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Chronologie einer Falschmeldung III

Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ hat versucht, ihre Behauptung richtigzustellen, ein „junger Mann“ habe auf der Rostocker Kundgebung gegen den G8-Gipfel in Mikro gerufen: „Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen“. Nicht in der Zeitung, aber online. Auf der Ressortseite Politik steht folgende „Korrektur“:

Korrektur. Umstrittenes Zitat. Die WAZ hat am 4. Juni ein Zitat aus einem Text der Deutschen Presseagentur (dpa) über die G-8-Proteste in Rostock gedruckt. Dieses Zitat war sinnentstellend, dpa hat die Meldung berichtigt. Das Zitat eines Globalisierungskritikers "Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen" war in Zusammenhang mit dem Irak-Krieg gefallen und keine Aufforderung zu mehr Krawallen in Rostock.

Nein. Dieses Zitat ist, wie inzwischen vielfältig dokumentiert, nicht nur in einem anderen Zusammenhang gefallen, sondern gar nicht.

Wird es der „WAZ“ noch gelingen, den Fehler zu korrigieren? Kann es die Korrektur sogar noch aus dem Online-Auftritt in die gedruckte Zeitung schaffen? Überwindet sich die „WAZ“ gar noch, nicht nur dpa die Verantwortung zu geben, sondern eigene Fehler einzuräumen?

Bleiben Sie dran!

(Was bisher geschah: I, II)

Chronologie einer Falschmeldung II

Drei Tage hat die Nachrichtenagentur dpa gebraucht, ihre Falschmeldung zu korrigieren, dass ein Redner auf der Anti-G8-Kundgebung in Rostock am 2. Juni die Gewalttäter mit dem Satz angestachelt habe, man müsse den „Krieg in diese Demonstration“ bringen. Aber nach drei Tagen hat sie sich umfassend korrigiert und entschuldigt.

Und die Medien, die diese Falschmeldung weitertrugen, obwohl sie es besser hätten wissen können, und teilweise mit eigenen Details noch ausschmückten?

„Frankenpost“, „Neue Presse“ Coburg und „Südthüringer Zeitung“ brachten am Mittwoch in ihrem gemeinsamen Mantelteil immerhin folgende Meldung:

Kein Aufruf zum „Krieg“

ROSTOCK – Einen Aufruf zum „Krieg“ bei den Demonstrationen von Rostock am Samstag hat es nicht gegeben. Das hat eine Überprüfung des Redetextes gezeigt, den der Redner Walden Bello bei einer Kundgebung in Rostock vorgetragen hat. Die Deutsche Presse-Agentur dpa bedauert jetzt die fehlerhafte Berichterstattung und hat sich entschuldigt. In einem Bericht zu den Ausschreitungen während der Demonstrationen am 2. Juni hatte dpa Bello irrtümlich mit der Aufforderung zitiert, „den Krieg in die Demonstration reinzutragen“.

Und die „Stuttgarter Nachrichten“ scheinen sich zwar selbst nichts vorzuwerfen zu haben, informierten ihre Leser aber:

Panne beim Zitieren

Hamburg – In einem Korrespondentenbericht zu den Krawallen während der Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel am 2. Juni hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) einen Redner mit den Worten zitiert: „‘Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. …“ Diese Formulierung ist – wie aus einem TV-Mitschnitt von „Phoenix“ ersichtlich ist – weder in der englischen Originalrede noch in der deutschen Übersetzung des Beitrags so gefallen. Die Agentur teilt mit: „Die sinnentstellte Fassung in den Meldungen der dpa ist auf einen Übermittlungsfehler zurückzuführen, für den dpa allein die Verantwortung trägt.“

Das ist bemerkenswert, weil die „Stuttgarter Nachrichten“ ihren Bericht gar nicht als dpa-Bericht gekennzeichnet hatten. Wenn alles glatt geht, lassen sie ihre Leser glauben, ihre Zeitung hätte sie so gut informiert; wenn Fehler passieren, trägt dafür allein die Agentur die Verantwortung. Nun ja.

Und sonst? Sonst bleibt es ein trauriges Lehrstück darüber, wie klein das Interesse deutscher Medien ist, ihre Leser wahrheitsgetreu zu informieren.

Der „Tagesspiegel“ verbreitete die Falschmeldung prominent auf seiner Seite 3:

Von einer Bühne herab ruft ein Redner: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“ Dann ist der Frieden nicht mehr zu retten.

Die falschen Zitate stehen unverändert online; ich habe weder unter tagesspiegel.de noch im gedruckten „Tagesspiegel“ eine Korrektur gefunden. Der Artikel beginnt übrigens mit dem schönen Satz:

Es geht bei einem solchen Spektakel auch darum, die Hoheit darüber zu gewinnen, was im Gedächtnis bleibt.

Auch die „Neue Zürcher Zeitung“, die gerne Adjektive wie „seriös“ oder „renommiert“ verliehen bekommt, sah sich bislang nicht veranlasst, ihren Online-Artikel mit dem falschen Zitat zu ändern. Genauso sieht es bei den „Braunschweiger Nachrichten“, der „Kölnischen Rundschau“ und Bild.de aus.

Eine interessante Erfahrung machte der Blogger Pantoffelpunk, als er am Dienstagvormittag n-tv.de auf das falsche Zitat hinwies. Der zuständige Redakteur der Firma, die für n-tv den Onlineauftritt redaktionell betreut und sich (vermutlich selbstironisch) „Nachrichtenmanufaktur“ nennt, antwortete kryptisch:

Im Gegensatz zu SPOn korrigieren wir keine „Korrekturen“ von anderen berichterstattenden Zuhörern, die sich verhört haben. Wir bleiben einfach bei den Fakten.

Auf eine Nachfrage kam eine noch pampigere Antwort mit dem schönen Schluss:

Ich hoffe Sie haben jetzt verstanden, dass die Meldung für uns nicht diskutabel ist.

Als dpa endlich offiziell den Fehler einräumte, verschwand die zweifellos indiskutable Bildunterschrift bei n-tv.de ohne Spur und Erklärung.

(Die Unsitte, Artikel als fortlaufenden Text über vielteilige Bilderserien zu verteilen, wäre übrigens noch einmal ein eigenes Thema. Sie führt immer wieder zu frappierenden Text-Bild-Scheren, so auch in diesem Fall, denn der gezeigte maskierte Mensch hatte, anders als es n-tv.de nahelegt, natürlich schon mal gar nichts mit dem Zitat zu tun.)

Bei der Nachrichtenmanufaktur scheint man inzwischen unglücklich über die Kommunikation mit dem Blogger, arbeitet aber immer noch an einer zitierfähigen Stellungnahme. Nach wie vor unkorrigiert ist in der Bilderserie, um die es geht, übrigens die Behauptung, 60 Polizisten hätten nach den Krawallen in Krankenhäusern behandelt werden müssen. Das hat nicht einmal die Polizei behauptet, die von 30 schwerverletzten Polizisten sprach, und selbst das ist längst widerlegt.

Ein interessanter Fall ist schließlich noch die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, die sich die dpa-Ente in einer eigenen Reportage zu eigen machte. Eine Korrektur scheint es nicht gegeben zu haben; eine Anfrage von mir bei Ulrich Reitz, dem Chefredakteur der „WAZ“, blieb unbeantwortet.

Die WAZ hat Anfang Mai im Rahmen eines bizarren Festaktes in der Essener Philharmonie öffentlichkeitswirksam einen „Verhaltenskodex“ unterzeichnet, in dessen Präambel es heißt:

Regionalzeitungen genießen im Vergleich mit anderen Medien ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Dieses Vertrauenskapital darf nicht gefährdet werden. Der Verhaltenskodex der WAZMediengruppe legt fest, welche Regeln strikt einzuhalten sind.

In dem gesamten, über fünfseitigen Schriftwerk (pdf) steht kein Wort darüber, dass zur „Glaubwürdigkeit“ auch der Versuch gehören könnte, möglichst wahrheitsgetreu zu berichten, und die Verpflichtung, Fehler in irgendeiner Form richtigzustellen.

Ich fürchte, bei der „WAZ“ sähe man, im Gegenteil, das eigene „Vertrauenskapital“ gefährdet, wenn man offensiv und transparent mit Fehlern umginge, Verantwortung übernähme und sich zu allererst einer korrekten Information der Leser verpflichtet fühlte. Sie ist damit in Deutschlands Medienwelt in guter Gesellschaft.

Chronologie einer Falschmeldung

Was für ein Debakel.

Am Samstag um 18.41 Uhr bringt die Nachrichtenagentur dpa einen Bericht ihres Korrespondenten Helmut Reuter aus Rostock, in dem es heißt:

Um 17.30 Uhr werden die ersten Autos angezündet, während unweit vom Tatort auf der Kundgebungsbühne ein Redner die militante Szene noch mit klaren Worten aufstachelt: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

Es ist eine Falschmeldung. Das Zitat ist weder wörtlich noch sinngemäß gefallen. Walden Bello hatte auf der Kundgebung um 17.17 Uhr im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg gesagt:

„Two years ago they said: Do not bring the war into the discussions. Just focus on poverty reduction. Well, we say: We have to bring the war right into this meeting. Because without peace there can be no justice.“

Und der Übersetzter auf der Bühne hatte es unmittelbar darauf so übersetzt:

„Vor zwei Jahren hat es geheißen: Wir sollen den Krieg nicht in die Diskussion mit reinbringen. Wir sollen uns nur auf Armutsbekämpfung konzentrieren. Aber ich sage: Wir müssen den Krieg hier mit reinbringen. Denn ohne Frieden kann es auch keine Armutsbekämpfung geben.“

Bellos Sätze sind im Original bereits eine halbe Stunde, nachdem er sie gesagt hat, bei MyVideo zu sehen.

Drei Tage wird dpa brauchen, den Fehler zu korrigieren. Drei Tage sind eine lange Zeit.

Samstag.

Bild.de übernimmt Teile des dpa-Berichtes:

„Auf der Kundgebungs-Bühne stachelt ein Redner die militante Szene noch auf: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration rein tragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

„Spiegel Online“ übernimmt das falsche Zitat in seinem Live-Ticker und macht daraus die Überschrift des Artikels:

„Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen“

Das „Spiegelfechter“-Blog beweist anhand des MyVideo-Ausschnittes, dass Bello dies nicht gesagt hat.

Um 21.39 Uhr berichtet dpa-Korrespondent Marc Herwig:

Stundenlang lieferten sich gewalttätige Autonome Straßenschlachten mit der Polizei – angestachelt von den Anfeuerungsrufen tausender Demonstranten, die zunächst friedlich gegen den G8-Gipfel kommende Woche in Heiligendamm protestiert hatten. Einer der Redner forderte über die Lautsprecheranlage sogar zum „Krieg“ gegen die Polizei auf.

Sonntag.

Die Berliner Boulevardzeitung „B.Z.“ schreibt:

Kurz darauf stachelt ein Redner der militanten Szene die Chaoten weiter auf. Von der Bühne der offiziellen Kundgebung ruft er ins Mikrofon: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

Um 11.40 Uhr gibt Udo Pastörs, der Chef der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, eine Presseerklärung heraus, in der er die „etablierten Parteien“ für den „entfesselten linken Mob“ verantwortlich macht:

Es sei (…) nicht hinnehmbar, daß sich unter den Augen der Versammlungsleitung in Rostock, Gewalttäter und Chaoten versammeln können, ja sogar die Kundgebungsbühne für Aufrufe wie: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“, genutzt werden darf.

Um 15.20 Uhr bringt dpa eine „Chronologie“ über die „Eskalation der Gewalt“:

17.30 – Die Stimmung schlägt um. Autos werden angezündet. Auf der Bühne stachelt ein Redner die militante Szene auf: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

Um 15.59 Uhr verschlimmbessert dpa:

Der Aufruf zum „Krieg“, mit dem ein Redner während der Krawalle am Samstag in Rostock die militante Szene angestachelt hatte, war nach Darstellung der Protest-Organisatoren ein Übersetzungsfehler. Der zitierte Redner Walden Bello habe in seiner englischsprachigen Rede dazu aufrufen wollen, gegen den Krieg im Irak zu protestieren, teilte die globalisierungskritische Organisation Attac am Sonntag mit. In der deutschen Übersetzung wurde daraus: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“ Die Äußerung sei in diesem Zusammenhang missverständlich gewesen. Sie habe aber nicht auf Krawalle bei der Anti-G8-Demonstration abgezielt, betonte Attac.

Um 16.04 baut dpa-Korrespondent Helmut Reuter die neue, falsche Version in einen weiteren Korrespondentenbericht ein:

Auf der nahen Kundgebungsbühne spricht ein Redner – auf Englisch. Die Übersetzung stachelt die militante Szene weiter an: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“ Am Sonntag spricht Attac von einem Übersetzungsfehler.

Um 16.17 übermittelt dpa noch einmal die „Chronologie“ mit der neuen, anders falschen Version:

17.30 – Die Stimmung schlägt um. Autos werden angezündet. Auf der Bühne wird ein englischer Redner missverständlich übersetzt: «Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.» Die militante Szene fühlt sich angestachelt. Gemeint war, der Irak-Krieg müsse auch bei der Demonstration thematisiert werden.

Montag.

Korrespondent Fritz Dinkelmann berichtet aus Rostock in verschiedenen Schweizer Zeitungen:

Doch auch offizielle Demo-Redner wie etwa Walden Bello von der interventionistischen Linken hatten vorher eine Stimmung geschürt, die Grenzen verwischte zwischen friedlichen Demonstranten und jenen, die prügeln wollten: „Wir haben hier den Geist von Genua“, rief der Soziologieprofessor aus Manila in das Mikrophon (…).

In anderen Schweizer Zeitungen fantasiert Berlin-Korrespondent Helmut Uwer:

Einer der laut Polizeiangaben 3000 Militanten kletterte auf eine Bühne und gab die Parole aus: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

In den Stuttgarter Nachrichten wird die falsche Meldung mit neuen Details angereichert:

Während ein Attac-Vertreter aufrief, Ruhe zu bewahren, heizte ein Redner der Autonomen die Stimmung noch an: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“ Viele pfiffen und buhten daraufhin.

Auch Annika Fischer, die Autorin der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, hat die dpa-Ente ausgeschmückt:

„Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen!“, ruft ein junger Mann ins Megafon, aber vorn an der Bühne stehen immer noch die (farben-) frohen Linken, beschwören eine „andere Welt“ und reden von einer „schönen Veranstaltung“.

Das viel gelesene islamfeindliche Hassblog „Politically Incorrect“ macht sich „auf die Suche nach den letzten Spuren der Wahrheit“ und meint, sie in der zu diesem Zeitpunkt immerhin halb dementierten ersten dpa-Version gefunden zu haben. Die ersten Korrekturen der Falschmeldung nennt „PI“ eine „entschuldigende Massenverblödung“.

Für die „Kölnische Rundschau“ berichten drei Korrespondenten, von denen offenbar keiner wusste, dass Menschen, die Reden auf englisch halten, nicht unbedingt englische Redner sind (Walden Bello ist Philippiner):

Zu der neue Eskalation nach leichter Beruhigung trug offenbar ein Übersetzungsfehler bei: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts“, sollte ein englischer Redner gesagt haben. Die militante Szene fühlte sich angestachelt. Gemeint war aber, der Irak-Krieg müsse auch bei der Demonstration thematisiert werden.

Um 18.39 Uhr nimmt sich ZDF Online des Themas an und widerlegt in seinem Blog zum G8-Gipfel mit einem Video auch die zweite dpa-Version, wonach das Zitat auf der Bühne falsch übersetzt wurde.

Die Nachrichtenagentur dpa braucht danach noch weitere 18 Stunden, bis sie endlich ihren Fehler einräumt und korrigiert.

Dienstag.

Um 12.59 Uhr meldet dpa endlich:

In einem Korrespondentenbericht zu den Ausschreitungen während der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Rostock am 2. Juni (…) zitiert dpa einen Redner bei der Kundgebung mit den Worten „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“. Diese Formulierung ist – wie aus einem TV-Mitschnitt von „Phoenix“ ersichtlich ist – weder in der englischen Original-Rede noch in der deutschen Übersetzung des Beitrags so gefallen.

(…) Die sinnentstellte Fassung des Zitats in den Meldungen der dpa ist auf einen Übermittlungsfehler zurückzuführen, für den dpa allein die Verantwortung trägt. Die dpa hat den Fehler in ihren Archiven entsprechend gekennzeichnet. Wir bitten – auch mit Blick auf den betroffenen Redner Walden Bello – um Entschuldigung.

Um 14.27 Uhr wiederholt dpa noch einmal:

Einen Aufruf eines Redners zum „Krieg“ bei den Demonstrationen von Rostock am vergangenen Samstag hat es nicht gegeben. Eine Überprüfung des Redetextes hat gezeigt, dass die Ansprache des Redners Walden Bello bei einer Kundgebung in Rostock auch nicht falsch übersetzt worden war, wie die Deutsche Presse-Agentur dpa am Samstag berichtet hatte. dpa bedauert die fehlerhafte Berichterstattung und hat sich bei den Veranstaltern entschuldigt.

„Spiegel Online“ hat den Artikel mit der Falschmeldung relativ früh berichtigt und dokumentiert auch die Entstehungs- und Korrekturgeschichte. Aber das ist die Ausnahme. Die meisten Artikel, die die dpa-Ente übernommen haben, scheinen unverändert online zu sein.

Und jede Wette: Die meisten Tageszeitungen werden die Fehler, ihre eigenen und die der dpa, morgen weder berichtigen noch sich dafür bei irgendwem entschuldigen, schon gar nicht bei ihren Lesern.

Nachtrag. Sehr lesenswert: Christiane Link, die bis vor kurzem bei dpa gearbeitet hat, plaudert aus dem Nähkästchen.

Fortsetzung: II, III.

Ein Anschlag auf Diekmanns Kindersitze?

Ich habe eine Frage, was den Brandanschlag auf das Auto von „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann angeht.

dpa berichtete gestern mehrmals unter der Überschrift „Familienauto mit Kinderwagen und Kindersitzen verbrannt“. AP meldete: „In dem Mercedes-Kombi befanden sich drei Kindersitze und ein Kinderwagen.“ Der Sprecher des Axel-Springer-Verlages erklärte: „Es handelt sich um den Privatwagen von Herrn Diekmann mit drei Kindersitzen, nicht um eine Dienstlimousine.“ Diekmann selbst sagte: „Das war kein Luxusauto, sondern ein Familienkombi.“

Was ich nicht verstehe: Welche Relevanz haben diese Kindersitze?

Als Detailschilderung in einer Reportage würde ich es verstehen; auch als Mittel, den Leser dazu zu bringen, den Menschen hinter dem Amt des „Bild“-Chefredakteurs zu sehen. Aber in nachrichtlichen Agenturmeldungen? Oder als fast einzige Aussage des Arbeitgebers des Opfers zum Thema überhaupt? Wäre der Inhalt des Autos auch so prominent erwähnt worden, wenn es sich um eine Gitarre, eine Tauchausrüstung, die Gesamtausgabe des Brockhaus gehandelt hätte? Schon klar, die Kindersitze sind nur ein Symbol, aber wären Anschläge gegen kinderlose oder gar kindersitzlose Menschen weniger zu verurteilen?

Und welchen Unterschied macht es, dass das Auto Diekmanns Privatwagen war? Wäre es weniger schlimm gewesen, seinen Dienstwagen anzuzünden? Reicht es nicht, dass das Fahrzeug unmittelbar vor seinem Haus stand, um keine Zweifel daran zu lassen, dass der Anschlag im bedrohlichsten Sinne persönlich gemeint war?

Der Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“ ließ seinen Kommentar zum Thema in dem Satz gipfeln: „Brennende Kindersitze in Privatautos kann und will ich mir als Teil der politischen Auseinandersetzung bei uns nicht vorstellen.“

Ja, Himmel, aber brennende Angelausrüstungen in Dienstwagen von Singles doch hoffentlich auch nicht!