Was die RTL-Chefin bei Klaus Boldt hervorwölben lässt

Der verlogenste Artikel zum Weltfrauentag stand dann aber doch nicht in „Bild“, sondern im Online-Auftritt des „Manager Magazins“. Der Medienredakteur Klaus Boldt, dessen Artikel berühmt dafür sind, dass man mit den in ihnen geflochtenen Girlanden eineinhalb mal sämtliche Karnevalsfeiern des südlichen Rheinlandes ausstatten könnte, hat Anke Schäferkordt getroffen, die erfolgreiche Geschäftsführerin von RTL, eine Frau.

Boldt hat sich in Schäferkordt verliebt. Ich weiß nicht, ob es etwas Erotisches ist, ihre Ausstrahlung, ihre Bilanzen oder auch nur ein gemeinsames Desinteresse am Medium Fernsehen. Ich fürchte, mit einmal kalt Duschen wird es nicht getan sein, aber ein Eimer Wasser über den Kopf könnte sicher nicht schaden.

Boldt ist ganz entrückt angesichts der Tatsache, dass diese Frau so erfolgreich ist und dieser erfolgreiche Manager eine Frau. Er lässt sich nicht davon beeindrucken, dass Schäferkordt die schöne Formulierung benutzt, sie sei „durchgängig gelangweilt“ von dem Thema, dass sie als Frau ein Milliardenunternehmen leite. Er versucht manchmal, seine Ungläubigkeit hinter Uneigentlichkeit zu verstecken, so als seien es nur die anderen, die staunten über diese Kombination von Geschlecht und Gewinn. Es gelingt ihm nicht.

Er schreibt, sie gelte als „Wonder Woman der deutschen Wirtschaft“, aber das hat er sich sicher nur ausgedacht. Sie ist seine Wonder Woman. Sie bringt ihn dazu, den üppigen Platz, den ihm die Zeitschrift eingeräumt hat, nicht nur mit verwegenen Ortsbeschreibungen zu füllen, sondern auch mit etwas, das er selbst „Weibergeschwätz“ nennt:

Wonder Woman kehrt vom Fenster an den Besprechungstisch zurück. Sie trägt einen Hosenanzug, der, wenn nicht alles täuscht, von der Farbe dunkler Alpenveilchen ist. Die Sekretärin liefert einen Cappuccino, Wonder Woman bleibt lieber beim Wasser: Sie ist erkältet und hustet, wofür sie sich höflicherweise jedes Mal entschuldigt.

Schäferkordt wurde, was womöglich Anlass seiner Liebeserklärung ist, in den Aufsichtsrat von BASF berufen, was laut Boldt einerseits eine Versammlung ist, in der sich „Wirtschaft und Weisheit so verdichten“ wie in wenigen anderen, andererseits womöglich übertrieben. Über den BASF-Aufsichtsratschef Eggert Voscherau schreibt er:

Dass Schäferkordt eine Frau sei, habe bei ihrer Berufung überhaupt keine Rolle gespielt. Geschadet hat es aber auch nicht: Man müsse ja „nicht gegen den Trend laufen, wenn man jemanden findet, der passt“, sagt Diplomat Voscherau.

Und so fragt Boldt:

Wer ist diese Frau, deren Aufstieg sich im Reich der Bertelsmann AG vollzog, die zu den Hochburgen des Machismo in diesem Lande gezählt werden darf?

Das „Manager Magazin“, muss man wissen, gehört auch zum Reich der Bertelsmann AG, weshalb man diesen Satz natürlich auch als eine Art augenzwinkernde Entschuldigung für den Chauvinismus des Artikels, in dem er steht, lesen kann, was ungefähr so gut gelingt wie der Versuch, eine Dauererektion unter einer Papierserviette zu verstecken.

Jedenfalls, also, wer ist nun diese Frau?

Wonder Woman ist eine gewandte, mittelgroße Frau; sie hat ein angenehmes Äußeres, ein nicht minder angenehmes Wesen und die sanfte Altstimme einer Schnulzensängerin. Sie ist kinderlos und unverheiratet, aber seit 20 Jahren mit dem Dr. Abteilungsdirektor Biermann vom Haus der Geschichte zu Bonn aufs Glücklichste liiert. Sie ist 48 und sieht aus wie 35.

Sie sah aus wie 35, und er war wieder 16. (War allerdings Winter.)

Das Gestelzte einer Business-School-Amazone geht ihr völlig ab, ihr Blick ist scharf und klar mit etwas Ehrlichem und Unschuldigem und Unverdorbenem darin, was man in dieser Branche nicht allzu oft zu sehen bekommt. Sie ist freundlich, aber auch nicht so vertraulich, als wollte sie einem einen Tipp fürs nächste Pferderennen geben.

Das ist ein Fluch. Wenn andere davon träumen, Pferde zu stehlen, wollen Wirtschaftsmagazinredakteure nur Tipps, wie man mit ihnen Geld verdienen kann.

Vielleicht liegt es nur an mir, aber in diesem Kontext lesen sich selbst Boldts gespreizte Verben fast pornographisch:

Im ersten Halbjahr 2010 wölbte sich der Umsatz (2009: 1,7 Milliarden Euro) um 5 Prozent auf 864 Millionen Euro vor, das Ebita dehnte sich um knapp 63 Prozent auf 257 Millionen Euro aus.

Jedenfalls:

Die Herren des Hauses Bertelsmann, dessen Betriebskapital von RTL in wünschenswertester Weise gestärkt wird, nicken einander zu und lassen die angenehmsten Scherze einfließen, der Art, dass man von außen nicht sagen könne, ob RTL nun von einem Weibe oder einem Manne geführt würde oder nicht.

Mein Draht zu Frau Schäferkordt ist nicht gut genug, um das herauskriegen zu können, aber ich wüsste gerne, ob es ihr beim Lesen dieser Stelle so ging wie mir und die Langeweile kurz von dem Geruch von Erbrochenen überlagert wurde. Aufs angenehmste, natürlich.

Tatsächlich ist bei Schäferkordt schon an dieser Stelle unbedingt die Intuition anzuführen, die den Damen bekanntlich im Übermaß zur Verfügung steht: Ihre Fähigkeit, den Publikumsgeschmack zu erraten, prägte sich bereits aus, als sie noch bei Vox die Sendeleitung innegehabt hatte.

Doch, Bauchgefühl, das haben sie, die Frauen.

In ihrer Amtszeit hat sie dem Senderrepertoire strategische Konturen verliehen und ein loses Ensemble zum soliden Ganzen zusammengeführt. Das Angebot leistet sich kaum Blößen: „Deutschland sucht den Superstar“, „Wer wird Millionär“, „Das Supertalent“, „Bauer sucht Frau“, dazu Boxen und die Rennen der Formel 1 – die Marktanteile der Konkurrenz lösen sich auf wie Brausetabletten.

Was immer „strategische Konturen“ sein mögen: Vier der sechs genannten Sendungen waren lange vor dem Amtsantritt von Schäferkordt tragende Säulen des RTL-Programms und Boxen ist es heute vermutlich weniger denn je. Aber Boldt ist längst zum englischen Patienten geworden:

Es kommt selten vor, dass jemand, nach seiner Arbeit gefragt, so freundlich, ja geradezu hingebungsvoll von seinem „Team“ spricht wie die RTL-Intendantin. Sie hat so eine gewisse Art, die einen an Lazarettschwestern denken lässt, die Verwundeten Erste Hilfe leisten.

„Fernsehen – und das ist wirklich schön und macht mir deswegen so viel Spaß – ist Teamarbeit. Den Programmerfolg würde ich nie für mich persönlich in Anspruch nehmen. Ich muss letztendlich nur alles zusammenhalten und ein wenig die Richtung weisen.“ Sie bringt diese Sätze mit Frische und Aufrichtigkeit vor, aber auch nicht so, als würde sie sie extra in ihr Tagebuch eintragen wollen.

Neinnein, ins Tagebuch nicht. Nur ins „Manager Magazin“.

Schäferkordt ist zwar ideologiefeste Bertelsfrau, und ihre unbeschwerte Arbeitsweise hat einiges damit zu tun, dass sie ihr gesamtes Berufsleben in diesem Unternehmen verbracht hat. Aber nicht nur BASF betrachtet sie mit Augen, in denen sowohl Neid liegt als auch Verlangen.

Verlangen! Sicherheitshalber hat Boldt hinzugefügt:

So eine wie die Schäferkordt hätten auch andere Unternehmen gern.

(Hervorhebung von mir.)

37 Replies to “Was die RTL-Chefin bei Klaus Boldt hervorwölben lässt”

  1. Das ist ja wirklich grandios: „… – die Marktanteile der Konkurrenz lösen sich auf wie Brausetabletten.“
    Der Mann ist definitiv verknallt.

  2. > ein gemeinsames Desinteresse am Medium Fernsehen.

    Das ist toll und treffend formuliert. Damit hatten Sie mich für den Rest des Textes gefangen. :-)

  3. Ins Tagebuch kommen nicht die Stalker und verliebten Jungs, sondern nur die eigenen Schwaermereien.
    Insofern bedauerlich fuer Hr. Boldt, das wird eine Sackgasse sein, in die er sich da reinsaeuselt.

  4. Aber Euch allen ist schon klar, dass Klaus Boldt in jedem seiner Texte (ohne dass man die immer gut finden muss, aber durchaus darf) ausschließlich immer ein ironietriefender Spötter ist? (auch beim Liebemachen).

  5. Klaus Boldt verkörpert jenen adjektivisch überladenen Schwellkörperjournalismus, gegen den ein Karl Kraus sein Leben lang anschrieb. Der verbale Devotionalienhandel delirierender Dienstleistungsfiguren ist wohl nicht auszurotten, weil molluske Charaktere immer wieder aus dem Boden schießen, wie Champignons nach einem warmen Regen.

  6. @jokahl: Aber was bedeutet das in diesem Fall? Er findet es ganz normal, dass Frauen gute Manager sein können und macht sich mit einem Text, der eine erfolgreiche Geschäftsführerin als ein seltsames, begehrenswertes Wesen vom anderen Stern darstellt, über seine Kollegen lustig, die in erfolgreichen Geschäftsführerinnen seltsame, begehrenswerte Wesen vom anderen Stern sehen?

  7. „Die Herren des Hauses Bertelsmann, dessen Betriebskapital von RTL in wünschenswertester Weise gestärkt wird, nicken einander zu und lassen die angenehmsten Scherze einfließen, der Art, dass man von außen nicht sagen könne, ob RTL nun von einem Weibe oder einem Manne geführt würde oder nicht.“

    ….eher „oder nicht“.

    Hach, schön…

  8. Mein Draht zu Frau Schäferkordt ist nicht gut genug, um das herauskriegen zu können, aber ich wüsste gerne, ob es ihr beim Lesen dieser Stelle so ging wie mir und die Langeweile kurz von dem Geruch von Erbrochenen überlagert wurde.

    Also mir ging das definitiv auch so.

    @jokahl: Wenn das Ironie sein soll, ist es ja wirklich der beissendste Spott über Kollegen, die sowas ernsthaft schreiben würden. Aber warum benutzt ein Journalist denn dann ausgerechnet Frau Schäferkordt und den Weltfrauentag für sowas?

  9. @SN, Augusten: Das weiß ich alles auch nicht, müsste man ihn fragen (macht doch mal! klaus_boldt@manager-maga… oder so ähnlich). Das einzige, was ich zu wissen meine, dass der Boldt absolut immer über alle und alles ungefähr genau so schreibt. Der kann nicht anders (oder nichts anderes).

  10. Das ist ein schlimmer Artikel und bei mir kräuseln sich gerade die Fußnägel. Dass Frau Schäferkordt im Verlauf dieses Interviews Sätze äußert wie: „Es gibt viele Schmeichler, und ich mag sie nicht besonders. Man erkennt sie meist schon nach dem ersten Halbsatz: Die Kombination aus Gesichtsausdruck und wie man Dinge sagt“, könnte vielleicht auch an dem Gegenüber liegen. An dieser Stelle tut sie mir richtig leid. Wirklich! Und dass die „Frau aus Henstorf“ auch Profi ist, dazu möchte ich allen RTL- und Bertelsmannangehörigen von Herzen gratulieren. Wen, verdammt noch mal, sollte man sonst in dieser Position erwarten?

    Wenn der Herr Boldt schon bei der Frau Schäferkordt solche Hitzewallungen bekommt, was passiert wohl mit ihm, müsste er einen Artikel über Liz Mohn, Isabella Neven DuMont, Yvonne Bauer oder, um mal weg zukommen von den Familienunternehmen, Monika Piel schreiben?

  11. Nun ja, ob man in dem Falle dann schon von einer Zugehörigkeit zur Bertelsmann-Familie sprechen kann?
    Aber Danke für die Aufklärung.

  12. LOL

    Grandios, Herr Niggemeier. Mit dieser erbarmungslosen Analyse habe Sie mir den Tag gerettet. Danke.

    Fast tut er mir ja jetzt leid, der Herr Boldt. Bin gespannt, ob er sich hier zu Worte meldet.

  13. Dass Klaus Boldt bei all seiner Schwärmerei kein Wort darüber verliert, mit welchen z.T. üblen Methoden RTL zu diesen Rekordgewinnen kommt, ist wohl dem Blick auf Hervorwölbendes geschuldet.

    Sie wusste alles und sie ließ ihn spüren,
    er war kein Journalist mehr…

  14. „Ich weiß nicht, ob es etwas Erotisches ist, ihre Ausstrahlung, ihre Bilanzen oder auch nur ein gemeinsames Desinteresse am Medium Fernsehen.“

    :D

    You made my day!

  15. Hach Gott, dieses Bashing gefällt mir jetzt nicht besonders.

    Was ist denn passiert? Ein Kollege hat einen Artikel mit Vollkaracho an die Wand gefahren.
    Das war’s.

    Sollte nicht, kann aber passieren.

  16. Ist der Mann eigentlich verheiratet? Wenn ja, was sagt eigentlich seine Frau zu diesem verbalen Samenerguss, bei dem eine andere Frau als Vorlage herhalten musste?

  17. „Vielleicht liegt es nur an mir, aber in diesem Kontext lesen sich selbst Boldts gespreizte Verben fast pornographisch“

    – Es liegt an Dir.

  18. @ 29

    So langsam landen wir wieder auf einer Metaebene. Ich nämlich finde, dass Ihr Kommentar noch langweiliger ist, als der Artikel nebst zugehörigem Blogeintrag.

  19. @Stefan Niggemeier

    Tschuldigung, war kurz abgelenkt.
    Ja, müßte es nicht heißen „Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenvertreter und -vertreterinnen“ oder so ähnlich?

  20. Moin Stefan, lebst du noch?
    Lange nix mehr gelesen von dir, gerade in diesen Skandal-Zeiten bietet sich doch ein bisschen Presseschelte an.

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