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Programmhinweis (44)

Das ist ein schöner Moment, wenn die NDR-Reporter mit Hans-Peter Siebenhaar vom „Handelsblatt“ über seine Kritik an den teuren öffentlich-rechtlichen „Fernsehballetten“ reden.

Siebenhaar: Ich meinte natürlich das MDR-Fernsehballett, was ja den großen Skandal hatte beim MDR. Das ist ja mittlerweile privatisiert.

Sprecher: Und zwar seit einem Jahr. Und ein anderes ARD-Ballett gibt es nicht. Doch im Handelsblatt tanzen sie immer noch, die „Fernsehballette“.

Siebenhaar: Über das Fernsehballett hab ich nicht geschrieben. Schon lang nicht mehr.

Nun. „Handelsblatt“-Titelgeschichte, 25. Januar 2013, Autor: Hans-Peter Siebenhaar:

Es ist, andererseits, ungleich beunruhigender, Günther Jauchs Chuzpe noch einmal vorgeführt zu bekommen. In seiner ARD-Talkshow war er von Peer Steinbrück gefragt worden, ob er seinen Vertrag mit der ARD öffentlich machen wolle, und Jauch hatte doppelt gesagt:

Jauch: Das Problem ist, der ist öffentlich. Das Problem ist, der ist öffentlich.

Ist er natürlich nicht. Ein Interview mit dem NDR, für den er seine Talkshow produziert, lehnte Jauch ab. Er berief sich, richtig: auf eine Verschwiegenheitsklausel mit der ARD.

Man kann der Dokumentation, die das NDR-Fernsehen heute Abend über das Getöse um den neuen Rundfunkbeitrag zeigt, also nicht vorwerfen, die wunden Punkte ausgespart zu haben. In der Dreiviertelstunde finden die Beschwerden der Kommunen, die sich über erhebliche Mehrkosten beklagen, ebenso Platz wie Kritik an fehlender Transparenz und den gewaltigen Ausgaben der Sender für Sportrechte. Es geht aber auch um die irreführende und einseitige Berichterstattung von „Bild“ und „Handelsblatt“ — und die berüchtigten Friedhofsbagger.

Es ist ein solider Beitrag in eigener Sache geworden, der die Diskussion mit vielen Talking Heads abbildet, ohne ihr wirklich neue Erkenntnisse hinzuzufügen. Mir hätte er es leichter gemacht, mich auf ihn einzulassen, wenn er auf die aufdringlich süffisante Art verzichtet hätte, in der die Off-Texte vorgetragen werden (Sprecherin: Regina Lemnitz).

Neben FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld, Beitragsservice-Behördenleiter Stefan Wolf, den Intendanten Thomas Bellut (ZDF) und Lutz Marmor (NDR) komme auch ich drin vor — anfangs mit etwas rätselhaft verkürzten Zitaten wie diesem:

Wenn die BILD-Zeitung Tag für Tag mit Halbwahrheiten und Übertreibungen Stimmung gegen ARD und ZDF macht, kann man leicht sich zurücklehnen und sagen, kennen wir ja schon. Machen die immer. Die sind gegen uns. Den Reflex kann ich verstehen. Ich glaube aber, dass der falsch ist.

Ging eigentlich weiter:

Ich glaube, dass wirklich diese neue Art, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, viel höhere Anforderungen an die Öffentlich-Rechtlichen in Zukunft stellt, sich zu legitimieren, zu sagen: Wir machen ein Programm, für das jeder in der Gesellschaft zahlen muss.

Andererseits komme ich in dem Film so ausführlich zu Wort, dass ich mich da nicht beklagen will.

  • Über Gebühr: Streit um den neuen Rundfunkbeitrag,
    heute, 22 Uhr, NDR-Fernsehen
    und jetzt schon mit einem größeren Dossier auf ndr.de.

Das „Handelsblatt“ gegen ARD und ZDF: Wenn Ahnungslose Kampagnen machen

Dies ist das Niveau, auf dem die Kampagne des „Handelsblatts“ gegen ARD und ZDF angekommen ist:

Ein Dossier bläst auf zehn Seiten annähernd alles, was der Medienredakteur Hans-Peter Siebenhaar in den vergangenen Tagen und Jahren schon über ARD und ZDF ins „Handelsblatt“ sowie in sein Buch „Die Nimmersatten“ geschrieben hatte, noch einmal neu auf und schafft damit das Kunststück, selbst das Sommerprogramm des Hessischen Fernsehens an Wiederholungen zu übertreffen.

Es recycelt erneut eine angebliche „Studie“ für den Autovermieter Sixt, wonach die Gebühreneinnahmen von ARD und ZDF durch die neue Haushaltsabgabe um 1,6 Milliarden Euro jährlich steigen. Sixt hatte im Oktober 2010 ein zufällig vorbeikommendes Milchmädchen gebeten, das zu errechnen. Seitdem wird die Zahl vom „Handelsblatt“ und anderen Gegnern von ARD und ZDF benutzt, eine Gebetsmühle anzutreiben. Dass seriöse Schätzungen dieser Zahl widersprechen und nachvollziehbar erläutern, warum sie sich nicht so leicht errechnen lässt wie es Sixt behauptet, erwähnt das „Handelsblatt“ ebenso wenig wie die Tatsache, dass ARD und ZDF diese Einnahmen, wenn sie wider Erwarten tatsächlich realisiert würden, nicht behalten dürften.

Zur umfassenden Desinformation packt das „Handelsblatt“ die Zahl nun sogar in eine Statistik mit offiziell wirkender Quellenangabe:

Die Dossier-Artikel selbst prägt die inzwischen bekannte Denkverweigerung. Das „Handelsblatt“ wirft es ARD und ZDF ebenso vor, bloß auf die Quoten zu schauen, wie Programme zu machen, die keine großen Quoten haben. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen den Privaten Sportrechte wegkaufen, hält das „Handelsblatt“ das für verwerflich; wenn sie im Kampf um teure Filmrechte den Privaten das Feld weitgehend überlassen, hält das „Handelsblatt“ das auch für verwerflich.

Immerhin ist mir nach dem Lesen dieser zehn Seiten klar geworden, warum das „Handelsblatt“ sich so ausdauernd an den Öffentlich-Rechtlichen und ihrer neuen Finanzierung abarbeitet: nicht nur aus ideologischen Gründen, wegen des Konkurrenzverhältnisses, aus Neid, Populismus oder weil es nichts kostet (vor allem keine Recherche). Offenkundig gehören die Leute, die im „Handelsblatt“ übers Fernsehen schreiben, zu denen, die nie Fernsehen schauen und jetzt trotzdem zahlen müssen. Anders lässt sich die Flut von sachlichen Fehlern kaum erklären:

Die ARD, die den Vorabend bis dahin [gemeint ist der Start der RTL-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“] mit biederen Familienserien bestritten hatte, zog nach: mit dem Liebes-und Intrigenstadel „Verbotene Liebe“ rund um das Schloss der Familie von Anstetten. (…) Bald legte die ARD „Marienhof“ und „Rote Rosen“ nach.

„Verbotene Liebe“ ging erst 1995 auf Sendung, „Marienhof“ schon 1992.

An den Erfolg von Casting Shows wie „Deutschland sucht den Superstar“ (RTL) oder „Popstars“ (Sat1), versuchte das ZDF mit dem Polit-Klamauk „Ich kann Kanzler“ oder dem „Musical Show Star“ anzuknüpfen.

„Popstars“ lief auf RTL 2 und ProSieben, aber nie auf Sat.1.

Die Wirklichkeit sieht dann so aus: Der Erfolgsregisseur Bora Dagetkan etwa hat für die ARD die Vorabendserie „Türkisch für Anfänger“ entworfen. Die sorgte zwar nicht für tolle Quoten, laut Kritikern aber für Überraschung, Esprit und Witz. Dinge, die bei
ARD und ZDF nicht gerade im Überfluss vorhanden sind. Eine Zukunft hatte die Serie dennoch nicht.

Der Mann heißt Bora Dağtekin, und „Türkisch für Anfänger“ brachte es, trotz durchwachsener Quoten, immerhin auf drei Staffeln mit insgesamt 52 Folgen.

Die US-Erfolgsserien „Mad Men“ und „West Wing“ wurden gleich in den Spartenkanal ZDF neo verbannt.

„West Wing“ läuft nicht auf ZDFneo.

Als sich die Diskussion über die Haushaltsabgabe immer stärker zuspitzte, entschloss sich das ZDF zu einem in der Sendergeschichte einmaligen Experiment. Die Anstalt machte sich erstmals selbst zum Thema.

Das ZDF hat eine lange Tradition, sich selbst im Programm zum Thema zu machen. Es tat das zum Beispiel in Sendungen wie „Gespräch mit dem Intendanten“ (1963-1976) und „Wir stellen uns“ (1984-1992). Übrigens hat auch die ARD schon den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Kritik daran in einer Talkshow am Hauptabend zum Thema gemacht: Im Januar 2006 diskutierten bei „Hart aber fair“ unter anderem Privatfernsehlobbyist Jürgen Doetz und Henryk M. Broder mit Senderverantwortlichen über Kommerzialisierung, Schleichwerbung, Volksmusikwahn.

Samstag, 20.15 Uhr, beste Sendezeit im deutschen Fernsehen. Die ARD zeigt „Das Winterfest der fliegenden Stars“. Am kommenden Samstag sieht es ähnlich aus: Die ARD zeigt, wieder am Samstag, 20.15 Uhr, die Sendung „Servus, Hansi Hinterseer“. Beim ZDF heißt es am16. Februar, natürlich auch ein Samstag, 20.15 Uhr: „Willkommen bei Carmen Nebel“. Drei Sendungen, ein Programm. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen zeigt zur Primetime am Wochenende Volksmusik.

„Willkommen bei Carmen Nebel“ ist keine Volksmusiksendung. In der letzten Sendung traten auf: Eros Ramazzotti, Il Divo, Rolando Villazón, Unheilig, Pur, Andreas Gabalier, Chris de Burgh, Patricia Kaas, Peter Cornelius, Nik P., Linda Hesse, Wolfgang Trepper, Leo Rojas, Sir Roger Moore.

In der Rangliste der beliebtesten Fernsehformate kommt Volkstümliches laut Allensbach mit elf Prozent erst auf Rang 18 — noch hinter Daily Soaps und Talentshows. Nur eins boomt in dem Genre: die TV-Präsenz am Samstagabend.

Die Zahl der volkstümlichen Sendungen am Samstagabend geht zurück.

Hin und wieder zeigen sich die Sender einsichtig. Der MDR etwa hat kürzlich den Wernesgrüner Musikantenstadl eingestellt.

Die Sendung hieß „Wernesgrüner Musikantenschenke„. Ihre Einstellung hat übrigens zu zahlreichen Protesten von Politikern, Musikern und Zuschauern geführt.

Als das ZDF vor einiger Zeit moderner werden wollte, kündigte Programmdirektor Thomas Bellut an, weniger Volksmusik und stattdessen mehr Schlager zeigen zu wollen. Verbessert hat das die Lage nur unwesentlich.

Das ZDF hat in den vergangenen zehn Jahren „Weihnachten mit Marianne & Michael“ abgesetzt, „Liebesgrüße mit Marianne & Michael“, den „Grand-Prix der Volksmusik“, „Lustige Musikanten on Tour“ und „Das ZDF-Wunschkonzert der Volksmusik“. Es würde mich überraschen, wenn das „Handelsblatt“ auch nur eine Volksmusik-Sendung im ZDF benennen könnte.

Der Kabarettist Volker Pispers wagte, im öffentlich-rechtlichen WDR auszusprechen, was viele denken: „Von meinen GEZ-Gebühren dürfen keine Volksmusik-Sendungen finanziert werden.“

Ja, das wagte er. Aber vielleicht hätte die Berufsbezeichnung „Kabarettist“ den eifrigen Strohhalmklammerern des „Handelsblattes“ eine Warnung sein sollen. Der Kontext des Satzes von Pispers lautet nämlich so:

Was die unsachgemäße Verwendung Ihrer Gebühren angeht, möchte ich Sie an dieser Stelle einmal beruhigen. Ich selber lege großen Wert darauf, dass meine Honorare ausschließlich aus den Gebühren derjenigen Hörerinnen und Hörer bezahlt werden, die meine Beiträge mögen. Schließlich bin ich selber Gebührenzahler und fände es unerträglich, wenn von meinen Gebühren Sendungen oder Moderatoren bezahlt würden, die ich über Gebühr schrecklich finde. So habe ich zum Beispiel verfügt, dass von meinen GEZ-Gebühren keine Volksmusiksendungen finanziert werden dürfen. Auch die Honorare der Herren Reinhold Beckmann, Wolf-Dieter Poschmann und Peter Hahne dürfen unter gar keinen Umständen aus Geldern bestritten werden, die ich zwangsweise überwiesen habe.

Das habe ich der GEZ unmissverständlich klar gemacht. Natürlich kann die GEZ Ihre kostbaren Gebühren, liebe Hörerinnen und Hörer, nur dann korrekt verwenden, wenn in der dortigen Gebührenverteilungsstelle ihre persönlichen Vorlieben bzw. Abneigungen auch bekannt sind. Da reicht übrigens ein formloses Schreiben. Es ist zwar für die GEZ ein Riesenaufwand, die eingehenden Gebühren auf die verschiedenen Töpfe, aus denen bestimmte Sendungen nicht finanziert werden dürfen, zu verteilen. Aber das machen die da gerne. Genauso wie mein Finanzamt ohne mit der Wimper zu zucken zur Kenntnis genommen hat, dass ich nicht möchte, dass von meinen Steuergeldern die Diäten von Abgeordneten der FDP bzw. Polizeieinsätze bei Castor-Transporten oder Fußballspielen des FC Bayern München bezahlt werden.

Es immer schwierig mit der Ironie. Aber kann man wirklich so dumm sein, diese Sätze als Forderung zu verstehen, keine Volksmusik mehr mit den Rundfunkgebühren zu finanzieren, und nicht als Kritik an genau der Art von Ignoranz, wie sie das „Handelsblatt“ demonstriert?

Aber ja. Man muss nur dumm genug sein wollen.

Rundfunkbeitrag bald fast so schlimm wie Hitler

Es gibt allem Anschein nach nichts, was dem „Handelsblatt“ zu falsch oder zu dumm ist, um es im Kampf gegen ARD und ZDF zu verwenden. Den vorläufigen (und schwer zu untertreffenden) Tiefpunkt markiert ein Gastbeitrag der früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld, den die Zeitung gestern auf ihrer Internetseite veröffentlichte.

Ich fürchte, man muss das lesen, um eine Ahnung davon zu haben, auf welchem Niveau inzwischen die — an sich nicht nur legitime, sondern auch notwendige — Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geführt wird. (mehr …)

Die Nimmerklugen: Die „Handelsblatt“-Propaganda gegen ARD und ZDF

Es ist unmöglich, auch nur im Ansatz all die Desinformationen zu dokumentieren oder gar zu berichtigen, die die deutsche Presse in diesen Tagen über die neue Haushaltsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreitet. Ich habe das gestern im BILDblog wenigstens mit einigen Details aus der „Bild“-Kampagne versucht, aber es kommen jeden Tag neue Unwahrheiten nach.

Heute liefert der Medienredakteur und Widerstandskämpfer Hans-Peter Siebenhaar im „Handelsblatt“ ein besonders krasses Beispiel dafür, wie umfassend man die Leser (und natürlich andere vermeintliche Fachjournalisten) in die Irre führen kann, wenn man altbekannte Tatsachen als neu präsentiert und falsch interpretiert.

Sein Artikel beginnt so:

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten dürfen die erwarteten Mehreinnahmen durch die neue Rundfunkgebühr in Höhe von 304 Millionen Euro behalten. Davon entfallen auf die ARD 197,3 Millionen Euro, auf das ZDF 60,1Millionen und auf das Deutschlandradio 46,7 Millionen Euro im Zeitraum 2013 bis 2016. Das teilte gestern die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) in Mainz auf Anfrage des Handelsblatts mit.

Das ist fast schon preisverdächtig irreführend.

Verständnisfrage: Werden Mehreinnahmen in Höhe von 304 Millionen Euro erwartet? Oder dürfen die öffentlich-rechtlichen Anstalten von möglichen Mehreinnahmen in unbestimmter Höhe 304 Millionen Euro behalten?

Richtig wäre die zweite Interpretation, aber durch den bestimmten Artikel („die erwarteten Mehreinnahmen in Höhe von“) lenkt Siebenhaar die Leser in die andere, die falsche Richtung.

All die Zahlen, die Siebenhaar da nennt und die die KEF angeblich gestern seiner Zeitung mitteilte, stehen im 18. Bericht, den diese Kommission im Dezember 2011 vorgelegt hat. Sie stehen dort gleich auf der ersten Text-Seite. Sie geben die Finanzierungslücke an, die nach den Schätzungen der KEF bei ARD, ZDF und Deutschlandradio in den nächsten vier Jahren entsteht.

Normalerweise hätte die Rundfunkgebühr um 18, 35 Cent erhöht werden müssen, um diese Lücke zu schließen. Weil aber außer Burkhardt Müller-Sönksen und der „Bild“-Zeitung niemand weiß, wieviel Geld durch das neue Verfahren wirklich eingenommen wird (und weil es politisch so gewollt war), wurde die Höhe des Beitrages nicht angehoben.

Es sollte erst abgewartet werden, wie sich die Einnahmen tatsächlich entwickeln. Liegen sie über den Schätzungen, würde daraus der Finanzbedarf gedeckt. Kommt noch mehr Geld zusammen, als den öffentlich-rechtlichen zusteht, würde das bei der zukünftigen Festsetzung der Gebühren berücksichtigt: Sie würden weniger stark steigen oder sogar sinken. Kommt weniger zusammen, müssten sie entsprechend stärker steigen.

Das ist alles seit Jahren bekannt. Das ist das Wesen des ganzen Systems. Das Geld, das ARD und ZDF bekommen, richtet sich nicht danach, was eingenommen wird, sondern danach, was ihnen aufgrund ihrer Kosten zugestanden wird. Die seit Tagen anhaltende mediale Fixierung auf die mögliche Höhe der Einnahmen durch das neue System funktioniert als Skandalisierung nur, weil sie diesen Grundsatz ignoriert.

Deshalb kann Siebenhaar falsche und längst bekannte Tatsachen zu einer vermeintlichen Nachricht zusammenrühren. Er schreibt weiter:

Mittlerweile ist auch eine Reduzierung der monatlichen Rundfunkgebühr, früher als GEZ-Gebühr bekannt, kein Tabuthema mehr. „Wenn es zu deutlichen Mehreinnahmen kommt, ist auch eine Senkung der Rundfunkgebühren denkbar“, sagte KEF-Geschäftsführer Horst Wegner dem Handelsblatt. „Eine Gebührensenkung ist frühestens zum 1. Januar 2015 denkbar.“ Wenn eine Milliarde Euro mehr reinkommt, müssten diese Mehreinnahmen an die Gebührenzahler durch eine Gebührensenkung weitergegeben werden, sagte gestern ein KEF-Experte, der ungenannt bleiben will.

Schön dass der ungenannte KEF-Experte einfach noch einmal dasselbe sagt wie der genannte KEF-Experte. Aber da auch der genannte KEF-Experte nur sagt, was immer schon feststand (und keineswegs ein „Tabuthema“ war, wie Siebenhaar fantasiert), ist es eh wurscht. Redundanz wird erst in der Wiederholung richtig schön.

Apropos. Siebenhaar schreibt heute:

Für Unternehmen können die neuen Beiträge nach Berechnungen des Handelsblatts und von Wirtschaftsverbänden um den Faktor 17 höher ausfallen als die alten Gebühren. Die Deutsche-Bahn-Tochter DB Netz etwa zahlte bislang 26.000 Euro Rundfunkgebühren im Jahr, künftig werden es 472.000 Euro sein. Den Drogeriemarkt-Filialisten DM kosteten ARD und ZDF bislang 94.000 Euro, mit dem Jahreswechsel werden daraus 266.000 Euro. Deutschlands Lebensmittelhändler Rewe erwartet eine Kostensteigerung um 500 Prozent.

Nach früheren Berechnungen des Autovermieters Sixt drohen Bürgern pro Jahr Zusatzkosten von 600 Millionen Euro und Firmen von 950 Millionen Euro.

Gestern hatte Siebenhaar zusammen mit „Handelsblatt“-Kollegen geschrieben:

Für Unternehmen können die neuen Beiträge nach Berechnungen des Handelsblatts und von Wirtschaftsverbänden um den Faktor 17 höher ausfallen als die alten Gebühren. Die Deutsche-Bahn-Tochter DB Netz etwa zahlte bislang 26.000 Euro Rundfunkgebühren im Jahr, künftig werden es 472.000 Euro sein. Den Drogeriemarkt-Filialisten dm kosteten ARD und ZDF bislang 94.000 Euro, mit dem Jahreswechsel werden daraus 266.000 Euro. (…) Deutschlands Lebensmittelhändler Rewe erwartet eine Kostensteigerung um 500 Prozent. Nach früheren Berechnungen des Autovermieters Sixt drohen Bürgern pro Jahr Zusatzkosten von 600 Millionen Euro und Firmen von 950 Millionen Euro.

Neinnein, das ist nicht derselbe Text. Gestern war „DM“ klein geschrieben.

Vielleicht veröffentlicht das „Handelsblatt“ jetzt aus Protest gegen die Finanzierung von ARD und ZDF diese Absätze einfach täglich neu, angereichert mit Informationen, die man sich ein bis vier Jahre nach ihrer Veröffentlichung nochmal von den jeweiligen Behörden bestätigen lässt und dann falsch interpretiert.

Wenn Leser dafür tatsächlich Geld ausgeben, hätte das „Handelsblatt“ ein Finanzierungssystem für seine Propagandamaschine erfunden, das fast so zukunftssicher ist wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen.

Wie die „Wirtschaftswoche“ ARD und ZDF erledigt

Er ist ein großer Hit: Der Online-Artikel, in dem die „Wirtschaftswoche“ die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der GEZ fordert. Auf den Seiten von Gebührengegnern wird er gefeiert. Laut „Wiwo“ war er einer der am häufigsten abgerufenen Artikel auf der Seite im Oktober.

Zwischendurch war er allerdings eine Weile verschwunden. Und als er wieder da war, war er nicht mehr, wie er war. Auf Nachfrage hieß es, er sei „zum Ergänzen“ offline genommen worden; „Kleinigkeiten“ seien geändert worden.

Nach weiterem Drängen, das Hin und Her zu erklären, veröffentlichte „WiWo“-Online-Chefredakteurin Franziska Bluhm einen Eintrag im Redaktionsblog der „WiWo“. „Der Text enthielt missverständliche Formulierungen und einen kleinen Fehler“, schrieb sie. Die Offline-Phase habe man dazu genutzt, „die Argumente des Kommentars noch klarer zu formulieren. Wir haben sie dabei nicht abgeschwächt, sondern eher noch zugespitzt. Dafür haben den Text teilweise inhaltlich gestrafft.“

In Wahrheit hat die „WiWo“ mehrere gravierende Fehler berichtigt, ganze Absätze gestrichen oder umformuliert. Das ist prinzipiell zu begrüßen, denn den ursprünglichen Text hat jemand ohne Sachkenntnis und mit bestürzenden Artikulationsschwierigkeiten geschrieben. Bloß hat die umfassende Überarbeitung daran nicht so viel geändert.

Es lohnt sich, die „Kleinigkeiten“ anzusehen, die die „Wiwo“ geändert hat, und über den Text zu staunen, den das Blatt nun für vorzeigbar hält.

Alte Fassung Neue Fassung
Wen betrifft die neue Rundfunkgebühr?

Sie wird für jeden Haushalt und Betrieb fällig. Es soll auch nicht mehr wie bislang Befreiungen für Hartz-IV-Empfänger von der Beitragspflicht geben. Sie bekämen aber entsprechend mehr Geld vom Staat. Ausnahmen sind nur wegen „ersichtlicher Empfangsunfähigkeit“ oder langer Abwesenheit vorgesehen.

Wen betrifft die neue Rundfunkgebühr?

Sie wird zunächst für jeden Haushalt und Betrieb fällig. Hartz-IV-Empfänger können einen Antrag auf Befreiung stellen. Menschen mit Behinderungen werden mit einem reduzierten Beitrag eingestuft.

(mehr …)

Wie ARD und ZDF ihren Gebührenbedarf kleinrechnen

Die ARD behauptet, der zusätzliche Finanzbedarf, den sie für die kommenden vier Jahre angemeldet habe, entspreche einer jährlichen Steigerung um 1,1 Prozent. Die ARD-Vorsitzende Monika Piel hat diese Zahl auch in diversen Interviews genannt. Das ZDF rechnet seinen zusätzlichen Bedarf öffentlich in eine jährliche Steigerung von 1,3 Prozent um. Beide Angaben sind falsch. In Wahrheit sind die Steigerungen deutlich höher.

Das wird jetzt ein bisschen kompliziert.

Es gibt mehrere Gründe, warum die Zahlen über die von ARD und ZDF bei der zuständigen Kommission KEF beantragten Mittel so schwer einzuordnen und so leicht zu skandalisieren sind. Der naheliegendste sind natürlich die schieren absoluten Größe der Zahlen, die Millionen- und Milliardenbeträge. Aber es kommt noch etwas hinzu: Die Gebührenperiode läuft über vier Jahre. Die bewilligten Etats steigen am Anfang sprunghaft an und bleiben dann konstant.

Die ARD zum Beispiel hat eine Bedarfssteigerung um insgesamt 900 Millionen Euro angemeldet. Das entspricht 225 Millionen Euro jährlich. Diese 225 Millionen Euro stellen eine Zunahme des Etats um 4,1 Prozent dar. Dem stehen dann aber drei Jahre ohne weiteres Wachstum gegenüber. Die 4,1 Prozent lassen sich deshalb nicht mit jährlichen Steigerungsraten wie etwa der Inflation vergleichen.

Es ist deshalb prinzipiell sinnvoll, diese Zahl auf eine jährliche Steigerungsquote umzurechnen, wie es ARD und ZDF tun. Mit der behaupteten jährlichen Anpassung von 1,1 Prozent der ARD ergäbe sich allerdings folgendes Bild:

Tatsächlich ist nach vier Jahren mit einer jährlichen Steigerung von 1,1 Prozent die neue beantragte Etathöhe erreicht. Nur hat die ARD diese Höhe ja auch schon für die Jahre zuvor beantragt. Anstatt der 900 Millionen, die sie angeblich insgesamt zusätzlich braucht, bekäme sie mit einer jährlichen Steigerungsrate von 1,1 Prozent in vier Jahren nur rund 614 Millionen zusätzlich.

Um auf 900 Millionen Mehreinnahmen zu kommen, müsste der Etat nicht vier Jahre lang um 1,1 Prozent, sondern um 1,6 Prozent steigen.

Das ZDF hat exakt denselben Rechenfehler gemacht. Es hat — nach neuesten Zahlen — einen Bedarf von 411 Millionen Euro angemeldet. (Die von der „Zeit“ behaupteten 435 Millionen sind falsch; die vom ZDF später bestätigten 428 Millionen inzwischen nach ZDF-Angaben überholt.)

Der Sender erklärt mir:

Dieser Finanzbedarf (411 Mio) würde bezogen auf die Beitragsperiode 2013-2016, bei dem angenommenen Beitragsaufkommen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 0,248 € bedeuten. Der aktuelle Anteil des ZDF an der Rundfunkgebühr beträgt 4,735 €. Setzt man die ermittelten 0,248 € in Relation dazu, entspricht dies einer Steigerung von 5,2 Prozent für den Zeitraum von vier Jahren. Verteilt man diese Steigerung gleichmäßig über die vier Jahre, ergibt sich mit Hilfe des geometrischen Mittelwerts eine jährliche Steigerung von 1,3 Prozent.

Nur verteilt sich die Steigerung eben nicht gleichmäßig über die vier Jahre, sondern wird sofort im ersten Jahr wirksam und bleibt dann konstant. In Wahrheit entspricht der angemeldete zusätzliche Bedarf des ZDF nach meinen Berechnungen einer jährlichen Steigerung um gut 2,0 Prozent.

Das ist immer noch eine Größenordnung, die vermutlich bestenfalls einen Inflationsausgleich darstellt. Insofern halte ich die Reaktionen auf diese Bedarfsanmeldung (die ohnehin von der KEF deutlich gekürzt werden wird) für unverändert abwegig und hysterisch. Ich hätte mich aber nicht auf die Zahlen verlassen dürfen, die ARD und ZDF angegeben haben. Sie erwecken einen falschen, zu niedrigen Eindruck von dem zusätzlichen Bedarf, den sie angemeldet haben.

[via Michael in den Kommentaren]