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Wahlwerbung in Springer-Blättern: Die Linke muss draußen bleiben

Der Springer-Verlag wird auch in diesem Bundestagswahlkampf keine Anzeigen der Linkspartei akzeptieren. In einer internen Anweisung heißt es, dass Werbeschaltungen der Linken „in jedem Fall abgelehnt werden“.

Die Linke befindet sich damit in einer Gruppe von acht zur Bundestagswahl zugelassenen Parteien, bei denen die die Springer-Blätter Werbung unbesehen ablehnen:

Parteien, deren Werbeschaltungen in jedem Fall abgelehnt werden
Name der Partei Ausrichtung –
Erklärende Hinweise
Bürgerbewegung pro Deutschland (pro Deutschland) rechtspopulistisch, islamfeindlich
Deutsche Kommunistische Partei (DKP) linksextremistisch
DIE LINKE (DIE LINKE) sozialistisch, teilweise linksextremistisch
DIE RECHTE rechtsextremistisch
DIE REPUBLIKANER (REP) rechtspopulistisch, ausländerfeindlich
Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) linksextremistisch
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) linksextremistisch
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) rechtsextremistisch
Quelle: Axel Springer AG

Bei den anderen 30 zur Wahl zugelassenen Parteien ist eine Anzeige in „Bild“ und den den anderen Zeitungen des Verlages nicht von vornherein ein Tabu. Dazu gehören u.a. auch:

  • Bündnis 21/RRP (Springer-Einschätzung: „nationalkonservativ“)
  • Bürgerrechtsbewegung Solidarität BüSo („Verschwörungstheorien“)
  • Christliche Mitte („national-konservativ“)
  • die PARTEI („Satire-Programm (Wiederaufbau der Mauer etc.)“)
  • Partei für Soziale Gleichheit, Sektion der Vierten Internationale („sozialistische Orientierung“)

Es gelte aber grundsätzlich: „Alle Werbeschaltungen zur Bundestagswahl sind der Rechtsabteilung und der Abteilung Marktanalyse vor Veröffentlichung zur inhaltlichen Prüfung vorzulegen.“

Eine Sonderrolle nimmt die Partei Alternative für Deutschland AfD ein, die Springer als „rechtspopulistisch“ bezeichnet. Ob sich die innerhalb des von Springer akzeptierten politischen Spektrums befindet, hatten die Verantwortlichen im Konzern zumindest vergangene Woche offenbar noch nicht abschließend entschieden.

Werbeschaltungen der AfD seien nicht ausgeschlossen, aber „sehr kritisch“ zu prüfen, heißt es in dem internen Papier. „Über die grundsätzliche Behandlung dieser Partei wird noch entschieden.“

Auch in den vergangenen Jahren hatte die Springer-Anzeigenabteilung die Linke, wie zuvor schon die PDS, boykottiert. Die Unternehmenssprecherin begründete das damals mit der Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz.

Informationsfreiheit, die sie meinen: Der Klaeden-Bruder und das Leistungsschutzrecht

Andererseits

… ist der enge Kontakt zu Wirtschaftsminister Philipp Rösler für den Springer-Verlag fast ein Umweg, wenn es um Verbindungen in die Regierung geht.

Praktischerweise ist der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Eckart von Klaeden, nämlich der Bruder des politischen Lobbyisten der Axel Springer AG, Dietrich von Klaeden. Selten war die Funktionbezeichnung „Leiter Regierungsbeziehungen“ so treffend wie bei Dietrich von Klaeden.

Dietrich von Klaeden war in den vergangenen Jahren wesentlich damit beschäftigt, ein Gesetz herbeizulobbyieren, das die deutschen Verlage unter Führung Springers von der Politik forderten: das Leistungsschutzrecht. Das Bundeskanzleramt soll zuletzt besonders beflissen gewesen sein, diese Forderung, die es auch in den Koalitionsvertrag geschafft hat, zu erfüllen. Und im Bundeskanzleramt saß Eckart von Klaeden.

Sascha Lobo formulierte deshalb im vergangenen Sommer als eine entscheidende Frage:

War Eckart von Klaeden bei der Erstellung des Leistungsschutzgesetzes beteiligt? Wenn ja, wie? Und vor allem — warum? Und welche Qualität hatte (und hat) der Informationsaustausch zwischen den beiden Brüdern?

Andre Meister von Netzpolitik.org nahm sie auf und stellte einen entsprechenden Antrag auf Aktenauskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Die Bundesregierung lehnte das ab — unter anderem mit der putzigen Begründung, dass womöglich „durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde“.

Man könnte das sehr frei übersetzen mit: Wenn wir zu früh potentielle zweifelhafte Umstände öffentlich machten, unter denen ein Gesetz zustande kommt, riskierten wir womöglich, dass es gar nicht zustande käme.

Zwischendurch stellte die Bundestagsfraktion der Linken in der Sache eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. In der Antwort hieß es, Eckart von Klaeden sei „in Angelegenheiten des geplanten Leistungsschutzrechts für Presseverlage mit keinen Aufgaben betraut“. Was bei genauer Betrachtung die eigentlich gestellte Frage, ob er damit „befasst“ war, ebenso offen lässt wie die Frage, ob er in den Kabinettssitzungen seinen Einfluss geltend gemacht hat.

Nun ist das Leistungsschutzrecht für Verlage beschlossen und vom Bundespräsidenten unterzeichnet. Es wird am 1. August in Kraft treten. Der Hinweis auf das noch laufende Gesetzgebungsverfahren kann also einer Veröffentlichung etwa der Kabinettsprotokolle nicht mehr entgegen stehen. Müsste die Regierung nicht wenigstens jetzt die Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz von damals beantworten?

Der grüne Bundestagsabgeordnete und Netzpolitiker Konstantin von Notz hat diese Frage der Bundesregierung gestellt. Konkret: Hält sie an ihrem abschlägigen Bescheid der Anfrage von damals fest?

Die Antwort ist so verblüffend wie zwingend: aber natürlich. Denn zum damaligen Zeitpunkt seien die Ablehnung und ihre Begründung ja zutreffend gewesen. Wenn jemand wissen wolle, ob die Bundesregierung nun die gewünschte Auskunft geben werde, da zumindest einer der damaligen Gründe weggefallen ist, müsse er dafür einen neuen Auskunftsantrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz stellen.

(Übersetzungsversuch von mir; Originalantwort hier.)

Immerhin: Solche weiteren Anträge sind inzwischen gestellt worden. Sie werden laut Bundeskanzleramt noch geprüft.

Springer und der Minister: Wo „Regierungsbeziehung“ ein schmutziges Wort ist (2)

Was hatte der Cheflobbyist der Axel Springer AG in einer Delegation von Philipp Rösler zu suchen, die eigentlich Start-Up-Unternehmen vorbehalten war?

Das habe ich vor einigen Tagen erst mich und dann das Bundeswirtschaftsministerium gefragt, das sich allerdings erstaunlich schwer tat, mir zu sagen, in welcher Funktion Dietrich von Klaeden mit ins Silicon Valley reisen durfte.

Allerdings hatten die Mitreisenden eine hilfreiche „Delegationsbroschüre“ bekommen (links), und in der war auch Dr. Dietrich von Klaeden von der Axel Springer AG aufgeführt — einsortiert mit Journalisten unter anderem von dpa, N24, NDR und Bild.de als „Vertreter der Presse und Medien“.


Nun arbeitet Dietrich von Klaeden allerdings schon lange nicht mehr als Journalist, sondern nennt sich „Leiter Regierungsbeziehungen“ bei Springer. Und die Frage ist: Wenn er als Journalist bei der Reise akkreditiert war, für welches Medium berichtete er?

Die Antwort, die mir das Bundeswirtschaftsministerium gab, ist überraschend. Sie lautet: für gar keins.

Herr Dr. von Klaeden war als Wirtschaftsvertreter Teilnehmer der Delegationsreise von Minister Dr. Rösler in den USA. Seine Nennung in der Journalisten-Liste ist einem Büroversehen unsererseits geschuldet.

Fast wörtlich dieselbe Antwort erhielt ich von Dietrich von Klaeden, nur dass seine Version noch klarstellt, dass es sich bei dem „Büro“ um das des Ministeriums handelt.

Aha, soso, ein Versehen also — das offenbar auch während der Reise nicht aufgeklärt wurde.

Vor allem aber sind wir nun wieder bei der Ausgangsfrage: Was macht ein Lobbyist der Axel Springer AG als Wirtschaftsvertreter im Programm und in der Maschine der Bundesregierung, die ausdrücklich nicht Leute wie ihn, sondern Inhaber und Geschäftsführer von Start-Ups ansprach? Und warum taucht das Unternehmen Axel Springer, für das Klaeden arbeitet, dann nicht in der Liste der 53 mitreisenden Unternehmen auf, die mir das Ministerium vergangene Woche geschickt hatte? Sollte es sich dabei womöglich auch um ein „Versehen“ handeln?

Oder ist für Angestellte regierungsnaher Medienunternehmen und Duz-Freunde des Ministers auf Wunsch immer ein Platz in der Regierungsmaschine frei?

Immerhin hat Klaeden auf meine Frage nach dem Foto geantwortet, das er von sich mit dem Minister getwittert hat: Hält er das für einen angemessenen Umgang zwischen einem Minister und einem Lobbyisten?

Unser Umgang mit Politikern ist geprägt durch professionellen Abstand. Das Foto erweckt einen falschen Eindruck. Es ist in einer Reihe von Fotos mehrerer Teilnehmer mit dem Minister beim Frühsport entstanden. Anders als Sie in Ihrem Blog vermuten, symbolisiert es nicht mein Verhältnis zu Minister Rösler.

Das Ministerium Röslers hat dieselbe Frage ignoriert.

Springer und der Minister: Wo „Regierungsbeziehung“ ein schmutziges Wort ist

Wenn man sich „Leiter Regierungsbeziehungen“ nennt, dann ist so ein getwittertes Foto schon ein schöner Arbeitsbeleg:

Absender und rechts im Bild ist Dietrich von Klaeden, der Mann, der bei der Axel Springer AG in der Abteilung Public Affairs dafür zuständig ist, die Kontakte zur Politik zu pflegen. Und das links, seine Trophäe, ist der Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Philipp Rösler (FDP).

Das Foto ist von derselben Dienstreise Röslers, auf der auch die Bilder entstanden, wie der Minister dem „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann um den Hals fiel. Diekmann war zu Studienzwecken ein Dreivierteljahr vor Ort, aber was machte Klaeden in Kalifornien?

Die Antwort ist einfach: Er gehörte zur offiziellen Delegation Röslers.

Das ist erstaunlich. Rösler hatte als Begleitung für die mehrtägige Reise nach San Francisco und Washington „ca. 40 Unternehmensvertreter sogenannter Startup-Unternehmen aus dem Bereich IT und Internet“ gesucht. Die Ausschreibung hatte im Detail formuliert, was unter einem „Startup“ zu verstehen sei — die Axel Springer AG fällt trotz allen Geredes von der angeblich gerade dort herrschenden Gründerzeitstimmung eher nicht darunter. Gefragt waren ausdrücklich Mitreisende von Vorstands-, Geschäftsführer- und Inhaberebene, also niemand aus der dritten Reihe wie Klaeden.

Wie kam der Springer-Mann dann in die Delegation und damit auch in den Genuss eines Sitzes in der Regierungsmaschine? Die Plätze waren eigentlich heiß begehrt. Die Seite deutsche-startups.de berichtete im Vorfeld, die Reise sei „quasi überbucht“ und zitierte Florian Nöll vom Bundesverband Deutsche Startups (BVDS): „Wir gehen aktuell davon aus, dass auf jeden Platz mehr als fünf Bewerber kommen. Das wird eine sehr schwere Entscheidung für das Ministerium.“ Der BVDS organisierte sogar eigens eine eigene Parallelreise, um den Bedarf teilweise zu decken.

Aber für Dietrich von Klaeden, den Regierungsbeauftragten der Axel Springer AG, der als Lobbyist unter anderem viele Male bei der Bundesregierung vorstellig geworden war, um für ein Leistungsschutzrecht für die Verlage zu werben, fand sich ein Platz in der offiziellen Delegation. Warum?

Das Bundeswirtschaftsministerium [BMWi] schreibt mir auf Anfrage:

Der Minister wurde auf seiner Reise von einer Delegation aus deutschen Unternehmen, Pressevertretern, Vertretern des BMWi sowie Abgeordneten, unter anderem auch von Herrn Dietrich von Klaeden, begleitet.

Das ist sicher nur unglücklich formuliert, denn Dietrich von Klaeden ist — anders als sein Bruder Eckart, der Staatsminister im Bundeskanzleramt — kein Abgeordneter. (Außer von Springer, natürlich.) Die Unschärfe ist an dieser Stelle besonders betrüblich, weil meine Frage an das Ministerium ausdrücklich gelautet hatte: „In welcher Funktion war Dietrich von Klaeden von der Axel Springer AG [in der Delegation] mit dabei?“

Immerhin hat mir das Ministerium eine Liste der Unternehmen geschickt, die „zusammen mit dem Minister als Teil der Delegation in die USA gereist sind“. Da stand die Axel Springer AG nicht drauf. Bleibt also noch die Möglichkeit, dass Klaeden als „Pressevertreter“ mitgereist ist, womit aber üblicherweise Berichterstatter gemeint sind und nicht Lobbyisten der Presse. Dass Klaeden sich selbst auf Twitter als „Lawyer and Journalist“ bezeichnet, kann im Ernst nicht mehr sein als eine romantisierte Anspielung auf seine Zeit bei der ARD Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre.

Vielleicht muss man die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums so verstehen: Rösler nahm in seiner Delegation Unternehmer mit, Pressevertreter, Ministeriumsleute, Abgeordnete — sowie Dietrich von Klaeden in seiner Funktion als Freund des Hauses und Lobbyist der Axel Springer AG, mit der sich der Minister auf Innigste verbunden fühlt.

Mehr von mir über Springers Digital-Inszenierungsstrategie und wie ihr — nicht nur — Jakob Augstein auf den Leim geht, steht in der FAS — und jetzt auch frei auf faz.net.

Lügen fürs Leistungsschutzrecht (4)

Anfang des Monats formulierte Christoph Keese, der Cheflobbyist der Axel-Springer-AG, in einem schriftlichen Interview einen bemerkenswerten Satz. „Die Spitzenverbände der Gesamtwirtschaft“, schrieb er, nähmen zum geplanten Leistungsschutzrecht für Presseverlage „eine neutrale bis aufgeschlossene Haltung an“.

Die Nachfrage eines Lesers in seinem Blog, ob er da konkrete Namen nennen könnte, ignorierte Keese. Er wird wissen, warum.

Im September 2010 veröffentlichten 25 Wirtschaftsverbände, darunter die Spitzenverbände des Handwerks (ZDH), des Handels (HDE) und der Industrie (BDI) eine vernichtende Stellungnahme zu Keeses Gesetzesplänen: „Ein ‚Leistungsschutzrecht‘ für Online-Presseverlage ist (…) in keiner Weise geeignet, den digitalen Herausforderungen Rechnung zu tragen.“ Es werde von ihnen „vollständig abgelehnt“.

Der BDI musste sich dafür von prominenten Verlagsvertretern als dumm beschimpfen lassen. Der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner sagte, es könne sich da „nur um Missverständnisse handeln, die wir schnellstmöglich klären“.

Von wegen. Im Sommer vergangenen Jahres wiederholte der BDI seine Kritik und forderte die Bundesjustizministerin auf, auf das Gesetz zu verzichten. Die Zeitungen des Verlages, für den Keese arbeitet, haben ihren Lesern das sicherheitshalber verschwiegen.

Auch aktuell äußert sich der BDI extrem distanziert zu dem Vorhaben und verweist auf ein Gutachten, das er beim Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie in Auftrag gegeben hat. Die Wissenschaftler Ralf Dewenter und Justus Haucap kommen darin zu einem vernichtenden Urteil. Das Leistungsschutzrecht sei „ökonomisch weder erforderlich, um die Produktion von hochqualitativen Inhalten anzureizen, noch ist es geeignet, den Qualitätsjournalismus zu befördern“:

Es behindert den Strukturwandel in der Presselandschaft und konterkariert die Einführung marktkonformer Bezahlmodelle, von denen dann positive Effekte für die Vielfalt und die Qualität der Angebote zu erwarten sind. Alles in allem ist das geplante Leistungsschutzrecht nicht nur überflüssig, sondern schädlich für Innovation, Meinungsvielfalt und Qualitätsjournalismus.

Man sollte annehmen, dass das eine berichtenswerte Wortmeldung ist: Haucap ist prominentes Mitglied der Monopolkommission, die die Bundesregierung in Fragen der Wettbewerbspolitik berät; bis Mitte 2012 war er sogar ihr Vorsitzender. Doch nicht nur bei Springer, auch in der sonstigen Verlegerpresse fand das Gutachten keinerlei Erwähnung.

Bis heute. Heute hat es Justus Haucap mit seiner ablehnenden Position zum Leistungsschutzrecht zum ersten Mal ins „Handelsblatt“ geschafft.

Nämlich so:

Justus Haucap Ein Professor auf Abwegen. Der Regierungsberater taucht in einer Google-Anzeige auf.

Er geißelte die Ökostrom-Förderung mit ihren staatlich festgesetzten Preisen. Er brandmarkte das Vorhaben Hamburgs, dreistellige Millionenbeträge in die Reederei Hapag-Lloyd zu pumpen, als Wettbewerbsverzerrung. Er plädierte bei der Bahn für die Trennung der Sparten Infrastruktur und Transport, um Wettbewerbsdefizite abzubauen. Justus Haucap, Mitglied der Monopolkommission, gerierte sich stets als Kämpfer für den Marktliberalismus — und vergaloppierte sich dabei selten.

Doch nun sorgt der 43-jährige Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie als Unterstützer für Google für Aufsehen. „Das geplante Leistungsschutzrecht ist nicht nur überflüssig, sondern schädlich für Innovation, Meinungsvielfalt und Qualitätsjournalismus“, lässt sich Haucap in einer ganzseitigen Anzeige von Google zitieren. (…)

Haucap sieht in dem Anzeigenauftritt kein Problem. Das Zitat stamme aus einem Gutachten von ihm, Geld sei keines geflossen. „Ich unterstützen [sic] nicht Google bei einer Kampagne.“

Dennoch herrschte gestern in Berlin Verwirrung. Kritiker Haucaps monierten, so verliere die Monopolkommission als beratendes Gremium der Bundesregierung ihre Überparteilichkeit.

Bei wem gestern „in Berlin“ Verwirrung herrschte, lässt das „Handelsblatt“ vielsagend offen. Aber um anonyme „Kritiker Haucaps“ zu finden, die sein Engagement kritisieren, musste die Autorin vermutlich nicht einmal die Redaktion verlassen oder zum Telefonhörer greifen.

Das passiert also, wenn ein von dem Blatt sonst geschätzter Fachmann zu einem Urteil kommt, das der Verlagslinie widerspricht: Man ignoriert ihn erst und diskreditiert ihn dann, er sei auf „Abwege“ geraten und habe sich „vergaloppiert“.

Welch bittere Ironie: Das „Handelsblatt“ wirft Haucap vor, Google erlaubt zu haben, sein Zitat aus dem BDI-Gutachten zu verwenden, dabei waren die Zeitungsanzeigen offenkundig die einzige Chance, dass diese von den Verlagen unerwünschte Position überhaupt in den Zeitungen erscheint.

Wolfgang Blau: Auch das schärfste Urheberrecht würde den Verlagen nicht helfen

„Das Leistungsschutzrecht war eine Machtprobe für den Springer-Verlag, und Springer hat gewonnen.“ So hat es Wolfgang Blau, der Chefredakteur von „Zeit Online“, in einer Keynote formuliert, die er am 31. August bei einer Urheberrechts-Fachtagung von Bündnis 90/Die Grünen hielt. Er erläuterte, warum das geplante Gesetz nicht nur nicht hilfreich, sondern schädlich ist. Er forderte von Politikern den Mut, offen auszusprechen, dass infolge der Digitalisierung „ganze Branchen und ganze Berufszweige verschwinden werden“. Und er plädierte dafür, sich mit den heute kaum noch nachvollziehbaren Argumenten zu beschäftigen, mit denen frühere umwälzende Technologien wie der Buchdruck und die Eisenbahn bekämpft wurden.

Ich möchte dazu beitragen, dass diese bemerkenswerte Rede möglichst große Verbreitung findet, und dokumentiere sie hier mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von Wolfgang Blau:

Urheberrecht, Internet, Eisenbahn und Buchdruck

Worüber ich mit Ihnen heute reden will, ist etwas, das mir nun schon seit mehreren Jahren auffällt: Wie hitzig und geradezu verbittert der Streit um das Urheberrecht ausgetragen wird und wie oft es dabei gar nicht ums Urheberrecht geht, sondern um viel Grundlegenderes, um ein grundsätzliches Unbehagen gegenüber dem Netz und sogar um die Frage nach persönlicher Identität. Fragen wie: „Wer bin ich als Schriftsteller, wenn jeder sich als Autor bezeichnen und jeder publizieren kann?“ oder „wer sind wir eigentlich noch als Verleger und als Journalisten, wenn zum Beispiel soziale Netzwerke fast beiläufig — wie etwa in den ersten Fukushima-Nächten oder während der Frühphase der arabischen Revolutionen im letzten Jahr — genuin journalistische Funktionen übernehmen?“

Auch in den meisten meiner Diskussionen mit Befürwortern des Leistungsschutzrechtes geht es erstaunlich selten um das Urheberrecht und die angebliche Schutzlücke darin. Stattdessen höre ich regelmäßig Aussagen wie: „Ja, kann durchaus sein, dass uns ein Leistungsschutzrecht finanziell überhaupt nichts bringen wird oder sogar einen Imageschaden bei netzaffineren Lesern verursacht, aber man muss doch jetzt mal ein Zeichen setzen!“

Ein Zeichen wofür? (mehr …)

Leistungsschutzrecht: Eine Frage der Ehre?

Zurückrudern ist noch nicht olympisch, aber Christoph Keese übt schon mal in der Disziplin Einer ohne Steuermann. Der Außenminister der Axel-Springer-AG behauptet in seinem privat betriebenen Dienst-Blog jetzt nicht mehr, dass das geplante Presse-Leistungsschutzrecht unproblematisch sei, sondern nur noch, dass es nicht unbedingt problematisch sein müsse, wenn die Rechteinhaber verantwortungsvoll damit umgingen.

Am vergangenen Freitag hatte er noch geschrieben: „In Wahrheit müssen Blogger das Leistungsschutzrecht nicht fürchten (…).“ Heute schreibt er unter der Überschrift: „Keine Abmahnwellen, faire Preise! Wie das Leistungsschutzrecht genutzt werden sollte“ — was implizit wohl bedeutet, dass solche Abmahnwellen theoretisch sehr wohl denkbar wären.

Keeses neuer Text ist ein Appell:

Das Leistungsscutzrecht (sic) für Presseverlage sollte von Verlagen und Bloggern verantwortungsvoll genutzt werden. Dazu gehört, dass die Rechte schnell und unkompliziert geklärt werden können, dass harmlose Nutzer weder kriminalisiert noch mit Abmahnwellen überzogen werden und dass es attraktive Preise gibt. (…)

Harmlose Blogger, die hin und wieder Texte von Verlagen übernehmen, dabei manchmal die Grenzen des Zitierens überschreiten und nebenbei ein bisschen Werbung auf ihren Seiten verkaufen – diese Kreativen sollten völlig angstfrei mit den Leistungen der Verlage umgehen können. (…)

Wer keine Lust hat, eine Flatrate abzuschließen, aber trotzdem weiter kopiert, wird nicht mit Abmahnwellen überzogen, sondern bekommt ab und zu neue Vertragsangebote. Er ist ein potentieller Kunde und sollte nett behandelt werden. Überhaupt sollte das Leistungsschutzrecht nicht mit Abmahnwellen durchgesetzt werden. (…)

Tweets und Links, auch Linksammlungen, beleben das Netz. Man sollte nicht den Leuten nachsteigen, die dieses Leben ins Netz bringen.

Man sollte nicht, sagt Keese, aber er bestreitet nicht, dass man es mithilfe des neuen Leistungsschutzrechtes könnte.

Der Text ist nicht nur ein unterschwelliges Eingeständnis, wie weitreichend und potentiell zerstörerisch die Folgen einer Monopolisierung der Sprache ist, wie sie der Entwurf vorsieht, der auch kleinste Teile eines Presseerzeugnisses schützt. Er erfordert von den Lesern und Betroffenen auch, den Verlagen Maß, guten Willen und Verlässlichkeit zuzutrauen.

Dazu besteht kein Anlass.

Nicht nur wegen Fällen wie dem des Regisseurs Rudolf Thome, dem der „Tagesspiegel“ nachstieg, weil er ohne Genehmigung zwei alte Kritiken über Filme von ihm auf seine Website gestellt hatte. Fast tausend Euro kostete ihn die Abmahnung der Zeitung, für die er früher selbst geschrieben hat.

Sondern zum Beispiel auch wegen der Sache mit den Gemeinsamen Vergütungsregeln. Laut Urheberrecht hat ein Urheber einen Anspruch auf „angemessene Vergütung“. Um die zu bestimmen, gibt es im Gesetz seit 2002 das Mittel der „gemeinsamen Vergütungsregeln“, auf die sich etwa Journalisten- und Verlegerverbände einigen müssen.

Acht Jahre haben danach die Verhandlungen gedauert, bis beide Seiten sich endlich auf einen zweifelhaften Kompromiss mit Mindesthonoraren für Freie Zeitungs-Journalisten geeinigt haben. 2010 traten sie in Kraft. Doch laut dem Verband Freischreiber (bei dem ich Mitglied bin) hält sich die Mehrzahl der Verleger einfach nicht daran.

Freie Journalisten, die auf die Einhaltung der Regeln pochen, bekommen nicht selten keine neuen Aufträge mehr. Der Gang vor Gericht ist für den Einzelnen nur machbar, wenn er dem Auftraggeber ohnehin den Rücken kehren will — eine Verbandsklage zur Durchsetzung der Regeln ist nicht vorgesehen.

Ein Verlegerverband wies seine Mitglieder 2010 darauf hin, dass die Gemeinsamen Vergütungsregeln „nicht zwingend von den Verlagen angewendet werden [müssen]. Die Vergütungsregeln nicht anzuwenden, kann nicht sanktioniert werden.“ Und weiter:

Die Gemeinsamen Vergütungsregeln besitzen nicht die „Qualität“ eines Tarifvertrages. Zeitungsverlage können ihre hauptberuflich freien Journalisten nach der Honorartabelle bezahlen und gelangen dann in den „Genuss“, dass diese Vergütung für journalistische Tätigkeit als angemessen im Sinne des Urheberrechtsgesetzes gilt.

So kann man das also formulieren: Viele Zeitungsverlage verzichten auf die Möglichkeit, in den Genuss zu kommen, ihre freien Journalisten angemessen zu bezahlen.

Auch die Nutzungsverträge und Geschäftsbedingungen, die die Verlage den Urhebern diktieren, verstoßen vielfach gegen geltendes Recht.

Der „Journalist“, das Verbandsorgan des DJV, berichtete im vergangenen November:

Rund ein Dutzend Verfahren führen der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Deutsche Journalisten-Union (dju) in ver.di unter Führung des DJV derzeit. Die Verlage kassieren dabei eine Niederlage nach der anderen, geben aber oftmals nicht auf, sondern ziehen vor die nächsthöhere Instanz. Würde Realität, was Verleger durchsetzen wollen, wäre das das Ende des Urheberrechts, wie wir es hierzulande kennen.

Die Schuldigen sind die vermeintlich renommiertesten Verlage der Republik. Sie kassieren für ihr Vorgehen Urteile, in denen Sätze stehen wie: „Dass von zwingendem Recht nicht abgewichen werden darf, bedarf eigentlich keiner Erwähnung.“ Es wirkt wie ein fast flächendeckender, systematischer Versuch des Rechtsbruchs.

Ironischerweise sagen Verlage wie Springer, sie müssten die Urheber (rechtswidrig) enteignen, weil es ja kein Leistungsschutzrecht gibt. Auch Christoph Keese nennt als Argument für das Leistungsschutzrecht für Verlage, dass man dann den Urhebern nicht mehr so viele Rechte wegnehmen müsste — eine Argumentation, die auf die Logik hinausläuft: Gebt uns ein neues Recht, damit wir das Recht nicht mehr brechen müssen.

Im Entwurf für das neue Leistungsschutzrecht steht übrigens der Satz: „Der Urheber ist an einer Vergütung angemessen zu beteiligen.“ Was das Wort „angemessen“ für Verleger bedeutet, wissen viele freie Journalisten.

Und damit zurück zu Christoph Keese und seinem doppelten Appell: An seine Kollegen in den Verlagen, maßvoll zu sein, und an die Betroffenen, von einem maßvollen Vorgehen der Verlage auszugehen.

Wenn das Leistungsschutzrecht nur ungefährlich ist, solange die deutschen Verlage sich gutwillig, vernünftig, zurückhaltend und maßvoll verhalten, muss man dieses Gesetz fürchten.

„Akte“ deckt auf: Alle iPads kaputt

Ich mag den Gedanken, dass Mathias Döpfner Schuld daran sein könnte, dass die Menschen massenhaft ihre iPads zurückgeben. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Masse der Menschen sich nur ein iPad kauft, um darauf Bild.de zu lesen, was nicht das einzige Unwahrscheinliche an der folgenden Geschichte ist.

Die Sat.1-Servicejournalisten von „Akte 20.11“ haben am Dienstag einfach mal getestet, ob Verkäufer sich wehren, wenn Kunden auf ihren Rechten bestehen und zum Beispiel das Pfand auf verbeulten Bierdosen zurückfordern, einen drei Jahre alten Parfümerie-Gutschein einlösen wollen oder ihr iPad zurückgeben, weil darauf das kostenlose Online-Angebot der „Bild“-Zeitung nicht läuft.

Das letzte betrifft eine Linda, die sich, wie der Sprecher sagt, vor zwei Monaten ein iPad gekauft hat und jetzt gerne ihre Lieblingsseite Bild.de damit aufrufen würde:

„Doch die Seite ist auf diesem Gerät gesperrt. Stattdessen soll sie ein Zusatzprogramm für 12,99 Euro im Monat kaufen. Auf den Geräten der Konkurrenz ist die gewünschte Seite jedoch problemlos und kostenfrei zu erreichen. Linda ärgert sich über das neue Gerät und will es nun nicht mehr.“

Nun würden mir an dieser Stelle viele Dinge einfallen, die ich dieser Linda sagen würde, aber die „Akte“-Leute haben leider nur einen Anwalt gefragt, der ihr und uns erklärt, dass das ihr gutes Recht sei:

„Juristisch geht es nicht in Ordnung, dass ein Gerät das nicht kann, wofür es verkauft worden ist, zum Beispiel im Internet surfen. Alle anderen Geräte am Markt erlauben es, nur dieses Gerät nicht. Und man ist vorher als Kunde nicht darauf hingewiesen worden. Hier wird etwas kostenpflichtig verkauft, was man vorher nicht wusste.“

Entsprechend ermutigt nimmt der freundliche „Akte“-Reporter Sache und iPad in die Hand und reklamiert das Gerät im Laden mit den schönen Worten:

„Ich hab einen Tablet-PC gekauft und der geht nicht richtig.“

Die Erwiderung der Verkäuferin — „Ist aber nicht ein Fehler von uns.“ — lässt den „Akte“-Mann mit der versteckten Kamera unbeeindruckt: „Aber die Seite geht nicht!“

Es folgt meine Lieblingsstelle im ganzen Beitrag:

Verkäufer: Wenn Sie die App kaufen, geht die Seite wieder.
Kunde: Ich kauf doch nicht ’ne App! Das steht ja auch nicht auf dem Karton.

(Nur falls Sie sich fragen, ob irgendjemand an irgendeiner Stelle in dieser Fernsehsendung erwähnt, dass es nicht der Gerätehersteller Apple, sondern der Lieblingsseitenanbieter Bild.de selbst ist, der auf diesem exklusiven Gerät den sonst überall vorgehaltenen kostenfreien Zugang zum Angebot gesperrt hat: Nein.)

Die Verkäuferin bietet dann tatsächlich an, das unbrauchbare iPad zurückzunehmen, allerdings vermutlich eher aus Kulanz und um nicht unnötig zu testen, wozu Leute noch alles fähig sind, die sich ein iPad kaufen, um darauf kostenlos Bild.de zu lesen.

„Akte“ aber behauptet, dass es sogar einen Rechtsanspruch auf die Rückgabe gab, denn:

(Ein bisschen verwirrend ist, dass sich im nächsten Beispiel im „Akte“-Beitrag herausstellt, dass man einen Mobilfunkvertrag nicht stornieren kann, wenn man in der eigenen Wohnung keinen Empfang hat, denn da hätte man sich schon vorher informieren müssen. Aber das ist vermutlich etwas anderes, bei Mobiltelefonen gibt es ja auch nicht diese Gratiskultur.)

Der „Akte“-Beitrag kommt aus einem Bereich des Blöden, in dem die Beklopptheit so groß ist, dass sie an Genialität grenzt, und der genaue Grenzverlauf unklar ist.

Was für ein toller Gedanke, dass Springer das schöne iPad durch die Sperrung von Bild.de und damit verbundene Zwangsumleitung zur kostenpflichtigen App quasi mutwillig zerstört hat. Nach dieser Logik könnte ich Computer bestimmter Art kaputt machen, indem ich den Zugang von solchen Rechnern auf mein Blog blockiere — technisch ein Klacks. Andererseits müsste Springer nur den freien Bild.de-Zugriff auch auf anderen Tablet-Computern sperren (vermutlich eh nur eine Frage der Zeit), und die ganze Alle-anderen-Geräte-können-das-Argumentation fiele in sich zusammen.

Aber vielleicht könnte man auch den schönen Gedanken „Das steht ja nicht auf dem Karton!“ aufnehmen und iPads in Zukunft ausschließlich mit bunten Bapperln verkaufen: „Garantiert ohne Bild.de im Browser!“. Muss ja nicht verkaufsschädigend sein.

[entdeckt und eingesandt von Andre S.]