganzen Männer-(zungen-)küsse gingen mir dermaßen auf den Keks, dass ich nach der ersten Staffel aufgegeben habe. Wie besser ist da doch das Original, was hier noch keiner erwähnt hat: „Dr. Who“! Und das von einem ö-r Sender (BBC) produziert! Und natürlich: O-Ton muss sein!

    @18 (JMK): Showtime produzierte auch „Dexter“ (hat hier auch noch keiner erwähnt) und hat damit sensationelle Quoten eingefahren. Ich bin nun einmal bekennender Dexter-Fan!

    @19 (Marc-Oliver): Ich würde noch ergänzen wollen: „… und wo 90 Minuten Handlung eines ‚Tatorts‘ nicht 15 Minuten Handlung einer durchschnittlichen ‚Dexter‘-Folge entsprechen würden“. Mannomann, ist das teilweise zäh.

    @22 (SvenR): „Nachtschicht“ wäre ohne die freche Klappe von Herrn Rohde nur halb so gut, das könnte dann auch die süße Vietnamesin nicht mehr rausreißen. Aber es ist immerhin ein Anfang – und für einen 2DF-Krimi hat’s geradezu atemberaubende Dialoge.

  26. dieses nervige „alles Schlampen außer Mutti“ aka deutsches TV ist eh scheiße, kann einem ganz schön auf die Nerven gehen. Mehr Ambivalenz bitte.

  27. Die Diskussion über die Qualität des deutschen Fernsehens ist einer dieser niemals endenden Diskussionen. Es ist vergleichbar mit Diskussion über die jeweilige Jugend.
    Was man am deutschen Fernsehen bzw. an deutschen Fernsehserien kritisieren kann ist die Ideenlosigkeit und die Angst Experimente zu machen. Des Weiteren ist auch die Realitätsferne deutscher Produktionen. Nein, damit sind nicht unrealistische Geschichten gemeint, sondern der Bezug zur gegenwärtigen Realität. In sehr vielen Serien, vor allem in einigen Sitcoms wie „How I met your mother“ findet man Bezüge zur jeweiligen Gegenwart bzw. Reaktionen zu aktuellen Ereignissen. Das macht diese Serien zwar in gewisser Weise etwas „zeitbezogen“, schadet aber nicht der Qualität der jeweiligen Produktion. Die einzige Produktion aus Deutschland, die mir einfällt, die vergleichbar ist mit seinem Zeitbezug, ist „Ein Herz und eine Seele“. Die Serie funktioniert zwar in großen Teilen auch, wenn man den zeitlichen Hintergrund ausblendet, aber vieles aus der Serie ist nur unter der Berücksichtigung der damaligen Gegenwart zu verstehen.
    Hinzu kommt auch die Eindimensionalität von Charakteren in deutschen Produktionen. In vielen amerikanischen Produktionen sind die jeweiligen Charaktere deutlich vielschichtiger und durchlaufen auch Entwicklungen. Vielleicht erklärt das bei einigen amerikanischen Serien auch die „Indentifikationsfähigkeit“.
    „How I Met Your Mother“ ist auch hier ein gutes Beispiel. Die Charaktere, auch die Nebencharaktere sind nicht eindimensional und durchlaufen im Laufe der Serie auch eine Entwicklung. Auch wenn die in der Serie propagierten Lebensentwürfe recht konservativ anmuten mögen (Lebenspartner finden, Familie gründen), zeigt sie doch relativ gut die Lebensphase von 20-somethings/30-somethings mit all ihren Problemen (in der westlichen Welt/in Industrieländern).

  28. @SvenR

    ‚Willi wills wissen‘?!
    Das mag vom Ansatz her eine gute Sendung sein, aber diese Lobhudelei und totale Kritikverweigerung vor allem bei kontroversen Themen bereitet mir Brechreiz. Ich erinnere mich da z.B. an den Besuch im Vatikan, oder bei Frau „der Schwarze schnackselt gerne“ Thurn und Taxis.
    Kindern kann man durchaus auch kindgerecht formulierte Kritik zumuten.

    Mal abgesehen von der Tatsache, dass Willi Weitzel scheinbar auch keine Probleme mit CallIn-TV-Moderatoren hat.

  29. Stromberg ist zweifelsohne eine hervorragende deutsche Serie. Andererseits ist es, für jeden Kenner des britischen Originals, eine einfach nur billige Kopie. Wollte ich nur mal loswerden.

  30. Ich kanns mittlerweile auch kaum noch ertragen, wie manche Leute pauschal auf amerikanische Fernsehserien eindreschen. Eine Serie wie „The Wire“ finde ich leider kein zweites Mal im TV; da bin ich regelrecht baff, wie die Autoren es schaffen, Staffel für Staffel solche großartigen Dialoge herbeizuzaubern. Oder auch: „Mad men“. Ähnlich bezauberndes Werk.
    KDD hatte mir in der ersten Staffel sehr gefallen. Leider ließ diese Serie in Staffel Zwei stark nach; da sollte wohl ständig die schlimmstmögliche Wendung gefunden werden, was mich irgendwann nervte.
    Anonsten muss ich gestehen, dass ich die aktuelle Staffel vom Dschungelcamp für die beste deutsche Fernseh-Unterhaltung seit „Im Angesicht des Verbrechens“ halte. Diese Intrigen, die suggestiven Zusammenschnitte der RTL-Redakteure, die Kommentare von Bach und Zietlow – mich hat das Dschungelcamp gepackt, jawoll.

  31. @26: „Was ist/sind denn bitte das/die Vorbild(er) für ‚Im Angesicht des Verbrechens‘?“

    Ich sah mich u.a. stark an THE SHIELD und THE SOPRANOS erinnert, was das Milieu, Handlungsstränge und Figuren angeht. Es wäre sicher unfair, die Serie als Abklatsch zu bezeichnen, denn sie macht vieles richtig und besser als viele andere, und sie bemüht sich auch um ein gerüttelt Maß an „Lokalkolorit“. Und sicher ist es auch legitim, sich inspirieren zu lassen; leider geht diese Inspiration aber nur selten über Oberflächlichkeiten hinaus.

    (Was bei STROMBERG z.B. anders ist, finde ich. Hier gelingt es Machern viel besser, einen anderswo erfolgreichen Ansatz auf Deutschland umzumünzen.)

    @34: „KDD hatte mir in der ersten Staffel sehr gefallen. Leider ließ diese Serie in Staffel Zwei stark nach; da sollte wohl ständig die schlimmstmögliche Wendung gefunden werden, was mich irgendwann nervte.“

    Es sollte wohl die konstant unglaublich aufgeheizte Atmosphäre von THE SHIELD kopiert werden. Nur, was dort auf dreidimensionalen, in mühevoller Kleinstarbeit aufgebauten Figuren und Handlungssträngen basiert, hat dann bei uns eher den Anschein, dass jemand mit Handschuhen, Messer und Gabel eine Tafel Schokolade essen will.

    Ein Grundproblem, das sich wie ein roter Faden durch viele deutsche Produktionen zieht, ist, dass dem Zuschauer immer schon gleich die „richtige“ Interpretation mit an die Hand gegeben wird: Figuren sind krass überzeichnet und werden zu Karikaturen, die „Moral von der Geschicht“ folgt zwangsläufig nach Schema F und mit dem Holzhammer, damit’s für die Zuschauer auch ja nicht zu unbequem wird.

    Bei den besten US-Produktionen hat man dieses Problem nicht mehr. Dort wird in erster Linie Wert auf gute Geschichten und glaubwürdige Figuren gelegt, die dann man auch gerne mal ohne Skrupel und in aller Konsequenz über die moralische Klinge springen lässt. Das ist nicht nur anspruchsvoller, sondern auch spannender.

  32. Also eines muss man Herrn Tittelbach lassen: er steckt wirklich Leidenschaft und Akribie in dieses Thema, Respekt!

    Schade dass mich diese Sendungen praktisch gar nicht interessieren. Frage in die Runde:

    Was sind denn die eure besten Seiten die ähnlich viel Begeisterung investieren in

    a) amerikanische Serien
    b) deutsche und englische Dokus

    Zu (a) gibts sicher einige, wobei ich keinen richigen Favoriten habe (am ehesten wohl serienjunkies), zu (b) fällt mir gar keine Seite spontan ein.

    Her mit euren Geheimtipps ;) Danke!

  33. @35, Marc-Oliver: Dann muss ich wohl mal bei Gelegenheit in „The Shield“ hineinschauen. Diese Serie hatte ich bislang nicht auf meinem Schirm. Allerdings erinnerte mich KDD von der Figurenkonstellation her ebenfalls stark an Motive in „The Wire“; ähnlich schien sich „Im Angesicht des Verbrechens“ an dieser US-Serie zu bedienen.
    Schmälert für mich aber nicht das Vergnügen. Besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht. Mit dieser Philosophie hat ja Quentin Tarantino ganze Kinofilme gedreht, die mir durchaus gefallen.

  34. @Marc-Oliver #35
    Na ja, das finde ich aber ein bisschen weit hergeholt. Das Milieu ist nunmal das organisierte Verbrechen, aber der Ansatz bei „The Sopranos“ ist doch ein ganz anderer, wenn man mal von der Erzählperspektive absieht. „The Shield“ hat einen dritten, anderen Ansatz. Sicher wird da viel dichter erzählt als anderswo, allerdings auch ständig auf diesem aufgeregten Niveau (Sie nennen es positiver „aufgeheizt“), was mir zumindest nach einiger Zeit auf die Nerven geht. Andererseits sind die Charaktere schön ausgearbeitet, da haben Sie Recht. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass Menschen, die „Lost“-Dialoge und Krimis mögen, bei „The Shield“ gut aufgehoben sind. Bei „Im Angesicht des Verbrechens“ waren es genau die unaufgeregt erzählten Seitenstränge, die für mich den Spaß gebracht haben. Und das, was sie Lokalkolorit nennen, nämlich die saubere und glaubwürdige Einordnung der Charaktere in ihr Umfeld.

    „Stromberg“ ist, nachdem ich viele Folgen der englischen und amerikanischen Version gesehen habe, für mich die beste Adaption. Während das englische Original auf den bissigen Inselhumor vertraut, ist die US-Fassung ziemlich platt, was am Hauptdarsteller liegen könnte (~sollte, ~müsste, liegt).

  35. Mal so btw:

    Sind Sie das gerade bei Herrn Jauch, Herr Niggemeier ? Bzw. ein etwaig verschollener Zwillingsbruder?

    Wunderschönes Wochenende der „Gegenöffentlichkeit“ ;)

  36. …man kann natürlich jegliche Krimiserie an „the wire“ messen, dann hat man allerdings vermutlich an nix mehr Spass.

  37. @41, Olaf Mertens: ganz so ist es ja nicht. 24 empfand ich zum Beispiel ebenfalls als was Neues und Faszinierendes, zumindest über weite Strecken.

  38. Ich danke für diesen Hinweis! :)
    Als bekennender Fernsehfilm-Fan eine sehr schöne Seite, die ich in Zukunft öfters besuchen werde. Meine ersten Tests ergaben auch, dass der Journalist in seinen Kritiken Auffassungen vertritt, die ich weitesgehend unterschreiben kann. Aber ich gebe Niggemeier recht: die Noten sind tendenziell etwas zu gut.

  39. „Die Spitzenproduktionen innerhalb des Fernsehfilms und TV-Reihen wie „Tatort”, „Bloch” oder „Bella Block” sind im internationalen Vergleich seit Jahren Weltspitze.“

    Hahaha – das kann doch nicht wirklich ernst gemeint sein?! Es wurde ja schon von Einigen hier angesprochen, dass die Weltspitze des Fernsehens (im Entertainmentsektor) ganz sicher nicht hierzulande zu finden ist. Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen („Stromberg“ als gelungene Adaption, „Kriminaldauerdienst“- und das war´s auch schon) sind fiktionale TV-Formate in Deutschland schlicht unerträglich.

    Und wer hier pauschal auf das „verdummende US-TV“ schimpft hat schlicht keine Ahnung wovon er redet. Hochkarätige Serien und TV-Produktionen auf dem Niveau von HBO, AMC u.a. (Breaking Bad, The Wire, Boardwalk Empire, The West Wing, Deadwood, Six Feet Under, Sopranos, Mad Men, etc. pp.) gibt es aus heimischer Produktion schlicht nicht und die wird es auch auf absehbare Zeit nicht geben. Stattdessen feiert man mittelmäßige TV-Krimis wie den Tatort als fast schon hochkulturelles Ereignis ab und versendet die Produkte der Weltspitze mit 3 Jahren Verspätung und drübersynchronisierten Deutsch nachts auf Spartensendern. Das nenne ich Selbsttäuschung par excellence.

    Mich (und ne Menge anderer Leute) hat das deutsche TV im Unterhaltungsbereich schon lange verloren und ich ziehe mir stattdessen fast (bis auf die aktuelle Infoschiene) mein komplettes TV-Programm aus dem Netz. Das ist schade, denn es gäbe durchaus einige „deutsche“ Themen, die man in entsprechenden Formaten bearbeiten könnte aber den Mut dazu gibt es im deutschen Fernsehen einfach nicht (weder bei den ÖR, noch den Privaten inkl. Pay-TV) und stattdessen produziert man Formate, die niemanden überfordern und entweder dumm, langweilig oder beides sind.

  40. Nachdem ich mir die Seite von Herrn Tittelbach näher angeschaut habe, bin ich auch ein wenig erstaunt: Zwar legt er wirklich enormen Fleiß an den Tag, aber im Grunde könnte seine Fernsehkritik genau so gut als Promotionsmaterial der Sender durchgehen; es kann doch kaum sein, dass jemand so gut wie alles mag, was er sich da im TV anschaut.
    Wenn dies sein Maßstab ist, sollte er sich besser nicht nur vom Print-Journalismus seines Zuschnitts wenig versprechen, sondern auch von der Zukunft dieses Web-Angebots. Datenbank – okay. Filmkritik – nee.

  41. Ich weiß gar nicht was ihr hier alle habt. Das Niveau von Tatort-Folgen ist sehr unterschiedlich, da gibts oft übelsten Trash, aber zwischendruch immer wieder Filme die wirklich Weltspitze sind, da hat der völlig recht. Das selbe gilt für viele Fernsehfilme wie z.B. „Der Teufelsbraten“, fällt mir gerade als Beispiel für einen wirklich sehr sehr guten deutschen Fernsehfilm ein.

  42. Immerhin gabs eben in der Anmoderation ein Max-Goldt-Zitat. Damit hat das Dschungelcamp auch in seiner letzten Ausgabe dem Bildungsauftrag Genüge getan.

  43. Mhm,

    ging es in dem Artikel wirklich darum, welche TV-Produktionen welchen Landes nun die Besten sind? Habe ich nicht so verstanden…

    Zu den Leuten, die deutsche Produktionen nicht mögen: Serien wie Der Alte, Tatort und was-weiß-ich-nicht sind innerhalb Europas Exportschlager und dementsprechend erfolgreich. Sehe ich selbst weniger, sehe kaum fern, aber haben doch durchweg ihre Daseinsberechtigung… Sehe gerne Tatort, aber nur die Schimi-Folgen, finde Götz George gut.

    Der deutsche Film holt sehr auf, weniger durch Effekte, aber mehr durch Handlung. Da hat imho Til Schweiger viel für getan. aber auch viele andere.

    Amerikanisches Fernsehen sehe ich auch sehr gern, meistens reduziert sich das für mich aber auf Sitcoms a la Pro7, eben Scrubbs, How I met your mother und so.

    Viele Filme sind gut, aber den US-Filme-Machern gehen langsam die Ideen aus und sie versuchen, das mit Effekten zu kompensieren… Und amerikanische Buchverfilmungen sind sowieso nie so gut wie das Buch.

    Meiner Weisheit letzter Schluss: Seht doch, was ihr mögt, mit der Empfehlung des Blogbetreibers hat dies hier doch alles nichts zu tun.

    CU

  44. Nun gibt der Fernsehfilmfachmann auch 4,5 Sterne für die unsägliche „Nicht ohne meiner Tochter“-Gedächtnisproduktion rund um gute Deutsche und böse Engländerinnen und noch bösere Türken mit Betroffenheits-Actrice Nr. 1 Veronica Ferres.

    Das ist nicht nur un-kritisch, das ist un-terirdisch.

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