„Nordkurier“: Ein Sieg für freie Journalisten

Freie Journalisten müssen bei fast allen Zeitungen inzwischen Klauseln unterschreiben, mit denen sie die Nutzungsrechte an ihrer Arbeit weitgehend abtreten. Aber so sehr es sich die Verlage vermutlich wünschen würden: alle Rechte können sie ihren Mitarbeitern nicht nehmen. Das Urheberpersönlichkeitsrecht kann nach deutschem Gesetz nicht verkauft oder übertragen werden — es verbleibt beim Urheber.

Der „Nordkurier“ hat sich für seine neuen Rahmenbedingungen, die die freien Mitarbeiter vor einigen Monaten unterschreiben mussten, deshalb eine besondere originelle Formulierung ausgedacht:

„Der freie Mitarbeiter wird seine Urheberpersönlichkeitsrechte nicht in einer Weise geltend machen, die einen Konflikt mit den der Gesellschaft überlassenen Befugnissen und den wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft herbeiführen kann.“

Das Urheberpersönlichkeitsrecht verbleibt also beim Journalisten — der verpflichtet sich aber, davon keinen Gebrauch zu machen. So verzweifelt sind sie schon, die deutschen Verleger (hinter dem „Nordkurier“ stecken die „Kieler Nachrichten“, die „Schwäbische Zeitung“ und die „Augsburger Allgemeine“).

Das Landgericht Rostock hat heute auf Antrag des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) eine einstweilige Verfügung gegen die Verlagsgesellschaft des „Nordkurier“ erlassen und diesen Punkt sowie zahlreiche weitere für unwirksam und unzulässig erklärt. Dazu gehört auch die Vereinbarung, dass „das Eigentum an Manuskripten, Illustrationen und Bildern, einschließlich der Negative mit Ablieferung an die Gesellschaft über[geht]“. Die Kammer erklärte, dass die Klauseln „mit wesentlichen Grundgedanken gesetzlicher Regelungen, insbesondere des Urhebergesetzes nicht im Einklang stünden und eine unangenehme Benachteiligung der freien Mitarbeiter nach sich zögen“.

Nach Angaben des DJV hat das Gericht alle von ihm monierten Absätze des Vertrages für unwirksam erklärt.

Untersagt wurde auch ein Passus, mit dem die Mitarbeiter dem Unternehmen ein „ausschließliches, zeitlich und räumlich unbeschränktes Nutzungsrecht an seinen Leistungen (Text, Fotos oder Illustrationen) und den damit zusammenhängenden Urheber- und Leistungsschutzrechten für alle Nutzungsarten“ einräumen.

24 Replies to “„Nordkurier“: Ein Sieg für freie Journalisten”

  1. Bei den „Kieler Nachrichten“ seh ichs ja ein, aber warum gehören die „Schwäbische Zeitung” und die „Augsburger Allgemeine” zum „Nordkurier“?

  2. Zitat: „ausschließliches, zeitlich und räumlich unbeschränktes Nutzungsrecht an seinen Leistungen (Text, Fotos oder Illustrationen) und den damit zusammenhängenden Urheber- und Leistungsschutzrechten für alle Nutzungsarten” einräumt — eine Formulierung, die sich so oder ähnlich in vielen Verträgen findet“

    Soweit ich das kenne, beschränkt sich diese Formulierung gewöhnlich auf die Nutzungsrechte. Da man das Urheberrecht nicht abtreten kann, kann dieser Satz nur unzulässig sein.
    Umfassende Nutzungsrechte („räumlich, zeitlich unbegrenzt und exklusiv“) abzutreten, dürfte aber weiterhin legal sein.

  3. Faszinierend! Der DJV hat doch tatsächlich eine einstweilige Verfügung gegen einen Kleinverlag erwirkt. Sind die jetzt aufgewacht, weil immer mehr Feste ins Fach der Freien wechseln müssen? Dass der Passus im letzten Absatz rechts- und sittenwidrig ist, wissen wir doch schon seit ca. 2002. „Unterschreiben Sie trotzdem, wenn Sie die Aufträge brauchen“, hatte damals der DJV-Freien-Beauftragte empfohlen. Wir können nur klagen, wenn einer von Ihnen sich dazu bereit erklärt, hieß es da. Doch wer klagt, fliegt raus. Und jetzt geht es auch so? Was für ein erstaunlicher Wandel. Faszinierend – und auch, irgendwie, überraschend. Wann klagt der DJV gegen FAZ, Süddeutsche, Holtzbrinck, G+J, Springer usw.?

  4. Ich mag ja solche Entscheidungen, die freiwillig geschlossene Vereinbarungen für unwirksam erklären, generell nicht so als Sieg sehen. Obwohl ich anerkenne, dass „freiwillig“ ein sehr dehnbarer Begriff ist.

  5. Freie könnten auch einfach sagen: Mit uns nicht! Dann wären die Redaktionen, die von den Freien leben, echt ins verlegerische Hinterchen gekniffen. Aber dann müsste alle Freien an einem Strang ziehen. Und das ist utopisch, denn es gibt immer ein paar Leute, die auch die jämmerlichsten Bedingungen akzeptieren – und sich dabei nicht einmal jämmerlich vorkommen. Vielleicht, weil sie Journalisten nur zum Spaß sind.

  6. „… einräumen„, oder? „Unangenehm“ als juristischer Begriff ist jedenfalls toll.

  7. @2 u. @3: Da hat sich beim Landgericht Rostock wohl jemand in der Eile vertippt, es muss natürlich „unangemessen“ heißen.
    @5: An der Formulierung der Nordkurier-AGBs erkennt man übrigens, dass die da keinen Einser-Juristen rangelassen haben. Ich habe noch nie derart dämlich formulierte AGBs gelesen.

  8. „mit wesentlichen Grundgedanken gesetzlicher Regelungen, insbesondere des Urhebergesetzes nicht im Einklang stünden und eine unangenehme Benachteiligung der freien Mitarbeiter nach sich zögen”

    nach sich ziehen – direkte und indirekte Rede vermischt

    unangenehme – ich denke unangemessene

  9. Warum sind die Verlage so überaus scharf darauf unbegrenzte Rechte zu bekommen? Reicht es denn nicht, den Artikel abzudrucken und online zu stellen (bzw das zu dürfen)?
    Glauben die ernsthaft, es würde sich evtl. 2013 jemand die Lokalausgaben als Microfilm kaufen und sichern sich dafür schonmal die Rechte? Ich versteh es nicht.

  10. Warum wird denn eigentlich so krampfhaft versucht, alle Recht des Autors auszuschliessen – warum reichen keine exklusiven Nutzungsrechte? Hat sich da irgendwas im Vergleich zu frueheren Zeiten geaendert?

    R.

  11. Nick: Vielleicht gibt es in ein paar Jahren eine profitable Telefon-Hotline „Geile 18jährige lesen Dir die Zeitungsnachrichten von Deinem Geburtstag vor“. Und da wollen sie schon mal vorbereitet sein.

  12. @13/Wolfgang Michal: Was der Nordkurier wollte, das haetten auch drei Einser-Juristen kaum hinbekommen. Sehen Sie es einfach als Versuchsballon, wie beim Benzinpreis. Einer legt die Messlatte hoeher, und alle anderen „Konkurrenten“ fiebern mit, ob sie gerissen oder nur beschaedigt wird.

  13. Hat das Gericht wirklich von „unangenehmer“ Benachteiligung gesprochen? Der Standard-Rechtsbegriff für solche Fälle ist eigentlich „unangemessen“.

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