Wallfahrt zum Recycling-Tempel

Vielleicht bringt der neue Vorstandsvorsitzende von Pro Sieben Sat.1, wenn er im März sein Amt antritt, auch neue Euphemismen nach Unterföhring mit. Bis dahin behält sicher noch „Optimierte Ausnutzung des Programmvermögens“ als Umschreibung für die systematische Verslumung des Programms Gültigkeit. Die Sendergruppe ist zu einem gigantischen Recycling-Unternehmen geworden. Was als „Galileo“-Beitrag auf Pro Sieben beginnt, taucht mit großer Wahrscheinlichkeit in „Abenteuer Alltag“ auf Kabel 1 wieder auf, um schließlich, am Ende der NahrungsVerwertungskette, stolz von Dieter Kronzucker auf N24 präsentiert zu werden – und umgekehrt.

Das tägliche Mittagsmagazin „Sam“ ist im internen Wettkampf um den Titel als bester Programmvermögen-Ausnutzungs-Optimierer ganz vorne dabei. „Eine tagesaktuelle Sendung zu machen, ist eine Herausforderung, der wir uns jeden Morgen wieder gerne stellen“, hat Silvia Laubenbacher vor ein paar Jahren über „Sam“ gesagt. Aber wahrscheinlich haben sie damals schon intern darüber gelacht. In dieser Woche füllt die zweistündige Sendung jeweils eine Stunde täglich damit, fünf „Prominente“ beim Pilgern auf dem Jakobsweg zu begleiten. Moderatorin Silvia Laubenbacher gibt sich Mühe, den Eindruck zu erwecken, dass die Leute – passend zur Adventszeit – in diesen Tagen für ProSieben unterwegs sind, obwohl es sich dann, nach den Bildern zu urteilen, um einen wirklich außerordentlich heißen Spätherbst in Nordspanien handeln müsste.


Screenshot: Pro Sieben

In Wahrheit liegt die Pilgerreise schon über ein Jahr zurück. Pro Sieben zeigte sie im vergangenen Herbst als „Das große Promi-Pilgern“ in der Primetime unter mäßiger Anteilnahme des Publikums. Zur Wiederverwertung hat Pro Sieben die Sendung nicht einmal neu verpackt: „Sam“ zeigt einfach täglich je eine unbearbeitete Folge „Promi-Pilgern“ als Teil von „Sam“. Und das anspruchslose Mittags-Publikum guckt gerne zu: Über 400.000 Zuschauer waren es gestern — das sind immerhin fast halb so viele, wie die Sendung in der Originalausstrahlung am Sonntagabend hatte.

Der zukünftige Chef von ProSiebenSat.1, Thomas Ebeling, hat übrigens Psychologie studiert und kommt von dem Pharma-Unternehmen Novartis. Sagt ein Sendermitarbeiter: „Der Mann ist Psychologe und hat Ahnung von Drogen. Beides können wir gerade gut gebrauchen.“