Die 20-Uhr-Wirklichkeit

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Die „Tagesschau“ inszeniert täglich ihre eigene politische Realität. Zweifel daran sind unerwünscht.

Da ist sie wieder, die Wolfsangel auf der schwarzen Sonne, das markante Symbol der rechtsextremen ukrainischen Asow-Miliz. Man sieht sie kurz als Abzeichen auf den Uniformen der Männer, von denen sich Udo Lielischkies gerade hat erklären lassen, was sie von der Ankündigung der Separatisten halten, eine Großoffensive auf Mariupol zu starten. „Wir haben keinen Anlass, den Terroristen nicht zu glauben, die ihre Pläne so offen aussprechen“, sagt einer der Kämpfer ins ARD-Mikrofon. „Früher oder später werden die Kämpfe anfangen, denn: Frieden kann es nur nach einem Sieg geben.“

Es ist Sonntag der vergangenen Woche, der Tag, nachdem Raketenangriffe von Separatisten auf ein Wohngebiet in Mariupol mindestens 30 Menschen getötet und viele verletzt haben. ARD-Korrespondent Lielischkies ist vor Ort.

Er zeigt noch einmal die Zerstörungen, spricht von einer „Welle der Solidarität“, die durch das ganze Land gehe, und sagt, man dürfe wohl vermuten, „dass dieser Raketenangriff und seine fürchterlichen Folgen die westlichen Staaten zwingen wird, vielleicht ihren Druck auf Moskau weiter zu erhöhen“. Dann folgt das kurze Gespräch mit dem Mann in Uniform, mit dem markigen Satz vom Frieden nur nach dem Sieg, der eine interessante, aber unbemerkte Parallele bildet zu der Meldung kurz zuvor, dass Außenminister Steinmeier den prorussischen Rebellen vorwerfe, den Konflikt militärisch lösen zu wollen.

Vorgestellt wird der Gesprächspartner nur als einer der „Kiew-treuen Verteidiger“. Um wen es sich bei dem Soldaten handelt, erfährt der „Tagesschau“-Zuschauer nicht. Auch nicht, dass er einem Freiwilligen-Bataillon angehört, das von Rechtsextremen gegründet wurde und von europäischen Neonazis unterstützt wird.

Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Kritiker, die ARD und ZDF eine einseitig anti-russische Berichterstattung vorwerfen, haben das mehrmals in den vergangenen Monaten daran festgemacht, dass das Wolfsangel-Symbol unkommentiert im Bild zu sehen war oder die Mitglieder des Asow-Bataillons, die es tragen, nicht entsprechend eingeordnet wurden.

Ein Leipziger Verein hat wegen der angeblich „bewussten Verharmlosung der Träger verbotener faschistischer Symbole und Kennzeichen“ mehrere Programmbeschwerden eingereicht, mit denen sich die Hierarchien in den Sendern auseinandersetzen mussten. An einer fehlenden Sensibilisierung kann es eigentlich nicht liegen.

Kai Gniffke, der Chefredakteur von „ARD-aktuell“, sagt, die politische Einordnung der Kompanie Asow sei „dann von besonderer Relevanz, wenn Mitglieder in einem politischen Kontext interviewt werden, etwa bei einer Demonstration vor der Rada in Kiew. Dann muss in jedem Fall deutlich gemacht werden, vor welchem Hintergrund Forderungen von Asow-Mitgliedern zu sehen sind. Im angesprochenen Fall befragte Udo Lielischkies, seit Tagen unter schwierigen Bedingungen im Kriegsgebiet, seinen Gesprächspartner zu rein militärischen Aspekten. Da diese Asow-Kompanie das Rückgrat der Mariupol-Verteidigung bildet und reguläre Armee-Einheiten nicht für eine Befragung zur Verfügung standen, gab es vor Ort zu dieser Zeit keinen alternativen, vergleichbaren Gesprächspartner.“

Wäre nicht gerade das, wenn es so war, eine interessante, wichtige Information gewesen? Und ändert diese Tatsache etwas an der Notwendigkeit, die Zuschauer darüber aufzuklären, mit wem man da redet?

Gniffke sagt: „Bei der gebotenen Verdichtung von Informationen für einen kurzen Nachrichtenbeitrag können nicht in allen Beiträgen alle Hintergundinformationen geliefert werden.“ Das steht außer Frage. Aber was sagt es aus über eine Nachrichtensendung, wenn sie die Informationen so „verdichten“ muss, dass sie ihren Zuschauern nicht einmal in einem Halbsatz eine Einordnung ihrer Gesprächspartner geben kann? Welchen Informationswert hat dann das Gesagte, wenn der Zuschauer nicht weiß, wer es eigentlich sagt?

Einige Kritiker unterstellen ARD und ZDF (und den Medien allgemein), dass sie Informationen etwa über die zwielichtigen ukrainischen Freiwilligen-Bataillone bewusst verschweigen – was die Beschuldigten vehement zurückweisen. Aber es geht nicht nur um angebliche Voreingenommenheit oder Parteilichkeit in der Berichterstattung. Die Auseinandersetzung wirft auch die Frage auf, welche Ansprüche man an Nachrichtensendungen im Fernsehen stellen darf – insbesondere an das fünfzehnminütige Format, das immer noch rund neun Millionen Menschen um 20 Uhr einschalten.

Die ARD schickt Korrespondenten wie Udo Lielischkies in den gefährlichen Einsatz in Kriegs- und Krisengebiete – und dann müssen die „Tagesschau“-Berichte, die sie von dort schicken, in ein Korsett passen, das so eng ist, dass nicht einmal elementare Fragen beantwortet werden können? Und auf Beschwerden, wegen irgendwelcher Unzulänglichkeiten, Ungenauigkeiten oder Fehler, heißt es dann, dass halt die Zeit nicht ausreiche, man aber selbstverständlich in anderen Sendungen im Programm ausführlich berichtet habe?

Die Fähigkeit der „Tagesschau“, aus Nachrichten ein Ritual zu machen, ist legendär. Die Verpackung hat sich in den vergangenen Jahren geändert, die Kamerafahrt durchs Studio am Anfang täuscht Bewegung vor, die Sprecherinnen und Sprecher dürfen die Zuschauer inzwischen freundlich begrüßen und verabschieden, und der Ton mag nicht mehr ganz so verlautbarungshaft sein. Aber der Kern der Sendung scheint über all die Jahre derselbe geblieben zu sein: vorfahrende Autos, sich hinsetzende Politiker, Bilder vom Krieg. Eine „Ikonografie der Macht und des Apparates und der Automatismen“, wie Georg Diez es auf „Spiegel Online“ genannt hat.

Die Menschen, die in Autos vor irgendwelchen Regierungs- oder Konferenzgebäude vorfahren, scheinen diejenigen zu sein, die die Nachrichten nicht nur machen, sondern von ihnen auch am meisten betroffen sind. Die Menschen, die vorfahren, ändern sich und die Orte. In diesen Tagen sind es vor allem Brüssel und Athen.

Wenn ein neuer Protagonist Teil dieses Rituals wird, würdigt die „Tagesschau“ auch, wie er sich dabei schlägt: „Der neue griechische Außenminister scheint es fast zu genießen, im Mittelpunkt zu stehen“, textet die Reporterin, während wir sehen, wie er vor den Kameras aus einem Wagen steigt.

Rätselhafte Sätze stehen hier unerklärt vor sich hin. „Der neue Mann an der Spitze des griechischen Finanzministeriums habe bereits mit mehreren EU-Kollegen gesprochen und sei auf ein Klima der Vernunft getroffen“, heißt es einmal, und man weiß nicht einmal, wer da in indirekter Rede spricht, geschweige denn, was ein „Klima der Vernunft“ konkret sein könnte.

Wenn alle Autos vor- und wieder abgefahren sind, kommt der Korrespondent ins Bild und sagt, was das zu bedeuten hat. Im Hintergrund sieht man immer die Akropolis, damit der Zuschauer weiß, dass er in Athen ist.

„Mit geschwellter Brust und geschwollenem Kamm geht diese Regierung an den Start“, sagt ARD-Mann Peter Dalheimer am Montag.

„Alexis Tsipras scheint alles andere als konfliktscheu zu sein“, stellt er am Dienstag an selber Stelle fest.

„Athen lässt die Säbel rasseln – stumpfe Säbel allerdings“, ergänzt seine Kollegin Mira Barthelmann am Mittwoch ebenda.

„Die Löwen in Athen und Brüssel hatten in den vergangenen Tagen gut gebrüllt“, erzählt ihre Kollegin Ellen Trapp am Donnerstag vor derselben Kulisse. „Wie gut, wenn man miteinander spricht.“ Ihre Analyse gipfelt in der Mahnung: „Er ist der neue griechische Ministerpräsident. Das müssen in Brüssel nicht alle gut finden, aber auf jeden Fall sollten sie ihn tolerieren.“

Sie stehen dort nicht, um uns Dinge zu sagen, die wir noch nicht wissen. Sie stehen dort, um uns Dinge zu sagen, die wir schon wissen; die sie uns am Tag vorher schon gesagt haben und am nächsten Tag wieder sagen werden; die unseren Blick auf eine komplexe Entwicklung auf eine einfache, vertraute, im Zweifel bequeme Position verengen. Und Politik oft auf das reduzieren, was sie mit Politikern macht.

Hintergründe, Zusammenhänge, Widersprüche darf man nicht erwarten von der 20-Uhr-„Tagesschau“, aber dafür gibt es ja viele andere, weniger gesehene Sendungen, in denen das womöglich gründlich behandelt wird, und tagesschau.de natürlich, worauf die Fernsehsendung seit Jahren auch schon wieder ritualhaft in jeder Sendung einmal hinweist.

Walter van Rossum hat schon 2007 in seinem Buch „Tagesshow“ geschrieben: „Im Laufe der Jahrzehnte hat man sich Generationen von Zuschauern herangezogen, die behaupten, durch die ‚Tagesschau‘ gut informiert zu werden. Und umgekehrt glaubt die ‚Tagesschau‘ deshalb, glänzend zu informieren. (…) Die ‚Tagesschau‘ macht ihre Zuschauer entschlossen zu Zaungästen einer Welt, indem sie sich ebenso entschlossen weigert, diese Welt auch nur andeutungsweise zu begreifen.“ Genau darauf beruhe ihr Erfolg.

Aber während die 20-Uhr-„Tagesschau“ bleibt, was sie war, hat sich die mediale Welt um sie dramatisch verändert. Plötzlich gibt es so viele Quellen, aus denen das Publikum sich selbst informieren kann, gute und üble, mit denen es die quasi-amtliche Fünfzehn-Minuten-Konfektionierung des Tages vergleichen und hinterfragen kann. Plötzlich kann man auch die Sendung selbst noch einmal anhalten und sezieren und die Widersprüche entdecken (und Wolfsangel-Symbole), die sich früher einfach versendet hätten.

Plötzlich formulieren Menschen öffentlich auf der Grundlage all dessen Ansprüche an die Sendung, und die Verantwortlichen scheinen sich konsterniert umzuschauen und zu fragen, wie sie die denn erfüllen können sollen.

Die Diskussion um die Bilder vom „Republikanischen Marsch“ in Paris vor drei Wochen war erhellend. Die meisten Nachrichtensendungen und Medien, auch die F.A.Z., zeigten die angereisten Spitzenpolitiker aus aller Welt so, als würden sie diese Demonstration tatsächlich anführen. Eine Totale, ein „establishing shot“, hätte gezeigt, dass sie aus Sicherheitsgründen mit großem Abstand zum Volk in einem abgesperrten Bereich liefen.

„ARD-aktuell“-Chef Kai Gniffke hat auf Kritik daran wütend reagiert – und im Grunde die Ansprüche, die Kritiker an die „Tagesschau“ formulierten, als unangemessen zurückgewiesen. In der Live-Übertragung hätte man ja die Politiker auch aus anderen Perspektiven sehen können. Im Übrigen sei das „immer eine Inszenierung“, wenn sich Politiker vor eine Kamera stellen. Und man solle doch nicht versuchen, „solche Gesten“, wie den Auftritt der Politiker, „gleich als Inszenierung zu diffamieren“.

Die „Tagesschau“, soll das wohl heißen, kann es nicht leisten, solche Inszenierungen kenntlich zu machen, und eigentlich will sie es auch nicht. Sie macht sich stattdessen zum Teil dieser Inszenierungen, der kleinen Auftritte wie der großen Narrative, und zu Komplizen: self-embedded journalists.

Sie will die „große Geste“ der Politiker in Paris nicht dadurch stören, dass sie kurz zeigt, wie weit der Abstand zu den Massen war. Und vielleicht will sie auch die Erzählung vom Kampf tapferer, vereinter Ukrainer gegen skrupellos agierende Separatisten nicht dadurch stören und verkomplizieren, dass sie erwähnt, wie zweifelhaft einige der Verteidiger sind.

39 Replies to “Die 20-Uhr-Wirklichkeit”

  1. Ausser einer sündteuren Studiomodernisierung hat sich konzeptionell und inhaltlich bei der Tagesschau die letzten Jahre gar nichts getan. Bei bestimmten Themensträngen ist man sogar bei CNN besser bedient. Am Geld kann es nicht liegen.

  2. Das Sandmännchen der ÖR-Märchenstunde ähnelt immer mehr dem ehemaligen Kanzleramtskarussellbremser.
    Deshalb sehen Sie nächste Woche
    – Endlich Tacheles: Gniffke erklärt Kritik der Untergrundblogverschwörungstheoretiker als Syrizapropagandakonspiration für beendet
    – Neue Satellitenfotos beweisen: Niggemeier ein ferngesteuerter Agitator des autistischen Antichristen Putin (Anm. d. Red.: Unten links im Bild frisst er ein Einhornfohlen)
    – Tausende Opfer nach B-Waffeneinsatz: Russland setzt den Krieg gegen die westliche Wertegemeinschaft mit erneutem Konzert von Helene Fischer erbarmungslos fort

    ARD-Aktuell. Nur echt mit dem Gut-Informiert-Gefühl!
    (Für Risiken und Nebenwirkungen essen Sie bitte Ihre Programmzeitschrift oder spenden Ihre Ersparnisse an den Rundesfunkelbeitragservice.)

    Es grüßt
    Der Qualitätstrololol

  3. Man stelle sich vor, als vor ein paar Jahren Leute mit der Forderung „Todesstrafe für Kinderschänder“ herumgelaufen sind, wäre der Initiator interviewt worden, und man hätte mit keinem Wort erwähnt, das da die NPD dahintersteckt, mit der Begründung:
    Das NPD-Aktivisten die Demo organisiert haben, hat nichts mit der NPD zu tun.

    (Und so ähnlich auch bei pegida und bachmann)

    http://www.stefan-niggemeier.de/blog/1386/die-tote-michelle-die-neonazis-und-rtl/

  4. Das sind doch nur hamlose Kaukasier! Christen wie wir!
    Aber lass mal einen IS-Kämpfer mit solchen Uniformabzeichen auftreten. Dann wird ein Geschrei anheben und wir bekommen das sicher dutzendmal in Großaufnahme und Zeitlupe zu sehen.

  5. Die Frage, die man stellen muss: Sind das Qualitätsmängel – oder zielt die Tagesschau auf einen bestimmten Zustand ab?

    Einen Vorteil hat der ständige Lügenpresse-Vorwurf: Je mehr er sich verbreitet, desto größer wird der Druck auf Gniffke und Co., Integrität zu beweisen. Das Problem dabei ist nur, dass die Lügenpresse-Scheihälse dann nur noch das für wahr und integer halten, was sie selbst glauben, selbst wenn es die Tatsachen entstellt und dann nur eine rechtswinklige Lügenpresse dabei rauskommt.

  6. “ Sie macht sich stattdessen zum Teil dieser Inszenierungen,“
    .
    Leider nicht nur die Tagesschau.
    Die gedruckten Medien leider auch, und wohl auch schon immer (siehe Karl Kraus u.a.). Deshalb gibt’s ja neuerdings – und nicht nur bei der Intelligenz, die das schon immer durchschaut hat – das pöse Wort für diese Presse, das sie nicht so gerne hören wollen und prompt als „Un“-Wort haben geißeln lassen.
    Und es wird auch immer deutlicher, wieso das (noch) freie Internet, in dem man noch Kontra-Meinungen verbreiten und lesen kann, unbedingt (alternativlos?) auch unter die Fuchtel der (ja, man muss es wohl so sagen:) „Herrschenden“ muss.

  7. …wenn die schonmal den bräsigen Sport weglassen würden, hätten die wieder minutenlang Zeit, um über wesentliches und Hintergründe zu berichten. Ich verstehe nicht, was diesen Sport so wichtig macht, dass er einen festen Platz hat.

  8. Als Volontär 1980/81 durfte ich im Rahmen meiner Ausbildung bei der „Augsburger Allgemeine“ auch mal was zum Thema „Text-Bild-Schere“ lernen und die damaligen Versuche, diese zu überwinden. Aus heutiger Sicht ist das Thema aber total retro, weil offenbar niemand was daran ändern will.
    Und dann gab es noch diesen 1970er-Jahre Liedermacher dessen Name mir entfallen ist, der aber ein lustiges Lied zum Thema machte „Ja in der Tagesschau, da wird der Tag zur Schau…“
    30 Jahre später sind die Tagesschau-Kollegen offenbar immer noch ziemlich nah am regierungsamtlichen Meinungs-Mainstream.

  9. War das neue sündhaft teure Studio nicht dafür da, komplexe Sachverhalte besser veranschaulichen zu können, oder so?

  10. @ 10
    Ekkes Frank (1974, „Tagesschau“), danke für den Hinweis. Der Text enthält frappierende Ähnlichkeit mit der aktuellen Kritik und lässt sich unter Name, Titel und Jahreszahl problemlos googeln.

  11. Vielleicht liegt die Routine auch an den Routinen. Zumindest Radionachrichten scheinen sich aus den Agenturmeldungen abzuleiten. Womöglich ist das beim Fernsehen auch so. Mit den Agenturmeldungen kommt es bereits zu einer Vereinheitlichung. Nur eine Handvoll Agenturen versorgt alle Nachrichtenmacher mit Meldungen. Weil die Zeit knapp ist, werden die Agenturmeldungen vermutlich nicht gegenrecherchiert. Also übernimmt man die Formulierungen der Agenturen, zumindest ihre Perspektive. Im Nachrichtenradio arbeiten die Nachrichtenredakteure unter hoher Zeitknappheit. Sie können kaum über den Tellerrand der Agenturmeldungen hinausblicken. Daher verwundert es auch nicht, dass Radionachrichten wirken, als würden sie lediglich die offiziellen Verlautbarungen nachplappern. Das wird beim Fernsehen sicher nicht anders sein. Die Korrespondenten stehen vor den Parteizentralen oder vorm Bundeskanzleramt. Dort erfahren sie nicht viel. Die entscheidenden „Informationen“ kommen dagegen aus dem Ticker.

    Ich würde immer an solchen strukturellen Bedingungen ansetzen, um herauszufinden, warum etwa die Tagesschau so wirkt, als würde sie wenig informieren. Mein Beispiel: das Inforadio des RBB lässt seine Nachrichtensprecher recht einseitig darüber reden, dass Moskau am Ukrainekonflikt schuld sei. Die Sprecher zitieren da lediglich. In Randformaten des Inforadio kommen aber schon mal Experten zu Wort, die durchaus kritisch gegen diese einseitige Sicht argumentieren. Aber diese Argumente dringen nicht vor bis in die Nachrichtenredaktion. Das ist auch unwahrscheinlich, weil die Nachrichtenredakteure quasi im Hamsterrad des engen zwanzigminütlichen Nachrichtentakts und der Bewältigung der Tickermeldungen feststecken. In den Nachrichtenpausen werden sie über den Tickermeldungen hocken, um daraus Meldungen für die nächste Nachrichtensendung zu schreiben. Damit bleibt keine Zeit, darüber hinaus noch andere Informationen aufzunehmen.

  12. Die Botschaft, die ich solchen „Berichten“ entnehme ist: Wir sind nicht neutrale Beobachter. Wir sind Kriegspartei.

  13. Wo sich hier alle in ihrer Empörung anscheinend einig sind möchte ich wagen einzuwerfen: ich fand bereits den Skandal, der um die Aufnahmen vom Marsch in Paris gemacht wurde, überzogen. Und auch das gewählte Beispiel um das Statement eines Angehörigen der Asow-Miliz finde ich wenig überzeugend, auf mich wirkt vielmehr Gniffkes Erklärung, dass es hier in erster Linie um militärische Fragen ging, pausibel. Trotz aller rhetorischer Fragen von Stefan Niggemeier: nein, ich finde diese Informatio nicht so zentral wichtig. Man hätte sie in einer Bildunterschrift unterbringen können, aber ich finde nciht, dass man nochmal ausführlich hätte erklären müssen, wer oder was die Asow-Miliz eigentlich ist. Es ging hier um zwei einander militärisch bekämpfende Parteien und ein Vertreter der einen wurde nach seiner Einschätzung befragt. Mir genügt das in diesem Format.
    Nebenbei sei noch erwähnt, dass das Zitat von Lielischkies von Stefan Niggemeier verkürzt wiedergegeben wird, ohne dass dies durch ein „(…)“ kenntlich gemacht worden wäre.
    Die Kritik an der Berichterstattung über vorfahrende Autos etc. kann ich teilweise nachvollziehen, wobei mir einige Punkte, auch bei der Auswahl der Zitate, nicht einleuchten. Über die Gewichtung und die Formulierung im Einzelfall kann man sicher streiten und bestimmte Hintergrundinformationen sollten nicht zu kurz kommen, aber prinzipiell sind natürlich die handelnden Personen und ihr Auftreten durchaus von Bedeutung. Und natürlich sind die erwähnten Termine und Statements wichtig, auch wenn sie immer die gleichen Bilder liefern (und warum soll der Zuschauer nicht sehen, dass der Korrespondent in Athen ist? Was ist das für ein Argument?). Den hier schon kritisierten SPON-Artiekl über den Kleidungsstil des grichischen Finanzministers fand ich auch seltsam bis affig, aber prinzipiell finde ich schon wichtig, in welcher Form sich diese Akteure präsentieren und aus welchem Grund.
    Von den 20 Uhr-Nachrichten erwarte ich in erster Linie die aktuellen Meldungen, mit bewegten Bidlern illustriert und nicht nur vorgelesen. Hintergrundinfos gerne im Rahmen des Möglichen auch, aber es ist klar, dass darauf hier nicht der Schwerpunkt liegen kann.

    Hintergründe, Zusammenhänge, Widersprüche darf man nicht erwarten von der 20-Uhr-„Tagesschau“, aber dafür gibt es ja viele andere, weniger gesehene Sendungen, in denen das womöglich gründlich behandelt wird, und tagesschau.de natürlich, worauf die Fernsehsendung seit Jahren auch schon wieder ritualhaft in jeder Sendung einmal hinweist.

    Ja. Und? Wie gesagt: natürlich darf man Hintergründe, Zusammenhänge und Widersprüche auch von der Tagesschau erwarten. Die Frage ist aber doch, in welchem Maße. Und das Ukraine-Beispiel oben scheint mir da, wie gesagt, nicht das beste zu sein.

    Mit weniger Fußballberichterstattung könnte ich übrigens ebenfalls gut leben. Aber bei all der Kritik hier (Lügenpresse, Staatsfernsehen, Propaganda usw. ) finde ich, dass man die Kriche auch ruhig ein bisschen im Dorf lassen kann.

  14. @Pepito

    „Wo sich hier alle in ihrer Empörung anscheinend einig sind möchte ich wagen einzuwerfen: ich fand bereits den Skandal, der um die Aufnahmen vom Marsch in Paris gemacht wurde, überzogen.“

    Vielleicht war das kein Skandal. Aber es war eine Nachlässigkeit. Der Aufnahmewinkel bei einer Fotografie trägt bei zur Aussage des Bildes. In diesem Falle wurde ein Winkel gewählt, der die Politikermenge so zeigt, als würde sie den Bildrahmen sprengen. Das verzerrt eben doch schon die Tatsachen. Man hat ja von der anderen Aufnahme vom höheren Standpunkt aus gesehen, dass die ersten Reihen breit gestreckt waren, dahinter aber wesentlich weniger Politiker standen. Insofern war das schon eine Inszenierung. Dass sich Politiker inszenieren, ist nun nicht neu. Aber Medien sollten sich in kritischer Distanz dazu halten.

    Der Trick mit dem Aufnahmewinkel sorgt immer mal wieder für Fehldeutungen. Es gab vor einigen Jahren ein häufig verwendetes Bild von wild demonstrierenden Muslimen. Es waren Inder und es war nur eine kleine Gruppe. Aber das Bild war so aufgenommen, als wäre es eine sehr große Menge von Menschen. Das bekommt dann manipulative Züge. Jeder Fotograf weiß, dass er den Eindruck beeinflussen kann, den ein Bild erzeugt.

    Es ist sicherlich nichts Neues und auch kein großer Skandal. Die Empfindlichkeit steigt aber, wenn diese Nachlässigkeit anfängt, System zu werden. Die Berichterstattung zum Thema Ukraine ist da das deutlichste Beispiel, dass zu wenig distanziert berichtet wird. Man schaue dazu die einschlägigen Folgen der „Anstalt“. Als TV-Zaungast bekommt man eben doch das Gefühl, nicht nach besten Wissen und Gewissen informiert zu werden. Das Thema Asow-Miliz und deren rechtsradikale Schlagseite ist einfach zu oft nicht thematisiert worden. Das ist auf Dauer ärgerlich. Noch ärgerlicher ist es, dass Leute wie Gniffke das Problem nicht erkennen können.

    Ich informiere mich im wesentlichen über Inforadio, aber mittlerweile ignoriere ich die Nachrichten dort, weil sie allzu formelhaft rüberkommen und tatsächlich mit den im Netz erhältlichen Informationen nicht einmal ansatzweise konkurrieren können. Problematisch daran ist, dass das Leute in die Arme dubioser Verschwörungstheoretiker treiben kann.

    Es gibt ja immer wieder gute Beiträge in den Medien, siehe hier: http://www.faz.net/die-krim-und-das-voelkerrecht-kuehle-ironie-der-geschichte-12884464.html

    Man hat nur das Gefühl, dass die Nachrichtenredaktionen solche Aussagen nie zur Kenntnis bekommen.

  15. Sehr guter Beitrag. Danke.

    Beispielhaft für mich die Kürze im Résumé: „… dass sie kurz zeigt, wie weit der Abstand zu den Massen war.“

    Es wäre ein Leichtes, es „kostet“ nur Sekunden, zumindest zu umreißen, unter welchen mehr oder weniger einschränkenden Voraussetzungen bestimmte Meldungen verbreitet werden (wollen). Wesentliche, zur Einordnung notwendige Information zu unterlassen, sie schlicht zu verweigern, ist unredlich.

    Wer sich wie Herr Gniffke offen dafür zeigt, wegen irgendeiner „gebotenen Verdichtung“, die er als neues Leitmotiv ausgemacht haben will, journalistische Grundsätze hintan zu stellen, wäre vielleicht besser Dings geworden, wie heißt noch gleich dieser Beruf.

  16. @mil
    „Das sich Politiker inszenieren ist nicht neu.“ sehe ich anders: Politik ist (auch) Inszenierung. Wahlen in parteiliche Spitzenämter sind meist Inszenierungen, Bundestagsdebatten sind meist Inszenierungen, Wahlkämpfe sind Inszenierungen usw. Wer ein wenig Grips besitzt und bereit ist nachzudenken der wird erkennen, dass in einer repräsentativen Demokratie symbolische, inszenierte Handlungen von Politikern kein Selbstzweck sind und auch nicht der Eitelkeit geschuldet, sondern ganz regulär zum Job gehören.
    In Paris ging es ebenfalls um ein Symbol und ich meinerseits bin recht dankbar, dass die Staats- und Regierungschefs augenscheinlich nur den für das Symbol nötigen Aufwand betrieben haben, statt ihre Zeit und die Dienste der französischen Sicherheitskräfte für ein Smbol+ zu verschwenden, dass vielleicht noch ein bisschen besser gewesen wäre. Ich habe die Geste auch so verstanden.
    Ich habe auch keinen gesteigerten Bedarf, zukünftig vor jeder Bundestagsrede darauf hingewiesen zu werden, dass das eine reine Showveranstaltung ist, weil die sachliche Erörterung in einem Ausschuss stattfand und das Abstimmungsverhalten in der Fraktionssitzung geplant wurde. Die Neujahrsansprache wird für mich auch nicht dadurch besser, dass extra erwähnt wird, dass das ein Ritus ist und nicht etwa Ausdruck eines spontanen Bedürfnisses der Kanzlerin, und dass sie und andere Politiker ihre Reden womöglich nicht selbst schreiben.
    Bezogen auf die Medien war Gniffkes Reaktion auf Kritik falsch, aber solange die Inszenierung anderswo zu sehen ist habe ich kein Problem, wenn die Tageschau diese Banalität auspart.

  17. @m54623
    Wenn Sie hinschauen, habe ich das auch gar nicht bestritten. Natürlich gehört die Inszenierung zum Job des Politikers. Überall dort, wo er öffentlich kommuniziert, muss er sich inszenieren. Das ist an sich auch noch kein Problem. Es ist nur nicht Aufgabe der Medien, zum Teil dieser Inszenierung zu werden, indem sie die von Politikern inszenierte Aussage auch noch mit ihren Mitteln verstärkt. Medien sollten die Politikerinszenierungen kritisch hinterfragen. Das heißt noch lange nicht, dass sie pausenlos einen Generalverdacht gegen Politiker hegen sollen. Aber Journalisten können die Glaubwürdigkeit einer Inszenierung prüfen. Tun Medien das nicht, laufen sie in Gefahr, bloß zum Verlautbarungsorgan der Regierung zu werden. Das wäre aber nicht hinnehmbar.

    Diese Geschichte in Paris trifft letztlich auf eine Empfindlichkeit, die durch wiederholtes Medienversagen erzeugt worden ist. Unter anderen Umständen wäre es vermutlich eine lässliche Sünde gewesen. Nur herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung die Stimmung, dass den Medien nicht zu trauen ist. Dann werden eben auch Kleinigkeiten skandalfähig. Das ist der zentrale Punkt.

    „Ich habe auch keinen gesteigerten Bedarf, zukünftig vor jeder Bundestagsrede darauf hingewiesen zu werden, dass das eine reine Showveranstaltung ist, weil die sachliche Erörterung in einem Ausschuss stattfand und das Abstimmungsverhalten in der Fraktionssitzung geplant wurde.“

    Ich mutmaße, dass Sie damit zu den politisch Informierten gehören. Ich habe selber viele Besuchergruppen durch den Reichstag geführt und erlebt, wie wenig Leute diese Arbeitsteilung zwischen Ausschuss und Plenum kennen. Diese Leute denken dann, dass die Bundestagssitzung der Ort der Debatte ist. Sie verstehen dann weder die hochgejazzten Auseinandersetzungen noch den Mangel an wechselseitigem Zuhören. Vor diesem Hintergrund wäre die politische Berichterstattung wohl gut beraten, den Entstehungszusammenhang eines Gesetzes doch etwas besser zu durchleuchten. Eigentlich ist die Fokussierung auf Bundestagssitzungen dann doch etwas naiv. Wem ist mit den Ausschnitten daraus dann geholfen? Eigentlich erfährt doch niemand wirklich etwas dadurch.

    Noch einmal zurück nach Paris: Ich habe tatsächlich geglaubt, die Politiker seien mit den anderen Leuten , dem „Volk“, auf der Straße gewesen in EINEM Demonstrationszug. Das ist das, was bei mir ankam dank der Berichterstattung. Auch wenn ich – aus gewissen beruflichen Gründen – viel Verständnis für die Inszenierungsnotwendigkeit habe, bin ich dann doch etwas enttäuscht.

    Ich finde, Journalisten sollten es sich nicht so einfach machen. Denn auf der anderen Seite jagen sie im Galopp auf hohem moralischem Roß durch ihre Leitartikel und Kommentare, belehren Kanzlerin und Präsidenten aller Länder und tun nicht selten so, als wüssten sie alles besser. Letzteres aber müssten sie dann wenigstens auch belegen, z.B. durch kritische Distanz und Durchblick.

  18. @m54623

    „…aber solange die Inszenierung anderswo zu sehen ist habe ich kein Problem, wenn die Tageschau diese Banalität auspart.“

    Es ist weder eine Banalität, noch ist es angemessen, grundlegende Informationen einfach „auszusparen“, in der Annahme, die meisten Menschen verfügten bestimmt über weitere Informationen, die unsere, zugegebenermaßen halbgare Aussage vor Millionepublikum, schließlich in den richtigen Kontext einordnen und entsprechend relativieren können. Für Derlei werden die Journalisten der Tagesschau aber nicht so bereitwillig und tatkräftig von den Bürgern finanziell unterstützt. Je mehr Nachrichten und Informationen en passant „konsumiert“ werden, desto wichtiger ist es, Nachrichtenschnipsel nicht unter eine kritische Grenze zu verkleinern. Nachrichten Anderswo schaut vielleicht gerade niemand.

  19. @mil
    Ich verstehe schon, was Sie sagen wollen. Allerdings ist die Frage, wo die Inszenierung anfängt und ab wo die Medien sie mehr als erforderlich unterstützen und so „ein Teil von ihr werden“ oft schwierig zu ziehen. In der Paris-Sache, fand ich die gewählte Darstellung eben gut vertretbar und habe ein Problem mit der Selbstgewissheit (um nicht zu sagen -gerechtigkeit), mit der oft das Gegenteil behauptet wird. Ich hätte allerdings schon ein Problem damit, wenn sich z. B. die Staatsoberhäupter „aus Sicherheitsgründen“ eigentlich im Filmstudio vor einer grünen Wand aufgestellt hätten, um dann später vor eine beeindruckende Kulisse ihrer Wahl (hier das Volks auf der Straße) montiert zu werden. Das hätte die beabsichtigte Symbolik (Geschlossenheit demonstrieren, Gesicht zeigen etc.) zwar auch bewirkt, aber hier wäre eine Grenze der Inszenierung überschritten worden.
    Außer Paris ging es mir aber auch um die hier gebrachten Beispiele, etwa das Wolfsangel-Symbol. Anscheinend ist hier jeder der Ansicht, dass man in diesem Beitrag etwas dazu hätte sagen müssen.

    Nur herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung die Stimmung, dass den Medien nicht zu trauen ist. Dann werden eben auch Kleinigkeiten skandalfähig. Das ist der zentrale Punkt.

    Das erste mag so sein, aber das zweite ist so eben nicht richtig. Skandale sind Skandale und Kleinigkeiten bleiben Kleinigkeiten (ich weiß jetzt nicht, ob Sie mit „skandalfähig“ etwas anderes meinen). Für einige Leute scheint es sich aber ja gerade nicht (mehr) um Kleinigkeiten zu handeln.
    Man kann natürlich auch den Standpunkt haben, dass viele Kleinigkeiten auch einen Skandal bilden, bzw. die Symptome eines großen Skandals sind. Es ist aber die gleiche Methode, nach der wegzensierte Würstchen und angebliche verschwundene Sparschweine als Symptome einer Islamisierung des Abendlandes ausgemacht werden.
    Kurz: ich fand die Argumente und Belege in Stefan Niggemeiers Text etwas dünn.

  20. @micha, danke für den Link.

    Herr Gniffke:
    „Natürlich bleibt es die Aufgabe von kritischem Journalismus, Inszenierungen von Politikern kenntlich zu machen.“

    Also: Make it so.

    „Ja, wir schauen den Mächtigen auf die Finger.“

    Klingt nach „Ja, aber.“ Und tatsächlich schafft sich Herr Gniffke geschickt den Hohlraum, um das eigentliche Aber hineinstopfen zu können:

    „Aber dabei müssen wir die Maßstäbe wahren und nicht skandalisieren, was kein Skandal ist – und es gibt deren wahrlich viele.“

    Der Nachsatz soll belegen, daß die Nachrichtenredaktionen im Hause wachsam wie eh sind? Das muß man leider etwas einschränken:

    „Schließlich ist inzwischen nahezu alles eine Inszenierung – jede Pressekonferenz, jede Demonstration, jeder öffentliche Auftritt. Sollen Nachrichten das jedes Mal “entlarven”?“

    Nein, heißt das, müssen sie nicht. Das ist auch gar nicht nötig. Denn:

    „Hier ist das Publikum aus meiner Sicht längst weiter und kann solche Begebenheiten meistens recht gut einordnen.“

    „Meistens recht gut“ anderweitig informiert sein – das muß der aufklärungsbereite Gebührenzahler allerdings mitbringen, wenn er seine Glotze um 20h einschaltet; damit er von der Tagesschau nicht etwa fehl- oder desinformiert werde. Wofür diese technisch so grotesk aufgehübschte Veranstaltung, wenn sie aus „Zeitmangel“ nicht mehr aufklären kann, noch will, weil das aus Sicht der Chefredaktion unzeitgemäßen Aufwand darstellt?

  21. Ich versuche mal die Problematik aus meiner Sicht etwas aufzudröseln:

    1. Die Tagesschau ist im allgemeinen Medientrott gefangen: Wenn etwas aktuell ein Thema ist, auf dass sich alle Medien stürzen, dann wird berichtet. Völlig unabhängig davon ob es nun Nachrichten zu einem Thema gibt oder nicht. Klar bleibt fehlt diese Zeit dan woanders.

    2. Man versucht zwanghaft die Person vor Ort einzubeziehen. Egal, ob der/diejenige nun sonderlich kompetent ist oder nicht. In der Ukraine-Krise ist Lielischkies schon eine Katastrophe. Besonders absurd war diese „Vor-Ort“-Ritual beim Fukushima-Unglück, wo man laufend nach – ich glaube – Seoul geschaltet hat: Der Mann wusste grundsätzlich weniger als schon Nachrichtenticerlage war, hat spekuliert und fantasiert, sich auch nach Tagen noch in Sievert und Becquerel verheddert. Trotzdem wurde der Mann auch in nächsten Sendung wieder zugeschaltet.

    Extra3 hat das mit dem Stück zum Bahnstreik so schön auf den Punkt gebracht: Täglich sinnfreie Interviews auf irgendeinem Bahnhof, keine Neuigkeiten, dafür noch ein paar Stimmen von „betroffenen“ Bürgern.

    Ich habe eine gute Freundin in Dnipropetrovsk (russischsprachiger Teil der Ukraine, nicht weit von Donetsk, dennoch friedlich): Sie hat – hauptsächlich aus Studienzeiten – Kontakte in die Region. Sie sagt mir, dass sie und auch dort kaum jemand eine Ahnung hat, wer da
    nun gerade gegen wen für was kämpft.

    Das würde ich mir auch mal von der Tagesschau wünschen, einfach zu sagen: Wir wissen nicht was da vorgeht. Ich habe aber den Eindruck, dass „die Medien“ sich das nicht trauen, weil sie meinen, damit ihre Glaubwürdigkeit als Welterklärer zu untergraben. Ich finde diese Entwicklung auch beim Spiegel unheimlich auffällig.

  22. Bitter ist, dass Gniffke der Kritik in der Substanz nichts entgegen setzen kann: Die Unfähigkeit, den aus der Politik auf die Medien einprasselnden Pseudo-Meta-Diskurs zu konfrontieren mit konkreten Inhalten, ist eine Seuche, die den Journalismus längst erfasst hat. Statt Dekonstruktion wird aber Reproduktion geliefert – dafür muss man auch nicht so qualifiziert sein.

  23. Ich mag das Prinzip unabhängig finanzierten Journalismus, aber man könnte glatt auf die Idee kommen, die inzwischen so zahlreichen und peniblen Dokumentationen der Unzulänglichkeiten des öffentlich rechtlichen Rundfunks seien hinreichend, um zumindest vorübergehend eine Verweigerung der Beiträge durchzusetzen, ähnlich wie Tony Rooke es mit BBC gemacht hat. Die gesparten Beiträge stünden dann aber der Fairness halber Stefan Niggemeier und den Mitstreitern zu.

  24. @16 Pepito
    „… ich finde diese Informatio nicht so zentral wichtig. Man hätte sie in einer Bildunterschrift unterbringen können, aber ich finde nciht, dass man nochmal ausführlich hätte erklären müssen, wer oder was die Asow-Miliz eigentlich ist. Es ging hier um zwei einander militärisch bekämpfende Parteien und ein Vertreter der einen wurde nach seiner Einschätzung befragt. Mir genügt das in diesem Format.“

    Grundsätzlich mag ich Leute wie Sie, deren Antwort auf eine uralte Standardfrage immer lautet: „halbvoll!“ Manchmal aber verschwimmen die Grenzen zwischen gesundem Optimismus und Wunschdenken, so auch in diesem Punkt bei Ihnen.
    Sie unterstellen (von sich auf andere schließend?) einen Wissensstand des Zuschauers (der Tagesschau) über Existenz und Art der Asow-Miliz, der nach meiner Wahrnehmung nicht so ausgeprägt ist, wie Sie es gerne hätten. Und wo haben Sie denn Ihre Kenntnisse über diese Einheit her? Aus der Tagesschau? Überhaupt aus dem ÖR? Wenn ja, zur Primetime, von mir aus auch im Radio? Und mal abgesehen von Ihren Quellen, flatterten Ihnen diese Informationen prominent in den Schoß oder mussten Sie etwas recherchieren, um sich zu diesem Thema schlau zu machen?
    Außerdem: Herr Niggemeier hat nicht verlangt, dass die Tagesschau ausführlich erklärt, was es mit der Asow-Miliz auf sich hat. Er hat vor allem eine ausbleibende Zuordnung des Interviewpartners moniert. Und dass der Durchschnittszuschauer diesen dann als Vertreter der regulären Truppen der Ukraine einordnen wird, ist nicht korrekt.
    Unterdessen ist es eine wichtige Information, auch im Hinblick auf einen militärischen Konflikt von zwei Seiten. Denn es deutet daraufhin, dass es innerhalb einer Seite, die sich neben Ihrer regulären Truppen eines möglichen Zweckbündnisses mit einer politisch motivierten Miliz bedient, Interessenkonflikte geben kann. Wann immer eine reguläre Armee eine zusätzliche Miliz benutzt, ist das eigentlich eine Meldung wert, oder nicht? Dazu gehört auch, dass der Konsument der Nachrichten erfährt, ob mit dem Vertreter der regulären Truppen gesprochen wird oder mit einem Vertreter der Miliz.
    Ihnen genügt das in diesem Format. Schön. Mir nicht. Auch schön.
    Aber wenn man von den einzelnen Beispielen weggeht und das Grundsätzliche (Ritual, Berieselung, Ungenauigkeit, Kreation von Symbolbildern usw.) an der Kritik der Tagesschau ansieht, bleiben für mich zwei wesentliche Fragen offen:
    Was erwarten wir im Rahmen eines breiteren Konsens speziell vom Format „Tagesschau“?
    Ist die Erwartungserhaltung realistisch zu erfüllen?
    Und nun stelle man sich einmal vor, es gelänge gesicherte Erkenntnisse zur ersten Frage zu gewinnen und die Antwort zur zweiten Frage wäre dann: „Nein, das kann dieses Format nicht leisten.“
    Was wäre die Konsequenz?

  25. @Pepito

    „Skandale sind Skandale und Kleinigkeiten bleiben Kleinigkeiten (ich weiß jetzt nicht, ob Sie mit „skandalfähig“ etwas anderes meinen). Für einige Leute scheint es sich aber ja gerade nicht (mehr) um Kleinigkeiten zu handeln.“

    Sie vermuten richtig: Ich will damit unterscheiden zwischen dem Werturteil, etwas sei ein Skandal, und der Skandalisierung als Aktion von einer Gruppe von Menschen. Etwas ist skandalfähig, wenn eine Gruppe von Menschen bereit ist, sich darüber zu empören und diese Empörung öffentlich zu machen.

    Aus meiner Sicht ist also die Paris-Geschichte kein Skandal in dem Sinne, dass ich selber moralisch empört wäre.

  26. @JUB 68
    Bezüglich der Asow-Miliz verhält es sich noch ein bisschen anders. Ich hatte und habe tatsächlich keine Kenntnisse über diese Einheit und unterstelle auch keineswegs, dass das beim Durchschnittszuschauer anders ist. Und sicher wäre es interessant etwas über sie zu erfahren, über den ganzen Aaufbau und Ablauf dieses Konflikts, wer genau da warum wofür kämpft. Es gibt da sicherlich noch unendlich viele wissenswerte Informationen. Ich meine aber nicht, dass man solche Hintergrundinformationen aus einer fünfzehnminütigen Nachrichtensendung erfahren muss, oder auch nur kann. Für so etwas bräuchte es längere (Sonder-)Sendungen wie Brennpunkt, Auslandsjournal oder eben Tagesthemen und Heute-Journal. Daher finde ich es tatsächlich nicht so abwegig, auf „viele andere, weniger gesehene Sendungen“ zu verweisen, wie das Stefan Niggemeier (siehe Zitat in #16) suggeriert.
    In dem kritisierten Beitrag ging es nach meinem Verständnis schlicht um die Frage, ob eine Großoffensive auf Mariupol bevorsteht, bzw. ob entsprechende Ankündigen glaubhaft sind. Das ist in erster Linie eine militärische Einschätzung, bei der mir nun nicht klar ist, warum die hier befragte Quelle weniger glaubhaft sein sollte ein als ein Vertreter „regulärer“ Truppen (so weit es überhaupt glaubhafte Quellen dort geben kann).
    Und wo will man dann aufhören? Es genügt ja dan nicht, einfach „Asow-Miliz“ einzublenden, sondern man müsste auch erklären wer oder was das ist, wie es dazu kam und warum das eine mehr oder weniger glaubhafte Quelle ist. Und wenn man das dort macht, muss man es überall machen.
    Diese Erwartungshaltung, die oft genug in Empörung umschlägt, findet man übrigens auch auf der „Achse des Guten“, wo moniert wird, dass nicht bei jedem Nachrichtenbeitrag, der ein zerstörtes Gebäude, ein erschütterndes Schicksal etc. in Gaza zum Thema hat nicht jedes Mal der gesamte Nahostkonflikt erklärt wird, oder wenigstens die Hamas-Charta und der Raketenbeschuss auf Israel erwähnt wird. Wäre das nicht auch alles wichtig und interessant?

    Was erwarten wir im Rahmen eines breiteren Konsens speziell vom Format „Tagesschau“?
    Ist die Erwartungserhaltung realistisch zu erfüllen?
    Und nun stelle man sich einmal vor, es gelänge gesicherte Erkenntnisse zur ersten Frage zu gewinnen und die Antwort zur zweiten Frage wäre dann: „Nein, das kann dieses Format nicht leisten.„
    Was wäre die Konsequenz?

    Ich erwarte in erster Linie, über aktuelle Entwicklungen des Tages informiert zu werden. Dabei ist klar, dass einige Informationen ohne Vor- und Hintergrundwissen nicht verstehbar sind. Dafür muss es dann vertiefende Quellen – Sendungen, Internet, Printmedien – geben.
    Die Erwartungen, die einige zu haben scheinen, sind m. E. nicht realistisch zu erfüllen. Konsequenz? Erwartungshaltung an realistisches Niveau anpassen und sich klar werden, dass es eben nicht ausreicht, sich über Themen wie Ukraine, Nahostkonflikt, Griechenland etc. nur über die Tagesschau zu informieren.
    Das soll natürlich alles nicht heißen, dass die Tagesschau perfekt wäre und es nichts zu verbessern gäbe. Ich kann jetzt auch nicht beurteilen, ob vergleichbare Formate im Ausland viel besser sind. Aber so manche Kritik und die dahinter stehende Erwartungshaltung halte ich trotzdem für überzogen.

  27. Für 7,5 Mrd Euro Steuergelder, die die ÖR in Deutschland finanzieren, darf man sich eine MENGE erwarten. Beginnend mit einer sachlichen Berichterstattung.

  28. @Pepito

    „Das ist in erster Linie eine militärische Einschätzung, bei der mir nun nicht klar ist, warum die hier befragte Quelle weniger glaubhaft sein sollte ein als ein Vertreter „regulärer“ Truppen (so weit es überhaupt glaubhafte Quellen dort geben kann).“

    Der Teil in der Klammer ist wohl der entscheidende: In diesem Konflikt geht es auch um Meinungshoheit. Jede Seite bemüht die Medien, um ihre Sicht der Dinge möglichst durchzusetzen. Insofern kann man erwarten, dass niemand der Kriegsparteien eine rein fachliche, also militärische Einschätzung geben wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Einschätzung propagandistisch aufgeladen ist. Dann wäre es auch wichtig zu wissen für den Zuschauer, wer da spricht und welche Interessen er hat.

    Irgendwo las ich mal, dass es zur journalistischen Grundregel gehört, eine Quelle durch eine zweite gegenzuchecken, um die Information abzusichern. Die Information „es wird eine Offensive geben“ hätte also durch diesen Gegencheck geprüft werden müssen.

  29. in der quantenmechanik beeinflusst schon das bloße beobachten das experiment und seinen ausgang. und was im kleinsten gilt, kann auch das große erklären: es gibt eben keine objektivität. und die kameralinse heißt nur auf deutsch ‚objektiv‘, was objektiv falsch ist. der bildsprache ist nicht zu trauen, mag sie noch so überzeugend ‚klingen‘ …

  30. @30 Pepito
    Sie machen es uns dieses Mal nicht einfach, was? Das sind gleich vier Problemstellungen, die Sie da aufwerfen.

    1.)
    Sie wissen gar nichts über diese Einheit. Das habe ich nun völlig fehlinterpretiert. In dem Bewusstsein, dass man immer ein Stück weit Gefangener der eigenen Logik ist, frage ich trotzdem:
    Wenn Sie nichts über diese Truppe wissen, woher wissen Sie dann, dass eine Erklärung im Kontext dieses Beitrags nicht erforderlich ist? Aber gut, Sie erklären das ja auch und da sind wir bei:

    2.)
    Die Hintergründe einer Miliz sind vielfältig. Militärisch gesehen ist eine Miliz eine kurzfristig zusammengestellte Truppe, die klar vom stehenden Heer bzw. den regulären Truppen zu trennen ist.
    In allen anderen Punkten sind die Hintergründe einer Miliz sehr variabel. Ihre Angehörigen können freiwillig beigetreten oder zwangsrekrutiert sein, es kann sich um materiell orientierte Söldner handeln oder um Anhänger einer Sache, die nicht zwingend die Sache des Oberkommandos der regulären Truppen sein muss usw.
    Obgleich eine Miliz nahezu immer dem Oberbefehl der regulären Truppe unterstellt wird, heißt das nicht, dass das in der Praxis auch funktioniert.
    Wenn also ein Angehöriger der regulären Truppen zu militärischen Möglichkeiten einer Offensive spricht, dann wird er (gerade in der prekären Situation) letztlich die „offizielle“ Ansicht (also die seiner Vorgesetzen) verkünden, wenn er überhaupt vor einem Mikrofon spricht.
    Ein Soldat der Miliz gibt möglicherweise abweichende Einschätzungen ab, auch zur militärischen Lage.
    Deswegen würde ich auch bei rein militärischen Einschätzungen eine derartige Zuordnung verlangen. Selbst wenn es nur der Hinweis in einem Satz ist, dass es sich um einen Angehörigen des wegen rechtsradikaler Nähe umstrittenen Asow-Bataillons handelt. Der Zuschauer kann dann immer noch selbst entscheiden, ob er dieser Information nachgehen möchte, er weiß aber wenigstens, dass kein Angehöriger der regulären Truppen spricht. Zu dieser Argumentation kommt man aber nur, wenn man Ihre Meinung zum Inhalt des Kommentars teilt, was ich ebenfalls nicht tue:

    3.)
    Es ging nämlich nicht nur um die militärischen Erwägungen einer Offensive:
    Herr Niggemeier weist in seiner Kritik auf die Tatsache hin, dass der befragte Kämpfer äußert, dass er den Frieden nur nach einem Sieg erwartet. Das mag sich auf die bevorstehende Offensive beziehen, aber der Satz klingt schon eher nach einer Grundsatzauffassung zum Konflikt, denn dem Mann wird ja klar gewesen sein, dass der potentielle Ausgang der erwarteten Offensive (so wichtig er im Moment war) nicht die Entscheidungsschlacht zur Lösung des Konflikts darstellte. Ferner zieht Stefan Niggemeier die „unbemerkte Parallele“ zu Steinmeiers Kritik an den Separatisten, dass eine militärische Lösung zu Gunsten einer diplomatischen Lösung bevorzugt wird, was in derselben Sendung verkündet wurde. Dieser Vergleich hat etwas von der beginnenden Herpesblase an der Lippe der Frau. Man sieht sie eigentlich nicht, aber wenn sie denn einmal bemerkt wurde kann, man sie auch nicht mehr übersehen.
    Und bei dieser Parallele geht es um mehr als rein militärische Erwägungen zur Wahrscheinlichkeit einer Offensive. Und da ist dann die politische Verortung des Gesprächspartners wichtig. In allererster Linie, damit dem Zuschauer klar ist: Das ist nicht die offizielle Meinung regulärer Truppen.
    Das rechtfertigt also auch nicht die ggfs. ableitbare Behauptung, die ukrainische Armee würde der militärische Lösung den Vorzug vor der diplomatischen Lösung geben.
    Bei meinen Ausführungen zu 3.) möchte ich Ihnen abschließend auch noch den Fakt unter die Nase reiben, dass der Chefredakteur der Tagesschau nach der ersten Kritik an dieser Unterlassung ähnlich argumentiert wie Sie. Wenige Tage später allerdings räumt er ein, dass Stefan Niggemeier die Verortung dieses Interviewpartners „zu Recht einfordert“ (siehe Beitrag oben im Vergleich mit Beitrag zur 20 Uhr Routine).

    4.)
    Wenn die einzelne individuelle Erwartungshaltung an dieses Format einer Nachrichtensendung (lassen wir mal den möglichen Mehrheitskonsens weg) nicht erfüllt werden kann, ist die eigentliche Konsequenz, dass (zumindest für das betroffene Individuum) diese Nachrichtensendung nicht gebraucht wird. Man kann sich lange streiten, welche Erwartungshaltung realistisch ist, ohne zu einem befriedigendem Kompromiss zu kommen. Man kann das Format, dass die Erwartungshaltung nicht erfüllt, allein zum Zweck der Kritik weiter verfolgen. Am Ende bleibt rein rational übrig, dass man das Format in diesem Fall nicht braucht. Ist man vernünftig, ergibt sich aus der Erkenntnis nichts weiter, als dass man sich eben anderswo informiert. Ist man eher zornig, kann man die Abschaffung der Tagesschau fordern, obwohl sie möglicherweise von anderen aus deren individueller Sicht immer noch gebraucht wird.
    Wenn die Tagesschau zum Beispiel nur dafür sorgt, dass einige ihrer Zuschauer keine Schlaftabletten benötigen, ist sie nicht völlig unnötig.

  31. @#7 (jj preston):
    Ich bin mir nicht sicher, ob die Lügenpresse-Schreihälse, die Propagandaschau-Hyperventilatoren und die zornigen Internetkommentatoren auf den Presseseiten wirklich etwas Gutes haben. Ich glaube, dass genau die von Ihnen erhoffte Wirkung auf die Presse fehlt.

    Dies deshalb, weil diese Kritik völlig aus dem Ruder gelaufen ist, selbst hochgradig tendenziös und undifferenziert ist und in einer Weise quasi stetig schreiend und zeternd vorgebracht wird, dass sie 1. tatsächlich mit guten Gründen nicht mehr ernst zu nehmen ist und 2. all die berechtigte Kritik überdeckt und vernebelt bzw. in den Hintergrund stellt und mit verbrennt.

    Man bemerkt dies schon in den Äußerungen von Journalisten zu diesem Thema. Sie tun sich verständlicher Weise schwer aus diesem Dickicht von Schimpfwörtern, Drohungen, hinrirssigen Unterstellungen und Verschwörungstheorien, eine vernünftige Kritik herauszufiltern.

    Ich glaube deshalb ernsthaft, dass diese Lügenpresse-Schreihälse allen schaden, die gerne eine Verbesserung vieler journalistischer Angebote erreichen würden…..

  32. Ach ja, wenn man doch nur mal wieder die Nachrichten um uns herum, anderer Länder wie Türkei, Russia oder Polen genau so überkritisch sezieren würde…
    Ich mag ja die hier genannten Ausführungen meist zu Springer, Burda, Pegida, CSU uvm. Aber die Kritik an unseren ÖR nimmt inzwischen hetzerische, egozentrische fast schon wohlstandskranke Züge an.
    Reporter, Journalisten, Medienschaffende sind auch nur Menschen. Teils recht mutige. Ihnen nur noch Agenda und Systemkollaborismus vorzuwerfen ist für mich absurd. Ausserdem, keiner wird gezwungen einzuschalten.
    Die Tagesschau scheint nicht soviel falsch zu machen, kein Aufschrei, Mord- und Vergewaltigungsandrohungen im 1000er Bereich, kaum Zuschauerschwund. Jeder Interessierte erfährt heute dank Internetz was er wissen will, hat Informationszugänge im Überfluss und ist nicht so dumm, dass er von der Tagesschau „gebildet“ werden oder mit Aufklärung ins Detail versorgt werden muss.
    Wie die langweilige Erregung zum Marsch in Paris, alles hier böse aber sonst überall Ländernachrichten aus einem anderen, besseren Qualitätsuniversum. Und soviel ehrlicher. Und soviel erklärender. Und da wird gar nüscht sonst weggelassen in 15min…

  33. @ Yippieh:

    „Ach ja, wenn man doch nur mal wieder die Nachrichten um uns herum, anderer Länder wie Türkei, Russia oder Polen genau so überkritisch sezieren würde…“

    Zum einen: ich finde, man sollte erstmal vor der eigenen Tür kehren. Gerade um es den Schnitzlers von RT Deutsch nicht zu einfach zu machen.

    Zum anderen: was hat eigentlich Polen in Ihrer Aufzählung verloren? Das Land hat eine äußerst vielfältige Medienlandschaft und rangiert im Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf einer Stufe mit Deutschland, Norwegen, Kanada und Finnland – und vor den USA, Australien und Frankreich. In der Rangliste ist es auf Platz 18 von 180 Staaten – die Türkei ist auf 149, Russland auf 152.

    https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2015/
    https://www.reporter-ohne-grenzen.de/weltkarte/#rangliste-der-pressefreiheit

    Östlich von Deutschland geht’s halt in jeglicher Hinsicht bergab, gell? Aber stimmt, so wie die polnischen Politik ja deutschen Medien zufolge (und damit auch in der Wahrnehmung vieler Deutscher) ausschließlich aus Jarosław Kaczyński und die Wirtschaftsleistung ausschließlich aus Autodiebstählen besteht, gibt es in den Medien ausschließlich Radio Maryja.

    Dass sich die linksliberale Gazeta Wyborcza, immerhin nach der Fakt (der polnischen Bild) die zweitgrößte Zeitung des Landes, gerne mal mit dem Titel „Blitzkrieg Kaczyńskiego“ über Kaczyńskis deutschenfeindliche Ausfälle lustig macht, kommt hierzulande ebenso wenig an wie ihr Einsatz für die Rechte Homosexueller (und die immer weiter voranschreitende Liberalisierung der polnischen Gesellschaft in dieser Frage). Auch hier übrigens ein großer Unterschied zu Russland – dort wäre die Zeitung wegen angeblicher homosexueller Propaganda längst verurteilt worden.

    Das heißt nicht, dass polnische Medien stets so berichten, dass ich keine Kritik daran üben würde. Die Polityka hat z.B. für einen Bericht über PEGIDA kürzlich Udo Ulfkotte befragt. Das ist ja an sich legitim – aber in der Vorstellung wurde sein bisheriges Schaffen allein darauf reduziert, dass er mal bei der FAZ gearbeitet hat. Ich finde schon, dass es zur Einordnung dieser Person notwendig wäre, ein, zwei Sätze mehr zu schreiben.

    Tschuldigung, total themenfremd, aber das musste raus…

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