stern.de für Runden Tisch zu Kommentaren

Für meinen „FAS“-Artikel über Kommentare bei den großen Online-Medien habe ich mich auch über die Kommentar-Praxis bei stern.de erkundigt. Von den ausführlichen Antworten, die ich von Chefredakteur Frank Thomsen und der Community-Managerin Katarina Rathert (per E-Mail) bekam, konnte ich nur einen Bruchteil im Artikel verwerten. Aber zum Glück ist hier ja noch ein bisschen Platz.

Welche Themen laden besonders zum Kommentieren ein?

Rathert: „Die User melden sich besonders dann gern zu Wort, wenn sie persönlich betroffen sind oder wenn es um politische Diskussionen geht. Kommt beides zusammen, erleben wir regelmäßig Rekorde hinsichtlich der Zahl der Kommentare: zuletzt etwa beim Thema Rauchverbot in Restaurants, Steuerhinterziehung oder der Privatisierung der Bahn.“

Was sind das für Leute, die kommentieren?

Rathert: „Wir haben einen festen Stamm von Usern, die sich regelmäßig mit Kommentaren beteiligen. Insgesamt machen aber alle mit – vom studierten Experten bis zum Hartz-IV-Empfänger. Die große Mehrheit sind ganz normale Menschen, denen es Spaß macht, ihre Meinung mitteilen zu können.“

Wie wird bei stern.de moderiert?

Rathert: „Wir moderieren. Wir rügen auch, wenn es nötig ist. Und wir schalten ab, wenn es gar nicht anders geht. Alles nach dem Grundsatz: Mit und für den User, nicht gegen ihn. Alle User-Beiträge auf stern.de gehen ohne vorherige Kontrolle online. Nur so ermöglichen wir den Usern eine schnelle und direkte Diskussion. Für uns als Betreiber der Seite erhöht das die Notwendigkeit, zügig und aufmerksam zu lesen, denn selbstverständlich wollen wir weder Pöbeleien noch gar Gesetzesverstöße auf stern.de haben. Wird ein User ausfallend, löschen wir zunächst den Kommentar. Wiederholt er ihn, sperren wir seinen Account. Laufen ganze Diskussionen aus dem Ruder, rufen wir zur Mäßigung auf. Hilft das nicht, schalten wir die Kommentarfunktion ab. Das mussten wir zum Beispiel beim Brand des Hauses in Ludwigshafen tun. Hier hatten ein paar ausländerfeindliche Störer so viele Kommentare eingestellt, deren Inhalte mit dem Recht auf Meinungsäußerung nicht mehr gedeckt waren, dass eine vernünftige Debatte nicht mehr möglich war.“

Was sind die größten Probleme, die auftauchen?

Rathert: „Weniger als 5 Prozent der Kommentare machen Probleme. Das reicht von harmlosen Unsinnstexten über Beleidigungen bis zu rechtsradikalen oder menschenverachtenden Kommentaren. Wenn wir die User ermahnen, sind manche ganz überrascht oder fühlen sich ehrlich missverstanden – der Reiz, mal deftiger seine Meinung zu sagen als von Angesicht zu Angesicht, wirkt auf manche User verführerisch. Andere löschen wir.“

Thomsen: „Wir möchten gern daran festhalten, dass die Kommentare bei uns zu jeder Zeit geöffnet sind. Kommentare ermöglichen den direkten Kontakt zwischen User und Redakteur. Unsere kritische Berichterstattung über pornografische und rechtsradikale Inhalte bei SchülerVZ etwa ging auf einen Leserkommentar zurück, dem wir nachgegangen sind. Außerdem dienen die Kommentare auch der Anregung: Themen, die besonders bewegen, greifen wir verstärkt auf.

Bislang gelingt es uns ganz gut, die Meinungsrandalierer im Griff zu behalten. Aber wir diskutieren intern sehr ernsthaft, ob wir zum Beispiel das Anmeldeverfahren so ändern müssen, dass sich jeder mit seinem echten Namen an den Kommentaren beteiligen muss. Das würde vielleicht die Rüpel abhalten, denen stern.de keine Plattform geben will.

Nach der Phase der fast kindlichen Euphorie darüber, dass user generated content so einfach zu bekommen ist, müssen wir Medien nun dringend in die nächste Phase eintreten: User herzlich willkommen — aber nur die, die sich an die Mindestregeln von Communities halten. Ich rege einen runden Tisch der publizistischen Sites an, um nach einem Weg zu suchen, wie wir Rechtsradikale und Beleidiger nach Möglichkeit komplett von unseren Seiten fernhalten. Zum Wohle der 95-%-Mehrheit unter unseren Usern, die sich mit Verstand und Freude an den Kommentaren beteiligen.“

54 Replies to “stern.de für Runden Tisch zu Kommentaren”

  1. Wenn der echte Name irgendwo zur Pflicht wird (mal unter der Annahme, dass die Seite auch irgendwie sicherstellen kann, dass der Name auch stimmt) bekäme die Seite von mir nie wieder einen Kommentar, egal welche es ist.

    Ich habe nun wirklich keinen Bock darauf, dass Hinz und Kunz per google herausfinden kann, zu welchen Themen ich meinen Senf gegeben habe und erst recht nicht wie dieser Senf aussieht.

  2. Aber der Name muss doch nicht zuwangsläufig auch öffentlich gemacht werden. Der ein oder andere Gelegenheits-Nazi würde sich einen Kommentar vielleicht auch dann zweimal überlegen, wenn sein echter Name auch nur der Redaktion oder so bekannt wäre…
    (was nicht heißen soll, dass ich unbedingt für eine solche Pflicht des Klarnamens bin)

  3. Ich fände das nicht soo schlimm. Jemand, der hinter dem steht, was er sagt, kann dafür auch seinen Klarnamen angeben.

  4. Hat nicht sogar mal Peter Schaar (oder wars sogar die Bundesregierung selbst?) darauf hingewiesen im Internet Pseudonyme zu benutzen?

    Wenn Leute kein Problem damit haben erkannt ins Internet zu schreiben, dann sollen sie das tun. Aber ich seh es auch wie SD: Ich möchte zb. nicht, dass ein potentieller Arbeitgeber irgendwelche (peinlichen) Beiträge von mir liest.

  5. Eine Klarnamen-Pflicht darf es nicht geben! Natürlich ist es schön, wenn man sich öffentlich zu seiner Meinung bekennen kann. Aber Insider-Berichte oder Meinungsäußerungen zu kontroversen Themen wird es mit einer Klarnamen-Pflicht eben nicht mehr oder nur noch in viel geringerem Maße geben.

    Die ganze Welt regt sich auf, dass China den Internet-Zugang personalisieren und so besser überwachen will – aber in Deutschland soll das alles kein Problem sein?

  6. 1.) totale Überwachung
    2.) geklaute Identität -> Fakepost -> dahin ist der Ruf

    Pseudonyme haben schon ihren Sinn. Anmeldung mit Realname und Post mit Pseudonym ist meiner Ansicht nach die Ultima Ratio.

  7. Für wirklich stafrechtlich relevante Dinge gibt es normalerweise den Weg den Namen über rechtliche Wege über die IP-Adresse herauszufinden. 100% anonym ist man deshalb normalerweise eh nicht.
    Wenn das Geschriebene keine rechtliche Relevanz besitzt, weiß ich nicht so recht, ob man überhaupt versuchen sollte den Kommentator durch so eine „Wir kennen deinen Namen!“-Aktion abzuschrecken, schließlich sind Kommentare, mit denen sich der Kommentator evtl. unbeliebt macht, nicht immer nur böse und schlecht sondern manchmal gerade deswegen lesenswert. Man kann das vielleicht ein wenig mit den berühmten anonymen Hinweisen, die manchmal bei der Polizei eingehen, vergleichen.

    Ob man seinen vollen Klarnamen unter seine Kommentare setzt, ob nun freiwillig oder indem man akzeptiert dazu gezwungen zu werden, muss natürlich jeder selbst wissen.
    Ich schreibe Kommentare meistens weil ich den Rest der Welt an meiner grenzenlosen Weisheit teilhaben lassen möchte. Wer was über mich weiß kontrolliere ich dann aber doch lieber etwas rigider. Was allerdings öffentlich im Internet steht, kann potenziell jeder und zwar wirklich jeder über mich wissen, inkl. Familie, Partner, Nachbarn, Arbeitskollegen, Chef, Geschäftspartner, … und das muss ich nicht unbedingt haben. ;)

  8. sorry, aber ich habe schon beim lesen des artikels gedacht, dass das endlich mal eine gute idee wäre.
    leserbriefe oder ähnliches schreibst man doch auch nicht unter fakenamen?

    und gerade dass ist es, was dieses ach so schöne medium durch eine masse anonymer spinner kaputtgepostet wird. oder was glaubt ihr, wie die masse an äußerungen rund um p1 zurückgehen würde, wenn alle ihren klarnamen nennehm.

    ach ja: auch offline-veröffentlichen bis hin zu jeder beliebigen suchmaschine lassen sich schon heute schnell und einfach crawlen (siehe pmg)

    ich weiß ein hohes ziel. bis dahin würde bei den meisten anbietern ein sauberer registrierungsprozess mit einer double-opt genügen, um wenigstens mal halbwegs zu validieren, wer dahinter steckt.vklar, es würden weniger posten aber die qualität würde steigen.

    aber bis dahin belassen wir es mal bei einem ?!

  9. @4: Genau! Die Geschwister Scholl standen damals also auch nicht hinter dem, was sie auf ihre Flugblätter geschrieben haben!?! Benutzten einfach ein Pseudonym! … *kopfschüttel*

  10. @sebastian:

    „1.) totale Überwachung“

    Haben wir doch eh schon. Wer heutzutage noch glaubt im Internet anonym zu sein ist naiv.
    http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,541724,00.html

    „2.) geklaute Identität -> Fakepost -> dahin ist der Ruf“

    Erstens ist ein Ruf, der unter einem Alias-Deckmantel aufgebaut wird und nicht mit dem richtigen Namen beglaubigt werden möchte, sowieso nur eine Egospielerei. Erinnert an Richard Bachmann und Alan Smithee, deren tatsächliche Personen nicht lange geheim blieben. Zweitens könnte ich diesen Beitrag ebenso gut statt mit Iago mit Sebastian posten, und daraufhin müsstest du schreiben „dat is aber n anderer Sebastian!!!“, woraufhin ich sagen würde „ja, ich bin aber der richtige“ usw…

  11. na ja. geschwister scholl… willy brandt… userkommentare…
    ist ein bisschen wie äpfel mit birnen und so.
    @7 totale überwachung ist das aber noch nicht so ganz. wer sagt mir, dass christian müller wirklich christian müller ist?
    und mit der geklauten identität bei klarnamen haut das auch nicht ganz so hin. ich bin nämlich gar nicht pseudonym, wie ich es angegeben habe, sondern Sebastian. oder doch eben christian müller?
    wer was zu sagen hat, unterschreibt mit seinem namen!

  12. @ Iago:

    Anonymität im Internet ist natürlich nicht von sich aus gegeben und auch nie 100%ig erreichbar.

    Aber ich denke, es dürfte für Privatpersonen schwierig werden, die Identität eines Kommentators herauszubekommen, der sich hier nur mit einem Pseudonym äußert. Der Blogbetreiber mag vllt. die IP haben, aber ohne richterlichen Beschluss sollte da nicht viel mit anzufangen sein. Das ist schon ein ziemlich deutliches Maß an Anonymität, dass da gegeben ist.

    Und was dein Kommentar @ 10 angeht: Da magst du noch so spötteln, seine Aussage ist de facto korrekt. Und auch wenn wir heute kein diktatorisches Regime haben, das kritische Äußerungen verfolgt: Drohungen gegen Autoren, die sich zB zu rechtsextremen Positionen äußern, sind an der Tagesordnung. Und sicher nichts, womit man spaßen sollte.

  13. Also, #12, wir leben tatsächlich nicht in solchen Zeiten. Aber – Achtung Unkenruf – solche Zeiten könnten wiederkommen, wer weiß? Vielleicht nicht nächstes Jahr, aber es kann schneller gehen als man denkt (ging es damals auch).

    Und, ##2 und 4, selbst wenn es hier weiterhin freiheitlich-demokratisch grundgeordnet zugeht, möchte ich nicht, dass jeder Hinz und Kunz mal eben googeln kann, was ich so alles meine und äußere. Ein potenzieller Arbeitgeber etwa, den es nichts angeht, dass ich, sagen wir mal, in meiner Freizeit Hanf anbaue, Handys hacke oder gebrauchte Socken sammle.

    Ich möchte mir weiterhin soweit wie möglich selbst aussuchen, wem ich was von mir zeige. Ab dem Augenblick, in dem eine Klarnamenpflicht (womöglich mit Perso-Nummer oder so) bestünde, gäbe es von mir keine Zeile mehr im Internet. Dann würde ich eher in der Eckkneipe die Stammsäufer vollsabbeln.

  14. Diese Diskussion ist so alt wie das Netz selbst, ich habe sie schon ein paar Mal mitgemacht.

    IMHO war es einer der groessten Fehler des deutschsprachigen Usenets, auf Realnamen zu bestehen.

    Seit Dejanews wurde es problematisch, die ewige Speicherung von Artikeln konnte man noch mit X-No-Archive-Yes-Headern unterbinden.

    Googlegroups haelt sich nicht immer dran und die geschaetzte Fantastilliarde an nntp-2-Webforen-Gateways kuemmern sich darum nur einen feuchten Kehr.

    Immerhin kann man bei Googlegroups Postings loeschen lassen, bei den nntp-Aggregatoren sieht es uebel aus.

    Ich kann nur eindringlich davor warnen, in oeffentlichen Foren mit Klarnamen zu arbeiten.

    Man hat keinerlei Kontrolle mehr darueber, was mit seiner Meinung und seinem Namen geschieht.

    Da geht es nicht um „Hab nix zu verbergen“ oder „ich steh zu meiner Meinung“, sondern schlicht darum, dass man sich gläsern für jeden macht, der Google bedienen kann. So kann jeder mit wenig Muehe herausfinden, dass ich vor knapp 20 Jahren im Usenet auf der Suche nach der „FAQ: Marihuana essen“ war. (I didn’t inhale!).
    Jetzt sind meine persoenlichen und beruflichen Lebensumstaende nicht so, dass mich das in Bedraengnis bringen wuerde, aber mein Leben haette auch eine andere Wendung nehmen koennen.

    Von den Moeglichkeiten, die sich professionellen Dataminer mit so einem Datenpool ermoeglichen, moechte ich gar nicht zu sprechen.

    Also, im Netz wirklich nicht zuviel mit Klarnamen hantieren, es sei denn, Ihr habt solch einen Scheissnamen, wie ich.

  15. # Simon Columbus:

    „Der Blogbetreiber mag vllt. die IP haben, aber ohne richterlichen Beschluss sollte da nicht viel mit anzufangen sein. Das ist schon ein ziemlich deutliches Maß an Anonymität, dass da gegeben ist.“

    Mal abgesehen davon, dass auch jeder Hacker deine IP rauskriegen kann… ;)

    Und ich sehe ja ein, dass ein Bekanntwerden eventuell heikler Äußerungen beim potenziellen Arbeitgeber blöd sein kann, aber erstens nimmt dir kein Arbeitgeber ein reines Saubermannimage ab, und zweitens: wieso schreibst oder sagst du Sachen, du du nicht dir selber zugeschrieben wissen willst? Wenn es um die reine Provokation an sich geht, versteht das auch ein Personalchef („aha, sie wollten also Denkanstösse liefern, das ist an sich nicht zu verurteilen“); wenn man aber Blogs und Foren als Vehikel ansieht, um mal Dampf abzulassen oder eine Seite des Ich rauszukehren, die man in der realen Öffentlichkeit lieber unter Verschluss hält, dann hilft das nur kurzfristig, denke ich. Deine Kollegen und dein Chef werden über kurz oder lang sowieso mitkriegen, wie du tickst, und im Zweifelsfall hilft ein Urin- oder Bluttest, um deine bloss sporadische Marihuana-Neugier zu demonstrieren.

  16. Das klingt gewalting naiv @ 18.

    Vor allem gibt man ja in der Regel nicht allen Personen mit denen man zu tun hat das selbe über sich preis.

    Am ehesten leuchtet das wahrscheinlich ein, wenn man beruflich in irgendeiner Form mit Kunden zu tun hat. Wenn einen so ein Kunde mal aus Spaß an der Freude googlet und findet Postings im „FC Bayern Fan-Forum“ und er ist aber ein 60’er dann kann der Auftrag schon flöten gehen.
    Arbeitgeber würde ich jetzt als nächst-heikles Thema sehen, aber auch dem Lebenspartner erzählen manche Dinge nicht, die sie aber offen ins Internet schreiben, usw..

    Mit ein bischen Fantasie kann man diese Liste ewig weiterführen.

  17. @ Iago:

    „wieso schreibst oder sagst du Sachen, du du nicht dir selber zugeschrieben wissen willst?“

    Mach‘ ich nicht :)

    Aber ich will das Recht dazu haben! Und zwar, weil es eben Fälle gibt, in denen das nötig ist. Hast du den von mir geposteten Link gelesen? Und das ist nur eines von einer ganzen Menge Beispiele. Insider-Berichte können wir vergessen, wenn nur noch Kommentare unter Klarnamen möglich sind.

    Insgesamt scheinst du eine ziemlich rosa Brille auf zu haben. Personalchefs verstehen, wenn ein Kommentar nur als Provokation gemeint war? Da sei dir mal nicht zu sicher! Die Realität dürfte anders aussehen. Was glaubst du, wie der durchschnittliche Chef reagiert, wenn ein Angestellter im Internet kritische Äußerungen über das Unternehmen macht? Glaubst du, da wird noch gefragt ob die gerechtfertigt sind?

    Und dabei geht es eben nicht um Junkeys und Rassisten: Das Problem auf diese zu reduzieren ist einfach falsch. Schwierigkeiten dürften vor allem politische engagierte Menschen bekommen.

  18. vorneweg: im artikel bei der faz gehts ums studivz, hier ums schülervz, letzteres is aber glaub ich richtig, oder?

    dann noch: youtube is das mir als am meisten verspammte user-gen-content portal bekannt, allerdings haben die inzwischen eine (mir zumindest so vorkommende) schlichtweg genial funtionierende funktion: jeder kommentar kann von allen bewertet werden, und man kann auswählen kommentare welchen „niveaus“ :p man sich anschauen will.
    problem: das geht prinzipiell nur mit angemeldeten nutzern, was bei blogspot z.b. funktionieren könnte, bei alternativen blogmaschinen aber umständlicher wäre..
    (mal wieder 10 accounts mehr…)

  19. „Nach der Phase der fast kindlichen Euphorie darüber, dass user generated content so einfach zu bekommen ist“

    … just had a good laugh! ;-)

  20. Das System bei youtube ist insofern genial als dass jeder einfach ausschaltet, was nicht seiner Meinung entspricht. Unter der völlig illusorischen Annahme, dass Leute nach sprachlichem und inhaltlichem Niveau und nicht nach Zustimmung bewerten wäre das System tatsächlich super, so wie es dort funktioniert und meiner Einschätzung nach vermutlich überall funktionieren würde führt es (abgesehen von der tatsächlich stattfindenen Zensur von Spam) tatsächlich weitgehend dazu, dass die Mehrheit die Minderheitsmeinungen wegzensiert.

    Dass Realnamen ein Problem für freie Äußerung darstellen sieht man denke ich in Portalen wie MySpace, Facebook, StudiVZ, bei denen oft bzw. bei letzteren beiden in aller Regel der Realname angegeben wird. Nachdem diese groß und allgemein bekannt geworden waren hat es sich dem Vernehmen nach schnell etabliert, dass Unternehmen mal nachschauen ob sie den potentiellen Angestellten dort finden und was der da so preisgibt. Und wenn ich mal persönliche Beispiele nehme, dann ist es vielleicht im Sinne der freien Meinungsäußerung nicht so viel wert, dass ich mich in der Sorge um den Besuch potentieller Arbeitgeber nicht in der Gruppe „Liebe macht blind. Wichsen auch. Ich wusste also, blind würde ich sowieso“ (nach Hagen Rether) befinden darf, weil eine Schulbehörde solchen Humor nicht nur für Geschmackssache sondern für einen späteren Lehrer ihrer Fünftklässler irgendwie zweifelhaft finden könnte; aber bei einer Gruppe die sich mit dem Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ befasst sieht es dann schon anders aus, je nach politischer Einstellung eines potentiellen Arbeitgebers könnte das alleine schon nicht gut ankommen. Das führt bei diesen Portalen dazu, dass ein großer Anteil der Benutzer inzwischen dazu übergegangen ist, den eigenen Namen zu verfremden, was natürlich eine Hauptfunktion unterminiert, nämlich das Finden früherer Freunde/Bekannter; ich persönlich hab mich dazu entschieden eben den größten Teil des persönlichen Profils und beinahe jegliche „Gruppen“ wegzulassen.

    Das wurde jetzt ein bisschen lang als Beispiel, funktioniert aber hoffentlich um zu zeigen, warum Realnamenpflicht in weiten Bereichen vermutlich zu einer Änderung der Nutzungskultur ändern würde, die nicht nur dazu führen würde, Blödsinn und regelwidriges loszuwerden, sondern auch viele ernst gemeinte Beiträge, je nach Thema bei durch die gewisse Anonymität geschützten Insiderbeiträgen sehr wertvolle. Sicherlich muss man hier abwägen was schwerer wiegt, für mich ist es momentan so, dass mir die freie Diskussion mehr wert ist als eine Vermeidung des Ärgers über ab und zu vollgespamte Kommentarbereiche oder schlicht blödsinnige oder sogar regel-/gesetzeswidrige Beiträge.

  21. *“vermutlich die Nutzungskultur ändern würde, was nicht nur dazu führen würde“ irgendwo da unten im letzten Absatz

  22. Hmm das hat mit rosa Brille nichts zu tun. Ich weiss was ich schreiben kann und was nicht, und wenn das meinem Chef nicht passt schau ich mich um, bzw. ich schreibe nichts was irgendeinen dunklen Abgrund aufzeigt. Und Insiderberichte sind auch ohne Internet möglich, beispielsweise Wallraff, + Klarname und realer Name müssen immer nocht nicht identisch sein…

  23. Wenn schon von rechtsradikalem Gedankengut gesprochen wird: wie ist das eigentlich mit dem linksradikalen Pendant?

  24. @18/Iago
    Nicht berücksichtigt in Ihren Überlegungen ist die Tatsache, dass man seine Meinung zu bestimmten Sachverhalten auch ändern kann. Der potentielle, neue Arbeitgeber findet von mir über eine Suchmaschine ein Posting, welches ich vor vielen Jahren abgegeben habe – inzwischen habe ich aber vielleicht dazugelernt (oder bin dümmer geworden, wer weiss?).

    Was SD in #19 schreibt, illustriert das sehr schön. Ich muss noch nicht einmal eine „radikale“ Meinung haben – es reicht, wenn ich eine für bestimmte Personen abwegige Haltung zu „privaten“ Dingen habe, die den Realnamenkommentator sozusagen stigmatisieren. Hinzu kommt übrigens ein Punkt, der oft vergessen wird: Bei Realnamen wird in der Regel Datum und Zeit des Kommentars sichtbar – der (potentielle) Arbeitgeber erkennt dann, dass ich diesen Kommentar in meiner Arbeitszeit verschickt habe (obwohl ich vielleicht „nur“ krank oder in Urlaub war).

    Andernorts hatte ich von einem deutschsprachigen Realnamenforum gesprochen. Es hat – aus vielen Gründen – nicht reüssiert. Einer der Gründe war auch, dass sich in Parallelforen besonders „witzige“ Teilnehmer über die Kommentare (und Beiträge) von Usern „satirisch“ auseinandergesetzt hatten – das ging bis tief unter die Gürtellinie. Hierfür hat auch niemand auf Dauer Lust.

    Mein Fazit: Mit Realnamen bekommt man ganz sicher eine wesentlich differenzierte und bessere Diskussion – aber mittelfristig irgendwann gar keine mehr, weil sich kaum noch jemand traut.

  25. Meine Meinung ist da recht simpel: Da ein Webseitenbetreiber unter Umständen den Inhalt eines Kommentars zu verantworten hat (siehe dieses Blog), hat er auch das Recht, seine Kommentatoren zu kennen. Das heisst ja nicht, dass der Klarname auf der Webseite erscheinen muss. Dort kann gerne ein Pseudonym stehen.

    Übrigens: Jede Zeitung verlangt den Namen eines Leserbriefschreibers und stellt das gleich mit auf die Online-Ausgabe!. Da steht er dann wirklich, der Realname!

  26. was die Herren vom Stern nicht sagen und (hier) wohl auch nicht gefragt wurden ist, dass Kommentare, die (Rechtschreib-/Grammatik-/Inhalts-) Fehler im Artikel benennen, meist zusammen mit der Korrektur gelöscht werden. Manchmal auch ohne dass eine Korrektur erfolgt…
    Aber das ist wohl eben so mit Qualitätsmedie. SpOn ignoriert diesbez. mails meist immer…

  27. @30/Ossi
    Das der Webseitenbetreiber seine Kommentatoren „kennen“ sollte sehe ich genau so (wobei es noch zu klären wäre, was „kennen“ genau bedeutet).

    Der Unterschied zwischen dem Leserbrief vor dem Webzeitalter und heute ist, dass die im Brief geäusserte Meinung jetzt auch in jahrelang problemlos in wenigen Sekunden ergooglebar ist.

  28. @32 Gregor
    Das mit dem Kennen ist in der Tat so eine Sache. Keine Ahnung was man da machen kann. Ist aber auch nicht mein Bier.
    Das mit den Leserbriefen sehe ich schon anders: Die kommen doch alle schnurgerade und mit dem Namen unten drunter auch in die bestens archivierten Onlineausgaben. Ob das allen so klar ist?
    Das eigentlich Blöde: Fünf Prozent der Kommentatoren machen Ärger und bekommen dafür 95% der Aufmerksamkeit. Irgendwie ist das digitale Leben auch nicht so anders als das wirkliche, oder?

  29. @33/Ossi
    „Kennen“ hiesse für mich: Klarnamen, Ort, funktionierende E-Mail Adresse.

    Ich bin mir nicht sicher, ob alle Medien in ihren Onlineausgaben die Leserbriefe verlinken. Ich wollte aber nur den Unterschied zu „früheren Zeiten“ herausstellen. Da stand der Leserbrief in der Zeitung und nach ein paar Tagen hat da kein Hahn mehr nach gekräht.

  30. „vom studierten Experten bis zum Hartz-IV-Empfänger“

    Ist das nicht ein-und-dieselbe Person?

  31. @ Iago #11:

    Ist es nicht so, dass „Alan Smithee“ immer daran glauben muss, wenn ein Regisseur seinen Namen zurückzieht?

    Und was nutzt es, wenn „Peter Müller“ oder „Klaus Schmidt“ unter einem Kommentar steht? Selbst mein sehr seltener Nachname R****** ist mit dem auch nicht allzu häufig anzutreffenden Vornamen Sven nicht einmal eindeutig.

    Ich will überhaupt gar nicht wissen, wer Ommelbommel, Alberto Green, Augusten oder Gregor Keuschnig in Wirklichkeit sind, geschweige denn, wie die heißen, wo die Wohnen etc. pp. Es sei denn es hat eine Relevanz für den Kommentar und sie wollen es preisgeben.

    Mich gibt es im Netzt dreifach: Unter meinem richtigen Namen bei einigen wenigen „Social Network“-Portalen mit sehr selektiv ausgewählten Informationen, einmal als SvenR – um regelmäßig an ernsthaften Diskussionen in ernsthaften Blogs, Foren und Usenetgroups teilzunehmen – und einmal unter einem anderen Pseudonym – um Einmalkommentare wo anders loszuwerden.

    Stefan (wie auch alle anderen Blogbetreiber, bei denen ich regelmäßig kommentiere) weiß, wie ich in Wirklichkeit heiße, wo ich arbeite, wohne usw. usf und das ist auch gut so.

  32. Ein kleiner Zusatz zum Vergleich Kommentar – Leserbrief:
    Um einen Leserbrief zu verfassen, wird ungleich mehr Aufwand betrieben als wenn man 10 – 20 Wörter in einen Blog postet (u.a. bemüht man ein Rechtschreibprogramm). Dieser Leserbrief wird anschließend von einem Mitarbeiter begutachtet und ggf. aussortiert / gekürzt. Wenn in einer Ausgabe einer Tageszeitung vielleicht 20 Leserbriefe (zu verschiedenen Themen) veröffentlicht werden, wie hoch ist da die Wahrscheinlichkeit, dass „mein“ Leserbrief abgedruckt wird?
    Der Vergleich hinkt daher m.E. gewaltig – vgl. SMS (Merkel-Sarkozy) vs. Diplomatische Note

  33. dachte gerade: am besten wärs, man könnte bei seinem arbeitgeber unter einem pseudonym beschäftigt werden.

  34. muss ein redakteur wirklich den realnamen eines benutzers kennen, der regelmäßig vernünftige kommentare abgibt?

    runder tisch. hört, hört! sieht danach aus, als wolle man das problem ein für alle mal lösen. viel spaß auch.

    die kommentare zu schließen, wenn die naziblagen einfallen, ist kapitulation und führt dazu, dass diese die diskussion bestimmter themen verhindern, d. h. bestimmen können.

    keiner hat behauptet, dass es einfach sei. vielleicht sollte man in manchen chefetagen mal die dollarzeichen in den augen durch uhren ersetzen: wer die zeichen der zeit erkannt hat, braucht fleiß. heute heißt das wohl „manpower“ – falls hier jemand aus managmentanien mitliest. „skills“ schaden auch nicht.

    .~.

  35. @39/dot tilde dot
    die kommentare zu schließen, wenn die naziblagen einfallen, ist kapitulation
    Mag sein. Aber wie soll man dem Problem begegnen? Die „Naziblagen“ sind grösstenteils diskussions- und argumentationsresistent und haben selten halbwegs vernünftige Manieren.

  36. @40 (gregor keuschnig, nicht falsch verstehen, kein vorwurf):

    indem man beim verlassen von grundlagen wie z.b. allgemeiner menschenwürde beherzt passagen löscht und das auch kundtut, und indem man diskutierbares material widerlegt – so mühsam das auch sein mag. es ist ja nicht so, das diese auseinandersetzungen nicht an anderer stelle sowieso stattfinden. dann also lieber zitierbar mitten in einer interessierten öffentlichkeit. it’s a fscking pain in the arse, but we have to do it.

    argumentationsresistente kommentatoren können immerhin als trolle dienen, deren behandlung aufmerksameren besuchern sachverhalte verdeutlichen können.

    ich glaube auch, dass regelverstöße wie z.b. enttarnte täuschungsversuche wie sockenpuppen sowohl den sünderlein zuweilen peinlich sind, als auch dem publikum etwas über die moral unserer reaktionären heinis erzählen können.

    und mal ehrlich: es gibt auch bekehrungen. welcher punk möchte nicht eigentlich doch mal ganz gerne in den arm genommen werden.

    ich bin für aggressiven optimismus und mut in diskussion und moderation. wer macht mit?

    .~.

  37. … ach, und stefan: mir ist schon klar, dass du ab und zu dichtmachen musst. das geht ja auch ab und an nicht anders, schließlich bist du weder eine presserechtskanzlei, noch eine mehrköpfige redaktion.

    .~.

  38. @41/dot tilde dot (sorry, auch das ist nicht persönlich gemeint)
    Erinnert mich stark an Durchhalteparolen in irgendwelchen Heldenepen oder an einen Sozialarbeitertonfall aus den 70ern: Mag sein, dass man sich dem Troll stellen muss, sich mit ihm „auseiandersetzen“.

    Kann aber auch sein, dass man das andernorts vielliecht schon fünfunddreissig Mal erfolglos versucht hat und wenn man dann zum sechsunddreissigsten Mal freundlich sagen soll, dass hier nicht geraucht wird und die Füsse nicht auf sondern unterm Tisch gehören – dann kommen durchaus gewisse Erschöpfungszustände auf.

    Und – ehrlich gesagt: Mir anhand von argumentationsresistenten Trollen Sachverhalte verdeutlichen zu lassen, ist mir auch noch nicht gelungen. Liegt aber bestimmt an mir.

    Wie ich schon mal an anderer Stelle schrub: Gewisse Diskussionen – auch auf diesem Blog hier – sind/waren mir schon grenzwertig und wäre ich der Hausherr gewesen, hätte ich rigider gelöscht.

    Fazit: Nehmen Sie den Punk in den Arm – dafür bewundere ich Sie dann (das meine ich ehrlich). Ich geh‘ mir dann inzwischen einen Sandsack kaufen. Oder lerne isländisch.

  39. @10: Es lebe Godwins Gesetz.
    Zur Sache: Das Eskalationsmodell des Stern gefällt mir. Die Klarnamen-Idee aber nicht. Wie soll das technisch realisiert werden? Postzustellung des Anmeldepasswortes? Notariell beglaubigte Ausweiskopie einschicken? (Geht ja jetzt auch per elektronischer Signatur, jedenfalls von Notar zum Empfänger.)

  40. Bei „Stern“ kann man überhaupt nicht kommentieren, ohne sich zuvor angemeldet zu haben. Anschließend werden die Texte von „Stern“ zensiert. Aber gleichzeitig möchte man unbedingt den Eindruck erwecken, alles wäre frei und offen („Alle User-Beiträge auf stern.de gehen ohne vorherige Kontrolle online“). Neben der unglaublichen Selbstbezogenheit des Mediums ist die gigantische Verlogenheit für mich das zweite Charakteristikum des Internets. Bravo, „Stern“!

  41. @ Herrn Keuschnig:

    „Der potentielle, neue Arbeitgeber findet von mir über eine Suchmaschine ein Posting, welches ich vor vielen Jahren abgegeben habe – inzwischen habe ich aber vielleicht dazugelernt (oder bin dümmer geworden, wer weiss?).“

    Ja es scheint ne Krux zu sein, und vielleicht bin ich (da würde dann rosa Brille wieder passen) in der Hinsicht Idealist, da ich denke, einen Arbeitgeber sollte die Leistung interessieren und nicht die Gesinnung. Aber natürlich spielt die dann wiederum eine Rolle wenn man mit Menschen arbeiten muss und nicht nur mit Maschinen, also doch lieber die Klappe halten in solchen Fällen und eine reine Weste vortäuschen, die pseudo-Anonymität des Internet zum Dampfablassen benützend. Was mich daran ein bisschen stört ist die Vereinheitlichung des öffentlichen Menschen, extrem ausgedrückt die anbiedernde Angepasstheit, oder wie es jemand, den ich kenne, mal ausgedrückt hat: „Es gibt kaum noch Originale heutzutage.“
    Und nicht vergessen sollte man auch, dass die Menschenkenner unter den Arbeitskollegen oder Geschäftspartnern sowieso über kurz oder lang rausfinden, ob man sich verstellt oder nicht.
    Ich fordere keineswegs dass jetzt jeder rumläuft und posaunt „ich bin ein Nazi!“ oder was auch immer sein Ding ist (erinnert sich noch jemand an die netten Talkshownachmittage des gelebten Exhibitionismus?), aber dieses Duckmäuserische „ich sag was ich denke nur wenn keiner weiss wer ich bin“ hat son büschen was von Karneval, eine gesellschaftlich akzeptierte Form groben Unfugtreibens ohne Sanktionen.
    Und Arbeitgeber sollten lediglich nach früheren Karrierestationen oder Curriculae surfen und nicht Foren-oder Blogeinträgen, so! ;)

    Ich weiss, gepflegte Unterhaltung unter realen Namen, die nicht belanglos oder langweilig werden soll, ist schwierig zu realisieren, vielleicht auch unmöglich, aber wir sind ja noch jung, vielleicht geht irgendwann mal was…

    @ SvenR:

    „Ist es nicht so, dass „Alan Smithee” immer daran glauben muss, wenn ein Regisseur seinen Namen zurückzieht?“

    Richtig. Und trotzdem weiss man immer relativ bald wer der eigentlich Regisseur war. Gut ist auch nicht schwer rauszufinden bei Filmprojekten, ein bisschen erfolgreicher waren da manche Literaten, die unter Pseudonym schrieben und erst nach ihrem Ableben entlarvt wurden.

    „Und was nutzt es, wenn „Peter Müller” oder „Klaus Schmidt” unter einem Kommentar steht? Selbst mein sehr seltener Nachname R****** ist mit dem auch nicht allzu häufig anzutreffenden Vornamen Sven nicht einmal eindeutig.“

    Eben das mein ich weiter oben mit „Realname nicht zwingend gleichzusetzen mit Klarname“.

  42. Die Echtzeit trifft ja wohl nur zu, wenn gerade ein Moderator da ist, ab 18.30 gibts dann erst mal keine Kommentare mehr, die werden dann irgendwann nachgereicht.

Comments are closed.