Krasse Fotos

Die Startseite des Kölner „Express“ wirbt aktuell mit diesen Inhalten um die Aufmerksamkeit des Publikums:

Beim Klick auf den Teaser oben rechts kommt man auf einen Artikel, der so beginnt:

Die Geschichte über den Selbstmordversuch der beiden Frauen (von express.de falsch als „Amoklauf“ bezeichnet) erzählt express.de vollständig im Präsens und ohne Zeitangabe, so als habe sie sich aktuell ereignet. Dazu gibt es eine 17-teilige Bildergalerie mit „krassen“ Fotos.

Die Online-Leute vom „Express“ haben aus einem von der BBC ausgestrahlten und auch auf YouTube zu sehenden Film eine Diashow gemacht. Natürlich verlinken sie nicht auf die Quelle selbst. Und natürlich schreiben sie nicht dazu, wann sich der Vorfall ereignete.

Im vergangenen Mai.

(Aber ich bin sicher, auch diese Leute würden sich auf Nachfrage als Journalisten bezeichnen.)

[via Klaus Helfrich]

Nachtrag, 23:45 Uhr. Das passt ja: Das Foto von Sarah Palin in dem oben abgebildeten Teaser, mit dem express.de für einen weiteren, äh, Artikel wirbt, ist ein Fake. Der Artikel erklärt zwar — korrekt — dass express.de „echte und gefälschte“ Fotos zeige. Nur die Unterscheidung hat nicht geklappt. Aber wen kümmert’s: Sind halt krasse Fotos.

[via Johan in den Kommentaren]

40 Replies to “Krasse Fotos”

  1. Ich würd ja fast schreiben „typisch Boulevard“, aber eigentlich sollte man ja auch von Boulevardblättern erwarten können, dass die keinen Unsinn verzapfen.
    Wobei ja eigentlich Boulevard inzwischen schon ein Synonym für Unsinn ist…

  2. Kann man mit der Aufdeckung solch irrelevanter Scheiße in Deutschland wirklich Geld verdienen und würden Sie das was sie in diesem Blog betreiben wirklich als Medienjournalismus bezeichnen? Und ist es Ihnen, Herr Niggemeier, eigentlich nicht peinlich, dass die einzige (wenn überhaupt) relevante Nachricht ihres Eintrages von einem Leser (Johan) „aufgedeckt“ wurde?

  3. @samizdata: was daran ist irrelevant? das ist eine ganz ernst gemeinte frage. ich finde es nämlich höchst relevant.

  4. Irgendwie verstehe ich da jetzt die Aufregung nicht so ganz (auch wenn es richtig gewesen waere zu erwaehnen dass das ganze bereits im May passiert ist):

    Das Video ist bei der BBC soweit ich weiss auch erst diesen Donnerstag das erste Mal ausgestrahlt worden (als Teil einer dieser „Motorway Cops“ Sendungen, wo so einiges aelteres Material verwendet wurde). Den kuerzeren Clip auf news.bbc.co.uk gibt’s auch erst seit Donnerstag, fruehestens Mittwoch (und er ist noch immer der „most watched“ clip bei den „most popular videos“). Mal ganz davon abgesehen dass auf der Women dice with death on M6 Seite auch nicht steht dass das ganze im May passierte.

    In gewissem Sinne ist es also schon „aktuell“.

  5. @Armin: Es wäre meiner Meinung nach nicht nur richtig gewesen, zu erwähnen, dass das ganze bereits im Mai passiert ist, sondern notwendig. Es ist das, was ein journalistisches Angebot von einem Geile-Bilder-und-andere-Kuriositäten-Portal unterscheidet.

    (Vorausgesetzt natürlich, dass man sich davon unterscheiden will. express.de — und das der Grund, weshalb ich fand, dass es sich lohnt, dieses Beispiel aufzuschreiben — hat sich offenkundig längst entschlossen, sich nicht von einem Geile-Bilder-und-andere-Kuriositäten-Portal unterscheiden zu wollen.)

    Dass auch die BBC die elementaren journalistischen Fakten nicht in jedem ihrer Berichte erwähnt, finde ich schlimm. Die Geilheit auf die Aufnahmen aber auch noch mit „krasse Bilder“ anzumoderieren, finde ich eklig.

  6. Stefan, ok, akzeptiert, unter dem Gesichtspunkt kann ich es verstehen.

    Die Geschichte mit den beiden Frauen war uebrigens nur geschaetzte 1/3 des gesamten Programms, dass ueber verschiedene Ereignisse aus einem laengeren Zeitraum berichtete. Da kamen auch verschiedene Ueberschwemmungen vor, eine davon muessten die aus dem Sommer 2007 gewesen sein. Diese Sendungen sind eigentlich auch nicht als Berichterstattung gedacht, selbst wenn sie unter dem „Factual programmes“ Banner laufen. Das ist mehr „Unterhaltung“ mit einem (teilweise sehr) ernsten Hintergrund.

  7. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Gelassenheit Wörter wie „Amok“ oder „Seuche“ in die Berichte gestreut werden. Erst letztens wieder mit der (angeblich) verseuchten Babymilch in China. Es ist ja schlimm genug – aber eine Seuche? Für mich stellt sich die Frage, ob das aus Dummheit oder Absicht passiert. Und hinzu kommt anschließend noch die Kopierwut aller angeschlossenen Funkhäuser. Ungesehen, ungelesen.

  8. Jaja, der Express. Immerhin haben sie es in letzter Zeit geschafft eine Kampagne gegen Pro-Köln zu starten. Lustig ist auch, dass man das Gesicht von Palin in den US-Medien kaum noch sieht nachdem die Umfragewerte für Mccain eingebrochen sind.

  9. @9/Armin
    Diese gequirlte Scheisse als „Unterhaltung“ mit einem (teilweise sehr) ernsten Hintergrund zu verkaufen, ist entweder ironisch gemeint oder Ausdruck einer fortschreitenden Verderbtheit.

    Ich stimme ja der These zu, dass so etwas mit Journalismus nichts mehr zu tun hat. Wenn dem aber so ist, dann sind Medien wie „Express“ eigentlich nicht mehr satisfaktionsfähig, d. h. Maßstäbe, die für einen Journalisten gelten, können gar nicht mehr angebracht werden. Niemand hält einen Animateur für einen Entertainer. Ich wäre dafür, eine „Berichterstattung“ à la „Express“, sofern sie keine direkte politische bzw. gesellschaftspolitische Relevanz hat, schlichtweg zu ignorieren.

    Demzufolge interessiert mich das Fake von Palin noch. Der Ausflug von zwei durchgeknallten Girlies auf eine Autobahn ist derart unwichtig und uninteressant, dass mich auch die Falschdarstellung im „Express“ nicht berühren sollte. (Das ist weniger arrogant gemeint, als es klingt. Als exemplarische Darstellung der Verlotterung einer Zeitungsredaktion ist dieses Beispiel durchaus opportun. Sich aber auf eine Diskussion einzulassen, ob das im Mai oder gestern passiert oder ob die BBC vielleicht auch Fehler gemacht hat, ist im fast wörtlichen Sinne zuviel der Ehre.)

  10. Die schwedischen Boulevardblätter berichteten auch vor ein paar Tagen auf ihren Titelseiten darüber, natuerlich im Präsens. Der Artikel auf der Homepage des Aftonblad weisst aber immerhin darauf hin, dass es sich um Szenen aus einer BBC-Dokumentation handelt

  11. naja, ändert denn die exakte Angabe des Datums, zu dem das ganze passiert ist, irgend etwas an den Tatsachen ? Klar, im Sinne einer korrekten Berichterstattung wäre ein Hinweis auf das Datum schon hilfreich gewesen, aber man will halt nicht den Eindruck vermitteln, dass man „alte“ Geschichten verwurstet. ^^

    Ich denke, Express sieht sich schon längst als Entertainment-Format. Und entsprechend „berichten“ sie halt. Nervig, aber jetzt auch nicht der Untergang des Abendlandes.

  12. Da liegt ja noch mehr im Argen beim Express – das Foto mit den langen Beinen wird immer noch als „Original“ bezeichnet, auch wenn offensichtlich ist, dass der Kopf aus dem in der Galerie gleich folgenden „Original“-Bild übernommen wurde. Und das Bild von Palin beim Truppenbesuch im Irak kann meines Wissens nach auch nicht echt sein – weil Palin erwiesenermaßen nie im Irak war.

  13. @17: Sie war aber in Kuweit um amerikanische Truppen zu besuchen, Quelle: Youtube. Und immerhin war ja auch Saddam der Meinung, Kuwiet sei Irak … ;-)

  14. Hier sind einige (wie bei Reddit üblich) mehr oder auch mal weniger fundierte Sachen zu den schwedischen Zwillingen aufgeführt, u.a. soll eine dann auch noch einen Mord begangen und sich dann von einer Brücke wieder auf eine Autobahn gestürzt haben usw. – mal sehn wann der express das noch (nach)aufkocht ;-)

    Wer nix zu tun hat: http://www.reddit.com/r/superswedishgirls

  15. @Stefan, #16. Haha, lustig. So empfindlich ? ^^

    Ich wollte nicht unhöflich sein, oder deine Arbeit irgendwie schlecht machen. Ich wollte lediglich ausdrücken, dass diese Geschichte im Vergleich mit anderen, die du schon angesprochen hast, meiner Ansicht nach zu den belanglosesten gehört. Man könnte auch sagen, Erbsenzählerei.

    Ich denke, dieser Eintrag ist das beste Beispiel für die inherente Ironie dieses Blogs.
    Die Menschen, die deine Kritik hauptsächlich betrifft, die Konsumenten von Medien mit gar keinem oder zweifelhaftem journalistischen Anspruch, schauen hier nämlich nie vorbei.

    Wie gesagt, ich schätze deine Arbeit sehr. Aber manchmal habe ich auch den Eindruck, du bloggst an deiner Zielgruppe vorbei. ^^

  16. So belanglos ist die Geschichte gar nicht. Nach Stefan’s Antwort in #8 kann ich seinen Punkt schon sehen. Zugestanden, das Weglassen des Datums kann man mit ein bisschen guten Willen als Erbsenzaehlen beschreiben. Aber da ist halt doch etwas mehr dahinter:

    Das Programm bei der BBC war eben nicht ueber die beiden Frauen und „Schock-Bilder“. Das eigentliche Thema war was Polizisten auf der Autobahn erleben und insbesondere wie sie damit umgehen. Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube es gibt noch weit schlimmere Bilder von dem Ereignis als das was gesendet wurde. Ich vermute es gibt Bilder von dem Aufprall, die wurden aber von der BBC bewusst nicht gesendet, weil es darum gar nicht ging.

    In der gleichen Sendung wurde gezeigt wie ein Auslaender wegen abgefahrener Reifen angehalten wurde, wie die Polizisten mit den Verstaendigungsproblemen umgingen und wie das ganze dann geloest wurde. Da wurde gezeigt wie jemand auf der falschen Seite eine gesperrte Autobahn runterfuhr und wie die Polizisten damit umgingen und versuchten Prioritaeten zu setzen nachdem sie ihn gestoppt hatten (verhaften und Stunden damit verbringen oder wieder zurueckschicken um Zeit fuer Flutopfer zu haben?).

    Wenn der Express (und andere Medien) dann daraus „Schock-Fotos“ macht und nur auf die Sensation abzielt, dann ist das schon eine ganz andere Qualitaet. Da wird dann praktisch nur noch auf die niedrigste Ebene abgezielt.

    Auch das BBC Programm war in meinen Augen in gewisser Weise „Unterhaltung“, aber halt nicht in dem Sinne des Schockwertes. Man lernte etwas ueber den Arbeitsalltag von Autobahnpolizisten, aber es war nichts hochgeistiges bei dem man etwas wichtiges lernt. Edutainment trifft es vielleicht besser.

  17. @8 Stefan: „Die Geilheit auf die Aufnahmen aber auch noch mit „krasse Bilder” anzumoderieren, finde ich eklig.“

    Das finde ich auch. Könnte daran liegen, dass in solchen Redaktionen diesselben Leute arbeiten, die auch sowas privat lesen/anschauen und „krass“ finden würden.

    @12 Martin: „Jaja, der Express. Immerhin haben sie es in letzter Zeit geschafft eine Kampagne gegen Pro-Köln zu starten.“

    Ich hoffe mal nicht, dass Du „eine Kampagne starten“ als journalistischer empfindest als Voyeurismus zu zelebrieren.

  18. Zwei Punkte dazu, die zwar nicht direkt mit dem Einzelfall zusammenhängen, aber meines Erachtens Teil des konkreten Problems sind:

    1. Kostendruck
    Berücksichtigt werden sollte zumindest eines: Die Auflage der Boulevardblätter fällt stetig, was ja auch Stefan ständig aufzeigt.

    Damit einhergehend hat der Kostendruck auf die Redaktionen immens zugenommen. Personalkürzungen, schlechte Bezahlung trotz massiver Zunahme von Überstunden, all das ist mittlerweile Regel in Zeitungsredaktionen dieser Art. In den Redaktionen sitzen teilweise gar keine fundiert ausgebildeten Journalisten mehr. Da sitzen Praktikanten und Volos, die plötzlich die Home produzieren sollen. Die schreiben dann Agenturmaterial ab, das aus Kostendruck auch schon von Volos und Praktis produziert wurde.

    Wir befinden uns also mitten in einer Übergangsphase. Während der Printbereich darnieder geht, haben sich auf dem Geschäftsfeld des Internets einige wenige Aggregationsmaschinen als derzeit einzig echte Geldbringer etabliert.

    2. Konsumentengeilheit
    Tragisch daran ist vor allem: Der Konsument nimmt das alles hin, denn dafür hat er ja plötzlich alles umsonst – und auch noch mit Video. Da darf man sich nicht beschweren. Und mit einem Klick ist er schon woanders und die haben vielleicht noch härteres Material.

    Denn: Mir scheint es (ich habe natürlich keinen Beweis), als würden die Konsumenten durch die massive Zunahme und das Tempo neuer News, die durch das Internet auf sie hereinprasseln, eine „ist doch egal“-Stimmung bzgl. der Fakten zuzunehmen. Hauptsache mehr Glamour, mehr Extreme, mehr KRASS, immer schneller, immer weiter.

  19. Ergänzend zu Punkt 1 bzgl. der Übergangsphase: Hier bleibt nur zu hoffen, dass sich Qualität über lange Sicht durchsetzt und User daher Angebote aufsuchen, die fundiert berichten.

    Ergänzend zu Punkt 2: es muss heissen: „bei den Konsumenten“

  20. In der von Lesern dieses Blogs schon oft ob der Seriösität gelobten FAZ eben gefunden:
    http://tiny.cc/h7GiN

    Warum pixelt man das bischen noch weg. Wer den Mann kennt, in der Nähe wohnt oder sonstwie mit ihm in Berührung gekommen ist, wird ihn wiedererkennen. Frank B. aus Freiburg.

    Wer’s noch ein bischen deutlicher braucht klickt einfach auf’s Bild.de … äh Bild: Zoom. Prost. Abkotzen. Weitermachen.

  21. Völlig off-topic, sorry, aber der Kommentar von Пряников Николай zu einem 13 Monate alten Artikel hat mich an ein altes, na ja, Problem erinnert: Gibt es eine Möglichkeit, zu einem Blogeintrag auf – sagen wir mal – Seite 75 zu kommen, ohne nach Sprung auf Seite 4 71-mal auf „Blättern“ zu klicken (nicht, dass ich Dir die PIs nicht gönnen würde…)? Die Suchfunktion ist mir geläufig, aber… wenn ich den Titel nicht kenne und es mich z. B. interessiert, welcher Beitrag danach geschrieben wurde? Wenn ich in der Suchfunktion 31. August 2007 eingebe, (von dann ist der erwähnte kommentierte Beitrag, ist aber nur ein Beispiel), komme ich zu einem ganz anderen, in dem dieses Datum nur erwähnt wird.

    Einfachste Lösung für mein Beispiel wäre ein Next/Previous-Button (direkt von einem Blogbeitrag zum nächsten/vorherigen, nicht beim Seitenblättern). Noch lieber hätte ich aber beim Seitenblättern entweder eine +10er Funktion oder aber die Möglichkeit, direkt eine Seitenzahl eintippen zu können.

    Nur mal so als Anregung, vielleicht bin ich aber ja auch der einzige, der das gerne hätte, dann bitte keine Umstände ;-)

  22. @Olly, #31: noch besser wäre eine Art Kalender rechts in der Navi, der alle Einträge eines bestimmten Datums verlinkt. Bei dogfood ( allesaussersport.de ) ist das so ähnlich, der hat links in der Navi ein themensortiertes, und ein monatssortiertes Archiv. So hat man relativ schnell Zugriff auf ältere Blogeinträge, oder auf die zu bestimmten Themen.

  23. (jetzt stecke ich allerdings in dem Dilemma, wie ich erklären soll, warum ich einen solchen Artikel überhaupt angeklickt habe…)

  24. @olly: guck mal nach dem ersten Scrollen oben in die url.
    Da steht dann /blog/page/4/ (zum Beispiel).
    Änder die Zahl auf 75, wenn du auf Seite 75 willst, Enter und voliá!

  25. Boulevard erinnert mich allzu oft an die Kuriositätenkabinette von früher: „Und gleich, meine Damen und Herren, sehen sie die irren Zwillinge, die auf der Autobahn rumturnen, aber erst noch ein kleines Tänzin von meiner sexy Assistentin…“

  26. Grad habe ich bein Zappen gesehen: Bei „RTL Punkt 12“ wurde die Geschichte mit den Zwillingen auf der Autobahn grade auch gebracht. In welchem Kontext kann ich allerdings nicht sagen, aber es war wohl die erste Meldung des Tages.

    Wahrscheinlich ist dieser Fall von irgendeiner Notruf-Reality-Serie in GB aufgegriffen worden und deshalb nochmal in die Boulevard-Mühle geraten…

  27. Heute war der Unfall Thema bei „Brisant“: Inzwischen sei der Unfall einige Wochen her, hieß es da.

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