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Die scheinheilige Begnadigung der Andrea Kiewel

Wie lange soll eine Fernsehmoderatorin büßen müssen, die von einem Unternehmen Geld dafür bekommen hat, in Sendungen Schleichwerbung für ein Diät-Programm zu machen?

Ein Jahr ist es her, dass sich das ZDF mit scheinbar klaren Worten von Andrea Kiewel trennte. „Schleichwerbung in Sendungen des ZDF ist nicht akzeptabel“, formulierte der Intendant Markus Schächter damals (meinte damit aber natürlich nur solche Schleichwerbung, die mit dem ZDF nicht abgesprochen ist – dass Thomas Gottschalk den Millionen „Wetten, dass“-Zuschauern Markenlogos hinhält, ist für den Sender überaus akzeptabel). Kiewels Aktivitäten hätten „die Vertrauensbasis zwischen uns zerstört“.

Heute nun bestätigt ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut offiziell, was als Gerücht schon seit Monaten kursiert: Kiewel wird begnadigt und darf vom Mai an wieder den ZDF-„Fernsehgarten“ moderieren. „Wenn einer einsichtig ist, sollte man ihm eine zweite Chance geben“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Als die sich erkundigte, wie er denn „Klarheit und Ehrlichkeit durchsetzen“ wolle, „wenn niemand ernste und nachhaltige Sanktionen fürchten braucht“, fragte er zurück: „Wie viel Strafe wäre denn angemessen?“

Das ist theoretisch eine gute Frage, die praktisch relativ bedeutungslos ist. Natürlich wäre es übertrieben, jemanden wie Andrea Kiewel lebenslang zu sperren – obwohl die Art, wie sie Sender und Zuschauer täuschte, schon von ausgesuchter Dreistigkeit war. Und theoretisch könnte man durchaus argumentieren, dass „ein Jahr auf dem Abstellgleis“, wie Bellut es formulierte, eine angemessene Strafe sind.

Und doch sollte man dem ZDF nicht den Gefallen tun, darüber zu diskutieren, denn in Wahrheit sind solche Fragen nur ein Ablenkungsmanöver. Dass das ZDF Andrea Kiewel jetzt zurückholt, hat mutmaßlich einen einzigen Grund: Die Quoten des „Fernsehgartens“ sind unter ihrem Nachfolger Ernst-Marcus Thomas gesunken, und das ZDF traut ihr zu, sie wieder steigen zu lassen. Jede Wette: Wenn es diese Not nicht gegeben hätte, hätten die Verantwortlichen beim ZDF genau so überzeugend erklärt, dass man Frau Kiewel keineswegs schon wieder trauen könne. Entscheidend sind nicht irgendwelche ethischen Fragen. Entscheidend ist die Quote.

Das erklärt auch, warum Bellut eine Begnadigung von Elke Heidenreich, die das ZDF im Gegensatz zu Andrea Kiewel nicht betrogen hat, mit ekliger Gönnerhaftigkeit („Ich wünsche ihr alles Gute im World Wide Web“) ausschließt. Ein Quotenbringer war Heidenreichs Sendung „Lesen!“ schließlich nie.

Namedropping mit Andrea Kiewel

Das hätt‘ ich auch nicht gedacht, dass es sich noch mal lohnen würde, „Schmidt & Pocher“ zu gucken. Die Sendung zeigte gestern Ausschnitte aus der MDR-Talkshow „Riverboat“ mit diesen Zitaten Andrea Kiewels (die eingeblendeten Geldbeträge sind fiktiv, bzw. witzig gemeint):


„Also ich hab vorher, bevor Johnny gezeugt wurde, 25 Kilo mit Weight Watchers abgenommen und hab dann, doof wie ich bin, drei Monate dieses Gewicht gehalten…“


„Die letzten acht, neun Kilo, die ich als Frau zuviel finde, sollen noch weg bis zum Mai, und bin wieder bei Weight Watchers, und die helfen mir da so richtig schön auf die Sprünge…“


„Aber für mich ist Weight Watchers der Weg zurück zum normalen, gesunden Essen…“


„Und du bist bei Weight Watchers zum ersten Mal nicht die Dicke unter Dünnen…“


„Das ist ja schon meine zweite Episode bei Weight Watchers. Beim ersten Mal war’s mir ein bisschen saudoof…“

Und nun noch einmal zum Vergleich, was der Pressesprecher des MDR gestern im Zusammenhang mit der Schleichwerbung Andrea Kiewels zu „Spiegel Online“ gesagt hat:

„Die auf SPIEGEL ONLINE genannten Vorwürfe gegen Frau Kiewel beziehen sich ausschließlich auf Ihre Tätigkeit für das ZDF“, sagt Sendersprecher Stefan Mugrauer. Im MDR habe sie in keiner Sendung einen Bezug zum Thema „Weight Watchers“ hergestellt oder sei in irgendeiner Weise werblich für Weight Watchers aufgetreten.

ZDF und MDR haben Kiewel inzwischen gekündigt.

PS:


„Und dann war irgendwann der Punkt, wo ich gedacht habe: Jetzt ist auch mal gut, eine Kollegin hat bei Weight Watchers angefangen. Weight Watchers klingt ja erstmal ein bisschen, hmm. Bin hin, Berlin-Spandau…“

Andrea Kiewel im PAL-Feld des MDR

Toll: Da hat der MDR gerade erklärt, die Schleichwerbeaffäre von Andrea Kiewel, die in diversen Sendungen für „Weight Watchers“ Reklame gemacht hat, betreffe ausschließlich das ZDF, weil die Moderatorin in keiner MDR-Sendung einen Bezug zum Thema „Weight Watchers“ hergestellt habe oder in irgendeiner Weise werblich für „Weight Watchers“ aufgetreten sei, da zeigen „Schmidt & Pocher“ einen Ausschnitt aus der MDR-Sendung „Riverboat“, in der Andrea Kiewel von ihren Abnehmerfolgen mit „Weight Watchers“ schwärmt.

(PAL-Feld? PAL-Feld.)