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Gerechtigkeit für Revolverheld!

Ja gut. Dieser Blog-Eintrag wär jetzt echt nicht nötig. Aber irgendwie hat’s mir dann doch keine Ruhe gelassen, nachdem dieses schockierende Video in den letzten Tagen in den sozialen Medien die Runde machte:

Hochgeladen wurde es mit der Beschriftung „Revolverheld Worst Performance EVER“, und verbreitet unter anderem vom populären Bürozeitvertreibsblog Schlecky Silberstein:

Live und scheiße – Der mieseste Revolverheld-Auftritt aller Zeiten

Tja Revolverheld, der Plan ging nicht auf: Vor den 30 Zuschauern der NDR-Show DAS! muss man einen Auftritt also nicht sauber proben. Das sieht eh keiner. Also ging die Band direkt vom Drogen-Strich Neuharlingersiel ins Studio. Motto: Wir fiedeln das hier runter, nehmen die 300 Euro und Abflug. Da wurde leider die Rechnung ohne das Internet gemacht. Viel Spaß mit der beschissensten Version von “Ich lass für Dich das Licht an”, die Ihr heute hören werdet. Die Vollpfosten.

In den Kommentaren herrscht ein gewisses Rätselraten, ob Blogger Christian Brandes das Fake wirklich nicht als solches erkannte. Auch die Seite Testspiel.de präsentierte ihren Lesern das Video und staunte:

Revolverheld mit der vielleicht miesesten Performance von “Ich lass für Dich das Licht an” ihrer Karriere in der NDR Sendung „DAS!“. Unplugged. Wir sind sprachlos und schaffen es noch nicht einmal mehr, unsere Stimme gegen Revolderheld zu erheben.

Ja. Nun. Also, jedenfalls: Das hier war der mieseste Revolverheld-Auftritt aller Zeiten So klang es wirklich, als Revolverheld live bei „DAS!“ auftraten:

Gern geschehen. Und wär nicht nötig gewesen, weiß ich schon.

Ranking-Shows: Die traurigsten Klickzahlen des Nordens

Dann schauen wir uns doch mal an, wie die Zuschauerinnen und Zuschauer des NDR tatsächlich abgestimmt haben, bei diesen Ranking-Sendungen, die (mehr oder weniger) darauf beruhen, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer des NDR angeblich abgestimmt haben.

Zum Beispiel über die „spektakulärsten Rücktritte“. Howard Carpendale eroberte dabei im Online-Voting den ersten Platz. Mit sagenhaften 64 Klicks.

Die spektakulärsten Rücktritte
Platz Kandidat Klicks
1 Howard Carpendale 64
2 Margot Käßmann 48
3 Karl-Theodor zu Guttenberg 47
4 Horst Köhler 46
5 Uwe Barschel 43
6 Willy Brandt 28
7 Oskar Lafontaine 19
8 Michel Friedman 17
9 Rudi Völler 15
10 Franz-Josef Strauß 13
11 Erich Honecker 12
12 Christian von Boetticher 11
13 Guido Westerwelle 11
14 Andrea Ypsilanti 10
15 Corny Littmann 9
16 Ole von Beust 9
17 Jan Ullrich 8
18 Modern Talking 8
19 Franz Müntefering 7
20 Walter Mixa 7
21 Silvana Koch-Mehrin 5
22 Dagmar Berghoff 5
23 Hans Karl Filbinger 5
24 Gregor Gysi 4
25 Michael Schumacher 3
26 Rosi Mittermaier 2

Dagegen war es geradezu eine Massenbewegung, die die Hüttener Berge auf den ersten Platz ihrer Abstimmung katapultierte:

Die schönsten Wälder des Nordens
Platz Kandidat Klicks
1 Hüttener Berge 152
2 Harz 79
3 Darßwald 69
4 Griever Holz 62
5 Langenberger Forst 51
6 Jasmunder Buchenwald 50
7 Darguner Wald 46
8 Mellenthiner Heide 25
9 Ruheforst Brodau 24
10 Sachsenwald 21
11 Teutoburger Wald 21
12 Schwarze -/Harburger Berge 20
13 Reinhardswald 20
14 Katinger Watt 19
15 Klövensteen 16
16 Wohldorfer Wald 16
17 Hasbruch 15
18 Solling-Vogler 13
19 Eilenriede Hannover 12
20 Tide-Auwald Heuckenlock 7

Oder das Wattenmeer:

Die schönsten Naturparadiese des Nordens
Platz Kandidat Klicks
1 Wattenmeer 110
2 Usedom 40
3 Feldberger Seenlandschaft 39
4 Harz 34
5 Rügen 34
6 Hiddensee 32
7 Naturpark Weserbergland 30
8 Geltinger Birk 28
9 Lüneburger Heide 26
10 Helgoland 22
11 Elbtalauen 22
12 Peenetal 20
13 Naturpark Stettiner Haff 19
14 Schaalsee 19
15 Northeimer Seenplatte 18
16 Friesische Moore 16
17 Ivenacker Eichen 15
18 Neuwerk 11
19 Naturpark Solling-Vogler 9
20 Drömling 6
21 Heuckenlock 5
22 Naturpark Münden 4
23 Neßsand 3
24 Stapelholm 3
25 Fischbeker Heide 2

Es brauchte nur eine mittelengagierte Zahl von Fans, um vom NDR zum „beliebtesten Komiker des Nordens“ gekürt zu werden:

Die beliebtesten Komiker des Nordens
Platz Kandidat Klicks
1 Kay Ray 1071
2 Panzer 599
3 Grammel 254
4 Ceylan 219
5 Emmi & Herr Willnowsky 211
6 Loriot 189
7 Schmitz 176
8 Erhardt 140
9 Waalkes 109
10 Boes 108
11 Krömer 98
12 Tufts 95
13 Dittrich 81
14 von der Lippe 77
15 Knop 73
16 von Hirschhausen 63
17 Hallervorden 52
18 Schubert 48
19 Oschmann 48
20 Jaschke 45
21 Schneider 43
22 Stelter 33
23 Feddersen 26
24 Wischmeyer 26
25 Schmidt 23
26 Krüger 23
27 Herr Holm 22
28 Dennis & Jesko 11
29 Asmussen 10
30 Dall 9
31 Thielke 3

Die Freunde von Dschingis Khan waren fast ein wenig überengagiert:

Die beliebtesten Kult-Schlager
Platz Kandidat Klicks
1 Dschingis Khan 4929
2 Verdammt, ich lieb‘ dich 699
3 Nur die Liebe lässt uns leben 261
4 Einmal um die Welt 238
5 Er gehört zu mir 192
6 Schuld war nur der Bossanova 191
7 Marmor, Stein und Eisen bricht 166
8 Ein Bett im Kornfeld 154
9 Ein Stern 148
10 Du hast mich tausendmal belogen 147
11 Über den Wolken 137
12 Zigeunerjunge 133
13 Und es war Sommer 131
14 Mendocino 124
15 Ein Lied kann eine Brücke sein 120
16 Hello again 116
17 Ein bisschen Frieden 115
18 Santa Maria 115
19 Himbeereis zum Frühstück 111
20 Es fährt ein Zug nach nirgendwo 106
21 Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben 100
22 Im Wagen vor mir 99
23 Ti amo 94
24 Komm doch mal rüber 87
25 Weiße Rosen aus Athen 86
26 Wer Liebe lebt 84
27 Wahnsinn 83
28 Barfuß im Regen 79
29 Er hat ein knallrotes Gummiboot 78
30 Ein Festival der Liebe 77
31 Ich liebe das Leben 76
32 Wann wird’s mal wieder richtig Sommer? 74
33 Carnaby Street 71
34 Der Junge mit der Mundharmonika 70
35 Biene Maja 69
36 Schön ist es auf der Welt zu sein 68
37 Oh, wann kommst du? 65
38 Blue Bayou 62
39 Ganz in Weiß 61
40 Marleen 60
41 Fiesta Mexicana 58
42 So schön kann doch kein Mann sein 57
43 Auf der Straße nach Süden 56
44 Ich wär‘ so gern wie du 55
45 Tanze Samba mit mir 54
46 Schöne Maid 53
47 Du kannst nicht immer 17 sein 51
48 Siebzehn Jahr blondes Haar 50
49 Anita 44
50 Wunder gibt es immer wieder 43
51 Jenseits von Eden 42
52 Guildo hat euch lieb 41
53 Tränen lügen nicht 40
54 Amigo Charly Brown 39
55 Sieben Fässer Wein 39
56 Theater 37
57 Theo wir fahr’n nach Lodz 36
58 Und dabei liebe ich euch beide 33
59 Michaela 28
60 Goodbye Mama 25
61 Blau blüht der Enzian 23
62 Ein bisschen Spaß muss sein 22
63 Paloma Blanca 21
64 Lass die Sonne in dein Herz 20
65 Immer wieder sonntags 19
66 Viva la noche 18
67 Ich bin verliebt in die Liebe 15
68 Der Puppenspieler von Mexiko 14
69 Sommernacht in Rom 9

Und die der MZ ETZ 250 erst!

Die beliebtesten Motorräder Norddeutschlands
Platz Kandidat Klicks
1 MZ ETZ 250 32384
2 MZ ES 250/2 Trophy 1687
3 AWO 425 1077
4 Münch Mammut 1030
5 Puch 250 SGS 771
6 Puch 175 SVS 617
7 Kawasaki Mach 3 602
8 Yamaha XT 500 594
9 Horex Regina 350 571
10 BSA A 65 536
11 Cagiva Elefant 900 466
12 Moto Guzzi V7 GT 850 California 429
13 Moto Guzzi V 850 Le Mans 353
14 Benelli 750 Sei 337
15 Honda Gold Wing GL 1500 326
16 Honda Bol’dor 324
17 Yamaha XS 650 319
18 Laverda 750 SFC 294
19 Ducati 916 293
20 Ducati 750 SS 270
21 EMW R 35 / 2 256
22 BSA 750 Rocket 3 247
23 Zündapp KS 601 239
24 Bosshoss 237
25 Royal Enfield Bullet 500 225
26 BMW R 50 214
27 DKW RT 350S 212
28 Triumph Bonneville T 120 191
29 Honda CB 750 Four 183
30 Harley Davidson Fat Boy 178
31 Red Porsche Killer 176
32 Ducati Monster 173
33 Yamaha XJR 1300 170
34 Benelli 500 Quattro 168
35 Jawa 350 167
36 BMW R 69 S 162
37 MV Agusta 750 S 160
38 BMW 80 GS 157
39 Vincent 1000 Black Shadow 154
40 Harley Davidson Panhead 151
41 Norton Commando 750 150
42 Indian Chief 145
43 Motobi 250 Sport Special 133
44 Aprilia Tuono 1000 R 124
45 Gilera Saturno 122
46 Hercules K 125 119
47 Ural M 72 118
48 Kawasaki Z1 116
49 Suzuki Hayabusa 101
50 Moto Morini 3 1/2 94
51 Düse 1 91
52 Buell Lightning S1 86
53 Kawasaki Ninja ZX – 9 R 73
54 Hercules 322 71
55 Suzuki GT 750 66
56 Maico M 250 B 59
57 KTM 400 EXC – Racing 58
58 KTM 950 Adventure 57
59 Suzuki Intruder 1400 55
60 Da Changjiang 24

Und so weiter:

Die beliebtesten Tiere Norddeutschlands
Platz Kandidat Klicks
1 Seehund 153
2 Eisvogel 143
3 Eichhörnchen 137
4 Fischotter 128
5 Seeadler 100
6 Austernfischer 98
7 Igel 95
8 Fischadler 93
9 Storch 91
10 Möwen 88
11 Luchs 85
12 Kegelrobbe 83
13 Wildkatze 81
14 Wildschwein 79
15 Kranich 77
16 Schweinswal 75
17 Basstölpel 73
18 Biber 71
19 Uhu 70
20 Schleiereule 68
21 Hase 65
22 Graureiher 63
23 Wattwurm 60
24 Baummarder 57
25 Maus 55
26 Elefantenbaby Rani 53
27 Hirsch 50
28 Schwarzspecht 48
29 Fuchs 45
30 Waschbär 43
31 Steinkauz 40
32 Küstenseeschwalbe 38
33 Turmfalke 35
34 Kaninchen 32
35 Nordseegarnele 29
36 Kormoran 26
37 Rohrweihe 24
38 Trottellumme 24
39 Schwan 21
40 Siebenschläfer 19
41 Dachs 15
42 Wiesenweihe 9
43 Löffler 8
44 Ameise 8
45 Qualle 8
46 Lachs 8
47 Star 4
48 Wasserfrosch 2
49 Wasserspitzmaus 2
50 Waldkauz 2
51 Hirschkäfer 2
52 Schellente 1
53 Hermelin 1
54 Haubentaucher 1

Die besten Witze des Nordens
Platz Kandidat Klicks
1 Bauern-Witze 114
2 Ostfriesen-Witze 106
3 Klein Erna-Witze 64
4 Blondinen-Witze 56
5 Politiker-Witze 44
6 Bundeswehr-Witze 42
7 Witze aus der Damenabteilung 39
8 Seemanns-Witze 37
9 Paar-Witze 33
10 Pfarrer-Witze 32
11 Tier-Witze 26
12 Auto und Verkehr 21

Die besten Sportler des Nordens
Platz Kandidat Klicks
1 Seeler 214
2 Schmeling 96
3 Nerius 88
4 Hrubesch 80
5 Stich 70
6 Magath 66
7 Kumbernuss 60
8 Hens 58
9 Schockemöhle 46
10 Dietzsch 45
11 Kolbe 40
12 Frömming 39
13 Dittmer 37
14 Bruhn 36
15 Romeike 35
16 Völker 34
17 Holdorf 32
18 Brehme 31
19 Stanislawski 30
20 Kaltz 29
21 Doll 28
22 Thiedemann 26
23 Haas 25
24 Koch 24
25 Dahlinger 20
26 Kuhweide 17
27 Von Cramm 15
28 Schenk 13
29 Kiefer 12
30 Effenberg 11
31 Schult 10
32 Schultz 8
33 Blunck 7
34 Michalczewski 6
35 Gäbler 5
36 Danneberg 4
37 Blin 3
38 Schümann 0

Die schönsten Operetten
Platz Kandidat Klicks
1 Der Vogelhändler 74
2 Die Fledermaus 60
3 Der Zigeunerbaron 47
4 Das Land des Lächelns 43
5 Die lustige Witwe 40
6 Im weißen Rößl 38
7 Orpheus in der Unterwelt 33
8 Der Zarewitsch 32
9 Die Csárdásfürstin 30
10 Wiener Blut 29
11 Der Bettelstudent 27
12 Der Vetter aus Dingsda 26
13 Gräfin Mariza 25
14 Eine Nacht in Venedig 24
15 Die Blume von Hawaii 23
16 Paganini 22
17 Der Opernball 21
18 Schwarzwaldmädel 20
19 Der Graf von Luxemburg 19
20 Frau Luna 17
21 Maske in Blau 16
22 Wie einst im Mai 9
23 Boccaccio 8
24 Der fidele Bauer 5
25 Ein Walzertraum 5
26 Gasparone 5
27 Meine Schwester und ich 5
28 Der verlorene Walzer (Zwei Herzen im Dreivierteltakt) 4
29 Die Zirkusprinzessin 4
30 Gräfin Dubarry 4
31 Ball im Savoy 3
32 Giuditta 3
33 Der Favorit 2
34 Die Dollarprinzessin 2
35 Friederike 2
36 Madame Pompadour 2
37 Saison in Salzburg (Salzburger Nokerln) 2
38 Bezauberndes Fräulein 1
39 Der liebe Augustin 1
40 Die Keusche Susanne 1
41 Marietta 0
42 Viktoria und ihr Husar 0

Die Rache des Rhododendron: NDR vertut sich mit Ranking-Show-Manipulations-Erklärung


Screenshots: NDR

Wir müssen noch einmal über die Rhododendron-Gärten im Ammerland sprechen. Die sind ja vom NDR um den ihnen eigentlich zustehenden Ruhm als zehntschönster Park des Nordens gebracht worden. Fernseh-Programmdirektor Frank Beckmann hatte am Freitag als Ergebnis angeblich akribischer Recherchearbeiten im Haus eine Stellungnahme veröffentlicht, in der es heißt:

Bei der Sendung „Die schönsten Gärten und Parks des Nordens“ wurde der Elftplatzierte „Planten un Blomen“ aufgrund besseren Bildmaterials bei sieben Stimmen Abstand zum Nächstplatzierten (Rhododendronpark Ammerland) auf Platz zehn vorgezogen. Der Rhododendronpark Ammerland war damit nicht mehr Teil der Sendung.

Das stimmt nicht.

Der Rhododendronpark Ammerland war auch auf Platz 11 Teil der Sendung.

Die Sendung „Die schönsten Gärten und Parks des Nordens“ (ausgestrahlt am 20. Dezember 2013, 1. Januar 2014, 21. April 2014 und 29. Mai 2014) ist nämlich 90 Minuten lang und besteht aus den Top-20, nicht nur den zehn Bestplatzierten.

Das lässt aber nun den Eingriff in die von den Zuschauern im Internet bestimmte Reihenfolge völlig rätselhaft erscheinen. Warum die Rhododendren der Familie Hobbie wegen des angeblich nicht so attraktiven Bildmaterials um einen Platz nach hinten verschieben, wenn es dann trotzdem in der Sendung ist?

Der NDR räumt auf Nachfrage ein, dass die Darstellung in der Stellungnahme der Programmdirektion falsch ist, hat aber eine Art Erklärung. In der Regel gebe es von den Hitlisten-Formaten jeweils zwei Versionen: eine in Spielfilmlänge und eine von 45 Minuten Länge. Die würden in einem Aufwasch produziert oder jedenfalls so geplant, dass im Grunde nur ein einziger Schnitt vor Platz zehn nötig ist, um aus dem 90-Minüter einen 45-Minüter zu machen. Auch von der Garten-und-Parks-Hitparade war eine solche kürzere Version geplant. Die hätte dann mit den Rhododendron-Gärten begonnen; die Redaktion fand dafür aber die Bilder von Planten un Blomen attraktiver.

Tatsächlich gibt es in der Sendung von dem Hamburger Park faszinierende historische Bilder der Gartenbau-Ausstellung 1963, die vielleicht einen reizvolleren Einstieg in die Sendung dargestellt hätten als die schnöden Rhododendren.

Es scheint also, als hätte die Redaktion am Ergebnis der Abstimmung herumgedoktert, um eine spätere Neukonfektionierung der Sendung ein bisschen attraktiver wirken zu lassen. Diese Kurzfassung wird aber nach den Worten eines NDR-Sprechers nun gar nicht mehr das Licht der Öffentlichkeit erblicken.

Und der Versuch des Senders, sich als Kämpfer für Transparenz und vorbildlicher Aufklärer in eigener Sache zu präsentieren, wirkt angesichts der falschen Darstellung in der Stellungnahme der Fernseh-Programmdirektion ein bisschen weniger überzeugend.

Die Letzten werden die Ersten sein. Oder irgendwas dazwischen.

Das klingt eigentlich nach einer tollen pädagogischen Maßnahme: die Verantwortlichen eines Fernsehsenders zu zwingen, sich noch einmal gründlich mit dem, was sie in den vergangenen Jahren produziert haben, auseinanderzusetzen.

Es hilft nur nichts. Sie merken nichts.

Sie lachen mit, wenn man sich über einen Sendungstitel wie „Die spannendsten Seen Norddeutschlands“ lustig macht. Doch im Zweifel haben sie die Quote der Sendung im Kopf (beinahe eine Million Zuschauer bei der Viertausstrahlung in der Primetime am Sonntagabend im vergangenen Januar), und die ist, was zählt.

Der NDR hat sich zwar, angeblich systematisch und akribisch, mit all den Listen-Formaten auseinandergesetzt, die er in den vergangenen dreieinhalb Jahren hergestellt hat. Er hat dabei entdeckt, dass die verschiedenen Redaktionen im Zweifel nicht zögerten, die Ergebnisse der Zuschauer-Abstimmungen ihren Erfordernissen anzupassen. Aber die Liebe zu dem Format an sich hat darunter nicht gelitten.

Programmdirektor Frank Beckmann will in Zukunft restriktiver mit Online-Votings umgehen. Aber er will die Diskussion um die Sendungen nicht zum Anlass nehmen, die Runterzählformate an sich in Frage zu stellen. Die Leute gucken das ja immer noch.

Damit wir wissen, wovon wir reden, wenn wir von „Ranking-Shows“ im NDR-Fernsehen reden — das hier sind, abgesehen von denen, die ich vergessen oder übersehen habe, die Listensendungen mit den Jahren, in denen sie ausgestrahlt wurden:

  • Die Kultautos der Deutschen (2005, 2005, 2005, 2005, 2005, 2006, 2006, 2007, 2008, 2009, 2009, 2010, 2011, 2011)
  • Die besten deutschen Filme (2005, 2008, 2009)
  • Die größten Sommerhits des Nordens (2005, 2006, 2008)
  • Unvergessene Tore (2005, 2005, 2005, 2007, 2009, 2011)
  • Die besten Comedy-Songs des Nordens (2005, 2006)
  • Die besten Comedy-Songs im Norden (2006, 2008, 2008, 2009, 2010, 2010, 2010, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013)
  • Die schönsten Backrezepte des Nordens (2005, 2005)
  • Die schönsten Weihnachts-Momente im TV (2005, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010)
  • Die größten Skandale der Republik (2006, 2006, 2006, 2006)
  • Die schönsten Fußball-Songs (2006, 2006, 2008, 2008, 2009, 2010, 2014)
  • Die schönsten Operetten (2006, 2006, 2006, 2007, 2009, 2009)
  • Die beliebtesten Bücher des Nordens (2006, 2006)
  • Die beliebtesten Trecker Norddeutschlands (2008, 2009, 2010, 2011, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Die 100 schönsten Bauwerke Norddeutschlands (2006, 2006, 2006, 2008, 2009)
  • Die schönsten Shantys und Seemannslieder (2008, 2009, 2009, 2010, 2012, 2013)
  • Die schönsten Urlaubsziele Norddeutschlands (2008, 2008, 2008, 2009, 2010, 2011)
  • Die größten Kabarettisten (2007, 2008, 2010)
  • Die bewegendsten Sportmomente (2005, 2005, 2006, 2006)
  • Kuriose Sportmomente (2007, 2007, 2007, 2007, 2007, 2007, 2008, 2008, 2009, 2009, 2009, 2010)
  • Die schönsten Love-Songs (2007)
  • Die größten Modesünden (2007, 2007, 2008, 2008, 2009, 2009, 2009, 2010, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2013)
  • Die schönsten Musicals (2007, 2007, 2010)
  • Die schönsten Brücken Norddeutschlands (2007, 2008, 2010)
  • Die beliebtesten Tänze (2007, 2010, 2012)
  • Die schönsten Leuchttürme Norddeutschlands (2008, 2010, 2010, 2011)
  • Die besten Party-Hits (2007, 2007, 2008, 2008, 2009, 2009, 2010, 2011, 2011)
  • Die beliebtesten Eisenbahnen (2007, 2007, 2008, 2008, 2012, 2012)
  • Die größten Fußballer aller Zeiten (2008, 2008, 2008, 2008, 2009, 2009, 2011)
  • Die berühmtesten Zitate (2008, 2009, 2010, 2011, 2011, 2012)
  • Die schönsten Schiffe Norddeutschlands (2008, 2009, 2010, 2011, 2012)
  • Die größten Fußballpannen (2008, 2008, 2008, 2008, 2009, 2011)
  • Die verrücktesten Spektakel Norddeutschlands (2008)
  • Die schönsten Schmuse-Songs (2008, 2009, 2009, 2010, 2010, 2011)
  • Die schönsten Tierparks Norddeutschlands (2009, 2009, 2009, 2009)
  • Die beliebtesten norddeutschen Schauspieler (2008, 2009, 2009)
  • Die größten Schlagzeilen der Politik (2009, 2010, 2011)
  • Die beliebtesten Kult-Schlager (2009, 2009, 2010, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2013, 2014)
  • Die schönsten Fußballgeschichten (2009, 2009, 2011)
  • Die beliebtesten Sehenswürdigkeiten Norddeutschlands (2009, 2010, 2010)
  • Die besten Witze aus der DDR (2009, 2009, 2011)
  • Die schönsten Märchen (2009, 2010)
  • Die besten Sportler des Nordens (2009, 2010)
  • Die beliebtesten Sketch-Klassiker (2009, 2009, 2010, 2010, 2011, 2011, 2012, 2012)
  • Die schönsten Weihnachtslieder des Nordens (2008, 2009, 2010, 2010, 2010, 2011, 2011, 2012, 2013, 2013, 2013)
  • Die bedeutendsten Norddeutschen (2010, 2011, 2011, 2013, 2014)
  • Die besten Witze des Nordens (2010, 2011, 2011, 2012, 2013)
  • Die schönsten Bauernhöfe des Nordens (2010, 2010, 2011, 2011, 2011, 2011, 2011, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Meisterwerke im Norden (2010)
  • Die schönsten Evergreens des Nordens (2011, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Gerichte des Nordens (2010, 2010, 2010, 2011, 2012, 2013)
  • Die schönsten Inseln Norddeutschlands (2010, 2011, 2011, 2011, 2011, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • So plietsch ist der Norden – Die größten Erfindungen (2010, 2010, 2011)
  • Die schönsten Ohnsorg-Momente (2010, 2010, 2011, 2012, 2013)
  • Die beliebtesten Fernsehpaare (2010, 2010, 2011, 2011, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Tiere Norddeutschlands (2010, 2010, 2011, 2011, 2011, 2012, 2013)
  • Legendäre Talkshow- und Interviewmomente (2011, 2011, 2011, 2011, 2014)
  • Die schönsten Schlösser Norddeutschlands (2012, 2012, 2012, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Party-Hits (2012, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten norddeutschen Pop-Musiker (2013, 2013, 2014)
  • Die schönsten Flüsse Norddeutschlands (2013, 2013, 2013, 2013, 2013, 2014)
  • Die erstaunlichsten Dörfer Norddeutschlands (2012, 2012, 2012, 2012, 2012, 2013, 2013, 2013, 2014)
  • Die spannendsten Seen Norddeutschlands (2012, 2012, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Motorräder Norddeutschlands (2008, 2008, 2011, 2011)
  • Die schönsten Naturparadiese des Nordens (2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2013, 2013, 2014, 2014, 2014)
  • Die schönsten Gärten und Parks des Nordens (2013, 2014, 2014, 2014)
  • Die schönsten Werbeklassiker (2013, 2013)
  • 50 Jahre Bundesliga im Norden (2013, 2013, 2014)
  • Die schönsten Wälder des Nordens (2013, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Oldtimer (2014)
  • Die größten Designsünden (2012, 2013, 2013, 2013, 2014)
  • 50 Dinge, die ein Norddeutscher getan haben muss (2011, 2012, 2013, 2013, 2013)
  • Die 30 legendärsten Fernsehshows (2013)
  • Die legendärsten Sex-Affären (2013, 2013)
  • Die legendärsten Rücktritte (2011)
  • Die schönsten Mühlen des Nordens (2013, 2013)

Man könnte angesichts dessen schon zu dem Schluss kommen, dass da im Dritten Programm des NDR noch etwas ganz anderes schief gelaufen ist, als dass der Rhododendronpark Ammerland um seinen Platz als zehntschönster Garten oder Park Norddeutschlands gebracht wurde, weil es angeblich von ihm nicht so gutes Bildmaterial gab wie von Planten un Blomen. Könnte man. Ist der NDR aber nicht.

Er hat nun „vorläufige Regeln für den redaktionellen Umgang mit Listing-Formaten“ veröffentlicht, in denen es unter anderem heißt:

Auswahllisten der Redaktionen müssen bereits mit Blick auf Lizenzfragen und Materiallage vor Veröffentlichung geprüft sein, um nachträgliche Änderungsnotwendigkeiten zu minimieren. Wiederholungsrechte werden bei der Prüfung berücksichtigt.

Im Zweifel werden die Rhododendrongärten Ammerlands also gar nicht mehr zur Auswahl stehen, um von ein paar Dutzend Teilnehmern in die Top Ten gewählt werden zu können.

Der NDR stellt sich seinen Zuschauern: „Da könn’Se aber mal applaudieren!“

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich viele lästige Fragen anhören in diesen Tagen. Fragen wie: Warum seid ihr so gut? Wie schafft ihr es, so unfassbar gut zu sein? Und: Ist es euch nicht schon peinlich, wie gut ihr seid?

Glücklicherweise hat der Norddeutsche Rundfunk ein Forum, um sich solchen Fragen zu stellen: die Sendung „Unser NDR – Reden wir drüber.“ Auf dem „Landpartie“-Fest in Worpswede standen die Verantwortlichen des Senders vor zwei Wochen Rede und Antwort.


von rechts: Bettina Tietjen, „der XXL-Ostfriese“, Pferd, NDR-Intendant Lutz Marmor

Die erste Frage, die der NDR ausgewählt und vorher aufgezeichnet hat, kommt von Bernd und Swaantje Reimers (die der NDR „Reime“ nennt) aus Himmelpforten und lautet so:

„Es passiert so viel in der Welt. Und der NDR deckt auch unheimlich viel auf. Woher bekommt der NDR eigentlich die Informationen, so zum Beispiel den Fall Snowden, so etwas aufzudecken? Der Weihnachtsmann aus unserem Ort, der weiß natürlich vieles. Aber wo bekommt der NDR halt diese Informationen her? Das würde mich halt sehr interessieren.“

„Ja“, flötet Moderatorin Bettina Tietjen, „die Frage gebe ich gleich mal weiter an Anja Reschke“, und gibt sie weiter an Anja Reschke, die dann bestätigt, dass es der Weihnachtsmann meistens eher nicht ist.

Tietjen nutzt die Gelegenheit, dass NDR-Intendant Lutz Marmor höchstselbst nach Walsrode Worpswede gekommen war, um bei ihm direkt nachzufragen:

„Macht Sie das auch ein bisschen stolz, dass sie so ein exzellentes Recherche-Team da am Start haben?“

Marmor kann ihr das bestätigten, aber Tietjen hakt sicherheitshalber nochmal beim Hörfunkdirektor des Senders nach:

„Und Joachim Knuth, der Hörfunk spielt da ja auch ’ne ganz, ganz wichtige Rolle, bei diesen Recherchen.“

Knuth bestätigt ihr, dies sei in der Tat der Fall.

Bettina Tietjen erklärt nun, wie „hip“ der NDR ist:

„Sie können die Sendung zum einen auf ndr.de live verfolgen; Sie können auf Facebook, Twitter oder per E-Mail Ihre Fragen in die Live-Sendung reingeben. Das zeigt doch, wie hip wir sind vom NDR. Immer auf der Höhe der Zeit. Ganz dicht dran an diesen Kommunikationsmitteln, die jungen Leuten ja so wichtig sind. Denn dieser Dialog, der ständige Dialog mit den Zuhörern und den Zuschauern, der liegt uns vom NDR sehr am Herzen.“

Ein junger Mann hat vorab freundlich-zweifelnd in die Kamera formuliert, ob der NDR nicht vielleicht ein bisschen mehr für seine Generation machen könnte, nicht nur so punktuell. Bettina Tietjen gibt die Frage weiter an den Intendanten, nicht ohne sicherheitshalber auch den winzigen Hauch Restschärfe vorher komplett zu herauszufiltern:

„Ist ja schon jung, unser Programm, aber manchen noch nicht jung genug.“

Ja, hey, gut 60 Jahre Altersdurchschnitt beim NDR-Fernsehen, viel jünger kann man sich so ein Programm ja kaum vorstellen.

Lutz Marmor dreht aus der Vorlage die Aufforderung an die Politiker, den Sendern den Auftrag zu geben, einen Jugendkanal zu machen, „das ist ein Appell an die Länder, das können wir selbst nicht machen“.

NDR-2-Moderatorin Elke Wiswedel hat derweil mit den Besuchern vor Ort gesprochen und muss erstmal etwas sagen:

Was ich sagen muss: Ganz viel Lob gibt’s hier aus dem Publikum für den NDR-Hörfunk und das NDR-Fernsehen.

Sie hat aber doch eine Besucherin mit einer kritischen Frage gefunden: Warum ist die Sendung „Mein Nachmittag“ am Nachmittag nicht länger?

NDR-Niedersachsen-Moderatorin Tina Zemmerich stellt eine Frau vor, die „ganz großer NDR-Fan“ sei, sich aber beschweren müsse: Sie komme beim Bingo nie durch. Der Intendant will sich darum mal kümmern.

Elaiza sind zu Gast und singen zwei ihrer Lieder, und für einen winzigen Moment sieht es so aus, als wollte Bettina Tiejen die Gruppe loben. Aber was ist schon das Talent solche Künstler gegen die Leistung des NDR?

„Dass Elaiza, dass diese tolle Band, die wirklich vorher keiner kannte, also jedenfalls die breite Masse nicht, dass die es geschafft haben, dank! — dank! — unserer, dem NDR, dass wir so weit vorne sind mit den sozialen Netzwerken, dass wir es geschafft haben — per YouTube! — diese Mädels ganz nach oben zu holen, das ist doch ne dolle Leistung, oder?“

Lutz Marmor merkt kurz was und widerspricht, mit Geste zu den Künstlerinnen: „Das ist vor allem ihre Leistung.“ Naja, pfff.

Zurück zu Elke Wiswedel ins Publikum, die dort den Auftrag hat, Fragen einzusammeln, aber schon wieder erstmal was sagen muss:

„Ich muss sagen, ich hab vor allem ganz viel Lob. Ich lauf‘ rum und sage: Habt ihr ne Frage? Und die Leute sagen: ‚Wir finden alles ganz großartig!'“

Es finden sich, über voraufgezeichnete Einspielfilme, aber dann doch eine Reihe kritischer Fragen: Warum öffentlich-rechtliche Inhalte im Netz nach einiger Zeit depubliziert werden müssen (aber dafür kann der NDR ja nichts), warum auch Radiohörer den ganzen Rundfunkbeitrag zahlen müssen (aber dafür kann der NDR ja nichts) und warum das NDR-Fernsehen nicht mehr in Bayern zu empfangen ist (aber dafür kann der NDR ja nichts).

Die Redaktion hat für die Sendung eine Frau ausgewählt, die in die Kamera sagt, dass sie morgens gerne Regionales im Radio hört. Sie hat zwar keine Frage, aber Bettina Tietjen improvisiert einfach eine:

Die einen haben gerne Internationales zum Frühstück, die anderen haben lieber Regionales zum Frühstück. Wie teilen Sie das auf? Sie müssen ja alles abdecken.

Das ist das Stichwort für Arno Beyer, den Chef des Landesfunkhauses Hannover, der für diesen Posten offenbar eine vielversprechende Karriere auf dem Fischmarkt, in der Fußgängerzone oder in einem Shopping-Sender aufgegeben hat:

Das versuchen wir möglichst vernünftig aufzuteilen. (…) Wir haben eine Menge Fans. Denn zwei Millionen Menschen schalten täglich morgens NDR 1 Niedersachsen ein, weil sie wissen, sie bekommen: Alles aus der weiten Welt. Alles aus Deutschland. Alles aus Niedersachsen. Und! Vor allen Dingen: alles aus Ihrer Region. 7:30 Uhr, 8:30 Uhr, für Worpswede, zuständig das Studio Oldenburg, wenn die nicht ausreichen noch das Studio Lüneburg, dann haben wir noch unseren Korrespondenten in Otterndorf bei Cuxhaven, und! Wir! Haben! Eine! Korrespondentin! Für! Verden! Das alles für Worpswede und umzu!

An dieser Stelle dreht sich Bettina Tietjen zum Publikum und ruft:

„Da könn’Se aber mal applaudieren, oder?“

Das Publikum applaudiert.

Die aufgezeichnete Frage von Imke Wemken aus Emden hat es auch in die Sendung geschafft. Sie lautet:

Wir fragen uns: Wie findet der NDR immer diese tollen, spannenden Themen aus den Regionen?

Später findet Bettina Tietjen noch Gelegenheit, den überraschenden Satz in der Sendung unterzubringen: „In Sachen Unterhaltung macht uns beim NDR keiner was vor.“

Ungefähr an dieser Stelle entwickelte ich den dringenden Wunsch, dass alle NDR-Verantwortlichen nach dem ganzen Geklopfe wenigstens wochenlang schlimme Hämatome an den Schultern von dieser Sendung zurückbehalten mögen.

Es wäre ein schwacher Trost, aber worauf soll man sonst hoffen? Einsicht?

Ich habe die einstündige Sendung, die sicher unter dem Arbeitstitel entwickelt wurde: „Der NDR ist das Tollste, was es überhaupt gibt auf der Welt“, zufällig und etwas verspätet entdeckt, als ich für die FAZ über die zweite Ausgabe des „WDR-Check“ schrieb, in dem sich Intendant Tom Buhrow den Fragen des Publikums stellt. Auch die WDR-Sendung ist einigermaßen harmlos, überwiegend läppisch und sichtlich nur daran interessiert, den Eindruck einer kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Programm zu erwecken. Aber immerhin hat der WDR gemerkt, dass es eine gute Idee ist, diesen Eindruck zu erwecken.

Der NDR verfilmt stattdessen original, wie eine Eigen-Propagandasendung des DDR-Staats-Fernsehens aussehen würde, wenn es das heute noch gäbe.

ARD fordert Respekt und Toleranz auch für deutsche Grand-Prix-Juroren

„Nie wieder mach ich sowas mit, ehrlich“, twitterte Madeline Juno gestern. Den Tweet hat sie inzwischen gelöscht, aber ihre Verzweiflung scheint sich nicht gelegt zu haben.

Die achtzehnjährige Sängerin war eine von fünf deutschen Juroren beim Eurovision Song Contest (ESC). Weil sie die Siegerin Conchita Wurst, wie die andern deutschen Juroren, nur auf einen Platz im Mittelfeld gesetzt hatte, wird sie in den sozialen Netzwerken von einigen wüst beschimpft.

Das ist übel und dumm.

Juno hatte die Sache aber noch verschlimmert, indem sie so tat, als sei sie eigentlich Conchita Wursts größter Fan und hätte Österreich unter die Top 5 gewählt. Das ließ sich aufgrund der in diesem Jahr erstmals veröffentlichten Einzelstimmen der Juroren leicht widerlegen.

Diese Transparenz hat weitreichende Folgen, nicht nur für Madeline Juno.

Der ARD-Unterhaltungskoordinator und deutsche Grand-Prix-Teamchef Thomas Schreiber sagte auf Anfrage, er sei als Mitglied der „Reference Group“ des ESC mit der Eurovision im Gespräch, „wie ein respektvollerer Umgang der Fans mit abweichender Meinung mit der Jury unterstützt werden kann“:

Die Art und Weise, wie in sozialen Netzwerken sowohl die Siegerin Conchita Wurst als auch unter anderem deutsche Jurymitglieder behandelt werden, ist nicht akzeptabel. Eine Drohung bei Facebook gegen die ESC-Gewinnerin ist ebenso wenig hinzunehmen wie das unflätige Beschimpfen der deutschen Jurymitglieder für ihre Wahl. Alle Jurymitglieder sind, unabhängig vom Lebensalter, Größen in der deutschen Popmusik und können erwarten, für ihr Urteil mit einem Mindestmaß an Respekt und Anstand behandelt zu werden. Wenn der Sieg von Conchita Wurst als ein Zeichen der Toleranz in Europa betrachtet wird, ist es eine Selbstverständlichkeit, dem Urteil der „music industry professionals“ dieselbe Toleranz entgegenzubringen.

Die Entscheidung, im Sinne der Transparenz alle Abstimmungsergebnisse zu veröffentlichen, hält Schreiber nach wie vor für richtig.

Die Ausfälle und Anfeindungen stellen auch deshalb ein Problem für ihn dar, weil sie zukünftige Kandidaten für die Jury abschrecken. Schon in diesem Jahr soll es schwer gewesen sein, bekannte Künstler für diese Aufgabe zu finden.

Nach eigenen Angaben entscheidet Schreiber „natürlich nicht“ allein über die Zusammensetzung der Jury, die ja erheblichen Einfluss auf das Ergebnis hat. Ein rund fünfköpfiges NDR-Team plus Schreiber stelle die Jury zusammen und rede dafür mit Künstlern, Managements, Labeln, Rechtsanwälten. Schreiber:

Der Aufwand für die Zusammenstellung der Jury wird von außen vermutlich unterschätzt. Mitunter dauert es von der ersten Anfrage bis zur Jurytätigkeit zwei Jahre. Ein Grund für die Zurückhaltung von „music industry professionals“ ist unter anderem die öffentliche Reaktion auf Juryentscheidungen (siehe Deutscher Vorentscheid 2013, siehe soziale Netzwerke 2014).

Trotz dieses angeblichen Aufwandes ist es der ARD nicht gelungen, eine Jury zusammenzustellen, die eine der Anforderungen der Eurovision erfüllt: ein breites Altersspektrum abzudecken. Die vom NDR ausgesuchten Vertreter waren alle zwischen 18 und 35 Jahre alt. „Ältere von uns angesprochene Künstler standen dieses Jahr leider nicht zur Verfügung“, sagte Schreiber vor dem Wettbewerb, „wir haben es aber natürlich versucht.“

Mangelnde Vielfalt bei der Zusammensetzung wäre auch eine Erklärung dafür, warum sich die deutschen Juroren teilweise erstaunlich einig waren in ihrem Abstimmungsverhalten. Trotzdem ist es verblüffend, dass zufällig alle fünf vermeintlich unabhängig voneinander zu dem Urteil gekommen sind, Dänemark (!) auf den ersten Platz zu setzen.

Angeblich hatten die Juroren keine Möglichkeit, sich abzusprechen. Schreiber:

Die Jurysitzungen finden alle unter notarieller Aufsicht statt, Handys sind abzugeben etc. Ein Austausch der Juroren untereinander findet während der Sendung und der anschließenden Abstimmung nicht statt. In einem runden Drittel der Länder wird die Jurysitzungen zusätzlich von PWC-Mitarbeitern stichprobenartig beobachtet.

Der Auftritt Dänemarks in der zweiten Generalprobe, auf deren Grundlage die Juroren urteilen, soll besonders gut gewesen sein (auch wenn er eine so durchschlagende Wirkung nur auf die deutsche Jury hatte). Das zeigt aber ein weiteres Problem mit dem Abstimmungsprozedere: Wenn die Juroren eine andere Show bewerten als jene, die die Zuschauer sehen, ist ihr Votum auch deshalb für die Öffentlichkeit schwer nachvollziehbar. Nach den Worten Schreibers lässt sich das aber nicht ändern, da das Juryvotum das Backup für den Fall darstellt, dass aus technischen Gründen kein valides Telefonvoting zustande kommt.

Wie es klingt, wenn ein Politiker einen ARD-Intendanten um etwas „bittet“

Der niedersächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel sagt, er habe den NDR-Intendanten Lutz Marmor „gebeten“, einen Ausgleich für die Dokumentation zu schaffen, die das NDR-Fernsehen über seinen SPD-Gegenkandidaten gezeigt hat. (Der NDR-Programmdirektor Frank Beckmann ließ die Sendung daraufhin, wie berichtet, aus der Mediathek und von Videoplattformen entfernen.) Mit einer „Bitte“ ist das Fax, das Grindel an Marmor schickte, aber unzureichend beschrieben. Er „erwarte“ einen schnellstmöglichen Ausgleich, schrieb Grindel und stellte fest: „Dass ich Anspruch auf einen solchen Ausgleich habe, kann zwischen uns nicht strittig sein.“

Grindel protestierte nicht nur gegen die mangelnde „Ausgewogenheit“ kurz vor der Wahl, sondern kritisierte den Film auch inhaltlich. Dass die Reportage inhaltliche Mängel habe, könne er „als langjähriger ZDF-Fernsehjournalist nun wirklich beurteilen“. Unverständlich scheint ihm auch zu sein, wie man auf die Idee kommen könnte, Klingbeil zu porträtieren, wenn er, Grindel, doch ein viel besserer Abgeordneter ist.

Das Schreiben vom 2. September im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Marmor,

als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Rotenburg I/Heidekreis habe ich mit großer Empörung den Beitrag im Rahmen Ihrer Reportagereihe „7 Tage“ gesehen, in dem der über die Landesliste in den Deutschen Bundestag gerückte Abgeordnete Lars Klingbeil porträtiert wurde, der sich in meinem Wahlkreis um das Direktmandat bemüht. Eine solche Reportage drei Wochen vor einer Bundestagswahl ist ein massiver Eingriff in die Chancengleichheit von Wahlkreiskandidaten und stellt einen Verstoß gegen fundamentale Grundsätze einer ausgewogenen Berichterstattung dar. Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich dieses Reportageformat nicht auch mit zwei Abgeordneten und deren parlamentarischen Alltag hätte beschäftigen können, zumal der halbstündige Beitrag selbst in keiner Weise geeignet ist, die tatsächliche Arbeit eines Bundestagsabgeordneten widerzuspiegeln. Diese Reportage zeichnet ein Zerrbild des Abgeordnetenalltags, ergeht sich in Belanglosigkeiten und hat erhebliche handwerkliche Mängel, was ich als langjähriger ZDF-Fernsehjournalist nun wirklich beurteilen kann.

Der Höhepunkt eines Abgeordnetenlebens ist nicht die Vier-Minuten-Rede zu später Stunde, bei der das ganze Büro — die wahren Autoren des Redetextes — mit Herzklopfen vor dem Bildschirm des Parlamentsfernsehers sitzen. Der wahre Alltag eines Bundestagsabgeordneten wird geprägt von der Arbeit an den Gesetzen und dem Einsatz für Projekte aus dem Wahlkreis. Es gibt auch Abgeordnete, die ihre Reden und Pressemitteilungen selbst schreiben. Ich gehöre dazu. Die Darstellung der Arbeit zweier Abgeordneter hätte sich auch deswegen aufgedrängt, weil es Ihnen doch wohl sehr nachvollziehbar sein muss, dass sich der Alltag der Arbeit eines Abgeordneten einer Regierungsfraktion fundamental von der eines Abgeordneten der Opposition unterscheidet.

Aus dem Film wird nicht ersichtlich, weshalb die Auswahl der Autoren, wen man begleitet, gerade auf den Abgeordneten Klingbeil fiel. Ich will nur hoffen, dass dafür nicht sehr persönliche Motive und Verbindungen eine Rolle gespielt haben.

Insgesamt bleibt es aber dabei, dass das NDR Fernsehen mich mit diesem Beitrag in meinem [sic] Rechten grob pflichtwidrig verletzt und auf den Ausgang der Wahl in meinem Wahlkreis in erheblichem Umfang Einfluss genommen hat.

Ich erwarte deshalb von Ihnen, dass das NDR Fernsehen sehr zeitnah in geeigneter Weise für einen Ausgleich sorgt, der die Chancengleichheit in meinem Wahlkreis zumindest ansatzweise wiederherstellt. Dass ich Anspruch auf einen solchen Ausgleich habe, kann zwischen uns nicht strittig sein. Ich überlasse es Ihrer journalistischen Entscheidung, in welcher Weise Sie die Sache zumindest einigermaßen wieder in Ordnung bringen. Dazu bitte ich noch heute um Ihre Rücksprache.

Mit freundlichen Grüßen

(Vor- bzw. Nach-Geschichte hier.)

NDR löscht nach Protest von CDU-Politiker Dokumentation über SPD-Politiker

Der NDR hat eine Dokumentation über den Alltag eines SPD-Bundestagsabgeordneten von seinen Internetseiten und YouTube entfernt, weil sich dessen CDU-Konkurrent darüber beschwert hat.

Eine Woche lang hatten Tobias Lickes und Felix Meschede den niedersächsischen SPD-Abgeordneten Lars Klingbeil für die junge Dokumentarfilmreihe „7 Tage“ begleitet. Sie zeigen, was im Politbetrieb passiert, wenn die Kameras sonst nicht dabei sind: die unglamouröse und unspektakuläre Arbeit der Mitarbeiter in einem Abgeordnetenbüro.

„7 Tage … im Bundestag“ lief am 1. September um 15 Uhr im NDR-Fernsehen; die Sendung hatte 200.000 Zuschauer.

Nach der Ausstrahlung beschwerte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel beim NDR in offenbar heftiger Form über den Film. Grindel und Klingbeil treten als Direktkandidaten im Wahlkreis Rotenburg I / Heidekreis gegeneinander an.

Frank Beckmann, Programmdirektor NDR-Fernsehen, ließ den Film daraufhin vorerst bis zur Bundestagswahl vom Netz nehmen — „um jeglichen Anschein einer Parteinahme zugunsten eines der beiden Abgeordneten zu vermeiden“, wie der NDR mir auf Anfrage mitteilte.

„Aus Gründen der Fairness“ bat der Sender Grindel, im Gegenzug von seiner Internetseite die Links zu NDR-Sendungen zu entfernen, in denen er porträtiert wird. Offenbar geht es neben einem „Zapp“-Beitrag um ein Portrait von NDR 1 Niedersachsen. Dies sei inzwischen geschehen, meint der NDR (hat das aber anscheinend nicht gründlich überprüft).

Anscheinend war es für den NDR auch ein Problem, dass Klingbeil im Internet auf den Film über ihn und seine Arbeit hingewiesen hatte.

Und wir lernen: Es ist zwar problemlos möglich, ohne Rückgrat Programmdirektor beim NDR zu werden, erschwert aber gelegentlich dann doch die praktische Arbeit. Die Dokumentation spielt eigentlich bewusst nicht im Wahlkampf und wirbt eher für die Demokratie an sich als für den konkreten Kandidaten. Natürlich kann man solche Filme kurz vor einer Wahl aus dem Fernsehen verbannen. Aber wenn man sich dafür entschieden hat, sie auszustrahlen, ist die Beschwerde eines anderen Politikers ein miserabler Grund, nachträglich umzufallen.

Nachtrag, 11. September. Die „Böhme-Zeitung“ berichtet, dass Grindel in seinem Protestschreiben an den NDR gefordert hatte, dass er „sehr zeitnah“ auch so eine Sendung bekommt. „Mein Begehr war es, einen adäquaten Beitrag im NDR-Fernsehen zu bekommen“, zitiert das Blatt den CDU-Politiker. Der NDR habe das jedoch unter anderem mit Hinweis auf die niedrige Zuschauerzahl der Sendung abgelehnt: Bei 200.000 Zuschauern sei von keiner maßgeblichen Beeinflussung durch die Sendung auszugehen.

Grindel stufe den Vorgang als schwerwiegend ein, schreibt die „Böhme-Zeitung“ weiter. Das NDR-Fernsehen habe ihn mit diesem Beitrag in seinen Rechten grob pflichtwidrig verletzt und auf den Ausgang der Wahl in seinem Wahlkreis in erheblichem Umfang Einfluss genommen.

Die „Walsroder Zeitung“ zitiert Grindel, der früher als Journalist beim ZDF gearbeitet hat, mit den Worten: „Wenn dieser Beitrag mitten in der Wahlperiode gelaufen wäre, hätte ich nichts gesagt. Aber so kurz vor den Wahlen muss man ja wohl von einem öffentlich-rechtlichen Sender wie dem NDR politische Ausgewogenheit erwarten können.“

Neue „Tatortreiniger“-Folgen: Der NDR hat schon Geschenke für Weihnachten


Dreharbeiten zur Folge „Auftrag aus dem Jenseits“: Regisseur Arne Feldhusen, Heiko Schotte (Bjarne Mädel), Kameramann Kristian Leschner (von links). Foto: NDR.

Es sind zwei neue Folgen vom „Tatortreiniger“ fertig, und sie sind sehr fein geworden. Aber im Fernsehen werden sie vorerst nicht zu sehen sein. Gestern konnte man sie sich in vielen Städten im Kino ansehen, und in ein paar Wochen sind sie auch auf DVD erhältlich. Aber der NDR, der sie in Auftrag gegeben hat, meint, im regulären Programm nach wie vor keinen Platz für seine preisgekrönte Serie zu haben.

Die fertigen neuen Folgen werden deshalb erst wieder im sogenannten „Weihnachtssonderprogramm“ im NDR-Fernsehen laufen, also grob in der ersten Woche des Jahres 2014. In dieser Weinachtsferienzeit bricht der Sender traditionell vorübergehend seinen Programmschemabeton auf und wagt das Unglaubliche: Er zeigt an einem Mittwochabend um 22 Uhr etwas anderes als eine Wiederholung des „Großstadtreviers“. (Morgen läuft zum insgesamt sechsten Mal die Folge 188 aus dem Jahr 2003.)

Ja: Wenn es dem deutschen Fernsehen schon mal gelingt, herausragende Serien zu produzieren, findet es dafür angeblich keinen Platz in seinem Programm. Die zweite Staffel der ebenfalls preisgekrönten DDR-Serie „Weissensee“ ist seit dem Sommer vergangenen Jahres fertig und wartet darauf, dass das Erste irgendwann damit aufhört, am Dienstag um 20:15 Uhr „Um Himmels Willen“ und „Tierärztin Dr. Mertens“ zu zeigen. Im September soll es endlich soweit sein – das ist dann knapp drei Jahre nach dem Ende der ersten Staffel. Auch die „Weissensee“ ist nun immerhin von der Produktionsfirma Ziegler Film vorab auf DVD veröffentlicht worden.

Man mag sich nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn der NDR aufhörte, in seinem Programm nach einem Sendeplatz für den „Tatortreiniger“ zu „suchen“ und stattdessen einen schafft. Und dann umgekehrt nach Programmen suchen könnte, die dort auch hinpassen würden: Feine amerikanische Serien zum Beispiel, für die die ARD die Rechte hat, wie „Taras Welten“ (Erstausstrahlung war 2011 auf dem damaligen US-Serienplatz der ARD: Freitagsmorgens nach 2 Uhr.)

Und dann, womöglich, sogar gezielt Programme für einen solchen Sendeplatz in Auftrag zu geben: Kleine, besondere, humorvolle, genau beobachtete, liebevoll gemachte deutsche Serien, nicht zu teuer, die nicht unbedingt ein Viele-Millionen-Publikum ansprechen, aber eine treue Fangemeinde glücklich machen. Sowas wie den „Tatortreiniger“, bestenfalls.

In „Auftrag aus dem Jenseits“ trifft Bjarne Mädel als Schotty in einem heruntergekommenen, abgelegenen, alten Haus eine andere Art von „Tatortreiniger“: einen Schamanen, der der Seele des dort umgekommenen Obdachlosen helfen will, den Ort zu verlassen. Der bodenständige Schotty glaubt natürlich nicht an so einen ebenso okkulten wie geschäftsträchtigen Hokuspokus, aber dann entdeckt der Schamane mit seinen guten Verbindungen ins Jenseits einen erstaunlichen Zusammenhang zwischen ihm und dem Toten. Die Geschichte lebt vom wunderbar irre spielenden Milan Peschel und balanciert auf den Klischees — gerade, wenn es abgeschmackt werden könnte, nimmt sie einen unerwarteten Abzweig zurück in die schnöde Realität und auf den Boden der billigen Komik.

„Angehörige“ schafft einen ähnlichen Balanceakt zwischen Pathos und Witz. Hier landet Schotty in der Wohnung eines Verstorbenen, der nach vielen Jahren als vermeintlich heterosexueller Familienvater sein Coming-Out hatte. Sein bester schwuler Freund Fanny Fee (Florian Lukas) will nun die Leiche entführen, um ihm ein angemessen schwules Begräbnis zu verschaffen — im Kreise seiner wahren Familie, wie er sagt.

Durch einige sehr aberwitzige Zufälle sind Schotty und die Tunte dann in einer telefonzellengroßen Kiste gefangen — schätzungsweise die Hälfte der Folge spielt auf diesem engsten Raum, ein grandioses Kammerspiel in einem Kammerspiel.

Aus dem Aufeinandertreffen (und -liegen) von Schotty mit Fanny entwickeln sich einige erstaunlich tiefgründige Gespräche über Identität und Glück. Und immer, wenn die Geschichte gerade allzu moralisch zu werden scheint, schlägt die Handlung einen Haken zur Comedy und umgekehrt.

Christian Granderath, der zuständige Fernsehspielchef des NDR, ist sehr zufrieden damit. Und so sieht es danach aus, dass der Sender weitere Folgen in Auftrag gibt, auch ohne Sendeplatz. Granderath bestätigt die Absicht, diesmal sogar gleich sechs weitere Ausgaben zu bestellen – das wären die Folgen 10 bis 15. Drehstart könnte im Oktober sein, deutete Regisseur Arne Feldhusen gestern im Kino an. (Mit einer Ausstrahlung würde man dann vermutlich ungefähr im Januar 2015 rechnen können, nehme ich an, Weihnachtssonderprogramm, Sie wissen schon.)

Katja Riemann verursacht Auflaufunfall auf dem roten Sofa

Der NDR-Moderator Hinnerk Baumgarten hat viel gelernt, gestern bei der Arbeit. Er hat gelernt, dass Schauspieler ihre Haarfarbe und Frisur und damit ihren ganzen Typ verändern können, indem sie sich eine Perücke aufsetzen. Er hat gelernt, dass nicht jeder Gast, der sich aus PR-Gründen neben ihn aufs rote Sofa setzt, gleichermaßen willig und geeignet ist für diese Art Scheinunterhaltung in der Vorabendhölle des deutschen Fernsehens. Und vor allem hat er gelernt, dass nichts mehr hilft, wenn ein Gespräch erst einmal so entglitten ist, dass das Gegenüber mit verschränkten Armen dasitzt und nur noch zwischen Hass und amüsiertem Unglauben schwankt — nicht einmal plumpe Schleimerei, ganz besonders nicht plumpe Schleimerei.

Katja Riemann war zu Gast bei „Das!“.

Den Gedanken, dass sie im falschen Film ist, scheint sie erstmals nach ziemlich genau sechs Sekunden zu haben. Danach sinkt ihre Mitmachbereitschaft von fast gar nicht in den negativen Bereich.

Es ist ein grandioser, klassischer Zusammenstoß zwischen einer schwierigen Schauspielerin und einem überforderten Sachenwegmoderierer. Halb lustvoll, halb verzweifelt lässt sie ihn auflaufen, während er immer hilf- und hoffnungsloser in seinem Repertoire aus Floskeln und Standardsituationen kramt.

Im Original entwickelt sich das über 45 Minuten mit der verstörenden Faszination eines grausamen Autounfalls in Zeitlupe: Man will nicht hinsehen, aber weggucken geht erst recht nicht.

Es ist mir nicht gelungen, das auf weniger als elf Minuten zu kondensieren. Andererseits lebt es auch gerade von der Schrecklichkeit der Länge. Aber denken Sie daran, zwischendurch den Mund wieder zuzumachen.